Sammelstelle für Gedrucktes (48)

Nicht nur die AfD hält im Juni einen bedeutenden Parteitag ab. Auch die Linkspartei, noch zerrissener als ihre patriotische Konkurrenz, tagt bald.

Benedikt Kaiser

Benedikt Kaiser ist Politikwissenschaftler und arbeitet als Verlagslektor.

Nun sorgt auch noch eine Stu­die für neue Dis­kus­sio­nen inner­halb der Mosa­ik-Lin­ken und ihrer Wahl­par­tei Die Linke.

Über­schrie­ben ist sie mit dem Titel »Eine Par­tei mit Zukunft: Die Lin­ke«. Mario Cand­ei­as, Direk­tor des Insti­tuts für Gesell­schafts­ana­ly­se der par­tei­na­hen Rosa-Luxem­burg-Stif­tung, ana­ly­siert dar­in das aktu­el­le Wählerpotential.

Zur Erin­ne­rung: Die Lin­ke ist nur im Bun­des­tag, weil sie drei Direkt­man­da­te in Leip­zig (1 x) und Ber­lin (2 x) erzie­len konn­te. Obwohl sie im Bun­des­schnitt unter fünf Pro­zent blieb, konn­te sie dank der Direkt­man­dats­son­der­re­ge­lung in Frak­ti­ons­stär­ke ein­zie­hen. Danach folg­ten Wahl­schlap­pen im Saar­land, in Schles­wig-Hol­stein und zuletzt in Nordrhein-Westfalen.

Par­al­lel erschüt­ter­te eine »Me-Too«-Kampagne die selbst­er­nann­te »femi­nis­ti­sche« Par­tei. Der Ukrai­ne-Kon­flikt warf die par­tei­in­tern heik­le NATO-Fra­ge auf. Und im Juni wählt man einen neu­en Bun­des­vor­stand, wobei bereits jetzt Gift­pfeil um Gift­pfeil zwi­schen den mit­un­ter hef­tig ver­fein­de­ten Strö­mun­gen aus­ge­tauscht wird. Kurz gesagt: Die Zei­ten könn­ten wahr­lich bes­ser sein.

Cand­ei­as wer­tet inmit­ten die­ser aku­ten Not­la­ge der Lin­ken reprä­sen­ta­ti­ve Befra­gun­gen aus. Aus rech­ter Sicht sind eini­ge der Ana­ly­sen schon allein des­halb von Inter­es­se, weil sich das real­exis­tie­ren­de Wäh­ler­mi­lieu von AfD und Links­par­tei in wei­ten Tei­len Deutsch­lands ähnelt, in man­chen Regio­nen sogar überschneidet.

Tat­säch­lich kön­nen sich immer noch etwa 18 Pro­zent der Bun­des­deut­schen vor­stel­len, Die Lin­ke zu wäh­len – fast ein Fünf­tel also. Bemer­kens­wert hier­bei, daß die­ses Wäh­ler­po­ten­ti­al nicht nur, wie man vor­ei­lig anneh­men könn­te, in den urba­nen Räu­men wie eben Ber­lin und Leip­zig zu ver­or­ten ist. Die poten­ti­el­len Wäh­ler leben auch in Orten mit 5 000 bis 20 000 Ein­woh­nern (klas­si­sche AfD-Gebiete).

Wenig über­ra­schend:

Ihr höchstes Poten­zi­al hat DIE LINKE wei­ter bei Haus­hal­ten mit nied­ri­gem Ein­kom­men: Bei Haus­hal­ten mit Net­to­mo­nats­ein­kom­men von bis zu 1.500 Euro sind es 22 Pro­zent und bei sol­chen mit Ein­kom­men von bis zu 2.500 Euro 24 Prozent.

Bei höhe­ren Haus­halts­ein­kom­men wäh­len links­ori­en­tier­te Kli­en­tel erfah­rungs­ge­mäß eher die Grü­nen. Von dort kön­nen es sich immer­hin 35 Pro­zent vor­stel­len, Links­par­tei zu wäh­len. Ein Umstand, der ange­sichts des Links­kur­ses der Grü­nen und des grü­nen Kur­ses der Lin­ken nur unter­streicht, wie sich bei­de Par­tei­en auf wesent­li­chen Fel­dern anglei­chen: Die öko­lin­ke bzw. kli­ma­lin­ke Linie kann jedoch einst­wei­len durch die Grü­nen weit­aus erfolg­rei­cher und mas­sen­me­di­al bes­ser ver­mit­telt ver­tre­ten werden. 

Her­vor­zu­he­ben ist hier auch, daß 18 Pro­zent bis­he­ri­ger Nicht­wäh­ler und immer noch 12 Pro­zent der AfD-Wäh­ler poten­ti­el­le Links­wäh­ler sind. Es darf mei­ner­seits gemut­maßt wer­den, daß sich dies in der Per­so­na­lie Sahra Wagen­knecht ver­kör­pert, deren »links­kon­ser­va­ti­ves« Pro­gramm gewis­se Links-Rechts-Wäh­ler­wan­de­run­gen evo­zie­ren könnte. 

Da aber ihr bevor­zug­ter Kan­di­dat, der Leip­zi­ger Sören Pell­mann, kaum Chan­cen hat, zum neu­en Bun­des­vor­sit­zen­den gewählt zu wer­den, ist die Gefahr äußerst gering, daß sich die Links­par­tei stär­ker am Wagen­knecht-Kurs aus­rich­ten wird. 

Im Gegen­teil: Mit Pell­manns Schei­tern dürf­te final ver­bucht wer­den, daß ein links­po­pu­la­rer Kurs der Mar­ke Lafontaine–Wagenknecht–Dagdelen–Pellmann in der par­tei­lin­ken Basis auf maxi­mal ein Drit­tel der Dele­gier­ten­stim­men wird bau­en können. 

