Unter Deutschen (I): Linksliberale Spießigkeit

von Philipp Nicolay

Vororte haben die Eigenschaft, nicht nur geographisch entrückt des Zentrums, in der Peripherie zu liegen, sondern auch sonst...

… auf eigen­tüm­li­che wei­se fern der Rea­li­tät zu exis­tie­ren. Es scheint, dass sich dort beson­ders ein in sich wider­sprüch­li­cher Typus Mensch ein­ge­rich­tet hat.

Es sind kei­ne 68er, die in sich noch viel mehr das Urba­ne und Unbür­ger­li­che ver­kör­pern, son­dern die Gene­ra­ti­on der Zuspät­ge­kom­me­nen, die in den Fuß­stap­fen des links­li­be­ra­len chics wan­deln, lan­ge Haa­re haben konn­te ohne über­mä­ßi­gen Gegen­wind zu spüren.

Man ist über­durch­schnitt­lich gebil­det, liest Böll und Grass, wohnt im Rei­hen­haus, wählt Grün, trennt pflicht­be­wusst den Müll, spült sogar Joghurt­be­cher aus. Der nicht mehr vor­han­de­ne Jäger­zaun zwi­schen den benach­bar­ten Gär­ten als Trenn­li­nie zum ver­hass­ten Mief der Ade­nau­er-Ära, als außer­häus­li­che Qua­si-Kom­mu­ne der Post-68er. Aber auch als Druck­mit­tel, als sub­ti­ler Appell an die Nach­läs­sig­keit man­cher Nach­barn: Sieh her, dein Rasen ist schon wie­der 5cm höher als meiner.

Man hat sich ein­ge­rich­tet in einer rea­li­täts­frem­den Idyl­le, die weder demo­gra­phi­sche noch inte­gra­ti­ve Pro­ble­me kennt und erzürnt sich beim Schwätz­chen vor dem Haus über die unver­bes­ser­li­chen Nach­kömm­lin­ge in der Nach­bar­schaft, die par­tout die Schritt­ge­schwin­dig­keit in der Spiel­stra­ße nicht ein­hal­ten wol­len, oder dis­ku­tiert, ob die Nach­barn beim Rasen­mä­hen um 12:30 die Mit­tags­ru­he nicht ver­letzt haben.

Ein Kon­troll­sys­tem der gelang­weil­ten Haus­frau­en ist errich­tet – sub­ti­ler Art, wenn man so will. Jeder klei­ne Fehl­tritt spricht sich schnell rum: Der Sohn die­ser und jener Fami­lie wird wohl das Schul­jahr nicht schaf­fen und – es geht mich ja nichts an – er hat schon wie­der eine neue Freun­din. Man ana­ly­siert, stellt Zusam­men­hän­ge her, bis klar ist, wer wann wo falsch Erzo­gen hat.

Es ist eine kru­de Mischung aus Harm­lo­sig­keit, Spie­ßer­tum und selbst­auf­er­leg­ter Lang­wei­le, die die­sen Typus aus­macht. Es sind Leh­rer, Ärz­te, Sozi­al­ar­bei­ter, die kei­ner­lei Sor­gen ken­nen außer demo­kra­ti­sier­ten Bedro­hun­gen wie der Schwei­negrip­pe, man hat sich der Rea­li­tät ent­zo­gen. Gewalt und Armut kennt man nur aus Fern­se­hen und Zei­tung. Schön eigentlich?

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