Netzfundstücke (132) – Aufgeblättert, Troll, Nahrung

Die Parlamente in der Sommerpause, die Abende lang und warm.

Was macht man? Lesen! Für mei­ne Som­mer­pau­se habe ich mir unter ande­rem Chris­toph Ran­sy­m­ayrs Der Fall­meis­ter (von Sezes­si­on-Chef­re­dak­teur Götz Kubit­schek rezen­siert) ein­ge­packt. Im letz­ten Jahr war es Die letz­te Welt, die ich beim Bau­meln der See­le in der Hit­ze las.

Also wie­der Rans­mayr im Urlaub, ein paar wei­te­re Bücher hat er noch geschrie­ben. Man könn­te es zum Ritu­al machen, aber viel­leicht wer­de ich sei­nes über­frach­te­ten Stils auch irgend­wann über­drüs­sig. Zumin­dest Der flie­gen­de Berg liegt noch in mei­nem »Ungelesen«-Stapel.

Rans­mayrs Bücher haben der­weil als Rei­se­lek­tü­re einen ent­schei­den­den Vor­teil: Sie fas­sen nicht 800 Sei­ten plus und pas­sen daher in jedes Gepäck. Uwe Tell­kamps Der Schlaf in den Uhren hin­ge­gen ist mit sei­nen 904 Sei­ten schon ein Gepäckstück.

Im Buch­haus Losch­witz hält die­ser stol­ze Umfang logi­scher­wei­se nie­man­den von der Lek­tü­re ab. Sezes­si­on-Lite­ra­tur­re­dak­teu­rin Ellen Kositza, Buch­händ­le­rin und Ver­le­ge­rin Susan­ne Dagen sowie Lite­ra­tur­wis­sen­schaft­ler Gün­ter Scholdt kom­men in der 14. Fol­ge von »Auf­ge­blät­tert. Zuge­schla­gen« hin­sicht­lich der Uhren zu einem ein­hel­li­gen Urteil: Tell­kamp habe ein Kunst­werk und zeit­gleich eines der anstren­gends­ten Bücher der letz­ten Jah­re geschrieben.

Außer­dem emp­fiehlt Kositza Edgar Sel­ges Hast du uns end­lich gefun­den, und Scholdt stol­pert über Ulri­ke Gue­rots strik­ten Libe­ra­lis­mus in Wer schweigt, stimmt zu:

Alle vor­ge­stell­ten Bücher erhal­ten Sie natür­lich direkt hier, bei Antaios.

– – –

Die innen­po­li­ti­sche Lage in Deutsch­land den Punkt erreicht zu haben, an dem Kon­ten­sper­run­gen unbe­que­mer Per­so­nen ein­fach auf Zuruf voll­streckt wer­den. Das jüngs­te Opfer, das sich nun auf der ste­tig wach­sen­den Lis­te der iso­lier­ten Finanz­pa­ri­as wie­der­fin­det, ist der Schrift­stel­ler und Jour­na­list Alex­an­der Wallasch.

Nach­dem der ehe­ma­li­ge Focus-Jour­na­list Boris Reit­schus­ter vom Zah­lungs­dienst­leis­ter Pay­Pal gesperrt wur­de, berei­te­te Wal­l­asch auf Twit­ter sei­ne Leser­schaft schon ein­mal auf ein mög­li­ches Pay­Pal-Aus vor:

Falls Pay­pal mich auch sperrt, auch ich habe nur die Kon­to-Alter­na­ti­ve und kei­ner­lei Wer­be­ein­nah­men. Ich freue mich über jede Unter­stüt­zung. Danke.

Die »Kon­to-Alter­na­ti­ve«, die Wal­l­asch bei der Sola­ris­bank hielt, wur­de von der lin­ken Anschmier­gue­ril­la schnell aus­fin­dig gemacht und auf Twit­ter sug­ges­tiv-denun­zia­to­risch ange­schrie­ben: »Schaut mal, wen ihr da als Kun­den habt.«

Die Sola­ris­bank reagier­te prompt: #Ist­Be­reit­sA­nUn­ser­Team­Wei­ter­ge­lei­tet. Kon­ten­sper­rung ging noch nie schnel­ler in Deutschland.

Hier schil­dert Wal­l­asch den Fall:

MEINE BANKKONTEN WURDEN GESPERRT

– – –

Die­ses Jahr schei­nen wir mit jeder Keh­re-Aus­ga­be das The­ma der Stun­de zu tref­fen. Hat­ten wir Anfang des Jah­res mit »Res­sour­cen­knapp­heit« vor dem Hin­ter­grund des Rus­sisch-ukrai­ni­schen Krie­ges bereits unbe­ab­sich­tigt einen Voll­tref­fer gelan­det, erscheint die Aus­ga­be Num­mer 10 zum The­ma »Nah­rung« in Zei­ten sich zuspit­zen­der Bau­ern­pro­tes­te in den Nie­der­lan­den erneut im rich­ti­gen Moment.

