Brandmarken

Daß man sich als „Rechter“ ausgegrenzt fühlen kann, ist wohl so. Von der großen Politik ganz abgesehen: ...

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

… Ich ken­ne Bei­spie­le aus ers­ter Hand, wo eine Jun­ge Frei­heit im Brief­kas­ten ein­mal zur ange­droh­ten, ein ander­mal zur tat­säch­li­chen Woh­nungs­kün­di­gung führte.

Und das ehren­amt­li­che Enga­ge­ment (goog­le machts mög­lich) in einem als „rechts“ gel­ten­den (aber weder ver­bo­te­nen noch „beob­ach­te­ten“) Jugend­bund zog auf­grund einer Denun­zia­ti­on nach Mona­ten des Spieß­ru­ten­laufs (Ver­wei­ge­rung des mor­gend­li­chen Gru­ßes etc.) den Ver­lust des Arbeits­plat­zes nach sich.

Als wir selbst uns für unse­re Kin­der uns beim Auf­bau eines pri­va­ten Gym­na­si­ums im Nach­bar­ort betei­li­gen woll­ten, berief man allein auf­grund unse­res blo­ßen Inter­es­ses eine Eltern­ver­samm­lung (ohne uns) ein und beriet – fol­gen­los gott­lob, aber den­noch: Das alles darf man getrost unter sozia­ler Äch­tung subsummieren.

Grad schwappt die Kla­ge übers Geäch­tet­wer­den aber doch über: Zuletzt woll­te Harald Harz­heim in der JF mit gewis­ser Bit­ter­keit fest­ge­stellt haben, daß Fern­seh­ver­wei­ge­rer sich aus dem „weit­rei­chen­den sozia­len Netz­werk“ aus­klink­ten, daß sie „nur um den Preis der Mas­kie­rung im öffent­li­chen Dis­kurs“ mit­spie­len könn­ten, ja, daß sel­ten ein TV-Abs­ti­nenz­ler Kar­rie­re machen kön­ne, weil das TV-Pro­gramm doch den kom­mu­ni­ka­ti­ven „Roh­stoff“ im Umgang mit Freun­den und Kol­le­gen bilde.

Und wei­ter: In der, nun ja, recht küh­nen Quar­tals­schrift Abend­land eines Johan­nes Auer beklagt der­sel­be sich im Edi­to­ri­al drü­ber, daß „wer heu­te kein Auto fährt, schon als Außen­sei­ter gebrand­markt“ sei. Und anläß­lich der Ver­öf­fent­li­chung der aktu­el­len bun­des­deut­schen Gebär­quo­ten geht erneut die Kla­ge­re­de, daß man als Fami­lie mit drei oder vier Kin­dern heu­te grund­sätz­lich „schief ange­se­hen“ wer­de.  Zudem heißt es seit Jah­ren bereits, Kin­der und Jugend­li­che ohne Mar­ken­kla­mot­ten wür­den sozi­al geächtet.

Eine – neben­bei sehr sym­pa­thi­sche und durch­aus selbst­be­wuß­te – Erwach­se­ne bekun­de­te mir grad, daß sie sich zuneh­mend aus der Öffent­lich­keit zurück­zie­he, da sie noto­ri­sches Kopf­schüt­teln ern­te und Aus­gren­zungs­me­cha­nis­men erfah­re. War­um? Weil sie eben stets Röcke und nie die übli­chen Hosen trage.

Man muß das alles ja ernst neh­men. Aus purer Lan­ge­wei­le klagt gewiß kei­ner, aber viel­leicht weil er weiß, daß immer irgend­je­mand auf eine Kla­ge reagiert. Jedoch schät­ze ich die erwähn­ten TV‑, Auto‑, und Hosen-Abs­ti­nenz­ler gera­de nicht als Men­schen mit töner­nem Selbst­be­wußt­sein ein. Wor­an liegt’s wohl? Wor­an liegt’s wenn ande­re Leu­te ohne Hose, Fern­se­her, Kar­re, Mar­ken­schnick­schnack sich nicht aus­ge­grenzt füh­len? Sind die nur lei­dens­fä­hi­ger als ihre kla­gen­den Zeit­ge­nos­sen? Oder haben sie ein­fach kein Sen­so­ri­um für die Bli­cke und das Getu­schel oder für die Mut­ma­ßun­gen, von denen nur über drei Ecken zu erfah­ren ist?

Was ist das: sozia­le Äch­tung? Eine Konstante?

