Bundesparteitag in Riesa (2): Die Europaresolution

"Europa neu denken" gehört zu den am breitesten getragenen und am gründlichsten vorbereiteten Resolutionen, die bisher für die AfD ausgearbeitet wurden.

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

Pro­fes­sor Hans Neu­hoff, AfD-Mit­glied in Nord­rhein-West­fa­len seit 2017 und unter ande­rem Mit­glied der Bun­des­pro­gramm­kom­mis­si­on, stieß die Euro­pa­re­so­lu­ti­on nach dem Bun­des­par­tei­tag in Dres­den an. Neu­hoff hat­te dort den Wil­len der Par­tei wahr­ge­nom­men, das Pro­jekt EU zu been­den und die Macht­zen­tren in Brüs­sel und Straß­burg zu ent­mach­ten. Sei­ner Auf­fas­sung nach dür­fe sich das euro­pa­po­li­ti­sche Pro­gramm der AfD jedoch aus drei Grün­den nicht auf den Kampf­be­griff “Dexit” beschränken:

Zum einen näm­lich sei ein “Dexit” eine natio­na­le Ent­schei­dung, die zur Zer­stö­rung der EU führ­te. Ihm schwe­be hin­ge­gen eine part­ner­schaft­li­chen Auf­lö­sung vor, ein Umbau, der zur Ent­mach­tung der EU-Nomen­kla­tu­ra füh­re und wesent­li­che Sou­ve­rä­ni­täts­rech­te in die Natio­nen zurückverlagere.

Zwei­tens ste­he fest, daß im Rah­men einer mul­ti­po­la­ren Welt- und damit Groß­raum­ord­nung kei­ne euro­päi­sche Nati­on stark genug sei, sich nur aus sich selbst her­aus zu behaup­ten. Not­wen­dig sei ein Euro­pa der Vater­län­der, das sich als Kul­tur­raum begrei­fe und in einer gemein­sam ver­tei­dig­ten und gegen den mas­si­ven Ein­fluß ande­rer Groß­räu­me zusam­men­ste­hen­den Hül­le die je eige­ne Ent­wick­lung der betei­lig­ten Natio­nen zulasse.

Drit­tens soll­te nach außen und innen klar­ge­stellt wer­den, daß der AfD nicht die Rol­le einer destruk­ti­ven Fun­da­men­tal­op­po­si­ti­on zuge­schrie­ben wer­den dürfe.

Mit die­sen grund­sätz­li­chen Erwä­gun­gen trat Neu­hoff an Höcke her­an, den er als EU-Kri­ti­ker ein­schätz­te, nicht aber als jeman­den, der über den Tel­ler­rand der deut­schen Nati­on hin­aus­zu­den­ken nicht in der Lage sei. An der Text­fas­sung einer kon­struk­ti­ven Euro­pa-Reso­lu­ti­on arbei­te­ten Neu­hoff und Höcke eng zusam­men, unter­stützt von dem Euro­pa­ab­ge­ord­ne­ten Maxi­mi­li­an Krah.

Zu einem spä­te­ren Zeit­punkt wur­de dann der Bun­des­fach­aus­schuß 1 (Außen- und Sicher­heits­po­li­tik) dazu ein­ge­la­den, sich an der end­gül­ti­gen For­mu­lie­rung der Reso­lu­ti­on zu betei­li­gen. Die­ser Bun­des­fach­aus­schuß dis­ku­tier­te in meh­re­ren Sit­zun­gen bis ins Detail über die letzt­lich gül­ti­ge Text­fas­sung und ent­schied im April die­sen Jah­res ein­stim­mig die Mitunterzeichnung.

Er wur­de im Antrags­buch reprä­sen­tiert durch sei­nen Lei­ter Die­ter Neu­en­dorf. Zwei Leit­kon­zep­te der Reso­lu­ti­on, näm­lich der Begriff der mul­ti­po­la­ren Welt­ord­nung und das Ziel der Erlan­gung stra­te­gi­scher Auto­no­mie für Deutsch­land und sei­ne euro­päi­schen Part­ner, waren von die­sem Bun­des­fach­aus­schuß bereits im Bun­des­wahl­pro­gramm 2021 ver­an­kert worden.