Im Heft geht es unter ande­rem um das dün­ne Eis, auf dem unser Nah­rungs­mit­tel­über­fluß steht, um eine mög­li­che Nah­rungs­aut­ar­kie, indus­tri­el­les Essen und den Acker als Energiesenke.

Was es bedeu­tet, wenn unse­re ele­men­tars­te Ver­sor­gung zusam­men­bricht, braucht nur einen Blick nach Sri Lan­ka werfen.

Es ist uns nicht zu wün­schen, daß im Jahr 2100 bei einer vor­aus­sicht­li­chen Welt­be­völ­ke­rung von zehn Mil­li­ar­den das Boden­er­trags­ge­setz nach Tho­mas R. Mal­thus sei­ne Gül­tig­keit beansprucht.

Die Aus­ga­be kann wie immer hier über Antai­os bestellt wer­den oder zeich­nen Sie doch gleich hier ein Abo unse­rer kon­ser­va­tiv-öko­lo­gi­schen Zeitschrift.

Für mich geht es nun in den Urlaub und in Rans­mayrs Welt, in der Trink­was­ser und Land ein knap­pes Gut sind. Wir sehen uns hier in drei Wochen wieder.

Nichts schreibt sich
von allein!

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Kommentare (14)

Lausitzer

10. Juli 2022 09:34

Ich wünsche Ihnen einen schönen Urlaub! 

RMH

10. Juli 2022 09:46

Das war eine interessante Folge mit Prof. Scholdt. Als es an das neue Werk von Tellkamp geht, merkt man, dass Frau Dagen hier ein bisschen die professionelle Distanz fehlt. Ein kleiner Hauch von Meisterkult - aber ist so etwas nicht genuin rechts? Helden und Heldenverehrung (so ein ins Deutsche übertragener Titel von Carlyle, den ich nur wegen des Titels gerade verwende ohne damit eine Anspielung auf Carlyle selber zu beabsichtigen) - Tellkamp passt in das Schema nicht rein, meiner Meinung nach. Er wirkt auf mich wie ein Sensorium.

@Kontosperrung. Interessant sind die Lesebriefe unter dem Blog-Eintrag von Wallasch. Manche dort scheinen noch nicht gewusst zu haben, dass diese Ausübung der "Vertragsfreiheit" (denn begründet werden die Kündigungen ja nicht) schon recht lange vor sich geht.

Kurativ

10. Juli 2022 10:37

Was Regierungsparteien/Verfassungsschutz, Antifa und Banken an ihren politischen Gegnern kritisieren, sind die Abgrenzungstendenzen zur bisherigen Ausprägung des von den Alt-Parteien und deren Gruppen geformten Bundesrepublik und dessen gewohnheitsmäßige Praxis. Änderungen sollen nicht möglich sein. Deswegen werden Kontosperrungen, „Geheimdienst-Beobachtungen“ und Denunziationen verkündet. Das als Mittel der politischen Auseinandersetzung ist undemokratisch aber leider immer wieder üblich. Besonders in US-beeinflussten Bananenstaaten. Aber auch in der EU. Es ist in anderen Ländern nicht anders. In Tschechien sollen nun pro-russische Bekundungen mit Gefängnis nun quittiert werden können. Man sucht sich einzelne heraus, und zerstört sie nacheinander (siehe Bauern in NL). Solidarität ist gefragt. Auch gegenüber Reitschuster und Ballweg

Laurenz

10. Juli 2022 10:49

@JS

Auch, wenn ich mich wiederhole, ich fand das Video der Beiden geistig jung gebliebenen Grazien mit Herrn Prof. Scholdt klasse. Seine völlig plausible Denkart & Seine, ich schreibe mal Kantigkeit, harmonierten in der Tat. Er benutzte Fremdworte, die ich noch nie gehört hatte, aber im Kontext sofort klar wurden. Der Mann ist ein vorbildlicher Deutscher.

Mittelfristig hat Deutschland, im Gegensatz zu anderen Staaten, genug Liquidität sich überall Nahrung & Gas zusammen zu kaufen. Auf längere Sicht hingegen, kann man zwar LNG von Amsterdam nach Ludwigshafen oder weiter schippern, aber das es das 5fache kostet, im Vergleich zu russischem Erdgas, ist man nicht mehr konkurrenzfähig & kann die Produktion quasi einstellen. Da die EZB nicht vertrauenswürdig agiert, wird der Euro weiter unter Druck bleiben, was Rohstoffimporte nicht billiger macht. Die gewollte Inflation wird uns im Euroland bis ca. 2030 weiter begleiten.

kikl

11. Juli 2022 07:57

"Solidarität ist gefragt. Auch gegenüber Reitschuster und Ballweg..."

Sehr richtig. Der Staat lässt seine Maske fallen und offenbart seine hässliche Fratze, denn er schreckt nicht davor zurück, für den Machterhalt undemokratische Mittel einzusetzen. 