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

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Kommentare (25)

Freedy

18. August 2009 13:18

"Der Adler fliegt allein" schrieb Dirk Maxeiner neulich auf Achgut.de.
https://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/der_adler_fliegt_allein/

Diese Denkart ist es wohl, die es dem Menschen möglich macht, anders zu sein und zu leben, als andere. Zuweilen kultivieren Menschen das, wie etwa meine beiden Neffen, die in den frühen Neunzigern in der Schule einfache schwarze T-Shirts irgendwelchen Markenklamotten vorzogen. Die waren eben ihre eigene Marke.

Grundsätzlich ist dieses Anderssein umso einfacher, je mehr es auf Eigentum und Selbständigkeit fußen kann. Und je mehr andere private Menschen die besonderen Fähigkeiten des Einzelnen schätzen gelernt haben, umso einfacher ist es für ihn, sein Ding zu machen: ob als schrulliger Händler, detailverliebter Sammler alter Technik oder bauernschlauer Landwirt. Dieses "rechte" Leben, das ohne Parolen, Plakate und Paragraphen auszukommen sucht, findet seinen Widerspruch nur bei denen, die nicht genau hinsehen wollen.

Hohenstaufer

18. August 2009 14:22

Zustimmung an Freddy und Harki:
gerade innerhalb der autochthonen Landbevölkerung dominiert doch ein grundsätzlich rechtes/ konservatives Denken und ebenso ein Verständnis für derlei Gesellschaftsauffassungen.
Dies zuzugeben und öffentlich dafür einzutreten, erweist sich für viele Einwohner zwar problematisch, doch dieses anderen zuzugestehen und denjenigen unterstützend auf die Schulter zu klopfen, erlebe ich tagtäglich in "meinem" Dorf.
Daneben existieren - trotz des leider überhandnehmenden Zuzugs ortsfremder Personen - historisch gewachsene Strukturen in lokalen Organisationen, deren Mitglieder eine derart kulturkonservative Einstellung pflegen, daß ich für die armseligen Reflexe einer degenerierten Medienlandschaft nur spöttisches Lächeln übrig habe.
Aber auch Selbstkritik schein angebracht: die rudimentär vorhande "Rechte" sollte tunlichst derlei Grabenkämpfe vermeiden und vor allem nicht in Selbstmitleid verfallen - vom Standpunkt der Höherwertigkeit der eigenen Anschauungen läßt sich mit solchen Politikpossen doch einfach umgehen!

Toni Roidl

18. August 2009 14:23

Ich habe über den erwähnten JF-Artikel auch sehr gestaunt. Wir leben schon lange ohne Fernseher und niemand hat Probleme damit, nichtmal die Kinder. Mit der breiten Diversifizierung des TV-Programms seit Einführung des Privatfernsehens spielt das Fernsehen als kultureller Konsens doch kaum noch eine Rolle (was früher anders war, wenn 80 % der Mitschüler/Kollegen am Vorabend dieselbe Sendung gesehen hatten). Das gilt doch auch für die Mode: Eine Uniformierung wie zur Jeans/Parka-Zeit gibt es doch längst nicht mehr. Heute geht alles. Und wer wegen dieses klitzekleinen Bißchens Nonkonformismus gleich über Ausgegrenztheit weint, sollte sich »etiam si omnes, ego non« tätowieren.

Thorsten

18. August 2009 15:46

Ausgrenzen und Brandmarken sind die Mittel, die letztlich die Veränderung bewirken, die man durch diese Mittel zu verhindern sucht, weil irgendwann aufgrund von oberflächlichsten Indizien jeder der Augrenzung anheim fällt.

Abgesehen davon sind Oppositionelle noch in keinem System geliebt worden. Die Jammerer über die Ausgrenzung sind somit meist die, die insgeheim erwarten für Kritik auch noch von den Kritisierten gestreichelt zu werden.

Thomas Hermann

18. August 2009 16:35

@ Harki

Sie werden sich wundern: Es soll auch heute noch Leute geben, die Kinder, ja sogar Töchter in die Welt setzen und denen es gelingt, diese zu selbstbewußten Persönlichkeiten zu erziehen. Was u.U. bedeuten kann, daß diese Töchter sich souverän gegenüber den allgemeinen Moden abgrenzen und den Mut haben, auch nach der Pubertät Röcke zu tragen. Es werden sogar seltene Exemplare mit geflochtenen Zöpfen gesichtet ...

Vielleicht sprengt das Ihre Vorstellungswelt. Haben Sie selbst Kinder?

kolkrabe

18. August 2009 18:13

Ausgegrenzt zu werden - das kommt unter Umständen einer Auszeichnung gleich.