Die Reso­lu­ti­on “Euro­pa neu den­ken” ist hier in vol­lem Wort­laut als pdf ver­füg­bar. Wie breit sie letzt­lich getra­gen wur­de, ist auch dar­an abzu­le­sen, daß neben Alex­an­der Gau­land auch der Chef der Bun­des­pro­gramm­kom­mis­si­on, Albrecht Gla­ser, zu den Unter­zeich­nern des Antrags zum Bun­des­par­tei­tag in Rie­sa gehörte.

War­um ist die­se Reso­lu­ti­on letzt­lich nicht ver­ab­schie­det wor­den in Rie­sa? War­um soll sie plötz­lich als gera­de noch ver­hin­der­ter Schluß­akt von Rie­saer Höcke-Fest­spie­len gel­ten und war­um ihre Ver­hin­de­rung als eine Art Abkehr in letz­ter Sekun­de vom inhalt­li­chen Nar­ren­saum? War­um soll die­se so breit getra­ge­ne und inhalt­lich so gründ­lich und kon­struk­tiv for­mu­lier­te Reso­lu­ti­on die Klip­pe gewe­sen sein, an der ein von einer all­ge­mein emp­fun­de­nen Sams­tags­har­mo­nie beflü­gel­ter Par­tei­tag zerschellte?

Am Tele­fon schil­der­te Neu­hoff die Vor­gän­ge in einer Mischung aus Unver­ständ­nis und Nüch­tern­heit. Die­se Sicht wird nicht nur von Höcke, son­dern von etli­chen wei­te­ren Dele­gier­ten geteilt. Vier Punk­te sind wesentlich:

1. Es stimmt nicht, daß Höcke oder jemand ande­res die Befas­sung mit den Anträ­gen zur Euro­pa­po­li­tik, zur Frie­dens­po­li­tik und zur Ein­set­zung einer Struk­tur­kom­mis­si­on auf die letz­ten Stun­den des Par­tei­tags ver­scho­ben hät­te, um nach einer frü­he­ren Abrei­se etli­cher West­de­le­gier­ter mit­hil­fe der Ost­stim­men posi­ti­ve Ent­schei­dun­gen erzwin­gen zu können.

Unter ande­rem Höckes Vor­schlag und Wunsch war es, die inhalt­lich so wich­ti­gen Grund­satz­pa­pie­re noch vor den Per­so­nal­wah­len, also bereits am spä­ten Frei­tag oder frü­hen Sams­tag zur Ent­schei­dung zu stel­len. Dies wur­de jedoch abgeschlagen.

2. Daß die Ent­schei­dung, die Gewerk­schaft “Zen­trum Auto­mo­bil” von der Unver­ein­bar­keits­lis­te zu strei­chen, vor den Grund­satz­pa­pie­ren anstand, wird uni­so­no als unglück­lich bewer­tet. Wich­tig für die Bewer­tung der Zusam­men­ar­beit von Neu­hoff und Höcke in Sachen Euro­pa ist der Hin­weis, daß sie sich in Sachen Gewerk­schaft unter­schied­lich positionierten.

Höcke woll­te das grund­le­gen­de Zei­chen set­zen, daß weder per­sön­li­che Ani­mo­si­tä­ten noch Medi­en­druck zu Distan­zie­run­gen füh­ren dürf­ten, son­dern aus­schließ­lich par­tei­in­ter­ne Bewer­tun­gen ent­lang objek­ti­ver Kri­te­ri­en. Neu­hoff hin­ge­gen schloß sich der Auf­fas­sung Roman Reuschs an, der mit Blick auf den Ver­fas­sungs­schutz vor einem Hara­ki­ri warnte.

