Befinden Ost

Wir meinten im Vereinigungsjahr 1990, wir kämen wohl oder übel nach Deutschland zurück, sozusagen in die fremd gewordene, aber angestammte Heimat.

Heino Bosselmann

Heino Bosselmann studierte in Leipzig Deutsch, Geschichte und Philosophie für das Lehramt an Gymnasien.

Wir wuß­ten, daß wir als Frem­de gal­ten und tat­säch­lich in der sozia­lis­ti­schen Frem­de einer ursprüng­li­chen Iden­ti­tät fremd gewor­den waren. Immer­hin emp­fan­den wir uns noch als Volk – von so eigen­wil­lig zähem Stolz, daß der in Rest- und Rand­be­stän­den allen Nivel­lie­run­gen trotzte.

In der DDR, der „Deut­schen Demo­kra­ti­schen Repu­blik“, soll­te offi­zi­ell nicht von „Deutsch­land“ die Rede sein und mehr von Klas­sen und Kräf­ten gespro­chen wer­den als von Deut­schen. Ande­rer­seits sug­ge­rier­te die „Staats- und Par­tei­füh­rung“, mit der DDR ent­stün­de eine neue, eine sozia­lis­tisch voll­ende­te deut­sche Nati­on, jenes „Neue Deutsch­land“, das dem SED-Pres­se­or­gan den Namen gab.

Inter­es­sant bis kuri­os, wenn die DDR kurz vor ihrem jähen Ende sogar Luther und Fried­rich II. in ihre Tra­di­ti­ons­li­nie stel­len woll­te. Sie begehr­te, nicht eine, son­dern sogar die deut­sche Nati­on zu sein.

Man darf den hier in einem Lied auf­klin­gen­den Anspruch in der Rück­schau lächer­lich fin­den, aller­dings war er gera­de im schwe­ren Anfang ernst­ge­meint. Aber dar­an wie über­haupt schei­ter­te die­se ande­re Repu­blik. Schei­tert etwas Ernst­ge­mein­tes, wie auch immer es ver­sucht wur­de, so ist das auch tragisch.

Klar iden­ti­fi­zier­ten sich die einen mit der DDR, ande­re stan­den ihr wider­stän­dig oder min­des­tens ableh­nend gegen­über. Das alles ist längst im Detail beschrie­ben, wis­sen­schaft­lich und protokolliterarisch.

Und von Repu­blik­grün­dung bis Treu­hand wird die geschicht­li­che Kon­kurs­mas­se immer wie­der neu bewer­tet, meist ohne das fata­le his­to­ri­sche Bedin­gungs­ge­fü­ge ein­zu­be­zie­hen, aus dem her­aus die DDR erwach­sen war. Eben­so­we­nig wie die Bun­des­re­pu­blik erwuchs sie aus sich selbst, son­dern war ein Kon­strukt frem­der Mäch­te, in dem sich Deut­sche ein­zu­rich­ten hatten.

Den­noch steht sie heu­te als ein non­kau­sal ent­stan­de­nes Gebil­de da, das bes­ser nicht gewe­sen wäre. Gewis­ser­ma­ßen teilt sie die Dis­kon­ti­nui­tät mit dem Drit­ten Reich. Wich­tig nur, daß man in unse­rer Bekennt­nis­kul­tur nach­spricht: Zu bei­dem hät­te es nicht kom­men dürfen.

Inter­es­san­ter wäre hin­ge­gen, sehr genau und kri­tisch zu erfas­sen, wie es eben doch zu bei­dem gekom­men war. Neben einer Men­ge fak­ti­scher His­to­ri­zi­tät hat das mit den Men­schen und deren Natur zu tun, u. a. mit gebo­te­nen Iden­ti­fi­ka­ti­ons­räu­men und geheg­ten Erwar­tun­gen und Hoff­nun­gen sowie mit Ängs­ten natür­lich. Genau dies zu inter­pre­tie­ren erscheint kom­pli­ziert und ist der Aus­deu­tungs­po­li­tik unangenehm. -

Zur DDR muß­te man sich ver­hal­ten; der Staat erzwang die per­sön­li­che Posi­tio­nie­rung, so oder so. Daß er jeman­dem egal blieb, ließ er nicht zu. Wir hat­ten uns alle „posi­tio­niert“ – dafür oder dage­gen oder irgend­wo in einer sub­kul­tu­rel­len Gemein­schaft. Wir waren geübt dar­in, zwi­schen den Zei­len zu lesen, und such­ten ins­be­son­de­re in der Lite­ra­tur nach einer zwei­ten Les­art zum gleich­ge­schal­te­ten Journalismus.

Und dann wur­den wir aus his­to­risch beschreib­ba­ren Grün­den von einer wie auch immer zu ver­ste­hen­den „Repu­blik“ zum Bei­tritts­ge­biet: Ange­schlos­sen, wie­der­ver­ei­nigt – aus einer Inter­niert­heit heim­ge­kehrt also und neu behaust. Aber gut auf­ge­nom­men und ange­kom­men? – Eine Wei­le gal­ten eini­ge von uns sogar als „Hel­den“, weil sie sub­ver­siv gewirkt hat­ten; auf die Stra­ße gin­gen die meis­ten im Wen­de­herbst aber erst, als klar war, daß der Staat bereits implo­diert war. Und es wur­den mehr, als alle Zei­chen Rich­tung Wes­ten stan­den: „Coca-Cola, Büch­sen­bier! – Hel­mut Kohl, wir dan­ken dir!“ Ande­re hat­ten schon im Som­mer ’89 in West­bot­schaf­ten fest­ge­ses­sen wie auf Flücht­lings­in­seln.

Den Unter­gang des eigen­wil­li­gen Staa­tes zu erle­ben, in den wir hin­ein­ge­bo­ren waren, kann als wich­ti­ge Erfah­rung gel­ten, schon weil ein­drucks­voll zu erfah­ren war, wie wenig eine Ver­fas­sung, die Geset­ze, die Insti­tu­tio­nen, die Ritua­le und Gepflo­gen­hei­ten, die Sym­bo­le, der hoch­ge­rüs­te­te Staats­ap­pa­rat und noch dazu Hun­dert­tau­sen­de Sowjet­sol­da­ten noch an Gel­tung und Respekt bean­spru­chen konn­ten, wenn ihnen die poli­tisch-ideo­lo­gi­sche Hin­ter­grund­strah­lung abge­stellt war, in die­sem Fall durch das „Land Lenins“, das weit im Osten in sei­nen eige­nen Lebens­lü­gen ver­sank und sich eine neue Iden­ti­tät zu geben versuchte.

Es blieb nicht viel mehr übrig als das Ampel­männ­chen, ein paar absei­ti­ge FKK-Buch­ten und die­se melan­cho­li­sche, woh­lig selbst­mit­lei­di­ge Roman­tik, die man mit Süd­staa­ten­weh­mut ver­glei­chen kann, schon weil bei­de, „The Grand Old South“ damals wie „The Dir­ty Wild East“ heu­te, von Busi­ness und Money besiegt bzw. ein­ge­kauft wor­den waren. Wir waren frei und als Freie sogleich dem Welt­markt zuge­ord­net; die kur­ze welt­ge­schicht­li­che Pau­se in der Sta­tik des Kal­ten Krie­ges war vorbei.

Die Wich­tig­tu­er mein­ten dann, sie hät­ten die Frei­heit und die Demo­kra­tie gesucht; die ande­ren such­ten mit dem an sie aus­ge­kehr­ten West­geld vor allem die Dis­coun­ter: End­lich in den demo­kra­ti­sier­ten Inter­shop!

Als etwas ver­wach­se­ne und daher unge­len­ke Kin­der des Kal­ten Krie­ges fan­den wir uns jeden­falls adop­tiert vom Sie­ger der Geschich­te, dem zwi­schen­zeit­lich ver­west­lich­ten Deutsch­land, das sei­ne ver­öst­lich­ten Ver­wand­ten auf­nahm. Die ande­ren, die von drü­ben, so muß­ten wir ein­se­hen, hat­ten offen­bar alles rich­tig gemacht. Bes­ser also, wir ver­hiel­ten uns ange­paßt bot­mä­ßig und folg­ten ab jetzt deren Bei­spiel und ihren Vorgaben.