Grau

18. August 2009 20:24

Wir können seit über einem Jahrzehnt gut und ohne Ausgrenzung mit alten und neuen Freunden und oder Kollegen leben, ohne TV zu sehen und ohne dezidiert Markenware zu kaufen und unser Sohn hat das auch gut und zunehmend gerne geschafft und ist "ohne" erwachsen und geworden. Selbst als er nach Jahren entdeckte, dass der Fernseher gar nicht so krank war wie wie zu damals hochnötigen Entzugszwecken behauptet hatten. Die Einzige von uns, die im Kollegenkreis damit (mit dem TV-Unwissen) manchmal Probleme hatte, war meine Frau. Aber das konnte sie verschmerzen, da sie ja auch nicht zum Tupper-Abend wollte und Montags nicht zu tchibo.
Aber ausgrenzen muss man sich ja auch erst mal lassen und meist gibt es doch ein paar nicht im mainstream festhängende, "randständige" Menschen, die zumindest nachdenken, wenn sie sehen, dass andere Menschen auch nicht jeden Mist mitmachen und trotzdem oder gerade drum klarkommen.

Abronsius

18. August 2009 22:01

Es seien alle jungen Familien daran erinnert, daß die Kinderlosen im Grunde unsere Feinde sind. Seit meinen Frau und ich unseren Ersten haben, geben wir uns mit Kinderlosen kaum noch ab - von wenigen engen Freunden abgesehen, die uns glaubhaft versichern, mitziehen zu wollen. Ansonsten meiden wir Kinderlose; es ist Zeitverschwendung, sich mit ihnen abzugeben. Ich wüßte auch gar nicht, über welche Form kultivierter Zeitverschwendung ich mich mit denen unterhalten sollte.

Siehe: Man muß auch selbst ausgrenzen.

Und man muß - wenn man das möchte - auch die Eier haben, nach dem Motto zu verfahren: Wer Wind sät, wird Sturm ernten. Eine auf die Spitze getriebene Auseinandersetzung mit einem querulatorischen Mieter bzw. Arbeitnehmer ist für den diskriminierenden Vermieter bzw. Arbeitgeber nicht schön. Aber ein Mangel an querulatorischer Energie ist auf der politischen Rechten doch noch nie zu beklagen gewesen.

Regor

18. August 2009 23:34

"Wer sich von dieser Gesellschaft nicht abwendet, entehrt sich" (Davila) fällt mir da spontan ein - ich habe nun auch den Fernseher abgeschafft. Ich schau mir allerdings vom Rechner zur Belustigung die Politquasselrunden der Anstalten des "öffentlichen Unrechts" an, auch die "Magazine"- die manchmal recht gute Beiträge bringen, sofern die Sendezeit nicht mit Anti-Rechts-Filmchen und medialen Bußübungen ausgefüllt wird. Interessant ist: Wenn man Freunde oder Verwandtschaft besucht, merkt man als Außenstehender erst extrem wie nervig, aufdringlich und hysterisch das TV-Grundrauschen ist und wie die Glotze Aufmerksamkeit und Zuwendung der Zuschauer regelrecht absorbiert. Das spielt sich in Millionen Wohnzimmern ab, da wird klar, warum die "oben" so schalten und walten können wie sie wollen.

