… Ich kenne Beispiele aus erster Hand, wo eine Junge Freiheit im Briefkasten einmal zur angedrohten, ein andermal zur tatsächlichen Wohnungskündigung führte.
Und das ehrenamtliche Engagement (google machts möglich) in einem als „rechts“ geltenden (aber weder verbotenen noch „beobachteten“) Jugendbund zog aufgrund einer Denunziation nach Monaten des Spießrutenlaufs (Verweigerung des morgendlichen Grußes etc.) den Verlust des Arbeitsplatzes nach sich.
Als wir selbst uns für unsere Kinder uns beim Aufbau eines privaten Gymnasiums im Nachbarort beteiligen wollten, berief man allein aufgrund unseres bloßen Interesses eine Elternversammlung (ohne uns) ein und beriet – folgenlos gottlob, aber dennoch: Das alles darf man getrost unter sozialer Ächtung subsummieren.
Grad schwappt die Klage übers Geächtetwerden aber doch über: Zuletzt wollte Harald Harzheim in der JF mit gewisser Bitterkeit festgestellt haben, daß Fernsehverweigerer sich aus dem „weitreichenden sozialen Netzwerk“ ausklinkten, daß sie „nur um den Preis der Maskierung im öffentlichen Diskurs“ mitspielen könnten, ja, daß selten ein TV-Abstinenzler Karriere machen könne, weil das TV-Programm doch den kommunikativen „Rohstoff“ im Umgang mit Freunden und Kollegen bilde.
Und weiter: In der, nun ja, recht kühnen Quartalsschrift Abendland eines Johannes Auer beklagt derselbe sich im Editorial drüber, daß „wer heute kein Auto fährt, schon als Außenseiter gebrandmarkt“ sei. Und anläßlich der Veröffentlichung der aktuellen bundesdeutschen Gebärquoten geht erneut die Klagerede, daß man als Familie mit drei oder vier Kindern heute grundsätzlich „schief angesehen“ werde. Zudem heißt es seit Jahren bereits, Kinder und Jugendliche ohne Markenklamotten würden sozial geächtet.
Eine – nebenbei sehr sympathische und durchaus selbstbewußte – Erwachsene bekundete mir grad, daß sie sich zunehmend aus der Öffentlichkeit zurückziehe, da sie notorisches Kopfschütteln ernte und Ausgrenzungsmechanismen erfahre. Warum? Weil sie eben stets Röcke und nie die üblichen Hosen trage.
Man muß das alles ja ernst nehmen. Aus purer Langeweile klagt gewiß keiner, aber vielleicht weil er weiß, daß immer irgendjemand auf eine Klage reagiert. Jedoch schätze ich die erwähnten TV‑, Auto‑, und Hosen-Abstinenzler gerade nicht als Menschen mit tönernem Selbstbewußtsein ein. Woran liegt’s wohl? Woran liegt’s wenn andere Leute ohne Hose, Fernseher, Karre, Markenschnickschnack sich nicht ausgegrenzt fühlen? Sind die nur leidensfähiger als ihre klagenden Zeitgenossen? Oder haben sie einfach kein Sensorium für die Blicke und das Getuschel oder für die Mutmaßungen, von denen nur über drei Ecken zu erfahren ist?
Was ist das: soziale Ächtung? Eine Konstante?
Freedy
"Der Adler fliegt allein" schrieb Dirk Maxeiner neulich auf Achgut.de.
https://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/der_adler_fliegt_allein/
Diese Denkart ist es wohl, die es dem Menschen möglich macht, anders zu sein und zu leben, als andere. Zuweilen kultivieren Menschen das, wie etwa meine beiden Neffen, die in den frühen Neunzigern in der Schule einfache schwarze T-Shirts irgendwelchen Markenklamotten vorzogen. Die waren eben ihre eigene Marke.
Grundsätzlich ist dieses Anderssein umso einfacher, je mehr es auf Eigentum und Selbständigkeit fußen kann. Und je mehr andere private Menschen die besonderen Fähigkeiten des Einzelnen schätzen gelernt haben, umso einfacher ist es für ihn, sein Ding zu machen: ob als schrulliger Händler, detailverliebter Sammler alter Technik oder bauernschlauer Landwirt. Dieses "rechte" Leben, das ohne Parolen, Plakate und Paragraphen auszukommen sucht, findet seinen Widerspruch nur bei denen, die nicht genau hinsehen wollen.