Wem daran gelegen ist, die Bewegungsgesetze und ‑prinzipien zu verstehen, die dem Aufstieg und dem Verfall der großen Kulturen zugrunde liegen, greift in Deutschland zu Oswald Spenglers Untergang des Abendlandes (zwei Bände, 1918 – 22), in England und Amerika zu Arnold J. Toynbees Gang der Weltgeschichte (zwölf Bände, 1934 – 61).
In vielen ihrer Urteile stimmen die beiden Universalgeschichtstheoretiker auf bemerkenswerte Weise überein: insbesondere darin, daß die großen Zivilisationen in ihren reifen, vorgerückten Stadien eine imperiale Großstaatlichkeit ausbilden, die sich vereinheitlichend über den gesamten Kultur- und Zivilisationsraum legt und alle darin lebenden Völker umschlingt.
Allerdings unterscheiden sich Toynbee und Spengler in ihrer Deutung der basalen Triebkräfte, Dynamiken und Energien, die den Entwicklungsgang der großen Kulturen bestimmen. So geht Spengler von einzelnen, schicksalhaften, essentiell analog verlaufenden Zyklen in der Weltgeschichte aus: Die hohen Kulturen sind Organismen, die – wie Pflanzen, Tiere und Menschen – eine Kindheit und eine Jugend erleben, eine Zeit der Reifung und der vollen Blüte durchlaufen und schließlich in einen Alterungsprozeß einmünden, an dessen Ende unabwendbar ihr Zerfall und ihr Untergang stehen.
In Toynbees Modellierung ist der Prozeß der Geschichte ergebnisoffener: Der Bestand und die Dauer einer Kultur hängen maßgeblich davon ab, wie es ihr gelingt, Krisen zu bewältigen und existentielle Herausforderungen zu meistern. Sobald eine Kultur einen »Niederbruch« erleidet und Anzeichen des Verfalls erkennen läßt, tendiert der Gesellschaftskörper nach Toynbee dazu, in drei Fraktionen auseinanderzufallen: eine herrschende Minderheit, ein inneres Proletariat und ein äußeres Proletariat. Das Überleben und der Bestand der Zivilisation hängen anschließend davon ab, wie diese drei Formationen mit- und gegeneinander interagieren.
1. DIE HERRSCHENDE MINDERHEIT – Die herrschende Minderheit sind jene staats- und gesellschaftstragenden Beamten, Ingenieure, Priester, Lehrer, Wissenschaftler, Kaufleute und Soldaten, deren spröde, trockene, funktional bewahrende Tätigkeit den geordneten Gang der Staatsgeschäfte garantiert, die materielle Versorgung der Bevölkerung sicherstellt und die geistig-kulturelle Substanz des Landes erhält. Solange die führende Minderheit imstande ist, ihre schöpferische Energie zu verstetigen, kann sie die unschöpferische Masse der Menschen durch ihr Vorbild an das Staatsganze binden und dazu nötigen, sich ansatzweise auf das von ihr vertretene, höhere Bildungs- und Kulturideal hinaufzuarbeiten.
Toynbee spricht in diesem Zusammenhang von einem »sozialen Drill, der das Vermögen der Mimesis in den Seelen der unschöpferischen großen Menge ausnutzt und dadurch ihnen ermöglicht, ›mechanisch‹ eine Entwicklung zu leisten, die sie auf Grund ihrer eigenen Initiative nicht hätten leisten können.« Es kommt jedoch der Punkt, an dem die schöpferisch-erzieherische (integrative) Kraft der führenden Minderheit erlischt und die Wirkung ihres sozialen Drills versagt; nun spalten sich Teile der unschöpferischen Mehrheit vom Gesellschaftskörper ab und konstituieren sich als inneres Proletariat.