Obschon somit die kli­ma- und life­sty­lel­in­ke Trans­for­ma­ti­on der Links­par­tei wei­ter geht, sind die The­men in ihrer Wäh­ler­schaft durch­aus ande­re als CO2 und LGBTQ+-Fetische:

Ins­be­son­de­re die Besei­ti­gung des Pfle­ge­not­stands sticht mit einer Zustim­mung von 43 Pro­zent her­vor (bei den 40- bis 49-Jährigen sogar 70 %), etwas weni­ger Zustim­mung erhält die For­de­rung «Krankenhäuser nur noch gemeinnützig führen» (31 %; in Gemein­den mit bis zu 5.000 Einwohner*innen: 59 %).

Darüber hin­aus ist der Wunsch nach einer Sen­kung der Mie­ten (39 %) von gro­ßer Bedeu­tung eben­so wie die Förderung des öffentlichen Nah­ver­kehrs (39 %; übrigens gleich hoch über alle Siedlungsgrößen, mit 48 % etwas stärker ver­tre­ten in klei­nen Orten mit einer Bevölkerung zwi­schen 5.000 und 20.000) sowie eine garan­tier­te Min­dest­si­che­rung in Höhe von 1.200 Euro pro Monat (36 %).

Bei aller berech­tig­ten Skep­sis gegen­über den Links­par­tei-eige­nen Kli­schee-The­men  wie »Kampf gegen rechts« und LGBTQ-Kult sieht man hier, daß es der wahl­lin­ken Kli­en­tel durch­aus um klas­si­sche Fra­gen sozia­ler Gerech­tig­keit und sozia­ler Sicher­heit geht, die kei­nes­wegs als ideo­lo­gi­sche Schrul­len abge­tan wer­den können.

In Sachen Kli­ma­wan­del trägt Cand­ei­as etwas Nahe­lie­gen­der zusammen:

Die For­de­rung «Kli­ma­wan­del auf­hal­ten» liegt bei Befrag­ten, die in urba­nen Regio­nen mit über 100.000 Einwohner*innen woh­nen (52 %) oder in Ort­schaf­ten mit unter 5.000 Einwohner*innen (49 %), hoch im Kurs, weni­ger in Klein- und Mittelstädten (hier betra­gen die Zustim­mungs­wer­te nur 25 bzw. 27 %).

Die­se Dif­fe­renz liegt wohl auch dar­an, daß sich Men­schen in klei­ne­ren Orten ande­re Sor­gen ums Pen­deln und bezahl­ba­re Sprit­prei­se machen dürf­ten als Bewoh­ner urba­ner Räu­me mit ÖPNV-Rund­um­ver­sor­gung. Auch in der lin­ken Kli­en­tel schlägt damit die an Bedeu­tung zuneh­men­de Dicho­to­mie Zen­trum vs. Peri­phe­rie (Stadt vs. Land) zu.

Die Befra­gung macht deut­lich, daß sich ein Groß­teil der Links­wäh­ler kei­nes­wegs in dog­ma­tisch-links­ra­di­ka­len Ver­blen­dungs­zu­sam­men­hän­gen bewegt.

Ein Zitat aus der offe­nen Befra­gung fasst es fol­gen­der­ma­ßen zusam­men: DIE LINKE ste­he für «eine gerech­te Ver­tei­lung von Steu­ern, Einführung einer Rei­chen­steu­er, die Sche­re zwi­schen Arm und Reich ver­klei­nern und bezahl­ba­ren Wohn­raum schaf­fen». Ande­re gaben an, DIE LINKE wählen zu wol­len, weil sie der Mei­nung sind, «dass wir zu viel Wirtschaftsnähe in Deutsch­land haben».

Man kann die­se Posi­tio­nen ernst neh­men oder nicht, ihnen zustim­men oder nicht – bemer­kens­wert bleibt, daß die­se sozia­len Fra­gen auch im AfD-Wäh­ler­seg­ment den letz­ten empi­ri­schen Erhe­bun­gen zufol­ge eine ähn­lich star­ke Rol­le spie­len (bis auf die Rei­chen­steu­er, von der ich im AfD-Kon­text jeden­falls nir­gends las).

Eben­falls an die AfD erin­nert das Pro­blem­feld der inter­nen Zerrissenheit.

Immer wie­der wird der Zustand der Par­tei kri­ti­siert, der gegen eine Wahl spre­chen würde. Häufig äußern die Befrag­ten Zwei­fel, ob sie beim nächsten Mal wie­der DIE LINKE wählen wer­den, weil die LINKEN «so zer­strit­ten sind». «Zeigt sich die Par­tei wie­der orga­ni­sier­ter, könnte ich mir vor­stel­len, sie wie­der zu wählen.» Auch ande­re gaben an, sie schwank­ten noch. «[DIE LINKE] habe gute Ansätze, aber es schei­tert immer an der Umset­zung – und die inne­re Zer­strit­ten­heit geht gar nicht.»

Die gute Nach­richt bleibt an die­ser Stel­le nicht, daß die AfD im Gegen­satz zur Lin­ken die­ses Pro­blem ein­ge­hegt hät­te, son­dern ledig­lich, daß die Links­par­tei kei­ne Anzei­chen sen­det, daß ihr Bun­des­par­tei­tag an die­ser Zer­strit­ten­heit etwas Sub­stan­ti­el­les ändern wird können.

Ad acta legen soll­te die AfD nicht nur die inter­nen Leaks und Anfein­dun­gen, son­dern auch, hin­sicht­lich ihrer lin­ken Kon­kur­renz, die längst unnüt­ze und wir­kungs­lo­se SED-Keu­le. Tat­säch­lich ist das auch für Nicht­wäh­ler kaum ein Grund, die Lin­ke nicht zu wäh­len – da schla­gen ande­re The­men durch:

Kaum eine Rol­le scheint bei der Ent­schei­dung für eine (Nicht-)Wahl der LINKEN ihre Geschich­te und Her­kunft als Nach­fol­ge­par­tei der PDS bzw. SED zu spie­len: Nur ein­mal wur­de ange­ge­ben, «wegen der DDR und der Mau­er» die Par­tei nicht wählen zu wollen.