Wir hat­ten uns flott umzu­stel­len. Was uns selbst ein­mal aus­ge­macht haben moch­te, dar­über dach­ten wir erst Jah­re spä­ter nach …

Die Que­re­len die­ser schnel­len Fami­li­en­zu­sam­men­füh­rung nach jahr­zehn­te­lan­ger Tren­nung sind aus­führ­lichst beschrie­ben und wer­den wei­ter ana­ly­siert. Eines aber wird kaum in Betracht gezogen:

Wir kamen in ein Land, das gera­de das nicht sein woll­te, was unse­re unter­ge­gan­ge­ne Repu­blik ihrem Selbst­ver­ständ­nis nach sehr ambi­tio­niert zu wer­den ver­sucht hat­te – eine Nation.

Als wir dazu­ka­men, hat­te „West-Deutsch­land“ längst damit auf­ge­hört, sich selbst als Nati­on gel­ten zu wol­len. Und mit jedem Jahr, in dem wir Neu­bür­ger uns zu ori­en­tie­ren ver­such­ten, wur­de es den neu­en Eli­ten der sich neu ver­ste­hen­den Bun­des­re­pu­blik noch pein­li­cher, als Nati­on oder gar als Volk ange­spro­chen zu werden.

Längst hat­ten jene revo­luz­zen­den Bür­ger­söhn­chen und höhe­ren Töch­ter die Macht, die, aus­ge­stat­tet mit dem Taschen­geld von Papa, mit­ten im flo­rie­ren­den Nach­kriegs­ka­pi­ta­lis­mus 1968 ff. eine sozia­lis­ti­sche Bin­nen­kul­tur ansetz­ten. Immer­hin war das noch eine Revol­te; wer heu­te unter der Regen­bo­gen­fah­ne mar­schiert, gehört hin­ge­gen zu einer Art neu­en Staats­ju­gend, deren Stoß­trupp die Anti­fa ist. Die Lin­ke ist staats­treu, weil sie der Staat ist. Nur hin­sicht­lich der Pro­test­kul­tur wirkt das unfrei­wil­lig komisch.

Das Natio­na­le jedoch, also ja wohl das Erbe im Kul­tu­rel­len, Sprach­li­chen, Geis­ti­gen, und inso­fern das einst Selbst­ver­ständ­li­che, galt zuneh­mend als „natio­na­lis­ti­sches“ Unver­ständ­nis, die Ver­wei­se auf das eins­ti­ge Volk im Sin­ne einer Schick­sals­ge­mein­schaft als „völ­kisch“, also als qua­si­fa­schis­ti­sche Unart.

Deutsch­land woll­te alles mög­li­che sein, eine Stand­ort-AG etwa, Export­welt­meis­ter, zeit­wei­lig gar eine Bil­dungs­re­pu­blik, nur bit­te bloß kei­ne Nati­on mehr. An der hing zu viel Schuld, hieß es, und man fand sich noch immer mehr Schuld zusam­men, viel, viel mehr Schuld und Schmach jeden­falls als Grün­de, auf denen posi­tiv etwas Natio­na­les zu grün­den wäre: „Nie wie­der Deutschland!“

War das neu­ro­tisch? Wuß­te der Wes­ten nur noch mit Ver­schie­bun­gen, Ver­drän­gun­gen, Sub­li­mie­run­gen und bizar­ren Fehl­hand­lun­gen damit umzu­ge­hen, daß er – als Erfolgs­mo­dell – in sei­nen ers­ten bei­den Jahr­zahn­ten eben von jenen auf­ge­baut und geprägt wor­den war, in denen man neu­er­dings nur noch Nazis und Ver­bre­cher erken­nen woll­te? Als die Über­satt­heit im Mate­ri­el­len gesi­chert erschien, ent­deck­te man die Moral und begann – mit der Auf­ar­bei­tung, die dar­in bestand, die Eltern­ge­nera­ti­on zu inkriminieren.

Jetzt soll­ten wir, als Ossis frisch ein­ge­mein­det, gefäl­ligst eine bun­te Repu­blik sein, tole­rant und welt­of­fen, demo­kra­tisch und divers, viel­fäl­tig und dabei inklu­siv, anti­im­pe­ria­lis­tisch, anti­ko­lo­nia­lis­tisch, anti­ras­sis­tisch sowie­so; wir soll­ten in allem trans­pa­rent, gerecht und so gewalt- wie dis­kri­mi­nie­rungs­frei leben und han­deln – immer mit nie­der­ge­schla­ge­nem Blick auf unser enor­mes geschicht­li­ches Sün­den­re­gis­ter, ins­be­son­de­re jenes der Groß­el­tern, das in per­ma­nen­ter Mah­nung offen­bar­te, was uns droh­te, wenn wir es ris­kie­ren soll­ten, uns gar wei­ter­hin als Nati­on und als Volk zu empfinden.

Wir übten im Sin­ne einer uns aus der DDR grund­ver­trau­ten Phra­sen­ma­schi­ne­rie eine Men­ge neu­er Schwur- und Beschwö­rungs­for­meln ein, die alle von einem „Nie wie­der!“ aus­gin­gen, das sich auf unse­re irgend­wie mys­te­ri­ös-patho­lo­gi­sche Ver­gan­gen­heit bezog. Alle folg­te dem nicht: Sach­sen mach­te sich ver­däch­tig, Dres­den erwies sich als reni­tent, die Säch­si­sche Schweiz und das Erz­ge­bir­ge erst recht.

Wie wir als Deut­sche einst nur so hat­ten wer­den kön­nen, wes­halb wir also Impe­ria­lis­ten, Kolo­nia­lis­ten, Ras­sis­ten und schließ­lich Nazis – „wil­li­ge Voll­stre­cker“ – gewor­den waren, wur­de weni­ger gezeigt, als daß es viel­mehr nur dar­auf ankam, nie­der­ge­kniet zu ver­har­ren und die Erlö­sung von die­ser Ver­gan­gen­heit zu erbitten:

Die, so die Offen­ba­rung, wür­de unwei­ger­lich wie­der über uns kom­men, wenn wir uns nicht enga­giert beflei­ßig­ten, immer noch bun­ter, tole­ran­ter, welt­of­fe­ner, demo­kra­ti­scher, diver­ser, viel­fäl­ti­ger, inklu­si­ver, trans­pa­ren­ter, gerech­ter, anti­im­pe­ria­lis­ti­scher und anti­ras­sis­ti­scher zu wer­den. Dies immer­fort neu zu beken­nen galt als das, was wir frü­her angeb­lich nicht waren – couragiert.

Dani­el Gold­ha­gen war auf einen ein­fa­chen Grund gekom­men, der die deut­sche Täter­schaft 1933 ff. hin­rei­chend erklär­te: Die Deut­schen, so lei­te­te er her, waren genui­ne, „eli­mi­na­to­ri­sche“ Anti­se­mi­ten. Wenn das so war, bedurf­te es jetzt aber einer kon­se­quen­ten Vor­beu­gung, auf daß es nie wie­der so werde.

Wir soll­ten uns in der Pflicht sehen, immer neu kor­rekt­ideo­lo­gisch nach­zu­boos­tern; und mehr denn je fun­giert ins­be­son­de­re der Ver­fas­sungs­schutz als polithy­gie­ni­sches Insti­tut, das immer­fort mahnt, die Gefahr wäre nicht nur nicht vor­bei, son­dern grö­ßer denn je. Zwar wur­den die Läu­te­rungs­maß­nah­men inten­si­viert, aber den­noch droh­te der Rück­fall, so die Verlautbarungen.