Die Proletarisierung ist ein wirtschaftlich-soziales, vor allem aber ein geistig-kulturelles Geschehen, eher ein Gefühlszustand als eine äußere Lage: »Der wahre Echtheitsstempel des Proletariers ist weder Armut noch niedrige Herkunft, sondern das Bewußtsein – und das Ressentiment, das dieses Bewußtsein eingibt – […] in geistiger Hinsicht eines Geburtsrechtes beraubt worden zu sein.« Das innere Proletariat, das sich aus den spirituell entwurzelten Teilen des eigenen Gesellschaftskörpers und zugewanderten (oder gewaltsam eingeschleppten) Fremden zusammensetzt, empfindet sich als der Kultur des Gesellschaftskörpers nicht (mehr) zugehörig und von ihren elementaren Quellen abgeschnitten. Statt ihren bestimmenden Einfluß auf die unschöpferische Mehrheit auszuüben, gerät nun die herrschende Minderheit ihrerseits immer sichtbarer unter den Eindruck des in ihrer Mitte heranwachsenden proletarischen Ferments.
Toynbee beschreibt unter anderem, wie aus der ursprünglich religiös durchwirkten Festkultur der Römer ein monströs-gewalttätiges Massenspektakel wurde; wie die Söhne der vornehmen, staatstragenden Familien sich mit Schauspielerinnen oder Tänzerinnen verheirateten; wie die Sprößlinge der Senatoren sich als Varietékünstler, wie Nero, oder Gladiatoren, wie Commodus, in der Arena präsentierten; wie es unter höhergestellten Römern zuletzt in Mode kam, den eigenen Kindern barbarische Namen zu geben, sich auf barbarische Art zu kleiden oder künstliche Zöpfe zu tragen, die dem blonden Haar der Germanen nachempfunden waren.
Auch heute sind die Zeichen eines kulturellen Zurücksinkens der einheimischen, staats- und gesellschaftstragenden Schichten des abendländischen Zivilisationsraums unverkennbar, die unter progressiven proletarisierenden Einfluß geraten sind. Zu den Symptomen dieser Proletarisierung zählen unter anderem: die möglichst großflächige Tätowierung des menschlichen Körpers, wie sie früher nur unter Matrosen, Strafgefangenen und Prostituierten üblich war; die Transformation des Theaters von der bürgerlichen Bildungsstätte zu einem Ort, an dem sich Erscheinungsformen der psycho-sexuellen Desintegration als zukunftsweisendes Lebensideal inszenieren; einheimische Jugendliche und Kinder, die auf den Schulhöfen migrantische Soziolekte sprechen und sich in ihrer Freizeit von den dumpfen Klängen des Gangsta-Rap beschallen lassen; die unter jungen Frauen aufgekommene Mode, sich im Afro-Look mit fachgerecht verfilzten, ostentativ zur Schau gestellten Dreadlocks zu präsentieren, wie die deutsche Seenotrettungs-Kapitänin Carola Rackete und die schwedische Demokratie-Ministerin Amanda Lind es beispielgebend vormachen; als Urszene: die Dekonstruktion des bürgerlich-alltagskulturellen Habitus durch die Revolution der Bürgerkinder von 1968; und schließlich in politicis der Einzug der Grünen in den Bundestag 1983, der einen kontinuierlich fortschreitenden Formverlust im öffentlich-parlamentarischen Raum bewirkt hat, wo das äußere Erscheinungsbild und die Kunst der Beredsamkeit sich seither sukzessive vulgarisieren.
2. DAS ÄUSSERE PROLETARIAT – Das äußere Proletariat bezeichnet die an den Rändern des Zivilisationsraums in kulturell weniger entwickelten Verhältnissen lebenden Völker und Stämme, die mit dem zivilisierten Gesellschaftskörper in Kontakt getreten und mehr oder weniger in seinen politischen, geistigen und kulturellen Einflußkreis geraten sind. Solange die Hochkultur innere Stärke demonstriert und sich selbst bejaht, übt sie ihren bestimmenden, stilbildenden Einfluß auf das äußere Proletariat aus; sie wirkt wie ein Strahlungsfeld und stellt einen nachgerade unwiderstehlichen Anreiz dar, sich in ihren höherentwickelten Formen zu assimilieren.