Es ist auch erkennbar, dass die vom staatlichen Terror betroffene außerparlamentarische Opposition weitgehend Hemmungen gegenüber "rechten Ideen" ablegt. Erstaunlich ist beispielsweise, wie Cora Stephan in dieser Gesprächsrunde, ein Wort mit "Giftwirkung" (laut VS), nämlich Vaterland, in den Mund nimmt.

https://kontrafunk.radio/de/sendung-nachhoeren/kontrafunk-diskussion/flg-27-hallo-wirklichkeit

Niekisch

11. Juli 2022 17:28

Ein erholsamer Urlaub sei gewünscht, Herr Schick!

Das Literaturgespräch ist auf derart hohem Niveau, dass sich die Lektüre fast erübrigt. Immer wieder ist es interessant zu sehen, wie unterschiedlich Beurteilungen von Büchern ausfallen können. Ich lese keine Belletristik mehr, weil mir das Leben schon genügend Romanrealismus zugemutet hat. 

Als Anregung: in solchen Formaten sollten auch neue Entwicklungen im Literaturbetrieb Berücksichtigung finden. So z.B. das bewußte Forcieren einer "multilingualen, transnationalen und diversen" Literaturwelt: www.burg-huelshoff.de ( "The White White West" )

Nordlicht

11. Juli 2022 21:54

Lesestandsmeldung zu Tellkamp: Bin bei etwa 60 Prozent.

Als ich es erst einmal aufgegeben hat, eine lineare Erzählung oder überhaupt EINEN roten Faden zu finden, konnte ich mich auf die Sprache und die Geschichten (- die natürlich alle miteinander verknüpft sind, aber eben das ist nicht einfach verstehbar) konzentrieren, und dann ist das Lesevergnügen deutlich grösser.

Fazit, bisher: Toller Schinken, macht Spaß. Und liefert sowohl Einblicke in die 1990er Zeit. Und ist in Bezug auf die politische Klasse entlarvend-satirisch.

Maiordomus

12. Juli 2022 11:05

@Niekisch. Sie machen mich allenfalls neugierig, weil ich bei gehypten Büchern sonst, falls ich diese lese, gern zwei Jahre und länger warte, sie dann im Antiquariat, das immer früher immer neuere Bücher führt oder im Bücher-Brockenhaus ev. dann auch im Flohmarkt kaufe. Habe so oder so jährlich bis zehntausend Euro bzw. Franken auf dem Konto Bücheranschaffungen, zu Intensivzeiten manchmal mehr als für Essen und Trinken. 

Allnichts

12. Juli 2022 17:04

Nur in der Hinsicht passend, dass es sich auch um ein Netzfundstück handelt: Im Deutschlandfunk Kultur erklärt eine Türkin, weshalb wir alle Kommunisten sein sollten. Diese Unverblümtheit finde ich bemerkenswert.

Niekisch

12. Juli 2022 17:13

@ Maiordomus12.7. 11:05: Und ich dachte schon, meine Sammlungen seien gigantisch..Falls Sie es nicht gelesen haben, weise ich auf einen neuen Anwurf des Durs Grünbein ./. Tellkamp hin: FAZ 10.7.2022 S. 35: "Es gibt keine Elfenbeintürme...die Lebenslügen des Uwe Tellkamp". Grünbein wirft Tellkamp "Unempfindlichkeit gegenüber der Schoa" vor. Er habe sie im "Turm" nicht einmal erwähnt. Der Pfeil, der immer trifft oder wenigstens treffen soll.

Gracchus

13. Juli 2022 00:59

@Niekisch

Das Interview interessiert mich; allein die Überschrift zeigt, dass Grünbein sich auf Irrwegen befindet. Leider hinter einer Bezahlschranke. Können Sie noch mehr O-Ton liefern?

Laurenz

13. Juli 2022 11:28

@Gracchus @Niekisch

Hier etwas aus 2018:

https://youtu.be/V6nSgCCZM2Q

hier dazu explizit die Wortmeldung von GK

https://youtu.be/DPjAxDRY9gg

https://www.zeit.de/kultur/literatur/2018-03/rechtspopulismus-durs-gruenbein-uwe-tellkamp-pegida

https://www.zeit.de/kultur/literatur/2018-03/dresden-uwe-tellkamp-durs-gruenbein-afd-pegida/seite-2

Hier was mehr Aktuelles:

https://www.ndr.de/kultur/Der-Fall-Tellkamp-auf-3sat-Regisseur-Graefenstein-ueber-seine-Doku,tellkamp134.html

Hier die besagte Doku

https://www.3sat.de/kultur/kulturdoku/der-fall-tellkamp-film-100.html

Niekisch

13. Juli 2022 15:18

@ Gracchus 13.7 00:59: Das Interview ist recht umfangreich und bezieht sich noch auf den "Turm". Ich denke, dass Laurenzens links einschlägig sind. Dennoch bin ich gerne bereit, scans des Textes anzufertigen und an Ihre mail-Adresse zu senden, wenn Sie mir über die Reda Ihre mail-Adresse zukommen lassen. Frau Kositza hat meine Adresse. 

Adler und Drache

14. Juli 2022 10:07

@ Klaus D:

Oder in "Der beiden Quitzows letzte Fahrten" von Karl May - seinem einzigen historischen Roman.