Vor die­sem Hin­ter­grund recht­fer­tigt, ja begrüßt die Ber­li­ner Repu­blik eine umfas­sen­de Gesin­nungs­schnüf­fe­lei, die dank der Inter­net­prä­senz von allem und jedem ohne Füh­rungs­of­fi­zie­re und infor­mel­le Mit­ar­bei­ter aus­kommt. Wer über Men­schen, Kar­rie­ren, Publi­ka­tio­nen zu ent­schei­den hat, der recher­chiert ein­fach über Goog­le; und was er dort fin­det, hat das Gewicht eins­ti­ger Sta­si-Akten. Prak­ti­scher­wei­se ist das belas­ten­de Mate­ri­al immer zur Hand und kann den Delin­quen­ten sogleich ver­linkt werden.

Lie­ßen wir im bestän­di­gen Bemü­hen um mehr Welt­of­fen­heit, Diver­si­tät, Tole­ranz, Demo­kra­tie usw. usf. nach, fie­len wir, so die Ver­mitt­lung unse­rer Mei­nungs­füh­rer, zwangs­läu­fig in die Fins­ter­nis der schwar­zen Uni­for­men und lan­gen Leder­män­tel zurück, denn wir hat­ten da nun mal was in den Genen, was sich schon dar­an zeig­te, daß es hier und da immer wie­der signi­fi­kant poli­ti­sche Immu­ni­sie­rungs­durch­brü­che gab, Rechts­extre­mis­ten eben, die es dank all­um­fas­sen­der Auf­klä­rungs­ar­beit doch längst nicht mehr hät­te geben dür­fen. Weil es sie aber den­noch gab, müß­ten die päd­ago­gi­schen und poli­ti­schen Maß­nah­men dring­lichst noch wei­ter und wei­ter ver­stärkt werden.

Inner­halb der ers­ten Jah­re nach unse­rer Heim­ho­lung hat­ten wir aller­lei neu zu ler­nen. Wir waren des­ori­en­tiert und lit­ten an Phan­tom­schmer­zen, weil uns nun mal aller­lei ampu­tiert wor­den war.

Ganz zuerst erschie­nen wir zudem selbst ver­däch­tig – Lich­ten­ha­gen, Hoyers­wer­da … Ins­be­son­de­re in der ver­lo­re­nen Repu­blik hat­ten die viru­len­ten Kei­me offen­bar ver­kap­selt überlebt.

Neben­her beka­men wir ver­blüfft mit, daß die uns mit aller­lei Ermah­nung ange­kün­dig­te Leis­tungs­ge­sell­schaft doch eher eine Art Sozia­lis­mus mit ande­ren, mit rest­ka­pi­ta­lis­ti­schen Mit­teln her­vor­brach­te. Ver­kehr­te Welt: So wie die Chi­ne­sen als Kom­mu­nis­ten einen Tur­bo­ka­pi­ta­lis­mus mit enor­men Wachs­tums- und Pro­fi­tra­ten hin­be­ka­men, ver­stan­den sich die Deut­schen auf einen markt­wirt­schaft­lich basier­ten Über­bau-Sozia­lis­mus, der sogar von immer lin­ke­rer Ideo­lo­gie bestimmt wur­de. Indus­trie­re­vo­lu­ti­on mit Inno­va­ti­ons­schub dort, „woke“ Kul­tur­re­vo­lu­ti­on mit Denun­zia­tio­nen und begin­nen­den Säu­be­run­gen hier.

Wer schei­ter­te, nicht mehr mit­kam oder nicht so rich­tig mit­woll­te, der wur­de ganz anstän­dig ali­men­tiert. In die­sem Kom­fort – bezahl­te Mie­te, Hei­zung, klei­nes Bür­ger­geld – leb­ten gleich­falls jene, die „zuwan­der­ten“, flugs irgend­ei­nen Auf­ent­halts­sta­tus genos­sen und dar­in dann ausharrten.

Für einen ganz ent­schei­den­den Bereich hat­te der Begriff der Leis­tungs­ge­sell­schaft zudem über­haupt kei­ne Gel­tung mehr, weil er dort als dis­kri­mi­nie­rend gegol­ten hät­te – für die Schu­le näm­lich, die sich wie­der­um in der ande­ren, der unter­ge­gan­ge­nen Repu­blik als abso­lut leis­tungs­ori­en­tiert verstand.

Aber: Es hat­te uns welt­ge­schicht­lich ja nichts genützt, daß wir straff durch­al­pha­be­ti­siert und bei aller Ideo­lo­gi­sie­rung im Mathe­ma­ti­schen und Natur‑, also auch Inge­nieur­wis­sen­schaft­li­chen mehr als nur leid­lich fit waren.

Wo sind wir ange­kom­men? Ist das hier noch Hei­mat? Der Begriff der Hei­mat gilt gleich­falls als hoch­ver­däch­tig. Als einst Deut­sche sol­len wir Welt­bür­ger sein. Und dar­in ein posi­ti­ves Bei­spiel in genau der Wei­se lie­fern, wie wir in den fins­te­ren Jah­ren unse­rer his­to­risch per­ver­tier­ten Exis­tenz ein nega­ti­ves, ein gru­se­li­ges gebo­ten hat­ten. Wei­ter soll­te die Welt am deut­schen Wesen gene­sen, jetzt jedoch ulti­ma­tiv mora­lisch. Haupt­sa­che, wir blie­ben Pri­mus und Vorbild.

Wir sol­len end­lich das Ent­schei­den­de gelernt haben – wenn schon nicht mehr in der Schu­le, dann aber aus der Geschich­te, die uns – ganz im Gegen­satz zu ande­ren Fach­be­rei­chen – inten­siv im Sinn poli­ti­scher Bil­dung erläu­tert wird, um uns die latent wei­ter dro­hen­de Gefahr unse­rer Meta­mor­pho­se ins Abar­ti­ge bewußt zu machen.

Dafür gibt es eine enor­me Zahl an Deu­tungs­be­hör­den und ein­schlä­gig akti­ven Stif­tun­gen und Ver­ei­nen, die uns so die Rich­tung zu wei­sen ver­su­chen, wie es einst die Par­tei- und Staats­füh­rung tat – zu unse­rem ver­meint­lich Besten.

Die DDR-End­zeit hat­te etwas Expres­sio­nis­ti­sches. Unse­re Innen­städ­te fie­len phy­sisch zusam­men, wir ver­an­stal­te­ten schril­le Par­tys und sof­fen zu viel, und die­ser Ver­fall war mit roten Trans­pa­ren­ten dra­piert. Schrä­ge Dif­fe­ren­zen und Dis­so­nan­zen all­über­all, durch­aus von schril­lem, wenn­gleich oft unfrei­wil­li­gem Witz. Im Spek­trum ihrer Alter­na­tiv­kul­tur war die DDR echt kunterbunt.

Heu­te ähn­lich? Wit­zig gar nichts, eher einen Zug apo­ka­lyp­tisch. Selbst die Regen­bo­gen­fah­ne mitt­ler­wei­le eine höchst offi­zi­el­le, also tod­erns­te Sache.

Ver­kün­digt ist nichts weni­ger als der hit­zig-fieb­ri­ge Kli­ma­tod der Mensch­heit. Angst­ge­trie­ben fana­ti­sier­te Kin­der ver­an­stal­ten Pro­zes­sio­nen, die von der unkind­lich-erns­ten Art gnos­tisch inspi­rier­ter Ket­zer­be­we­gun­gen sind. Man gei­ßelt sich für ver­häng­nis­vol­le Bedürf­nis­se. Eine mys­te­riö­se Seu­che unter­warf sich die Welt, selt­sam des­we­gen, weil noch immer nicht ganz klar scheint, inwie­fern sie nun tat­säch­lich so lebens­be­droh­lich war oder ob die hygie­nisch auf­ge­räum­te Sagro­tan-Kul­tur die­se Bedro­hung selbst auf­rief, gar im Sin­ne einer selbst­er­fül­len­den Pro­phe­zei­ung emp­fin­den woll­te, so wie wir schon Jah­re vor­her einem Hang zu end­zeit­lich akzen­tu­ier­ten Stof­fen in Lite­ra­tur und Film verspürten.