3. Daß Höcke die Euro­pa­re­so­lu­ti­on letzt­lich selbst vor­stell­te und zur Abstim­mung vor­schlug, war über­haupt nicht vor­ge­se­hen. Neu­hoff war auf die Prä­sen­ta­ti­on vor­be­rei­tet und ver­ließ am Sonn­tag nach mehr­stün­di­ger Tagungs­dau­er die Hal­le mit dem Kennt­nis­stand, daß er frü­hes­tens in einer Drei­vier­tel­stun­de zur Prä­sen­ta­ti­on auf­ge­ru­fen würde.

Auf Antrag von Tho­mas Röcke­mann (NRW) ent­schied aber der Par­tei­tag, unter ande­rem die Euro­pa­re­so­lu­ti­on nun doch sofort zu behan­deln. Der Auf­ruf zur Vor­stel­lung erfolg­te, Neu­hoff war nicht erreich­bar, und nach dem drit­ten Auf­ruf blieb Höcke nichts ande­res übrig, als den Antrag selbst zu prä­sen­tie­ren – was aus sei­ner Prä­senz vor allem nach der gewon­ne­nen Abstim­mung über das “Zen­trum Auto­mo­bil” eine Art Domi­nanz machte.

4. Mit völ­li­gem Unver­ständ­nis bli­cken sowohl Neu­hoff als auch Höcke und ande­re betei­lig­te Unter­zeich­ner der Euro­pa­re­so­lu­ti­on aller­dings auf die Ver­fah­rens­an­trä­ge, die nach der Prä­sen­ta­ti­on ein­ge­bracht wur­den und in denen es unter ande­rem um inhalt­li­che Kor­rek­tu­ren ging. Weder war im Antrags­buch zum Par­tei­tag ein Ände­rungs­vor­schlag zu fin­den, noch war bis zum Ende der Prä­sen­ta­ti­on bei der Antrags­kom­mis­si­on ein Saal­an­trag zur Reso­lu­ti­on eingegangen.

So setz­te sich bei den­je­ni­gen, die den Antrag über Mona­te erar­bei­tet und mit wich­ti­gen Gre­mi­en abge­stimmt und ein­ge­bracht hat­ten, der Ein­druck fest, daß sich die plötz­lich auf­tre­ten­den Geg­ner der Reso­lu­ti­on nicht in der dafür vor­ge­se­he­nen Zeit vor dem Par­tei­tag mit den Inhal­ten befaßt hätten.

Höcke war mir gegen­über fast noch nie so auf­ge­bracht wie über die­sen Punkt. Er selbst (das konn­te ich im Vor­lauf auf den Par­tei­tag mit­ver­fol­gen) war auf jeden ein­zel­nen Antrag des rund 100-sei­ti­gen Antrags­buchs vor­be­rei­tet und hät­te aus dem Steg­reif zu jedem Inhalt sei­nen Stand­punkt vor­tra­gen kön­nen – obwohl er, wie sei­ne Kri­ti­ker gern beto­nen, eigent­lich in der Lan­des­po­li­tik zuhau­se sei.

Auch Neu­hoff äußer­te im Gespräch sein Unver­ständ­nis für die Läs­sig­keit, mit der man aus dem hoh­len Bauch her­aus For­mu­lie­run­gen des Antrags infra­ge stell­te und eine kla­re euro­pa­po­li­ti­sche Stel­lung­nah­me ver­hin­der­te. So beton­te er mir gegen­über bei­spiels­wei­se den für die Reso­lu­ti­on so wesent­li­chen Unter­schied zwi­schen Ukrai­ne­kon­flikt und Ukrai­ne­krieg – also die geo­po­li­tisch so ent­schei­den­de, jahr­zehn­te­lan­ge Anbah­nung und Ver­schär­fung eines Kon­flikts durch den US-geführ­ten Wes­ten einer­seits und die krie­ge­ri­sche Kon­se­quenz durch den Angriff Ruß­lands ande­rer­seits: ein in den auf Kriegs­pro­pa­gan­da umge­schwenk­ten deut­schen Medi­en völ­lig unter­re­prä­sen­tier­tes Diskussionsfeld.

Dies ist nur ein Bei­spiel von vie­len, und es ist wich­tig, daß sich die Par­tei weni­ger mit Per­so­nal­fra­gen und mehr mit sol­chen Inhal­ten befaßt. Einen deut­li­che­ren Abstand zu allen Alt­par­tei­en kann man nur auf die­se Wei­se markieren.