corvusacerbus

19. August 2009 08:57

Das Thema Ausgrenzung, gar Gächtetwerden, durch Fernsehboykott ist ein Phänomen von Unter- und unteren Mittelschichten. Ansonsten ist hier alles dazu gesagt. Wer Besonderung, Absonderung, Eigensinnigkeit und Alleinstellung nicht ertragen kann, dem ist nicht zu helfen. Und was die JF daraus gemacht hat, ist lächerlich und sommerlochig. Abgehakt das. Unter Intellektuellen - sollen wir noch gebildete Schichten sagen, häufig sind diese Leute ja ziemlich ungebildet und wissen nicht wirklich was Habermas geschrieben hat, finden ihn aber gut und lehnen Ernst Jünger ab, ohne eine Zeile von ihm gelesen zu haben (und haben oft zurecht Angst vor seiner suggestiven Wirkung auf ihre, nach Identität und Größe lechzenden Angestelltenpersönlichkeit) - ist das mit dem Fernsehen eher umgekehrt, wenigstens in Deutschland, wir neigen ja bezogen auf alltägliche Verrichtungen zu Verkrampfungen. Unter den Gebildeten darf man keine Sendung gut finden, schon gar keine Serie oder so etwas (dabei gibt es kluge und zugleich unterhaltsame im deutschen Fernsehen), denn dann ist man markiert, gebrandmarkt wäre allerdings zuviel gesagt. Aber das kann man ertragen, so wie man ertragen kann, daß gebildete Deutsche häufig so gräßlich ungebildet sind, was Sport angeht und auch noch stolz darauf (ähnlich wie Dämlichkeit in der Mathematik als Auszeichnung vor sich her getragen wird). Es ist nur dumm und dem Smalltalk hinderlich, aber wir müssen ja immer die Welt analysieren und haben dafür sowieso keine Zeit, gell. Zeit für ein Outing: Ich liebe Sport und besonders den Fußball. Habe schon gespielt, als ich kaum laufen konnte und seit frühester Jugend geschaut. Held meiner/unserer Jugend war Rudi Michel, übrigens, laut eigener Zuweisung, ein Deutschnationaler. Als Schüler habe ich über die WM-Qualifikationen meine Geographie-Kenntnisse entscheidend verbessert. Die FIFA hatte schon immer mehr Mitglieder als die UNO und ich kannte alle Länder, weil ich die Quali in allen Kontinentalverbänden verfolgt habe. Damals im Kicker, heute geht das easy im Internet (N.B. Wem der Anglizismus nicht gefällt, der ist wegen der I-Assonanz hier ein rhetorisches Mittel und bewußt gewählt!). Damals haben sich meine Lehrer - auch Mitschüler/innen und deren Eltern - darüber mokiert, man möge sich doch mit edleren Dingen beschäftigen als Fußball und Fußballstatistik - Blockflöte, Cello etc. - aber wenigstens der Geographielehrer war von den sich stetig erweiternden Länder- und Regionskenntnissen beeindruckt und geschadet hat einem die Ignoranz der gebildeten Umwelt nicht wirklich. Man konnte im Gegenteil lernen, daß einem die Haltung der Umwelt durchaus mal kreuzweis' wurscht sein kann, sich die Zeiten auch ändern, also immer mal wieder irgendwas anders im Verschiss ist ("in-out"), es nicht wirklich relevant ist, das alles nachzuhalten und man gut beraten ist, selber zu denken, einem eigenen inneren Kompaß zu folgen und wichtig ist, von dem, was man tut und sagt, Ahnung zu haben. Das setzt sich in der Lebenswelt, in der man unterwegs ist, am Ende immer durch (auch wenn die Gesellschaft dumm bleibt und ignorant), das gilt in Beruf und Freizeit. Da kann man dann sogar die gesellschaftlich geächteten nationalen Sprüche machen und hat Angst, die Köpfe der Umstehenden fallen wegen ihres heftigen Nickens ab. Also, macht Euch locker Leute, guckt Fernsehen oder nicht (ich tue es gerne und regelmäßig), aber lest jedenfalls, denn das ist kein Widerspruch, und stellt Euch nicht so an, wenn mal einer dumm guckt oder daher redet. Nicht mal ignorieren und wenn's nicht anders geht, zurück ausgrenzen (wer zuerst Luft holt, hat verloren :-). Schönen Tag allerseits.

M.

19. August 2009 11:08

"Bin mehr denn je der Meinung, dass man eine menschenwürdige Existenz nur am Rande der Gesellschaft sich heute ermöglichen kann, wobei man dann mit mehr oder weniger Humor riskiert, von ihr entweder gesteinigt oder zum Hungertod verurteilt zu werden."
--Hannah Arendt, Brief an Karl Jaspers 1946

Hohenstaufer

19. August 2009 12:21

Gottseidank existieren gesellschaftliche Nischen rechter, konservativer, nationaler Provenienz, in denen zwar "nur" ein Kulturkonservatismus gehegt und gepflegt wird, aber dezidiert linken Positionen mit einem gesunden Menschenverstand begegnet wird, der von Spott über Hohn bishin zu offenem Abscheu reicht. Gerade in dörflichen Gemeinschaftsstrukturen begegnet mir dies - selbst in multikulturellen Ballungsräumen - noch recht häufig.
Deshalb: nicht klagen oder verzagen, sondern mit Hochmut über den Dingen stehen!!!