Die Grenze gegen umwohnende Primitive ist in diesem Stadium unbestimmt: »Solange eine Kultur noch im Wachstum begriffen ist, hat sie keine genauen und festen Grenzen […]. Das Licht leuchtet so weit, wie es nach der Natur der Dinge gelangen kann, bis es den Punkt erreicht, an dem es verschwindet. […] Die Macht der Ausstrahlung wachsender Kulturen ist so groß, daß die Kulturen den ganzen Bereich der überlebenden primitiven Gesellschaftskörper durchdringen.«
Verliert indes die hohe Kultur ihre innere Überzeugungskraft und zeigt sie Anzeichen der Schwäche, kehrt sich die Bewegungsrichtung um: nun geht das äußere Proletariat in die Offensive, und die Zivilisationen sehen sich gezwungen, Schutzwälle und Verteidigungsanlagen zu errichten. Das äußere Proletariat geht von dem Wunsch, sich der Zivilisation und ihren Ordnungen anzupassen, zu dem Bestreben über, ihr die eigenen Sitten und religiösen Formen aufzuzwingen. In der westlichen Zivilisation fällt diese Schubumkehr in die 1950er Jahre, als die großangelegte Besiedelung der USA und Westeuropas durch Gastarbeiter, Hispanics und postkoloniale Immigranten beginnt.
Wie die großen Zivilisationen der Vergangenheit sehen sich heute auch die Europäer und die Amerikaner gezwungen, Grenz- und Abwehrregime (von Frontex bis zur südlichen Grenzmauer in den USA) zu errichten, die sie mal mehr, mal weniger beherzt verteidigen. Die in den Zivilisationsraum eindringenden Teile des äußeren Proletariats übernehmen nicht mehr wie selbstverständlich die zivilisatorisch entwickelteren Ordnungen und Formen, sondern gehen offensiv-kämpferisch gegen diese vor: Dazu zählen heute beispielhaft die Neuen Deutschen Medienmacher, die eine Bringschuld der Einheimischen propagieren, sich ihnen als den neuen Taktgebern des öffentlichen Diskurses anzupassen; der ubiquitär erhobene Rassismusvorwurf, der zielgerichtet als Waffe eingesetzt wird, um die abendländischen Völker und ihre Traditionen herabzusetzen, zu entmächtigen und soziokulturell zurückzudrängen; der Islamo-Gauchisme und die Migrantifa in Frankreich, deren Sturmtruppen christliche Kirchen demolieren, die abendländische Malerei und Musik verdammen und den freien wissenschaftlichen Diskurs an den Universitäten des Landes zerstören.
3. DAS INNERE PROLETARIAT – Das innere Proletariat ist nicht so sehr durch materielle Armut als durch einen Zustand spiritueller Obdachlosigkeit konstituiert; es verliert den Kontakt zu der umgebenden Kultur, fühlt sich ihr entfremdet und nicht mehr zugehörig, ist von einem tiefen Ressentiment gegen den herrschenden geistigen Kosmos getrieben.
Das innere Proletariat wendet sich von den politischen, sozialen und moralischen Institutionen des Landes, namentlich der Familie, ab: Es predigt die Gleichheit der Geschlechter und ergibt sich einem Daseinsmodus, in dem das Sichgehenlassen (ein naturgemäßes, neo-primitiv regrediertes Leben) und ein extremer Asketismus nebeneinander bestehen.