Und wäh­rend uns die Angst noch kalt im Nacken sitzt, grol­len im Osten sogar die Geschütze …

Heino Bosselmann

Heino Bosselmann studierte in Leipzig Deutsch, Geschichte und Philosophie für das Lehramt an Gymnasien.

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Kommentare (35)

Lausitzer

13. Juni 2022 13:41

Genau, deprimierend schön beschrieben.

Laurenz

13. Juni 2022 14:32

@HB (1)

Mit Ihrer sehr exakten Ist-Beschreibung kann man sich wieder sehr gut anfreunden.

Was die Historie angeht, so kann man in einigen Punkten Kritik anmelden. 1. Ganz Osteuropa hatte zu viel West-TV geschaut & ging davon aus, TV sei Realität, ein eklatanter Fehler, genauso wie geschönte Produktionsquoten im DDR-TV. 2. Die DDR war Nationalsozialismus mit Planwirtschaft & ohne Reisefreiheit. 3. Die DDR war mehr Klassengesellschaft als der einstige Westen, zumindest beim Militär. 4. In der Sowjetunion, wie in der DDR, fehlte der Führung schlicht der Intellekt, um das von Ihnen zitierte Vorgehen Deng Xiaopings zu begreifen, die Umwandlung eines maoistischen Staats in einen nationalsozialistischen. Und das, obwohl dieser Weg für Ex-Kommunisten viel kürzer war, als der in den westlichen Pseudo-Kapitalismus. Es reichte, schlicht, das Privateigentum zuzulassen & Kollektive dessen weitestgehend aufzulösen & wie einst Hermann Göring, die Wirtschaft unter der Knute der Politik zu halten. Deswegen scheiterte der Warschauer Pakt, aber China nicht. China schaffte es sogar, den Westen in die Abhängigkeit seiner Produktions-Kapazitäten zu bringen. Die Rache für hunderte von Jahren westlicher Bevormundung & Völkermord steht noch aus.

Laurenz

13. Juni 2022 14:48

@HB (2)

1984 war ich mit meinen Schulkameraden von der DDR nach Oberhof eingeladen worden, mit Ausflügen nach Sonneberg, Wartburg, Leipzig, etc.pp.

Ich war damals mit meiner Kenntnis über die DDR nicht repräsentativ. Meine Kurskameraden waren typische, mehr oder weniger apolitische Wessis, die von der DDR, außer der Mauer, keine Ahnung hatten. Trotzdem war jedem von ihnen klar, als wir einen Jugendklub besuchten, mit der FDJ-Kreisleitung debattierten, (was sie nicht konnten), daß wir es mit unseresgleichen zu tun hatten.

In Oberhof konnte man nur nachts im Hotel Panorama feiern, was sich die DDR-Schickeria extra dazu eingerichtet hatte. Damals war gerade "Erbarmen, die Hesse komme" angesagt. Das sangen wir leicht angetrunken (wir kamen ja aus Frankfurt am Main) auf dem Nachhauseweg ins Jugendhotel. Uns kam eine Gruppe DDR-Jugendlicher entgegen, die genauso angetrunken waren & dasselbe Lied der Rodgau Monotones sangen. Das hätte einem in Frankreich oder Italien nicht passieren können. Nichts machte klarer, daß wir aus demselben Holz geschnitzt sind, nur die Farbe ist anders lackiert. In der sozialistischen Freizügigkeit, damals die einzige Freiheit, sind wir Wessis bis zum heutigen Tage prüde Spießer. Aber wumpe.

Maiordomus

13. Juni 2022 15:50

@HB. Was Sie eingangs über die deutsche Nation in der DDR anführen, wurde im Westen zwar als Usurpation denunziert, war aber vielfach doch sehr ernst gemeint. Mir fiel dieser Gesichtspunkt schon bei meiner ersten Einreise im Frühjahr 1968 auf; Westberlin, mindestens die Studentenszene, wirkte damals klar linker.

Bei kulturhistorischen Erkundungen schon vor dem Mauerfall fiel mir die enorme Bedeutung des 750. Geburtstages der heiligen Elisabeth von Thüringen auf, im Jahre 1957,  bedeutungsvoller als das Jubiläum 2007, zu dem zwar  aufwändigere, aber eher antiquarisch-historische Publikationen erschienen. Es gab 1957 einen geduldeten kirchlich organisierten gesamtdeutschen Wallfahrtsbetrieb nach Eisenach, wobei man aber seitens der offiziellen DDR bemüht war, Elisabeth weniger als religiöses denn als deutsch-nationales Symbol gelten zu lassen, wenn schon. Es war aber bei allem Misstrauen einer der bedeutendsten Anlässe zur DDR-Zeit, bei dem die deutsche Einheit zelebriert wurde, dabei aus westlich-katholischer Sicht "Elisabethen-Wallfahrt" genannt.. Sprach vor einigen Jahren in Dresden über diese Thematik, für die ein interessiertes Publikum vorzufinden war.   

RMH

13. Juni 2022 17:40

Vorab: Die Wiedervereinigung habe ich als vormaliger Nutzer der sog. "kleinen Grenzverkehrs" recht gut in Erinnerung, weil mir bereits damals klar war, es wird (mal wieder) Geschichte geschrieben. Ich bitte daher alle, sich wirklich nicht vom Stand Jetzt, hier und heute, beeinflussen zu lassen, wenn sie zurückschauen. 1990 war ein echter Aufbruch, die 90er Jahre waren, politisch und künstlerisch betrachtet, vermutlich die freisten, die BEIDE Teile Deutschlands jemals hatten (denn auch für den Westen, wurde es erst einmal "freier"). Was Essig in den gesamten Vorgang geschüttet hatte, war der Umstand das ganze Belegschaften abgewickelt wurden und Arbeitslosigkeit ein echtes Thema war - hier sei aber daran erinnert, dass dies auch im Westen bereits seit den 70er Jahren im Gange war und in den 90ern nicht zu Ende war. In den 90ern eine Lehrstelle zu finden, war in GANZ Deutschland schwer. Junge Ingenieure, die in den 90ern abgeschlossen haben, standen überwiegend in GANZ Deutschland erst einmal auf der Straße etc. Mit der Wiedervereinigung begann aber - hier liegt H.B. richtig und ich vermute, dass war auch Teil der Zusagen an die Siegermächte - das Schleifen der Nation Deutschland (auch die BRD war bis 90 durchaus national) und ab 2000 war dann Schluss mit dem kurzen Zeitfenster  der Freiheit, siehe die Zustände heute, die für GANZ Deutschland gelten - und es wird schlimmer.

RMH

13. Juni 2022 19:30

Ach ja, ich war heute mal wieder in Thüringen, in der Gegend von Ilmenau. Im Autoradio kam dann folgende Meldung:

Es waren Bürgermeisterwahlen in Thüringen, Wahlbeteiligung nicht mal ganz 51%, kein einziger AfD Bürgermeister. Und das im Land vom AfD-Wundermann B. Höcke ....

Was man so aus Sachsen hört, scheint das auch kein großer Erfolg geworden zu sein.

Monika

13. Juni 2022 19:38

Aus dem Text spricht eine gewisse Traurigkeit, über das, was war und was hätte sein sollen und können. Die Aussage von Uwe Tellkamp, „er lasse sich nicht von zugezogenen Westdeutschen an der Käsetheke belehren, was gut oder schlecht und moralisch geboten sei“, trifft den Kern der Sache. Die westdeutsche Politik und die meisten Westdeutschen hat das Leben der Menschen in der DDR schlicht und ergreifend nicht interessiert und Kohl ist in diesem Sinne auch kein Kanzler der Einheit. Sie fiel ihm in den Schoß. Nach der Wende reisten linksgrüne und andere Bildungsbürger nach Dresden, Potsdam, Erfurt, Jena, Weimar und bestaunten die bald darauf blühenden Landschaften und, dass es da noch so deutsch sei, im guten Sinne.  Kein MacDonald und keine Ausländer.  Nur die Einwohner seien irgendwie komisch oder rückständig. Bevor die seelischen Narben verheilen konnten , haben die Ereignisse 2015 die beiden deutsche Teile überrollt und zwangsvereinheitlicht. Gerade das ist ein Grund,  Uwe Tellkamp zuzuhören. Eine deutsche Seelsorge täte gut. 