Hät­te man einen sol­chen Sonn­tag ver­mei­den kön­nen? Wich­tig ist: Der Bun­des­par­tei­tag wur­de nicht “im Cha­os abge­bro­chen”, son­dern ordent­lich been­det, denn es war Sonn­tag­nach­mit­tag. Die einen hät­ten sich bes­ser vor­be­rei­ten und die einen­de Bedeu­tung sol­cher Reso­lu­tio­nen begrei­fen sol­len. Die ande­ren hät­ten viel­leicht die Ver­fah­ren­heit der Situa­ti­on ver­ste­hen und einer Ver­schie­bung zustim­men sol­len. Aber das ist Reden über ver­gos­se­ne Milch.

Zuletzt: Ein Bei­spiel trau­ri­gen Mutes ist die Video-Ana­ly­se des Chef­re­dak­teurs der Jun­gen Frei­heit, Die­ter Stein, der die Dimen­si­on der Euro­pa­re­so­lu­ti­on nicht ver­stan­den hat und ihren Ver­fas­sern und Unter­zeich­nern (immer­hin das oben erwähn­te, beein­dru­cken­de Tableau) poli­ti­sche Unzu­rech­nungs­fä­hig­keit bescheinigte.

Auch Ann-Kat­rin Mül­ler hat im Spie­gel über die Vor­gän­ge einen ihrer zur Masche gewor­de­nen Lücken­tex­te ver­öf­fent­licht und dar­in behaup­tet, Ali­ce Wei­del hät­te auf­grund einer mit ihr kon­kur­rie­ren­den Per­so­nal­op­ti­on zunächst Rache geschwo­ren und dann den Sonn­tag zer­schos­sen. Die­se Form der Bericht­erstat­tung (die kei­ne ist, son­dern Ben­zin­ka­nis­ter in über­hitz­te Par­tei­be­rei­che stel­len möch­te) wird inner­halb der AfD noch immer viel zu ernst genom­men – und dies nach Jah­ren der Erfah­rung im Umgang mit dem spal­te­ri­schen, gif­ti­gen Fein­ge­fühl der Mainstreammedien.

Es gibt eigent­lich kei­nen Grund, sich das, was am Sonn­tag geschah, zum alles bestim­men­den Ereig­nis von Rie­sa ein­re­den zu las­sen. Chan­cen wur­den ver­tan, Pro­zes­se ver­zö­gert. Aber das läßt sich richten.

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Götz Kubitschek

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Kommentare (15)

Uwe Lay

26. Juni 2022 09:56

D.Stein hat die Europaresolution schon verstanden und erfaßt, daß die so nicht kompatibel ist mit der Europapolitik der C-Parteien. Wer auf eine CDU-AfD Regierung hofft, muß eben wie die JF und der "Meuthenflügel" auf eine Entradicalisierung der AfD setzen, daß sie brav bürgerlich werde, um dann unter einem C-Kanzler mitregieren zu können.

Ein ganz anderes Problem ist, inwieweit diese Europakonzeption wirklich realistisch ist.Wäre Polen ein Mitglied des neuen Europas, verlangte es einen klaren antirussischen Kurs, der aber nicht im Interesse Deutschlands liegen kann. Frankreich wird immer in Deutschland eine "Bedrohung" sehen und so für eine Schwächung Deutschlands sich einsetzen. Daß Rußland zu Europa gehört und erst durch den "Kalten Krieg" aus Europa herausgedrängt wurde, sollte durch ein neues Europakonzept unter Ausschluß von Rußland auch nicht zementiert werden.

deutscheridentitaerer

26. Juni 2022 10:27

@Sandstein

"weil ich davon ausgehe, dass die AfD schon überm Zenit ist. (...)"

Was ist mit einer solchen Einstellung gewonnen? Warum redet man von Niederlage, nur weil man noch nicht gewonnen hat? War das ernsthaft Ihre Erwartung, als die AfD 2013 angetreten ist? Dass Deutschland 10 Jahre später gerettet ist?