Ein­mal, das ist nicht viel.

Bemer­kens­wert ist hin­ge­gen die annä­hern­de Kon­gru­enz, was Ost-West-Wahr­neh­mun­gen der Links- und AfD-Wäh­ler­schaft anbelangt:

Die­je­ni­gen, für die eine Wahl der LINKEN infra­ge kommt, sehen die größten Unter­schie­de zwi­schen Ost- und West­deutsch­land immer noch beim Gefälle von Ren­ten, Ein­kom­men und Vermögen (69 %) sowie bei der Wirt­schafts­kraft (63 %).

Hier unter­schei­den sich die Wahr­neh­mun­gen in Ost und West: Das Gefälle bei Ren­ten, Ein­kom­men und Vermögen erle­ben 94 Pro­zent der Befrag­ten aus dem Osten als (sehr) stark (im Wes­ten sind es ledig­lich 61 %).

Aus AfD-Sicht wird es daher von Bedeu­tung sein, daß die Links­par­tei bei ihrem auch ideo­lo­gi­schen Ver­west­li­chungs­kurs bleibt und nicht auf die (Pellmann-Wagenknecht-)Idee kommt, das alt­be­währ­te Ost-Image für das 21. Jahr­hun­dert fit zu machen. Das wür­de der AfD in ihren Hoch­bur­gen, in den neu­en Bun­des­län­dern also, flä­chen­de­ckend scha­den und wäre wohl eine wirk­sa­me­re Waf­fe im Kampf gegen rechts als jedes Mil­li­ar­den­pro­gramm für ver­meint­li­che »Demo­kra­tie­för­de­rung«.

Die Lin­ke ist also noch nicht am Ende, wenn 18 Pro­zent der Bun­des­deut­schen wei­ter­hin erwä­gen, sie zu wäh­len. Indes:

Die Ausschöpfung die­ses Poten­zi­als gelingt bis­her nicht. Damit dies möglich wird, müssen zunächst die par­tei­in­ter­nen Pro­ble­me gelöst, das heißt vor allem die unpro­duk­ti­ven har­ten inter­nen Aus­ein­an­der­set­zun­gen been­det und befrie­det wer­den. Nur so können Aus­strah­lungs­kraft und Glaubwürdigkeit gemein­sam zurückgewonnen werden,

womit das Fazit von Mario Cand­ei­as ver­däch­tig nach ähn­lich gear­te­ten AfD-Ver­hält­nis­sen klingt.

Die AfD muss, jen­seits der inter­nen Rich­tungs­kämp­fe und der Neu­wahl des Bun­des­vor­stan­des, über­le­gen, wie sie ihr Wäh­ler­po­ten­ti­al erwei­tert. Aus die­sem Grund ist der Nie­der­gang der Lin­ken und ihre ent­spre­chen­den kon­stan­ten Ver­lus­te ins Nicht­wäh­ler­seg­ment (weni­ger zu Grü­nen und SPD!) beson­ders zu beobachten.

Nicht, weil man eine »rech­te Links­par­tei« oder eine »patrio­ti­sche Links­par­tei« sein soll, son­dern weil die Inter­es­sen der ent­täusch­ten Links­wäh­ler oft­mals auch die Inter­es­sen der ent­täusch­ten AfD-Wäh­ler dar­stel­len, die wie­der­um oft­mals vor­her Nicht­wäh­ler gewe­sen sind.

Geht die Links­par­tei auf ihrem Par­tei­tag per­so­nell und kon­zep­tio­nell wei­ter in Rich­tung »sozi­al­öko­lo­gi­sche« und urba­ne Lin­ke, nähert sie sich also wei­ter grü­nen Kli­ma­ideo­lo­gen und woken The­sen an, wie es – Stand jetzt – ja durch­aus rea­lis­tisch scheint, wird sie wei­te­re (Protest-)Wähler, die an sozia­len Fra­gen (Ren­te, Reich-Arm-Sche­re, gerech­te Löh­ne, Gesund­heits­vor­sor­ge usw.) und nicht an sek­tie­re­ri­schen Ideo­lo­gien inter­es­siert sind, verprellen.

Ob die­se dann kon­ster­niert ins Nicht­wäh­ler­la­ger abdrif­ten oder von einer authen­tisch sozia­len und patrio­ti­schen Alter­na­ti­ve auf­ge­fan­gen wer­den, liegt im Ver­ant­wor­tungs­be­reich der AfD.

In Ost­deutsch­land gelang es bereits in eini­gen Regio­nen, der Links­par­tei ihre Küm­me­rer­rol­le samt Inter­es­sen­ver­tre­tung der Ost­deut­schen abspens­tig zu machen – gelän­ge dies auch noch auf dem Feld sozia­ler Daseins­vor­sor­ge und sozia­ler Sicher­heit, wür­de die Links­par­tei unwi­der­ruf­lich auf ihr ideo­lo­gi­sches Kern­pro­gramm gestutzt werden.

Das aber reicht mit­tel­fris­tig nicht mehr für den Bun­des­tag aus, wo doch die Grü­nen die­ses Kern­pro­gramm eben­falls »bespie­len« und dabei auch noch durch die Mas­sen­me­di­en als »sexy«, »smart« und »zukunfts­taug­lich« gefr­amt werden.

Der Par­tei­tags­mo­nat Juni, der vor uns liegt, wird damit links wie rechts der neu­en Ampel-Mit­te ent­schei­den­de Wei­chen­stel­lun­gen mit sich bringen.

Benedikt Kaiser

Benedikt Kaiser ist Politikwissenschaftler und arbeitet als Verlagslektor.

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Kommentare (30)

kikl

27. Mai 2022 15:54

Die Frage ist allerdings, wo das größte Wählerpotential für die AFD ist. Bei den Wählern der Linkspartei?