Maiordomus

13. Juni 2022 20:20

@ Monika. Beeindruckende Beschreibung. Nur fiel die Einheit, wie immer man sie auch beurteilen mag, Kohl nicht nur schlicht in den Schoss. Es praktizierte im Umgang nicht nur mit Frankreich, Thatcher usw. doch eine gewisse unverfrorene Geschicktheit. Lafontaine als Kanzler hätte diese Einheit vermutlich nicht gewollt, aber der Slogan "Deutschland einig Vaterland" hätte ihn damals schlicht überrollt, selbst wenn man seine damalige Skepsis heute besser versteht. Kohl hat einiges doch richtig gemacht, aber jemanden wie Merkel, die es in der DDR durchaus ausgehalten hätte, die hätte man als Regierungschefin nie aufkommen lassen dürfen. Das sah wohl Schröder durchaus richtig. Aber wie wir sehen, wäre es möglicherweise auch mit einem Kanzler in der Art von Merz und Seehofer oder gar Söder nicht besser geworden, wiewohl diese bei genügend Anlass zu Opportunismus womöglich doch eine weniger verhängnisvolle Politik, siehe @Monikas Ausführungen, sich möglicherweise geleistet hätten. 

KlausD.

13. Juni 2022 20:57

"Das Nationale jedoch, also ja wohl das Erbe im Kulturellen ... galt zunehmend als „nationalistisches“ Unverständnis ..."

Prinzipiell ist dem leider so. Doch immerhin gibt es seit 2003 in den neuen Bundesländern die Vereinigung "Kultureller Gedächtnisorte von nationaler Bedeutung", so zumindest (immer noch) die Bezeichnung an den betreffenden Gebäuden. Grundlage ist das sogenannte Blaubuch, das alle national bedeutenden Kultureinrichtungen in den ostdeutschen Bundesländern zusammenfasst, untergliedert in »kulturelle Leuchttürme« sowie »kulturelle Gedächtnisorte«, das sind Museen, Archive und Gedenkstätten, die bedeutenden Persönlichkeiten des nationalen kulturellen Erbes gewidmet sind. Detaillierte Angaben zu den 22 Objekten siehe hier:

https://www.kulturelle-gedaechtnisorte.de/startseite.html

Laurenz

13. Juni 2022 21:11

@Maiordomus @Monika

Sie sollten Sich hier auf einem Irrweg einfangen lassen. Die Befindlichkeiten der Deutschen in Ost oder West interessieren außerhalb Deutschlands nur dann jemanden, wenn dadurch entstandene politische Schwierigkeiten deutlich werden. In Frankreich & Britannien leben gesellschaftliche Gruppierungen zusammen, die sich auch noch nach dem 30jährigen Krieg gegenseitig abgeschlachtet hatten. Die DDR litt zwar unter der Treuhand etc., aber im Vergleich zu Rest-Osteuropa, hatte man wenigstens jemand, der neue Infrastruktur finanzierte, was in Osteuropa erst jetzt, wieder durch deutsches Geld, per EU stattfindet. Oskar war nicht unbedingt gegen eine Wiedervereinigung, er war nur vorsichtiger. Oskar verlor die Wahl im Osten. Der Westen haßt Kohl nur noch, weil er zu feige war, von Jelzin Russisch-Ostpreußen zurückzukaufen. Er bekam deswegen nicht einmal ein Staatsbegräbnis.

frdnkndr

13. Juni 2022 22:11

Guter Beitrag, gute Kommentare.

Dank insbesondere an RMH und Monika für ihre Schilderungen - und ja, die 90er waren ziemlich sicher das freieste aller Jahrzehnte der jüngeren Geschichte und werden dies auf absehbare Zeit leider auch bleiben.

Der Aufbruch, die Hoffnung, so unfassbar viel Zukunft vor einem selber und der ganzen Welt - und heute muss man sich an viel zu vielen Tagen selbst zum morgendlichen Aufstehen zwingen.

ede

14. Juni 2022 00:33

Einen nationalen Impuls gab es 1990 schon. Und Kohl hat da auch unbestreitbar Verdienste. Im Nachhinein ist gut reden von zu hohen Preisen (Euro Vertrag etc.). Alle wesentlichen europäischen Nachbarn hatten doch erhebliche Vorbehalte wegen des um 17 Mio größeren Deutschlands.

Mittlerweile denke ich, daß die Wendetransformation in Ost wie West den strategischen Bedeutungsverlust Gesamtdeutschlands für die USA und Westeuropa überdeckt, im Sinne von nicht fühlbar gemacht hat. (I.d.S. Zustimmung zu RMH).

Wir wachen alle zusammen auf, als ob der 2.Weltkrieg erst jetzt zum Ende  gekommen ist.

 

Volksdeutscher

14. Juni 2022 07:21

@Laurenz > @Volksdeutscher vom 13. Juni 2022 10:1913.

Inhaltlich gehört es zwar nicht zum obigen Thema, ich möchte dennoch freundlichst um Freischaltung bitten.

Werter Laurenz, wie wir sehen, haben Sie wieder einmal den Überflieger.... Ich mache Ihnen keinen Vorwurf daraus, daß Sie nicht ungarisch sprechen, daraus resultiert jedoch, daß Sie in Folge dessen noch nie ein linguistisches Buch über ungarische Sprachgeschichte und -forschung in ungarischer Sprache in der Hand hatten. Sie kennen weder die (kultur)politische, noch die biogenetische Seite dieser Sache und auch nicht die intellektuelle Auseinandersetzung um die sie. Da patzen Sie lieber ein spekulatives Gedankenkettchen hin, damit Ihrerseits etwas gesagt ist, da Sie die von mir angebotene Informationsmenge weder einsehen noch bewerten können und schließen ihn mit einer Wendung im besten gefürchteten Bürokratendeutsch: "Insofern sind Ihre Beiträge als ahistorisch abzulehnen". Selten lachte ich so gut. Aber hoffentlich meinten Sie das auch ernst, denn für einen Witz wäre das schlecht gewesen.

 

 

Laurenz

14. Juni 2022 08:30

@Volksdeutscher @L.

Wie schon viele Generationen vor mir, gehöre ich zu den Studenten, die keinen Bock haben, ungarisch zu lernen, wie das der Standard beschreibt.

https://www.derstandard.de/story/2000114515995/als-niemand-ungarisch-lernen-wollte-sprachenpolitik-im-koenigreich-ungarn-um

Privat habe ich mich sehr mit Ungarn auseinander gesetzt. Ich war quasi mit einer Ungarin zusammen, mein kleiner Cousin ist mit einer Ungarin liiert. Letztes Jahr war ich erst dort vor Ort. Ich stelle an diejenigen Ungarn, die ich treffe, kennenlerne, immer dieselben historischen Fragen. In vielen Kneipen kann man noch die originale, nicht latinisierte Schrift lesen. Habe mir mindestens 10 ungarische Buchläden angeschaut, um das Spektrum des Angebots einzuschätzen. Übersetzer ist in Ungarn sicherlich ein lukrativer Job. Die beste Informationsquelle bietet mir ein intellektueller ungarischer Weinbaron, der in Wien aufwuchs. Die Sicht & das Trauma Ungarns auf Trianon ist eben nur eine Seite der Medaille, die man mit Berücksichtigung auf die Beziehungen der Esterhazys & Co. mit Habsburg einschätzen sollte.