Man macht (Partei-)Politik mit der Partei, die man hat, nicht mit der, die man sich wünscht.

Abgesehen davon hat sich vieles besser entwickelt, als man es anfangs erwarten konnte. Man muss einfach mal dranbleiben. Nicht ständig das Ende herbeizureden, wenn es mal nicht so läuft.

Denis Deppe

26. Juni 2022 13:28

Ein hilfreicher Beitrag zur Deeskalation der Befindlichkeiten.

Danke dafür.

Mitleser2

26. Juni 2022 17:24

Frage: Wenn die Europa-Resolution so wichtig war, und eigentlich darüber Konsens herrschte, aber es wohl jederzeit möglich war, dass der Parteitag entscheiden könnte, den Vorgang vorzuziehen. Warum war dann Herr Neuhoff nicht anwesend, sie zu vertreten? Das würde nach einem schweren taktischen Fehler aussehen?

Ist keine Kritik von außen, ich wundere mich nur.

Niekisch

26. Juni 2022 17:35

""Europa neu denken" gehört zu den am breitesten getragenen und am gründlichsten vorbereiteten Resolutionen, die bisher für die AfD ausgearbeitet wurden."

@ GK: Dennoch ist es besser, dass diese Resolution nicht das Licht der politischen Welt erblickt hat. Wegen der Zeichenbeschränkung nur ganz kurz und herausgreifend:

Zu Europa gehören auch indigenen Leistungen seiner Völker außerhalb des "klassischen Altertuns"

Europa soll nicht Beziehungen zu Rußland haben. Rußland  i s t  Europa.

Deutschland hat Übermenschliches zum Fernhalten raumfremder Mächte für Europa geleistet.

Seit dem 8.5.1945 wird Deutschland zum Niederhalten eingebunden.

Die Resolution läßt vermissen, dass das deutsche und andere europäische "Verfassungssysteme" im Rahmen der EU auf den Kopf gestellt sind, um zu einem "Bundesstaat Europa" ganz ohne Vaterländer zu kommen.  

Ich rege an, die Resolution hier, aber dann ganz hart am Text, zu diskutieren und den Versuch der Verbesserung zu unternehmen. Zur Vorbereitung empfehle ich: Kortenjann, Ansgar, Der europäische Reformzyklus, Peter Lang - Verlag, 2007-Dissertationsschrift-

 

Lausitzer

26. Juni 2022 19:14

Ein sehr guter Text, der den Abschluss des Parteitags sachlich einordnet. Danke! 

Kurativ

26. Juni 2022 21:45

Die AfD braucht vielleicht mehr "Bravheit" als grundsätzliches Prinzip des innerparteilichen Umgangs. Aber nicht so, wie bei den Grünen (=transatlantische Bravheit und Verrat). Wenn eine hochkarätige Kommission monatelang einen Entwurf erarbeitet hat, dann müssen die Deligierten (wenn das Schriftstück nicht völlig daneben ist) eben einfach zustimmen und sich nicht für nich schlauer halten(vs Bravheit). Vielleicht mal einen (römisch-)katholischen Gottesdienst besuchen: Austehen, Setzen, Aufstehen, Kreuzzeichen, Setzen, Lesungen, Glaubensbekenntnis, etz ....)

ede

26. Juni 2022 22:39

Gegen die Resolution gibt es inhaltlich nichts einwenden, gegen den Stil schon. Bei aller Sympathie zum Konkreten muss man nicht soweit ins Detail gehen. Das Allgemeinere ist nicht zwangsläufig nebulös. Insofern würde ich mir eine Straffung und Kürzung wünschen.

Aber:

"Die einen hätten sich besser vorbereiten und die einende Bedeutung solcher Resolutionen begreifen sollen. Die anderen hätten vielleicht die Verfahrenheit der Situation verstehen und einer Verschiebung zustimmen sollen."

Salomonischer kann man es nicht ausdrücken.