Ich vermute, dass das größte Potential bei der Partei der Nichtwähler liegt. Sie scheinen überwiegend von dem bestehenden Parteienkartell enttäuscht zu sein.

Dann muss man vor allem eine Strategie finden, um das Malus der staatlichen Verfolgung durch den Verfassungsschutz abzustreifen. Für viele Bürger handelt es sich bei dieser Einschätzung um ein Urteil durch eine anerkannte Autorität und ist damit glaubhaft.

Um das Meinungsklima zu ändern, bedarf es vor allem des Aufbaus einer mächtigen Gegenöffentlichkeit. Aber das Thema ist hier vermutlich ausgelutscht, weil schon sehr häufig thematisiert.

Der Gehenkte

27. Mai 2022 16:06

Die Probleme am rechten und linken Rand des parlamentarischen Spektrums spiegeln sich auf geradezu groteske Weise. Da die Linke einen historischen Vorlauf hat, kann die AfD dort sehr gut ihr eigenes Schicksal studieren. Beide Parteien sind in zwei nahezu unversöhnliche Flügel gespalten - soweit alles ganz normal - die jedoch von einer charismatischen Zentralfigur repräsentiert wird. Die Crux: diese Personen sind einem Großteil der Wähler und Mitglieder nicht vermittelbar. Die Linke mit Wagenknecht an der Spitze wäre zwar politikfähig, würde aber alle Morallinken vor den Kopf stoßen. Der Zugewinn würde den Verlust kaum abfedern. Ähnlich bei Höcke: sollte er nach der Macht greifen, bekäme die Partei zwar die unbedingt notwendige Kontur, aber sie würde sofort in sich zusammenfallen, da der gesamte liberale Teil abspringen würde und die Medien den totalen Krieg erklären würden.

So kommt es, daß das programmatisch und politisch Notwendige jeweils den Untergang bedeuten würde, während die Konturlosigkeit immerhin ein längeres Dahinsiechen ermöglichte, daß also das Richtige falsch wird und das Falsche richtig. Wichtig wären jetzt junge, intelligente und stilsichere Köpfe an der Spitze, die beide Impulse in sich vereinen könnten, und ein Zurücktreten der Reizfiguren in die zweite Reihe, wo sie als Ideengeber arbeiten sollten.

Benedikt Kaiser

27. Mai 2022 17:07

Die Frage ist allerdings, wo das größte Wählerpotential für die AFD ist. Bei den Wählern der Linkspartei?

Nicht nur. Aber viele der ehemaligen Linkswähler sind mittlerweile Nichtwähler. Sie wechselten von dort also nicht zu Grünen oder anderen, sondern enthielten sich. Das lässt den Schluss zu, dass sie grundsätzlich unzufrieden mit den Verhältnissen sind. Solche Stimmungen kann eine Noch-Protestpartei wie die AfD eher aufgreifen als zufriedene. Wem es gut geht, sucht i. d. R. eher keine Alternativen zum Bestehenden. 

Ich vermute, dass das größte Potential bei der Partei der Nichtwähler liegt. Sie scheinen überwiegend von dem bestehenden Parteienkartell enttäuscht zu sein.

Exakt. Und viele Nichtwähler sind vormalige Linkswähler. 

 

Benedikt Kaiser

27. Mai 2022 17:08

Dann muss man vor allem eine Strategie finden, um das Malus der staatlichen Verfolgung durch den Verfassungsschutz abzustreifen. Für viele Bürger handelt es sich bei dieser Einschätzung um ein Urteil durch eine anerkannte Autorität und ist damit glaubhaft.

Man kann einige Leute und Juristen in der Partei abstellen, damit sie diese Prozesse führen können, sicher. Aber: Für den Wähler ist es eben nicht so wahlentscheidend, wie Sie hier andeuten. Nach der Ankündigung der Verdachtsfallbeobachtung der Bundespartei blieb die Partei auf ihren Umfragewerten. Auch die gesicherte Beobachtung etwa in Thüringen hat keinerlei Delle in den Umfragen oder Wahlergebnissen hinterlassen. (Dort sogar im Gegenteil: Man steigerte seine Prozentpunkte.) Ich glaube eher, daß die Beobachtung intern größere Folgen hat als extern, also für den AfD-zugeneigten oder eben grundsätzlich abgeneigten Wähler. 

Laurenz

27. Mai 2022 18:34

Dem Artikel ist nichts hinzuzufügen. Interessant ist vielleicht die Sicht anderer Medien.

Hier der Bezahlt-Artikel vom Relotius, wohl kein aktueller Freund der Linken, Überschrift reicht: https://www.spiegel.de/politik/deutschland/machtkampf-um-parteivorsitz-bei-den-linken-niedertracht-missgunst-boesartigkeit-a-eb15bf07-6469-4b7b-9104-b411309dedc9

Und hier der Artikel in einem linken Blog, der dieselbe Studie gelesen hat. 

https://www.nd-aktuell.de/artikel/1164107.linkspartei-machtkampf-um-den-vorsitz.html

 

@Kikl

Um das Meinungsklima zu ändern, bedarf es vor allem des Aufbaus einer mächtigen Gegenöffentlichkeit. Aber das Thema ist hier vermutlich ausgelutscht, weil schon sehr häufig thematisiert.

Ganz einfach, Kikl. Sie spendieren oder organisieren jedes Jahr die dazu nötigen 10 Milliarden Euro (ÖRR mehr als 7 Milliarden, Bertelsmann mehr als 3 Milliarden).

Dann können wir gegenhalten.