Andreas Walter

14. Juni 2022 09:27

Für manche Juden, Herr Bosselmann, ist jeder der gegen sie kämpft, Amalek:

https://www.juedische-allgemeine.de/religion/die-erzfeinde/

Erzfeinde sind der Meinung mancher Juden nach daher viele Völker, einschließlich Perser (Iran), Griechen und Ägypter. Dazu kommen im Grunde genommen auch noch die Römer (Italien), Deutsche, Polen, Ukrainer und Russen. Die Spanier, Engländer, Franzosen und Portugiesier dann allerdings wohl auch. Wobei auch Juden manches vereinfachen oder einfach weglassen, damit es griffiger, “logischer“, stimmiger wird.

Doch eine Antwort, warum so viele Menschen die Juden hassen, gerade auch Muslime, finden Sie eben auch in der Erklärung der Jüdischen Allgemeine. Der jüdische Glaube ist zum Teil nämlich genauso absolutistisch, auf seine Art, wie der Muslimische, der Christliche oder wie auch die marxistische/ökologische Negation der abrahamitischen Religionen oder sogar allen Glaubens (“Konstruktion“).

Ob auch wir das verstehen und akzeptieren ist aus Sicht jeder dieser Gruppen allerdings unwesentlich, denn sie sind ja jede für sich in ihrem Glauben gefangen oder festgelegt. Aus welchen Gründen auch immer, denn auch dafür gibt es Unterschiedliche. Krieg wird es daher wohl immer geben.

 

 

Imagine

14. Juni 2022 11:10

1/3

Um es klar vorweg zu sagen:
Ich mochte diesen DDR-Staat nicht. Der war mir zu deutsch im negativen Sinne.

Als Nachkriegskind bin ich unter Bedingungen aufgewachsen, wo meine erwachsene Umwelt durch die Diktatur und die Überlebensstrategien im Terrorsystem geprägt war. Diese Sozialisation bringt Menschen hervor, die angepasst, feige, verlogen und heuchlerisch sind, voller Doppelmoral, Aggressivität und Neid.

Meine Freundin lebte in Berlin und ich studierte ab 1969 in Göttingen. Ich hasste die Fahrt über die Interzonenautobahn. Jedes Mal das schikanöse Verhalten der Grenzsoldaten. Der Bruder einer Freundin war etwas vorlaut. Als er an der Grenze gefragt wurde: „Haben Sie Waffen?“ Antwortete er: „Nein, muss man die hier haben?“ Er wurde bestraft, indem er herausgewinkt wurde und weit länger als eine Stunde zusätzlich warten musste. So war dieser Typus von Mensch: autoritär, sadistisch und humorlos.

Ich mochte auch unsere in der DDR lebenden Verwandten nicht. Mein Cousin war der Mensch auf der Welt, der mir genetisch am ähnlichsten war. Unsere Väter waren eineiige Zwillinge. Sein Vater war im Kriege gefallen, meiner früh gestorben, als ich 18 war. Aber psychosozial waren wir grundverschieden, weil unsere Sozialisation so grundverschieden war.

Mir war klar, dass die Wiedervereinigung psychosozial und kulturell ein Rückschritt für Westdeutschland sein wird.

Imagine

14. Juni 2022 11:12

2/3

Den Ossis haben wir die 17 Jahre Kohl „zu verdanken“ und später die Merkel.

Die Wiedervereinigung war auch finanziell eine große Belastung. Da wurden Billionen nach Ostdeutschland transferiert. Wir wurden durch den Solidaritätszuschlag 30 Jahre lang erheblich belastet. Noch schlimmer traf es jene, die in der gesetzlichen Rentenversicherung und Krankenkasse waren. Das war und ist ein großer Rentenverlust, man muss nur die Differenz zu Österreich betrachten.

Überall im Westen wurde nach der Wiedervereinigung rigoros gespart. Die Straßen und öffentlichen Gebäude wurden nicht mehr saniert, an den Hochschulen wurde die Mittel gekürzt.

Von 1994 bis 1998 lehrte ich an einer ostdeutschen Hochschule. Dort hatten wir einen Überfluss an Geld, wir mussten es irgendwie ausgeben, um nicht das nächste Jahr gekürzt zu werden.

Bei den Studienleistungen sah ich keine wesentlichen Unterschiede zu westdeutschen Studenten in vergleichbaren Studienfächern. Im Grunde das gleiche Bild, die Mehrheit war – wie im Westen – studierunfähig. Unterschiede gab es im engeren Familien- und Heimatbezug, die Studenten fuhren jedes Wochenende nach Hause. Psychologie und Sozialwissenschaften waren – wie im Westen - völlig unterbelichtet, das galt für die Ex-DDR-Professoren gleichermaßen.

Imagine

14. Juni 2022 11:14

3/3

Psychosozial waren die Studenten ähnlich wie im Westen, da hatten bei den jungen Menschen schon Angleichungsprozesse stattgefunden. Nicht nur im Konsumverhalten. Auch im Westen fragten Studenten, ob sie eine Meinung vertreten dürfen, die von der des Professors abweicht. Es war so, als hätte es die antiautoritäre 68er-Zeit nie gegeben. Die Studenten quatschten wie Papageien nach, was der Professor vorgab, um möglichst gute Noten zu bekommen.

Unter den Studenten gab es auch sehr sympathische Menschen und es haben sich Freundschaften entwickelt.

Heute ist mir Ostdeutschland so fern wie Deutschland insgesamt.

Es gibt im Großem und Ganzen wohl auch keine Unterschiede zwischen West- und Ostdeutschland mehr, nicht beim Impfen, nicht beim Ukraine-Krieg, nicht bei Verdrängung der Verbrecherherrschaft und dem Weg in die Barbarei.

Gotlandfahrer

14. Juni 2022 11:40

1/2

Wir alle leben im Widerstreit zweier gegensätzlicher Veranlagungen, die unser Bewusstsein und unser Handeln maßgeblich bestimmen. Zum einen basiert unser Denken auf Erinnern, denn nur so kann über Instinkt hinaus eine regelbasierte Abwägung getroffen werden.  Nennen wir es Geist.

Zum anderen sind wir spontaner Gier und Angst ausgesetzt, also Impulsen, die erst durch unseren Geist zu züchtigen sind.  Nennen wir es Fleisch.

Wenn sich die Umweltbedingungen ändern, verlieren die – ohnehin je nach individueller Ausprägung unterschiedlich im Einzelnen wirksamen – Regeln an Wirksamkeit.  Es macht was mit dem Geist, denn Erinnerungen werden ersetzt oder nicht mehr gemacht.  Es macht andere Regeln.  Ost und West wiesen unterschiedliche Umweltbedingungen auf, die Änderungen im Geiste wirkten sich entsprechend anders auf die Züchtigung der Gier- und Angstimpulse aus.  Die westdeutsche Oberschichtjugend wurde – stilbildend für alle - angeregt, Regeln der genossenschaftlichen Rückgebundenheit zu verwerfen, um sich ihre Gier und Angst „ungenierter“ belohnen zu lassen.  Eine erzähltechnisch recht simple Verführungstechnik der Schadherrscher, die durch unmittelbare und aufwandsarme Befriedigung eine tiefenharmonische Übereinstimmung von Geist und Fleisch schuf, mithin eine Vernichtung von Geist oder eine Retardierung hin zu vorkulturellen, vegetativen Zuständen. 

Gotlandfahrer

14. Juni 2022 11:45

2/2

Hingegen war die mitteldeutsche Jugend größeren Widersprüchlichkeiten in ihrer Umwelt ausgesetzt.  Obwohl offiziell „materialistisch“, war ihre Umwelt der materiellen Unterbefriedigung durch ein hohes Maß an Idealen durchsetzt, die aber definitorisch keine sein durften, eine Ersatzreligion, die keine göttliche Unfehlbarkeit kennt, sondern nur die Partei, die immer recht hat.  Eine allumfassende Dissonanz, die – im Gegensatz zu der durch Befriedigung sedierten Westjugend – Geistreste erhielt.  Ungewollt. Deswegen brauchte es irgendwann den Luther und Friedrich II. Firlefanz (aus Sicht der Herrschenden Firlefanz), um (erfolglos) zu kitten, was nicht zusammenpasste:  Materialismus ohne genug Materie und Ideallosigkeit durch Hilfsideale.  Staatsgaunerei eben.