Und dem schließe ich mich ausdrücklich an:

"Es gibt eigentlich keinen Grund, sich das, was am Sonntag geschah, zum alles bestimmenden Ereignis von Riesa einreden zu lassen. Chancen wurden vertan, Prozesse verzögert. Aber das läßt sich richten."

 

das kapital

27. Juni 2022 13:09

Teil 1

Europa ist abhängig. Voneinander und von anderen. Deutschland und Russland sind aufeinander angewiesen.

Solange Europa bei der Weltherrschaft vorne dran war und das hat sich ja seit 1492 so entwickelt, ging es Europa gut. Der Reichtum der Welt wurde von Europa erobert und genutzt.

Das hat sich nach dem 2. Weltkrieg und die bipolare Weltordnung nach und nach geändert. Seit 1947 gehörten Indien, Pakistan und Bangladesh nicht mehr zum englischen Herrschaftsbereich. Die afrikanischen Kolonien gingen Europa in den 1950er und 1960er Jahren verloren.

Inzwischen ist es so, dass Europa von den asiatischen Staaten wie auch von den USA ausgestochen wird.

Unser verbliebener Wohlstand beruhte u.a. auf der sicherern und preisgerechten Anlieferung von Energie aus der Russischen Föderation. Diese Quelle unseres Wohlstands verfällt gerade. Das wir sich auch durch eine Denkschrift der AfD zur Europapolitik nicht ändern.

Durch die "Dexit-Propaganda" verdirbt es sich auch die AfD teils mit vergleichbaren Parteien in den Nachbarländern.

Intern mag ja gelten "Kein Wunder, dass uns Resteuropa weiter ausplündern will." Das rauszuposaunen , ohne irgendeine Aussicht auf Realisierung einer Veränderung auf europäischer Ebene, schränkt aber nur die Kooperationsmöglichkeiten ein, ohne echten Nutzen zu bringen.

Der Streit zwischen der Europa-Fraktion und Dr. Krah mag ein Indiz dafür sein.

 

das kapital

27. Juni 2022 13:11

Teil 2

Die Resolution endet mit einer Vorstellung von einer friedlichen Welt in nationaler Vielfalt. Bei einer der Führungsmächte, also gerade bei China, erlebe ich aber ganz etwas anderes. Uighuren in KZs, das ist die chinesische Vorstellung von nationaler Vielfalt. Aufgrund seiner wirtschaftlichen Abhängigkeit von chinesischen Lieferungen wehrt sich Europa auch nicht dagegen.

Taiwan möchte die Volksrepublik auch gerne zurückerobern. Hongkong ist schon eingenordet. Und Tibet ist so mit Han-Chinesen zugekleister worden, dass die tibetische kulturelle Vielfalt schwindet.

Europa war nicht als Festung erfolgreich. Sondern als wirtschaftliches, kulturelles und militärisches Zentrum der Welt. Davon sind wir weit abgekommen. Moderne Technologie wird zur Mangelware. Wir werden im Radio und Frau van der Leyen auf Englisch zugetextet und zugedröhnt. Und militärisch geht das Länderspiel Aserbaidschan gegen Deutschland 2:0 aus. Wir haben weder Drohnen zur Abwehr noch zum Angriff. Die schon. Die schießen unsere Panzer zusammen, bevor Scholz "Würstchen" sagen kann.

Müssten wir vielleicht erstmal Deutschland neu denken und hier neu handeln, bevor wir es für ganz Europa revidieren ?

Und wieviel Ideen und wieviel Gestaltungskraft hat die AfD dabei ?

 

das kapital

27. Juni 2022 13:12

Teil 3

Im Bund reicht es nicht mal für Vizepräsidenten und Ausschussvorsitzende.

Obwohl zum Beispiel Kay Gottschalk einen erstklassigen Job in Sachen Wirecard gemacht und sich überparteilich Respekt erarbeitet hat.

Europa neu denken funktioniert nur dann, wenn auch genügend Gestaltungsmacht da ist. Ohne überregionale Kooperation geht da nichts. Wer sollen denn in den anderen 26 EU-Staaten die regionalen Partner sein, die mit der AfD an einem Strang ziehen ?