Als ich mal in einer solchen SiN-Debatte forderte, wir bräuchten bessere Kontakte zum Kapital, hielt mir eine Foristin vor, ich sei unverschämt.

kikl

27. Mai 2022 19:28

@Benedikt Kaiser

Danke für die interessanten Anmerkungen!

kikl

27. Mai 2022 19:39

Übrigens mehren sich die Hinweise für systematischen Wahlbetrug von ganz oben bei der Bundestagswahl in Berlin. Tichy's Einblick berichtet:

https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/manipulation-der-wahlergebnisse-durch-den-innensenator-korrektur-mit-dem-rotstift/

Leider können wir uns nicht mehr darauf verlassen, dass das verkündete Wahlergebnis den Willen der Wähler widerspiegelt. Ich habe das zwar schon einmal vor Kurzem gesagt, aber es finden sich immer mehr Informationen, die das bestätigen.

Vielleicht übertreibe ich, aber ich würde mich nicht wundern, wenn es derartiges in anderen verfilzten Regionen genauso gibt, beispielsweise in Bayern, wo die CSU herrscht. Vielleicht wird in Bayern nicht gar so dilettantisch geschummelt.

Allnichts

27. Mai 2022 20:00

Benedikt Kaiser ist hoch anzurechnen, dass er immer wieder den Blick über den Tellerrand wagt, gerade wenn es darum geht, genauer nachzuschauen, was bei "den Linken" geschieht, welche Debatten dort geführt werden, welche Anschlussmöglichkeiten bestehen oder auch nicht. Das tun leider viel zu wenige. Die Wahrnehmung von Rechten ist diesbezüglich oft von Oberflächlichkeit, die Einstellung von grundsätzlicher Ablehnung geprägt, was nicht nur das Lernen vom politischen Gegner verhindern kann, sondern auch das Erkennen von Gemeinsamkeiten und Möglichkeiten. Die Konfliktlinie sollte nicht zwischen Linken und Rechten, sondern zwischen Nationalen, Identitären usw. auf der einen und Anti-Nationalen, Anti-Identitären auf der anderen Seite gezogen werden. Geschenkt, dass die Ausrichtung von Linken derzeit meistens recht eindeutig ist.

Zum Text: Die AfD ist auf Krisen angewiesen, so gesehen eine Art von Ohnmachtspartei und auch ein Konzept wie der Solidarische Patriotismus ist für die Aussenwelt nur sektiererische Ideologie. Es gehört zum politischen Geschäft, zu analysieren und Programmatik, Propaganda und Auftreten anzupassen, doch sollte nicht immer wieder suggeriert werden, es wäre unter normalen Umständen noch eine nennenswerte Anzahl von Menschen dauerhaft zu gewinnen, auf welchem Wege auch immer.

Allnichts

27. Mai 2022 20:01

Laurenz:

Welcher Vertreter des Kapitals will Bewegungen unterstützen, die ihm die eigene Geschäftsgrundlage entziehen? Natürlich wird es immer einige geben, dann allerdings aus der vierten oder fünften Liga, was insgesamt nur geringe Auswirkungen hat. Möchte man Höherrangige für sich gewinnen, müsste denen ein Geschäftsmodell angeboten werden, das es mit ihrem derzeitgen aufnehmen kann, oder ein Grund gegeben, weshalb es ohne ein solches vorteilhaft für sie ist, auf manchen Gewinn zu verzichten. Sehe ich beides nicht. "Das Kapital" ist heutzutage globalistisch.

Nordlicht

27. Mai 2022 21:03

Die Befragungen haben wohl vor dem aktuellen Ukraine-Krieg stattgefunden; der wildgewordene Bellizismus wird nicht erwähnt. Angeblich spielte die fehlende Russen-Feindschaft der AfD ja eine Rolle bei der NRW-Landtagswahl.

Die massenhafte Abkehr vom Pazifismus, gepaart mit eindeutiger Begeisterung für den grossen starken Freund USA, ist ja durch alle Parteien zu finden. LINKE und AfD dürfte das weiter treffen, wenn nicht intern, so doch in der Propaganda der Medien.

Ansonsten erwarte ich, dass die Kritik "zuviel Wirtschaft" besonders den Menschen mit niedrigem Einkommen noch auf die Füsse fallen wird und es für die Mittelschicht ein jähes Erwachen gibt. 

Laurenz

28. Mai 2022 00:05

@Nordlicht

Bald wird "Kriegsmüdigkeit" einsetzen.

https://www.spiegel.de/politik/deutschland/krieg-in-der-ukraine-baerbock-und-die-ampel-und-die-angst-vor-der-kriegsmuedigkeit-a-8e9c73ae-d653-4dae-bb79-ce57e97edfb6

Das Thema wird gewohnt werden. Momentan sieht es für die Kriegstreiber eher schlecht aus. Kissinger hat das klar gemacht, zu handeln, bevor es für die Ukraine nichts mehr zu verhandeln gibt. Die Mehrheit der Deutschen ist gegen eine militärische Unterstützung der Ukraine. Aber das sind keine AfD- oder Linke-Wähler. Der Westen ist bei den Sanktionen alleine.

https://www.nachdenkseiten.de/?p=84259

Hier Roger Köppel, dem man nicht immer zustimmen muß. 

https://youtu.be/Hk7Z92kol9g

https://www.heise.de/tp/features/Wir-brauchen-eine-echte-Debatte-ueber-den-Ukraine-Krieg-7123426.html

Frau Yellen hat auch den Öl-Embargo-Unsinn der EU moniert  https://www.zerohedge.com/markets/sharp-decline-russian-exports-could-send-oil-above-150-bofa

https://www.zerohedge.com/military/wapo-stunning-first-admits-catastrophic-conditions-collapsing-morale-ukraine-forces-front

Ordoliberal

28. Mai 2022 04:36

Danke, Herr Kaiser, dass Sie mal deutlich aussprechen, dass Teile der AfD eine "rechte Linkspartei" bzw. eine "patriotische SPD" sein wollen. Denn das ist ja genau das, was die Sozialpatrioten von den Ordoliberalen trennt. Gegen grüne Energiepolitik, woke Gesellschaftspolitik, europäische Geldpolitik und den globalen Reset sind wir alle. Der parteiinterne Glaubenskrieg dreht sich um die Frage der Mittel dagegen: Sozialpolitik oder Ordnungspolitik?