Wollte man als DDR-Bürger also in ein gemeinsames Deutschland zurück, dessen größerer Teil sich selbst gar nicht mehr wollte? Ja klar, es gab dort ja Restgeist.  Und was heißt das?  Dass die Umweltbedingungen im Westen einen Geist geschaffen haben, der undeutsch ist.   Folglich muss jeder, egal aus welcher Ecke Deutschlands, der noch Restgeist besitzt, an der Änderung der Umweltbedingungen arbeiten.  Ost, West, Nord, Süd -  es ist mir egal, wir haben es mit deformierten Geistern in unseren Landsleuten zu tun.  Aber ihre Angst und ihre Gier sorgen längst dafür, dass sie den Untergang der Umweltbedingungen spüren, auch wenn sie ihn geistig nicht fassen können.  Läuft, sag ich mal. Und das als alter Wessi.

Umlautkombinat

14. Juni 2022 11:58

@Imagine

> Mir war klar, dass die Wiedervereinigung psychosozial und kulturell ein Rückschritt für Westdeutschland sein wird.

Im Psychosozialen scheint mir westdeutsches Erbe bis heute etliche Herausforderungen  gerade nicht genommen zu haben.

> Den Ossis haben wir die 17 Jahre Kohl „zu verdanken“ und später die Merkel.

Schluesseln wir es doch richtig auf (Warnung: Teile - genauer der Erste - sind polemisch):

  • Merkels Vater kam aus dem Westen -> der Osten verdankt Merkel dem Westen
  • Kohl hob Merkel in ihre Startloecher -> s.o.
  • Wer stellt den Grossteil des Wahlvolks, wer waehlte also letztlich das System Merkel? -> ...

Punkt 3 ist entscheidend, weil er nicht mehr auf Strohmaennern wie Personen und ihrer Herkunft herumreitet, sondern das Systematische hervorhebt: Wessen Beduerfnisse und Sehnsuechte werden mit einer solchen Entscheidung eigentlich erfuellt? Da hat die kulturelle Ueberlegenheit wohl nicht ganz genuegt...

> Das war und ist ein großer Rentenverlust, man muss nur die Differenz zu Österreich betrachten.

Vielleicht sollten Sie sich einmal ansehen, wie Oesterreich sein Rentensystem aufgebaut hat. Im Wesentlichen liegt der Unterschied in Entscheidungen nach der Jahrtausendwende begruendet, die in Deutschland Renditebausteine der Kapitalmaerkte gegenueber oeffentlicher Finanzierung in Oesterreich bevorzugten. Dazu gehoert auch der Einschluss aller Selbstaendigen in die gesetzliche RV. Mit DDR-Altlasten hat deren Vorteil also nicht viel zu tun.

 

 

RMH

14. Juni 2022 12:04

"Es gibt im Großem und Ganzen wohl auch keine Unterschiede zwischen West- und Ostdeutschland mehr,"

Das ist meiner Meinung nach zutreffend, wobei man durchaus die Einschränkung "im Großen und Ganzen" sehr beachten sollte (im Detail gibt es nach wie vor z.T. erhebliche Unterschiede). Es ist Teil des Selbstbetrugs neuer Rechter, Deutsch-Denkender und insbesondere teilweise der auch hier Kommentierenden zu meinen, irgendwie wäre es in den neuen Ländern "besser" oder hier würden noch Reste echter Deutscher leben (die findet man in ganz Deutschland). Diese Fehleinschätzung rührt m. M. n. vor allem daher, dass in den 90er Jahren und bis Anfang des neuen Jahrhunderts im "wilden Osten" klar mehr ging als nirgendwo sonst in Deutschland (Schnellroda ist kein Zufall!). Der weitere Umstand ist der, dass die Migration in den neuen Ländern nicht so stark sichtbar war (ändert sich aber in den Städten bereits deutlich). Mit zunehmender Repression, Globalisierung wird aber in der Tat "im Großen und Ganzen" viel glatt geschliffen.

PS: @Imagine, ihre Beiträge zeigen leider sehr oft Züge von starker Selbstverliebtheit und Narzissmus. Dieses Mal besonders auffällig.

Umlautkombinat

14. Juni 2022 12:27

> Bei den Studienleistungen sah ich keine wesentlichen Unterschiede zu westdeutschen Studenten in vergleichbaren Studienfächern. Im Grunde das gleiche Bild, die Mehrheit war – wie im Westen – studierunfähig. [...] Psychologie und Sozialwissenschaften waren – wie im Westen - völlig unterbelichtet, das galt für die Ex-DDR-Professoren gleichermaßen.

Was mich hierbei einmal interessieren wuerde - in welchem Gebiet waren Sie eigentlich taetig, @Imagine?

 

quarz

14. Juni 2022 12:40

@RMH

"Mit zunehmender Repression, Globalisierung wird aber in der Tat "im Großen und Ganzen" viel glatt geschliffen."

In der taz lese ich gerade: Claudia Roth sorgt sich um die bedrohte kulturelle Identität der Ukraine. Ist das Schizophrenie oder Unverschämtheit? Oder was?

heinrichbrueck

14. Juni 2022 14:00

Käsetheke. Was man darf und was man nicht darf. Was man kann und was man will. 

Imagine

14. Juni 2022 14:16

1/2

Es gibt einen großen Unterschied zwischen West- und Ostdeutschland, nämlich die noch vorhandene Erfahrung des Zusammenbruch des Systems.

Der Zusammenbruch liegt in der DDR 33 Jahre zurück und viele können sich noch erinnern, welche (sozial)psychologischen Prozesse davor abgelaufen sind. Es wurden Hoffnungen und Illusionen propagiert, man spürte zugleich irgendwie die zunehmende Instabilität des Systems, aber man durfte nicht darüber sprechen.

In Westdeutschland hingegen war der letzte Systemwechsel 1945 und seitdem gibt es politische und wirtschaftliche Stabilität.

Mein Großvater hingegen (*1875) erzählte mir als Kind, welche Systeme er erlebt hat: Kaiserreich, WK T, Weimarer Republik, Hitlerdeutschland, WK II und BRD. Und wie er nach dem WKII alles verloren hat, was er sich ein Leben lang in Schlesien aufgebaut hatte.

Er hat mich damals gewarnt, dass ein politischer Wechsel schnell und unerwartet eintreten kann. Und gab mir für den Lebensweg mit: „Lern gut! Sie können dir alles nehmen, nur deine Bildung nicht!“

Das ist auch heute so. Als sprachkompetenter Hoch- oder sogar Höchstqualifizierter bekommt man überall in der Welt einen guten Job.

Als ich Mitte der 90er Jahre in Ostdeutschland arbeitete, hörte ich wiederholt und von ganz unterschiedlichen Seiten: „Nur keine Wende mehr!“ Man wollte dauerhafte Stabilität und Sicherheit.

Imagine

14. Juni 2022 14:17

2/2

Für viele bedeutete der Zusammenbruch der DDR einen großer Verlust: des Arbeitsplatzes, von sicherem Einkommen, sozialer Akzeptanz und Sicherheit, Ehen zerbrachen etc..

Vieles war in der DDR objektiv besser gewesen: Arbeitsplatzsicherheit, die Rechte der Frauen, die Organisation des Gesundheitswesens. Massenimport unerwünschter und kulturfremder Ausländer wäre undenkbar gewesen, Zwangsimpfungen mit experimentellen gentechnischen Stoffen auch.

Nach dem WK II haben viele erzählt, was im nationalsozialistischen Deutschland besser gewesen war. „Nur hätte Hitler keinen Krieg anfangen dürfen und das mit den Juden nicht machen dürfen!“

Die Rechte der Frauen und die Versorgung von alleinerziehenden Müttern haben in der BRD bis heute nicht den Entwicklungsstand erreicht, wie in der DDR vorhanden.