Hohenstaufer

19. August 2009 12:26

Und zum Thema Fernsehen: auch ich schaue regelmäßig in den sowohl optisch als auch inhaltlich immer flacher werdenden Kasten - aber mit ein wenig Abstraktionsvermögen und einer gesunden Dosis schadet dies wirklich nicht!

stechlin

19. August 2009 12:41

In seinem sehr lesenswerten FAZ-Blog hat sich Don Alphonso die Ausgrenzung/soziale Ächtung aller am Fernsehbetrieb beteiligten gewünscht:

Sie wird aber zum realen Problem, wenn sich dieser Dreck anschickt, zum akzeptierten Bestandteil der Gesellschaft zu werden. Wenn der Müll es tatsächlich schafft, relevant zu sein. Ich empfinde das angesichts der Breitenwirkung kaum weniger erfreulich als einen Aufmarsch von politischen Extremisten, denen es auch darum geht, ihre kaputte und kranke Sicht der Welt anderen aufzudrängen. Meine Welt ist dadurch natürlich nicht in Gefahr, aber es wäre wirklich nett, wenn man den Rest nicht den Sidos, Bachs, Kesslers und wie sie alle heissen, überlassen würde. Bislang erscheint es ja immer noch so, als sei das Produzieren, Mitmachen und Betrachten solcher Dinge gesellschaftlich tolerabel. Man sollte sie ruhig öfters wissen lassen, dass hier kein Starruhm, sondern Gosse gemacht wird. Man sollte sie ausgrenzen, wie die Pest in "Paris Country" wegdiskriminiert wurde. Das trifft sie vielleicht in ihrer Eitelkeit. Da, wo es solchen Leuten vermutlich noch weh tut.

Ansonsten ist mir das Thema "soziale Ächtung" gleichgültig, ich empfinde es einfach nicht (auch wenn diverse Medien immer wieder meinen, daß es so ist).

Hesperiolus

19. August 2009 14:37

"...televisionem eiciendam esse" soll der zumindest als Medienopfer sympathische Richard Williamson seinen Anhängern raten. Ein flüchtiges Durchblättern der Programmzeitschriften gibt ihm da wohl recht. Die intuitive Abwehr bei Eintritt in einen Raum mit laufendem Gerät ebenso! Nichtbesitz als Karrierebremse wohl kaum, denn in den arriviertesten Häusern sieht man gar keinen. Flachbildschirm gilt viel eher als sozialdegoutantes Interieurstück. Und am Notebook zu substituieren ist was anderes, solange die bildsame Brut verschont bleibt. Ohne Fernseher und Auto hat was, nobilitierend und charakterstärkend! Rock auch, bei entsprechender Figur, Haltung und Bewegung! Werde heute abend trotzdem den Televisor betätigen und auf arte etwas über den frühen deutschen Expressionismus sehen...Hochselektives Mediennutzungsverhalten oder ein Bündel von Widersprüchen.

jona

19. August 2009 15:15

Wir könnten anfangen, wie Harry Haller auf Fernseher und Maschinen scharf zu schießen. Alles andere würde sich finden.

Tiberius

19. August 2009 21:45

Hier werden zwei Dinge vermischt:

Zum einen, meist nicht existente "Ächtung" bewußt als Monstranz vor sich herzutragen um damit letztlich politischen Druck ausüben zu können - virtuos vorgeführt von unseren muslimischen Mitbürgern und all denen die derzeit vom "Aufstand der Anständigen zu profitieren vermögen.

Zum anderen wehleidige Selbstbespiegelung mit der man eigenes, sagen wir kurioses Verhalten, durch Behauptung eines Widerstandes gegen Ächtung im Prinzip aufzuwerten versucht (In wahrheit bekommt man sog. Fernsehverweigerer bei Besuchen im Regelfall gar nicht mehr aus der Wohnung wenn der Fernseher läuft - Mitdiskutanten sind selbstverständlich die berühmte Ausnahme).

Tja und dann das wirklich gefährliche: Wer auch nur in den Ruch kommt, irgendwie "rechts" zu sein - die Kriterien dafür sind fließend - das ist ja auch beabsichtigt - der ist gesellschaftlich erledigt und hier wird immer weiter und weiter Druck aufgebaut - wartet mal die nächsten Wochen des Wahlkampfs ab - es würde mich wundern, wenn der "Kampf gegen rechts" nicht noch mal forciert wird!

karen meiser

20. August 2009 10:24

"Woran liegt’s wenn andere Leute ohne Hose, Fernseher, Karre, Markenschnickschnack sich nicht ausgegrenzt fühlen?"