Es stimmt, dass die AfD Wählerpotential bei den wirtschaftlich Abgehängten hat. Was ich aber nicht verstehe ist, wie diesen Leuten durch noch mehr Sozialpolitik geholfen werden soll. Es ist ja gerade die Sozialpolitik, die sie ins Elend gestoßen hat. Umverteilung, gleich welcher Art, hat noch nie Wohlstand erzeugt. Ordnungspolitik schon. Die Subprime-Krise, die Griechenlandrettung, die Grenzöffnung, der Kohle- und Atomausstieg, die EU, der ÖRR, Hartz IV für Ausländer und Leute, die noch nie gearbeitet haben - das sind alles ordnungspolitische Todsünden. Und durch was werden sie gerechtfertigt? Durch den Appell an die "Soziale Gerechtigkeit" und das "Allgemeinwohl". Und was haben sie zur Folge? Inflation, Verarmung und Mangelwirtschaft.

Glauben Sie, wenn die AfD umverteilt, kommt etwas Besseres dabei heraus? Welches geheime Rezept haben die Sozialpatrioten, das allen anderen Parteien und Politikern der Welt verborgen geblieben ist? Wenn Sie es kennen, bitte ich um Veröffentlichung. Ich bin gespannt.

Maiordomus

28. Mai 2022 08:46

Kommentar aus  Aussensicht, ohne gerade speziell interessiert zu sein: das Gute an dieser Debatte ist der Gedanke an die Wähler, wohl auch Wählerinnen, welche nun mal dort abgeholt werden müssen, wo sie sich befinden. Blosses Besserwissen, selbst wenn es objektiv vorhanden wäre, hilft da nichts. Insofern sehe ich bei Benedikt Kaiser, den ich auch schon mal in Aarau das Vergnügen hatte ihn anzuhören, die politische Begabung, auch eine solche zu echt strategischem Denken. Und über die Linke wird hier reflektiert, wie es der Gegenseite gegenüber der Rechten fast nie zuzutrauen wäre, weil man sich selber für die Guten hält und zum Beispiel Kubitschek für einen Rechtsextremisten, wiewohl kaum 3% der Bundestagsabgeordneten über seinen geistig-literarischen und mithin auch politischen Horizont verfügen und er in Sachen Mordlust sicher weit unter dem Durchschnitt anzusetzen ist, auch wenn ich natürlich bei niemandem in die innersten Gedanken hineinsehe. Würde mir wünschen, dass es unter den Linken auch die eine oder andere Person gäbe, welche den vernünftigen Ansatz beim Denken von Kaiser nachvollziehen bzw. anerkennen kann. Es änderte aber nichts daran, dass man sich auch in Sachen ökonomisches Denken noch weiterentwickeln sollte; gilt übrigens auch gegenüber dem geschätzten Foristen @imagine, ohne dass er deswegen wirkliche Errungenschaften des Denkens preisgeben müsste. 

Sixtus

28. Mai 2022 09:39

Die Analyse von Wählerpotenzialen mag interessant sein, aber das bringt natürlich nur etwas, wenn die Wahlberechtigten dann auch an Wahlen teilnehmen. Was bringt es, sich auf bestimmte Gruppen der Bevölkerung zu konzentrieren, wenn diese dann eher unwillig sind, sich ins Wahllokal zu bewegen? Die letzten beiden Jahrzehnte lag die Wahlbeteiligung bei BTW immer unter 80%, bei LTW haben wir ja nun eine immer geringer werdenden Wahlbeteiligung mit knapp 60% in SH und gar nur noch 55% in NRW. Und leider gibt es einen sehr deutlichen Zusammenhang zwischen Lebensalter und Wahlbeteiligung, d. h. gerade die älteren Jahrgänge beteiligen sich häufiger an Wahlen, dort ist für die AfD aber offenbar nichts zu holen...

RMH

28. Mai 2022 10:05

Ich bin in der Debatte auch hier näher bei den Ausführungen von @Ordoliberal. Beim Sozialpatriotismus bleiben viele offene Fragen, dass fängt damit an, dass man durchaus sauber eine Art "Marktlücke" in der Wählerschaft analysiert und gefunden hat und diese Marktlücke auf eine Partei quasi "stülpen" will, die einfach vielfach in den Personen bereits beim Eintreten für eine klare sozialer Marktwirtschaft im Sinne Ludwig Erhards schon fast an ihre Glaubwürdigkeitsgrenzen kommt (wobei bei einer Rückkehr zu diesen Prinzipien m.M.n, schon viel gewonnen wäre). Das weitere Problem ist die Rechtslage. Sozialer Patriotismus im Sinne von, wir räumen nur Deutschen soziale Vorteile ein, ist - nach den gängigen (m.M.n. fragwürdigen) Prinzipien - klar verfassungswidrig und da hilft es nichts, wenn man deutsch zu Abwechslung mal sogar nur im Sinne der Staatsbürgerschaft definiert. Was - unabhängig von sozial oder nicht sozial der AfD stets fehlt - ist die Kampagnen-Fähigkeit. Selbst wenn der Parteitag jetzt zum SozPat komplett umschwenken würde (die AfD hat bereits ein soziales Programm!), wäre die Frage komplett ungelöst, wie man die neue Kraft auf die Beine bekommt. Das gleiche gilt, wenn man beim bisherigen Programm bleibt (das wäre mein Vorschlag) und lediglich ein paar Personen im Vorstand wechselt.