Würde z.B. die FPÖ in Österreich ein derartiges Konzept mittragen ?

Wie sehen denn die anderen aus dem vergleichbaren Parteienspektum die Zukunft der EU ? Sind die bereit, die EU neu zu verhandeln und neu aufzustellen ?

Wenn ja, wie binde ich die ein ? Wenn nein, was ist das Papier dann, außer parteiinterner Kommunikation ?

Andrenio

27. Juni 2022 14:39

Als Mitglied aus dem Jahr 2013 bin ich aus Protest gegen Meuthens Kurs aus der Parteu ausgetreten. In meinem Schreiben an den Bundesvorstand kündigte ich allerdings an wieder eintreten zu wollen, wenn Meuthen und seine Entourage aus der AfD verschwunden oder entfernt wäre.

Das Schreiben zum Wiedereintritt lag schon bereit. Daraus wird nichts, weil zu erkennen ist, dass sich nichts grundlegend geändert hätte. Die JF um Stein hat wieder bewiesen, dass man zu 100% sicher auf das falsche Pferd setzt. Insofern nutzt er als zuverlässiger Indikator.

Waldgaenger aus Schwaben

27. Juni 2022 19:09

Von Beginn der Berichterstattung an über die Europaresolution fiel mir auf, dass hier eine  mittel- und langfristige Perspektive für Europa mit  tagesaktuellen Vorgängen verknüpft werden, über die in der Partei noch heftig diskutiert wird.

Der Ukraine-Krieg hätte für die Resolution abstrahiert werden müssen. Etwa so:

In Krisen und kriegerischen Auseinandersetzungen muss Europa seine eigenen Sicherheitsinteressen besser als bisher vertreten können. (Nur mal locker aus dem Handgelenk geschrieben). Ähnliches gilt für den Absatz "Ausgleich mit Russland".

So abstrahiert, hätte wohl fast jeder dieser Resolution zustimmen können.

Ich denke nicht, dass Höcke und Professor Neuhoff und die anderen Verfasser, dies nicht gewusst haben. Warum haben sie also nicht abstrahiert?

Ich vermute dahinter ein Machtspielchen. In einen mehrheitsfähigen Entwurf  werden umstrittene, wahrscheinlich in dieser Form nicht mehrheitsfähige, Positionen eingewoben und der Entwurf wird dann, kurz vor Ende des Parteitags *), wenn Änderungsanträge nicht mehr diskutiert werden wollen, zur Abstimmung gestellt in der Hoffnung so die eigene Minderheits-Position zum Ukraine-Krieg und Russland zur Position der Partei machen zu können.

Maiordomus

27. Juni 2022 21:58

Der erste Hintergrundbericht, bei dem man sah, warum es bei den Auseinandersetzungen am Sonntag überhaupt gegangen ist, wenigstens für mich, wohl vielleicht auch für andere hier. 

Carl Sand

28. Juni 2022 07:39

Ob es eine Lösung von Dauer ist, weiß ich natürlich nicht, aber in manchen schwarzen Morgenstunden der Verzweiflung erweist sich die Visualisierung eines einzelnen Symbolbildes als geradezu erlösend.

Ob es nun der endliche Atomblitz über hopsenden Gretas und St. Pauli Fanshirtträgern als nun aber wirklich gründlich extinct rebels ist oder der wimmernde Alzheimertod wohnmobiler Maskenspießer, die den Wunsch nach ewigem Leben aber so richtig erfüllt bekommen haben - das alles ist zwar kein Glück im eigentlichen Sinne, aber zumindest so etwas ähnliches wie lebensrettend.

Heute aber ist es ein Mann namens Dieter, gewandet in stets etwas zu eng getragenem Konfirmandenblazer, das Spießermündlichen voll Empörung gespitzt, das edle Haupt dekoriert mit einem Buttercremetörtchen. Umsetzung darf aus Anstand und Strafgesetzbuch natürlich nie geschehen - aber wenigstens das Reich der Phantasie kann doch niemand nehmen - wie Heine sehr zurecht einst meinte.

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