Möglicherweise an ihrem Selbstbewußsein. Wer keinen Fernseher benutzt, hat sicherlich eine bewußte Willensentscheidung getroffen. Darauf kann man getrost stolz sein. In Fernsehdebatten von Mitschülern, Kollegen, Nachbarn usw. kann man sich auch - den blöde Glotzenden verständnisvoll zunickend - mit Schiller- und Goethezitaten einbringen, am besten in Latein.

Aus soziologischer Sicht ist die "Ausklinkung aus dem öffentlichen Diskurs" interessant, die psychischen Auswirkungen auf die Masse sind allerdings viel erschreckender: Von Kindesbeinen an erfahren die Medienkonsumenten kollektiviert alles Notwendige aus der Glotze, um sich auf der ihnen vermittelten Ebene geistig auszutauschen. Es entstehen imaginäre Erfahrungswelten, in welche Realitäten immer schwerer einbrechen können.

Womit wir wieder bei einem Prinzip der Ausgrenzung sind: Diese Vermittlung von Erfahrungen, diese Erziehung / Dressierung des Menschen in seinen unbewußtesten Ebenen macht ein offen totalitäres System völlig überflüssig (Wandel von der Biomacht zur Psychomacht), denn der Auszugrenzende wird notfalls ganz demokratisch vom Lynchmob erledigt.

Diese Psychotisierung zur Kollektivierung und Machtausübung, etwa vergleichbar mit der christlichen Kirche des Mittelalters, ist ein sehr angenehmes Instrument zur Beherrschung der Masse, derer sich in Zukunft auch andere bedienen können - und damit die antiquierten Totalitarismusdefinitionen etwa eines völlig überflüssigen Hannah-Ahrendt-Institutes auf den Müllhaufen der Geschichte kippen.

Sibylle Brauns

20. August 2009 10:26

@ Abronsius

Kinderlose unsere Feinde? Ich finde das geht zu weit.

Aber es ist inzwischen unangenehm, daß man, wenn man Kinder hat, überall mit "Ahh!" und "Ohh!" begrüßt wird, als ob man einem ungewöhnlichen Hobby fröhnen würde.

Es ist einfach nicht mehr (zumindest im städtischen, akademischen Milieu) die Regel, daß man ab einem gewissen Alter die Verhältnisse ordnet, eine Familie gründet, Kinder bekommt. Es muß sich nicht mehr der Kinderlose erklären, sondern der "Spießer", der sein Leben im althergebrachten Sinne auf die Reihe bekommt.

Indessen spreizen sich Wortführer der Bindungslosigkeit immer lauter und anmaßender und machen aus ihrer in Teilen menschen(Kinder)verachtenden Einstellung keinen Hehl mehr.

Familie, Kinder, Ehe bedeuten eine Entscheidung, Verpflichtung, Verantwortung. In einer Gesellschaft, die den Egotrip vergöttert, die Selbstbespiegelung, Selbstverwirklichung ins Zentrum stellt, in der junge Männer zwischen Fitneßstudio und Laptop in virtuelle Scheinwelten flüchten, um dem Leben nicht zu begegnen und eine dauerhafte Verpflichtung einzugehen, da ist es nicht verwunderlich, wenn Liebe in Haß auf Bindung, Werte, Familie, letztlich das realexisterende Weibliche, das heißt die Mutter künftiger Kinder umschlägt.

Hohenstaufer

20. August 2009 10:28

Tiberius schrieb:

Wer auch nur in den Ruch kommt, irgendwie „rechts“ zu sein – die Kriterien dafür sind fließend – das ist ja auch beabsichtigt – der ist gesellschaftlich erledigt und hier wird immer weiter und weiter Druck aufgebaut

Dies trifft lediglich auf öffentliche Personen aus "systemrelevanten" Berufschargen zu; diese Abhängigkeit und Medienangewiesenheit läßt zum Leidwesen national denkender Deutscher aber die gesellschaftlichen Eliten im selbstauferlegten Konformismus verhaften, der bei jedem gewollten oder ungewollten Ausbruchversuch mit radikaler Ächtung durch Medien, Politik und totalitär- liberalistischer Zivilgesellschaft geahndet wird. Dies bewirkt eine Rückkopplung, wodurch Führungsschichten in der medialen Schweigespirale "gefangen" sind und der Mut zum Aufbegehren fehlt.