RMH

28. Mai 2022 10:37

Ich versuche, einmal einen anderen Ansatz zu entwerfen: Die "Linke" insbes. in Gestalt der PDS war deshalb so stark, weil sie vielen in Mitteldeutschland das Gefühl gab, dass sind welche von uns, die sprechen für uns, die sind eben für die Interessen der Ex-DDRler. Das inhaltlich oft nicht mehr als alter Kommi-Wein in neuen Schläuchen und zunehmend auch noch west-globaler-Kulturmarxismus verkauft wurde, störte bei dieser regionaler Markenkraft lange Zeit wenig. Mit dem Abblättern dieses Regionalfaktors konnte die AfD durch Stärkung des eigenen, örtlichen Regionalfaktors trotz teilweise diametral anderer Inhalte diesen Platz einnehmen. In Bayern war die CSU lange eben das, was dann der FC Bayern durch Kommerzialisierung den Todesstoß versetzte, nämlich "mia san mia" - der Rest Deutschlands hasste die Bayern dafür (wie man am Scheitern der CSU Kanzlerkandidaten erkennen konnte). Die CSU bröckelt und die freien Wähler können als regional-"identitär" vorrücken. Aus diesem Grunde: Ein bundesweiter sozialer Anstrich bringt die AfD nicht weiter. Weiter bringt die AfD eine lokale Graswurzelarbeit. Regionaler Patriotismus statt sozialer Patriotismus. "Wir" gegen "die da oben". Die freien Sachsen graben damit der AfD bereits das Wasser ab.

Umlautkombinat

28. Mai 2022 11:05

> Die letzten beiden Jahrzehnte lag die Wahlbeteiligung bei BTW immer unter 80%, bei LTW haben wir ja nun eine immer geringer werdenden Wahlbeteiligung mit knapp 60% in SH und gar nur noch 55% in NRW.

Was nebenbei zeigt, dass der 'dumme' Buerger wohl ganz intuitiv begriffen hat, dass hier die Entwicklung zum Zentralstaat (und darueber) ablaeuft. Alle untergeordneten Einheiten werden als nicht relevant eingeschaetzt. Das macht es auch allen Graswurzelansaetzen schwerer als es sein muesste.

 

AndreasausE

28. Mai 2022 12:09

Auch wenn es, weil schon häufiger angemerkt, womöglich etwas langweilt: Die AfD schwächelt etwas beim Thema Naturschutz. Echter Naturschutz, wohlgemerkt, nicht diese Landschaftsschändung, welche "Grüne" betreiben.

Den Klimaverrückten muß man immer und immer wieder verdolmetschen, daß Kohle- und Ausstieg naturzerstörender Irrsinn sind und "Erneuerbare" Landschaften nachhaltig vernichten.

Und daß zu dem Zusammenhang selbstredend auch die Zuwanderung gehört.

Gracchus

28. Mai 2022 12:21

@RMH, Ordoliberal

Ich meine, man sollte nicht in fruchtlosen Oppositionen denken. Sozialpatriotismus kann oder sollte vor allem auch bedeuten, anderen nicht auf der Tasche zu liegen; es sollte auch nicht bedeuten, die Bürger zu schröpfen. Es wäre eine soziale Wohltat, den Sozialstaat zurückzustutzen; warum das nicht gemacht wird, liegt daran, dass politische Posten dran hängen. Überhaupt dient der Ausbau des Staates dazu, Parteileute mit Posten zu versorgen. 

 

Lausitzer

28. Mai 2022 17:32

Mein Fazit:
Mit einer konsequenten SolPat-Strategie, könnten auch im Westen massiv Nichtwähler und entäuschte Linkswähler für die AfD gewonnen werden, eine glaubwürdige Umsetzung vorausgesetzt. Dazu muss sich die Partei und deren Spitze nicht proletarisieren. Ich bin mir sicher, dass damit auch andere Schichten gewonnen werden können, zumal die anstehenden Krisen (Folgen der Sanktionen und Energiepolitik, Deglobalisiering) weitere soziale Verlierer produzieren wird.  

Adler und Drache

29. Mai 2022 11:45

Gracchus:

Ich meine, man sollte nicht in fruchtlosen Oppositionen denken.

Seh ich ebenso, aber das läuft wohl auf eine "Quadratur des Kreises" hinaus. Die Unmöglichkeit, beide Positionen zu versöhnen, muss wohl systemische Gründe haben. Dem, der mir diese mal schlüssig erklärte, wäre ich sehr dankbar.

Ich denke manchmal, wenn die AfD sich selbst als echte Alternative ernst nähme, müsste sie sich selbst als Übergangsphänomen verstehen, als Provisorium, als Werkzeug zur Abschaffung oder jedenfalls weitgehenden Beschränkung des Parteienunwesens. - Aber danach sieht es nicht aus, eher nach Verstetigung. 

Carl Sand

29. Mai 2022 12:52

Es ist vollkommen klar, dass die AfD (wie inzwischen jegliche Opposition) eine systemstabilisierende Kraft wider Willen geworden ist. Anders als in den noch 90er Jahren, wo eine sogenannte Protestwahl als Kathechon dazu führen könnte, dass teilweise Protestinhalte in die Programme der Etablierten übernommen worden, hat man mit der Gleichschaltung von Gesellschaft und Medien zugleich festgestellt, dass es vollkommen super ist, um die 20% Opposition dem demonstrativen Mobbing und der Vernichtung preiszugeben. Dies wirkt höchst systemstabilisierende, da sich Menschen naturgemäß niemals mit Mobbing opfern psychologisch solidarisieren können und werden.

2+2 ist tatsächlich niemals 4 und der Himmel ist lila, nicht etwa blau, wenn die AfD dies so sagt. 

Und es gibt absolut nicht mehr, was man daran ändern kann. Die entsetzlichen Wesen im Spiegel online Forum sind tatsächlich Volkes Stimme. Eins zu ein. Keine Illusionen. 

Ironischerweise wäre vielleicht der einzige und letzte Dienst den die AfD Deutschland hätte erweisen können, wenn sie ganz zu Anfang des Corona Wahns einen noch durchgeknallten Coronafaschisten als Karl Lauterbach aufgestellt hätte. 