In der DDR gab es keine Arbeitslosigkeit und kein Prekariat.

Durch die Wiedervereinigung gab es in der DDR-Bevölkerung viele Verlierer, deren Lebenssituation verschlechtert wurde. Millionen haben ihre Heimat verlassen, um anderswo einen Arbeitsplatz zu finden. Millionen sind Langstrecken-Pendler. Usw.

RMH

14. Juni 2022 14:59

"sorgt sich um die bedrohte kulturelle Identität"

@quarz,

das ist doch nichts Neues, wenn es irgendwem ins Zeug passt, dann gibt es auf einmal "Rohingya" als Ethnie etc. und "Free Tibet" ist so lange cool, solange man es beim Lippenbekenntnis belässt und nicht direkt irgendwelche Händel deshalb mit China wagt. Überhaupt ist der Nationalismus militärisch sehr praktisch, was eine direkte Lehre aus den der französischen Revolution folgenden Kriegen war. Urplötzlich schnallten sich auch Adelige, denen es zuvor vollkommen egal war, über wen sie herrschten oder welche Herkunft ihre Söldner hatten, ein nationales Mäntelchen um. Und Millionen ließen sich in Folge im guten Glauben an ihre Nationen verheizen und dienten dabei im besten Fall nur sekundär oder unter ferner liefen wirklich den Interessen ihres Volkes.

Käsetheke. @heinrichbrueck,

ist doch schön, wenn man sich die Molkereiprodukte noch an der Käsetheke mit Bedienung leisten kann. Zeigt die privilegierte Stellung von Herrn Tellkamp. Die Masse kauft fertig verpackte Päckchen aus den Kühlregalen der Discounter - und diese Masse wird größer. Kritisch wird diese Masse in Deutschland deswegen aber nicht.

Umlautkombinat

14. Juni 2022 15:01

> Das ist auch heute so. Als sprachkompetenter Hoch- oder sogar Höchstqualifizierter bekommt man überall in der Welt einen guten Job.

Das sind Pauschalitaeten, die so noch nie stimmten. Wie auch die zu einer holzschnittartig vereinheitlichten  DDR-Folgementalitaet. Mal als Beispiel:

Ich bin 1992 mit meinem Mathematikstudium fertig geworden. Das dauerte wie in der DDR ueblich fuenf Jahre (und hatte damit auch den interessanten Effekt, unter zwei verschiedenen gesellschaftlichen Randbedingungen stattgefunden zu haben). Das setzte sich dann mit der Aufnahme einer Doktorbeit bei einem Max-Planck-Institut fort. So gut wie alle meine Mitstreiter dort haben die Aenderung, die Oeffnung der Welt, doch sehr positiv gesehen. Diejenigen, die im Akademischen blieben, hatten aber trotz bester Abschluesse und der Reputation dieser Einrichtungen meist noch viele Jahre damit zu tun, stabile Verhaeltnisse schaffen zu koennen. Man erinnere sich an die Hochschulreform um 2000 herum, die den akademischen Mittelbau im wesentlichen entfernte. Postdoc-Stellen an den schillerndsten Stellen verlieren halt nach dem dritten Land auch ihren Reiz. Realitaeten werden nachdruecklich und sei es 'nur' durch Gruendung einer Familie. Irgendeine Form von tenure war weder damals noch heute 'einfach' und schon gar nicht "überall in der Welt" zu bekommen. Ich arbeite in - industrieller - KI mit all diesen jungen hungrigen PhD's seit vielen Jahren zusammen, gluecklicherweise als Selbstaendiger. Das Ganze ist fuer sie auch heute sehr hart. In anderer Form, aber hart.

tearjerker

14. Juni 2022 15:34

Trizonesien und die Soffejt-Zone sind nun schon fast so lange her wie sie alt wurden. Schnee von gestern. Die Staaten wurden vereinigt: Verwaltung, Polizei etc und werden seitdem ohne Unterlass aufgeblasen. Das war der Sinn der Übung und ein Riesenerfolg. In den letzten 200 Jahren wurde alle 30-40 Jahre alles komplett umgemodelt. Da hat der Westler echt was verpasst. So wie‘s jetzt aussieht, bekommen sie ihn am Ende aber doch noch.

Dieter Rose

14. Juni 2022 18:24

@Quarz

Man schaue mal auf arte "Stadt Land Kunst", wie da über fremde Kulturen berichtet wird, die geschützt und vor dem Untergang gerettet werden müssen.

Ich frage mich dann immer, merken die nichts?

Irgendwie scheinen da gewisse Denkvorgänge  nicht mehr zu funktionieren, Zusammenhänge, Beziehungen nicht erkannt und Schlussfolgerungen gezogen werden.

Andreas Walter

14. Juni 2022 19:46

Dabei hätte doch alles so "schön" werden können, hätte Beresowski keine Sch. gebaut:

https://www.republik.ch/2022/06/06/die-internationale-der-antifeministen

Ein Aufruf also zur Generalmobilmachung des Westens. Als würde es um alles und die ganze Welt gehen. Allein daran erkennt man schon den Totalitarismus der "Demokraten". Die Karawane ist eben weiter gezogen, von Ost nach West (aber auch nach Mitte).

https://youtu.be/LNBjMRvOB5M

 

Allnichts

14. Juni 2022 21:08

1/2

Imagine, RMH:

Ihre Einschätzung hinsichtlich der Unterschiedlichkeit von West und Ost teile ich nicht, kann ich so auch nicht nachvollziehen. Allein die AfD-Ergebnisse, aber auch die unterschiedlichen Ausländer-Anteile und die unterschiedlichen Potentiale für Protestbewegungen sprechen da doch eine deutlich andere Sprache.

Es ist sicherlich so, dass dem Westen teilweise etwas Unrecht getan wird, denn das Grauen passiert vor allem in den grossen und mittelgrossen Städten, während es sich in kleineren Ortschaften als diesen oftmals noch recht gut leben lässt. Ich war nach der Bundestagswahl ganz positiv überrascht, als ich mich über die Lage in meiner eigentlichen Heimatstadt mit etwas unter 25000 Einwohnern informierte und sah, dass dort nicht nur die AfD stabiler als erwartet abgeschnitten hat, sondern bspw. die Klassenfotos der Schulen dort gar nicht so deprimierend wirken, mit jenen aus der nahen Großstadt verglichen, in der ich nun wohne, ohnehin.

Ich weiss nicht, wie repräsentativ das ist, es ändert soweit auch wenig an den grossen politischen, sozialen, kulturellen Entwicklungen, aber ich gebe zu: Das macht mir irgendwo Hoffnung und ist sogar so ein deutlicher Unterschied zu meiner jetzigen weiteren Nachbarschaft, dass ich an eine Rückkehr denke.

Allnichts

14. Juni 2022 21:15

2/2

Die gerade angedeuteten, negativen Entwicklungen machen natürlich auch vor dem "Osten" nicht ganz Halt, auch dort verändert sich etwas, wenn vielleicht auch langsamer und von einem anderen Punkt ausgehend. Aber noch ist die Lage weiterhin wahrnehmbar besser, noch gibt es da mehr Möglichkeiten.

Zumindest Sie, RMH, habe ja auch eine differenzierte Betrachtungsweise angesprochen.

Nordlicht

15. Juni 2022 12:22

Meinen Senf dazu:

Dass Deutschland wieder zusammenkam, war - politisch - der glücklichste Tag meines Lebens. Damit "kam zusammen, was zusammen gehört". Was Kohl an innenpolitischen Fehlern gemacht hat, samt Treuhand etc., ist Schnee von gestern. 

Aussenpolitisch auferlegt war die radikale Reduzierung der Bundeswehr, um Russland zu beruhigen. Zur Zeit sind wir dabei, diese Befriedung abzuschütteln - ein deja vu zur Wiederbewaffnung 1952 bzw 1955: Mit den USA gegen Russland.