Deshalb: "rechte" Akademiker aller Länder vereinigt Euch! :-)

godeysen

20. August 2009 23:23

Ich stimme Tiberius darin zu, daß man hier die harmlosen von den wirklich ernsten Dingen trennen muß. - Ich kann damit leben, von manchen Menschen für rückständig gehalten zu werden, weil ich ein zwanzig Jahre altes Auto fahre, irgendwelche Fernsehserien und Popgruppen nicht kenne (dafür Bach und Schubert und alte UFA-Filmschlager) und in der Öffentlichkeit immer ein Hemd mit Kragen anhabe.

Ernster ist die tatsächlich stattfindende politische Säuberung im Alltag. Nun muß man als Konservativer wahrscheinlich aufpassen, nicht dieselbe hysterische Wehleidigkeit wie die vermeintlich Diskriminierten vor sich her zu tregen. Jan Fleischhauer schreibt ja provokant, am Anfang aller linken Politik stehe "die Erfindung des Opfers". Doch Tatsache ist: Das, was Schwulen, Frauen und Ausländern angeblich das Leben schwer macht, erlebt der Konservative in Potenz. Das Beispiel der karrierevernichtenden JF im Briefkasten steht nicht allein. Ich selbst (den Hohenstaufer als "rechten" Akademiker grüßend) berichte nur stichpunktartig: Leserbrief mit der Frage, warum Ethnizität von Tätern in einem Zeitungsbericht nicht genannt wurde, an die tz München geschrieben. Leserbrief wurde nicht veröffentlicht, aber von einem übereifrigen Mitarbeiter der tz an meinen Arbeitgeber weitergegeben, der mich daraufhin ermahnte und den Brief wiederum an meinen anderen Arbeitgeber, eine süddeutsche Universität weiterleitete, wo man mir deshalb einen Lehrauftrag wegnahm. Alles widerrechtlich, versteht sich, aber mit "guter Absicht". Juristische Schritte praktisch unmöglich.
Das ist die politische Realität, die es zu ändern gilt! Und daher dürfen wir uns nicht in theoretischen Diskursen im eigenen Saft gefallen, sondern müssen mehr in die Öffentlichkeit treten, aktiv, aufklärend, die Kirche im Dorf befestigend. Der Bürger auf der Straße muß wieder selbstverständlich sagen können: "Was soll schlimm daran sein, wenn mein Schornsteinfeger in der NPD ist?" Momentan schweigt der Bürger lieber und trägt so Mitschuld daran, daß der Schornsteinfeger seinen Job verliert. So beginnen Pogrome.

nico

21. August 2009 12:08

Nochmal zum Thema Fernsehen:
Ich glaube, dass kluge Leute durch Fernsehen nicht dümmer, sondern vielleicht sogar schlauer werden und dass dumme Leute auch nicht unbedingt blöder werden als sie es schon sind. Gebe es keinen Fernseher würde ja nicht jeder, der auf Bauer sucht Frau steht, sich sofort die Sezession schnappen.
Bei Sendungen, die destruktive Lebensentwürfe zumindest als normal darstellen, wenn nicht gar propagieren (z.B. Grey´s Anatomy...nur Bindungsunfähige selbstverWÜRGlicher) bin ich mir allerdings nicht so sicher, ob die nicht tatsächlich gefährlich sein könnten.
Das komische daran ist nur, dass ich Grey´s regelmäßig selber gucke und das meistens auch gerne (auch wenn ich manchmal mit dem Kopf schütteln muß) und auf mein konservatives Weltbild wirkt diese Freakshow eher bestätigend. Aber was ist mit pubertierenden Mädchen? Finden die es am Ende kuhl genauso verkorkst zu sein wie Meredith? Oder denken Knaben womöglich, dass ein One-Night-Stand-Leben eines Mark Sloan erstrebenswert wäre?
Wahrscheinlich ist die jede Sekunde in irgendeinem Medium betriebene lebens- und glücksfeindliche Selbstverwirklichungsonanie mitschuldig an der demographischen Misere.

nico

21. August 2009 12:17

Noch was:
Dass das Fernsehen auch positiv genutzt werden kann, wird z.B. durch eine unglaublich tolle Southpark-Doppelfolge deutlich:

https://www.southpark.de/search/?searchterm=cartoon

für die, die nicht so viel Zeit haben, ein kleiner Appetithappen:

https://www.southpark.de/clips/sp_vid_155210/

Nehmt euch die Zeit, euch das mal rein zu tun.

Kennt der film- und fernsehinteressierte Herr Lichtmesz diese Perle schon?