Andreas Stullkowski

29. Mai 2022 16:31

@Adler und Drache:

Es sind nicht nur die Parteien die die gegenwärtige Lage verstetigen wollen, sondern auch immer mehr die Bürger die immer mehr von den Handreichungen des Staates abhängig sind.
Die jetzigen und kommenden Krisen werden dies nur verstärken, indem immer mehr Bürger in die Armut gebracht werden, und dann nicht für Änderungen in der Zukunft wählen werden, sondern Almosen im Jetzt.

Es ist das Problem unseres politischen Systems, das daruaf angelegt ist dass keine plötzlichen Umschwünge möglich sind. 
Dies mag Sinn 1948 sinnvoll gewesen sein: man wollte 1933 verhindern.
Aber wenn die Gesellschaft sich auf den Abgrund zubewegt gibt es jetzt keine Mechanismen aus dem Abwärtsstrudel zu entkommen. Im Gegenteil, es wird immer schneller. Z.B. soll nächstes Jahr jetzt ein quasi BGE eingeführt werden.

Hartz IV ohne Sanktionen

Die USA haben da grössere Chancen, wie die Wahl Trumps zeigt. Auch wenn Trump der falsche Mann am richtigen Platz war, und der tiefe Staat noch zu stark für ihn: die USA haben die Chance das Ruder herumzureissen, und werden es auch tun.

Wie Churchill sagte: You can always count on the Americans to do the right thing after they have tried everything else.

Carl Sand

29. Mai 2022 20:41

Keine Anmerkung in eigener Sache: Es ist faszinierend, wie sehr die Auto"korrektur" eines Mobilfunkgeräts Grammatik, Rechtschreibung und Worttrennung zersägt. Ich bitte dies zu entschuldigen.

Kurativ

29. Mai 2022 22:54

Für mich eine gute Analyse. Vielen Dank für den Artikel.

Volksdeutscher

30. Mai 2022 03:42

1. @Der Gehenkte - "Ähnlich bei Höcke: sollte er nach der Macht greifen, bekäme die Partei zwar die unbedingt notwendige Kontur, aber sie würde sofort in sich zusammenfallen, da der gesamte liberale Teil abspringen würde und die Medien den totalen Krieg erklären würden."

Wenn die Liberalen mehrheitlich abspringen würden (denn auch bei ihnen gibt es unschlüssige Grenzgänger, die trotzdem in der Partei verblieben), könnte es beinahe so kommen, wie Sie es annehmen. Die Medien haben der AfD außerdem eh schon längst den "totalen Krieg" erklärt, daher wüßte ich nicht, was da für die AfD in der Hinsicht Neues noch kommen könnte. Ich schreibe, es könnte beinahe so kommen, weil Sie einerseits von "notwendiger Kontur" schreiben, andererseits aber auch von "Zuammenfall". Nun: Kontur oder Zusammenfall? Beides gleichzeitig geht nicht, das Eine schließt das Andere aus. Im zweiten Teil Ihres Kommentars differenzieren Sie dann wieder.

 

Volksdeutscher

30. Mai 2022 04:13

2. @Der Gehenkte - "Ähnlich bei Höcke: sollte er nach der Macht greifen, bekäme die Partei zwar die unbedingt notwendige Kontur, aber sie würde sofort in sich zusammenfallen, da der gesamte liberale Teil abspringen würde und die Medien den totalen Krieg erklären würden."

Ihre Vorstellung: Die Älteren als Versorgungstruppe mit geistiger Munition hinter der Front - die Jüngeren an der Front als kämpfende Truppe.... Das hört sich in der Tat gut an. Aber ich befürchte, im Überlebenskampf einer Partei funktioniert das nicht so, wie in der Kriegführung. Ständig wechselnde Gesichter tun einer Partei nicht gut, die Wähler würden bald beginnen zu fremdeln. Wir orientieren uns an Gesichtern nicht minder als an Worten. Würden sich die Liberalen von den Rechtkonservativen trennen, würden sie sich mit einer neuen Partei ins politische Jenseits manövrieren, denn die politische Landschaft der BRD braucht weder eine FDP-2 noch eine CDU-2. Die verbliebenen Konservativen würden sich aber gerade aus diesen Gründen behaupten, weil sie keine CSU-2 oder CDU-2 verkörpern (und auch nicht wollen), die neben ihnen bereits jetzt weniger konservativ, oft recht links erscheinen.

Zusammenfassung: Nicht die Rechtskonservativen brauchen die Liberalen, sondern die Liberalen brauchen die Rechtskonservativen zum politischen Überleben.

Volksdeutscher

30. Mai 2022 04:31

@RMH - ""Wir" gegen "die da oben". Die freien Sachsen graben damit der AfD bereits das Wasser ab."

Ich habe nichts gegen die "Freien Sachsen". Aber wenn es so ist, wie Sie es schildern und wenn eine Partei wirklich einmal oben ankommt: Wie lange kann sie mit ihrem Slogan "Wir gegen die da oben" glaubwürdig bleiben?

Carl Sand

30. Mai 2022 09:05

Die Vorstellung der Älteren als Versorgungstruppe der Jungen, die sich täglich exponierten müssen und ganz nebenbei noch den Älteren Pension, Rente, Eigenheim und Wohnmobil erarbeiten dürfen, ist näher besehen eine ziemliche Unverschämtheit. 

Umlautkombinat

30. Mai 2022 11:46

@Volksdeutscher

Das sind rhetorische Fragen. Historisch gesehen wurde alles was je zur Herrschaft gelangte irgendwann in einen Gegensatz zu seinen Schaefchen gestellt. So gesehen, duerfte man nie mit etwas anfangen.

Die "Freien Sachsen" machen das m.E. weitgehend geschickt. Sie bleiben nicht beim Thema C stehen, legen gerade den Schwerpunkt auf die Buergermeisterwahlen - und haben noch sehr viel Luft, oben jemand zu finden zu dem sie weiter im Widerspruch stehen koennen.

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