Wahr-Sager

23. August 2009 11:04

Im Thread "Wenn Rechte ausgegrenzt werden" des Blogs Vaterland erzählt Loneman73, dass er in einem Forum für Depressive ausgegrenzt wurde, weil er angab, ein Rechter zu sein. Klüger wäre es eigentlich gewesen, diese Einstellung zu verstecken, aber wäre das nicht eine Form von Selbstverleumdung, weil man nicht dazu steht, was man denkt?

karen meiser

25. August 2009 10:31

Zum Thema der „Homogenisierung der Erfahrung“ fanden wir kürzlich in verstaubten Archiven neben seltsamen digitalen Bauteilen einige Absätze:

„Nein, die Halluzination ist wie gesagt synchronisiert. Selbst wenn diese Menschen Umgang mit anderen Menschen pflegen, die einerseits ebenfalls informativ von der Netzwelt abhängen und andererseits wegen ihren urbanen Tätigkeitsfunktionen gleichfalls Angst vor Negativeinträgen im Personenregister haben, so werden sie sich gegenseitig nur über Belange austauschen, die vom System vorgegeben wurden. Dieses Problem stellte in seinen Grundzügen bereits Platon dar, der den Sophisten vorwarf, lediglich die dialektische Übung zu praktizieren und damit das Denken durch eine rhetorische Technik zur Erzeugung von Fertiggedachtem zu ersetzen. Dabei waren die damaligen Mittel zur Bewußtseinsmanipulation wie Bücher, Fernseher oder Netzseiten aus heutiger Sicht völlig unzulänglich.“

„Dann scheint die einzige Lösung zu sein, die Psychomacht zu übernehmen um das kollektive Bewußtsein in Bahnen zu synchronisieren, die unseren Zielen entsprechen. Eine schier unlösbare Aufgabe.“

„Oder man müßte die Psychomacht in eine Geistesmacht umwandeln, die imstande ist, das technologische Pharmakon der Aufmerksamkeitsgewinnung in ein Heilmittel anstelle eines Gifts zu verwandeln. Das ist aber auch nur schön gedacht, denn wer entscheidet, welche Information Gift und welche Wohltat ist?“

„Es lohnt ein Rückblick in das vormediale Zeitalter, das von körperlicher Gewalt geprägt war. Mittels der Medientechnologie sollte auf die Disziplinargesellschaft die Kontrollgesellschaft folgen, die Ablösung der Biomacht durch die Psychomacht stattfinden. Nach der industriellen Grammatisierung der Körper kam mit der Proklamierung einer kybernetisch und informationstechnologisch beförderten individiuellen Freiheit in Wahrheit die die Kolonisation der Hirne und die Aufmerksamkeiten, die mentale Gleichschaltung triebgesteuerter Konsumwesen.“

„Die medientechnisch beförderte Schematisierung, Konformisierung und Kontrolle der Bedürfnisse bildet nun den Kern unserer mentalen, kulturellen und digitalen Verfassung. Diese umfassende Technisierung und Medialisierung des gesellschaftlichen Seins tötet den kritischen Geist und führt zum Verlust an Partizipation, zur mentalen Gleichschaltung und zur Homogenisierung der Erfahrung unter den telekratischen Bedingungen der Netzwelten. Die signifikante machtgeschichtliche Transformation war die Ablösung der Biomacht durch die Psychomacht, die nicht mehr die Körper der Bevölkerung für die Produktion verwertet, sondern die Gehirne für den Konsum modelliert.“

„Also ist die Leitfigur der heutigen Epoche der Konsument, seiner Fabrikation gilt die psychopolitische und -technische Hauptanstrengung der Mächtigen. Sie besetzen die verfügbare Zeit der Gehirne, zerstören dabei Aufmerksamkeit und Verantwortung und führen die Gesellschaft in eine neue Unmündigkeit hinein.“

„Diese kontrollierte Nutzung der psychotechnischen Arsenale durch die audiovisuellen Mittel ist die Signatur der Psychomacht, welche das Aufmerksamkeitsvermögen der Erwachsenen zerstört, um sie als reine Konsumenten, als industrialisierte Bewusstseine und ausgelaugte Hirne zu organisieren. Das schafft eine Gesellschaft verantwortungs- und rücksichtsloser Wesen, die keine Sorge - weder die Sorge für sich, noch für die anderen, noch die Welt - mehr kennt. Keine philia, keine Verbundenheit, kein Begehren und kein Wünschen. Die psychosoziale Verfassung führt zu einem kollektives Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom.“

Fragmente aus: „WIDERSTAND IN GRENZLAND“, Gedankenprotokoll einer Gruppe aus dem Jahr 2068 von Alexander Barkejew

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