Toynbee notiert dazu, daß die in das Verfallsstadium eingetretenen Zivilisationen sich »in ihrer anscheinenden Gefühllosigkeit gegenüber der gähnenden Weite der Kluft zwischen dem hemmungslosen Sexualismus und dem übertriebenen Asketismus wieder dem Ethos des primitiven Menschen zuzuwenden scheinen. Im indischen Fall gibt es einen Widerspruch zwischen dem Lingam-Kult und dem Yoga, der auf den ersten Blick unauflösbar aussieht; und wir sind ähnlich von den entsprechenden Gegensätzen zwischen der Tempelprostitution und der astralen Philosophie eines zerfallenden babylonischen Gesellschaftskörpers, zwischen den Menschenopfern und den sühnenden Selbstkasteiungen der Maya und zwischen den orgiastischen und den asketischen Aspekten des hetitischen Kybele- und Attiskultes abgestoßen.«
Dem entsprechen in unserer Zeit die Dekonstruktion der zweigeschlechtlichen Matrix durch das Gender Mainstreaming und die Auflösung der klassischen Familie in den bunten Reigen neuer, im Zeichen des Regenbogens stehender Formen des Zusammenlebens; die mit den Christopher-Street-Days, den Swinger-Clubs oder der Polyamorie verbundenen sexuellen Exzesse einerseits – und der neopuritanische, im Zeichen von »Metoo« geführte Kampf gegen den Sexismus andererseits, noch gesteigert durch die neuesten feministischen Strömungen an den Universitäten der USA, für die der heterosexuelle, einvernehmlich vollzogene Geschlechtsverkehr von einer Vergewaltigung prinzipiell nicht zu unterscheiden ist, insofern die penetrative Sexualität von Natur aus grenzverletzend sei und der Penis ein Symbol des Terrors repräsentiere.
So werden sexuelle Anstandsverletzungen und Ausschweifungen aller Art euphorisch gefeiert und medial transportiert, während zugleich, wie Douglas Murray berichtet, britische Manager in einer Interviewserie gestanden, daß sie »keine Lust mehr hätten, mit ihren Kolleginnen essen zu gehen oder im Flugzeug neben ihnen zu sitzen. Sie bestanden darauf, im Hotel auf einer anderen Etage untergebracht zu werden, und vermieden Gespräche unter vier Augen mit Frauen.«
Die spätzivilisatorische Koinzidenz von Asketismus und Enthemmung ist das äußere Signum einer geistigen Verfassung, der die notwendige innere Spannkraft abhanden gekommen ist, um geordnete Geschlechter‑, Familien- und Generationenverhältnisse herzustellen.
Dabei versucht das innere Proletariat zunächst, sich durch Revolutionen, Bürgerkriege und Sklavenaufstände der herrschenden Minderheit aufzunötigen und den ihm entfremdeten Gesellschaftskörper zu sprengen.
Nachdem sich der Weg der Gewalt als blutgetränkter Irrweg erwiesen hat, wechselt das innere Proletariat den äußeren Modus und das innere Kalkül: Es verfolgt nun eine Strategie der Sanftmut, die den Kosmos der herrschenden Minderheit nicht mehr frontal und gewaltsam attackiert, sondern geistig-kulturell zersetzt: auf die Zerstörungskriege des minoischen Zeitalters folgen die Friedfertigkeit, der Vegetarismus und das Tötungsverbot der Orphik; auf die Sklavenaufstände und verzweifelten Gewaltausbrüche der Spartakuszeit folgt das frühchristliche Evangelium der Liebe; und auf die blutigen Massaker des indischen Aufstandes von 1857 folgt die friedfertige Widerstandsbewegung Mahatma Gandhis, der die britische Kolonialherrschaft barfuß und gewaltfrei zum Einsturz bringt.
Toynbee beschreibt, »wie der Weg der Gewalt sie [die inneren Proletarier] gelockt hat und wie sie nur Unglück über sich selbst gebracht haben, soweit sie dieser Versuchung nachgegeben haben. Nur wenn das innere Proletariat einem Propheten der Sanftmut folgt, hat es eine Chance, seine Eroberer in den Bann zu schlagen.«
Derselbe fundamentale Strategiewechsel ist heute auch im westlichen Zivilisationsraum unschwer zu erkennen: In Gestalt des Marxismus und des Bolschewismus versucht das innere Proletariat zunächst mit Mitteln des Terrors und der maßlosen Gewalt, den abendländischen Gesellschaftskörper zu erobern und die Axt an ihn zu legen; nachdem sich dieser Weg als gescheitert erwiesen hat, folgt die erneuerte, sirenenhaft sanft daherkommende Strategie des (postmodernen) Kulturmarxismus: eine weichere und eben deshalb erfolgreiche Form der geistigen Auflösung und sozialen Zersetzung, die über Humanitätsgebote und offene Grenzen die ethnisch-soziale Stabilität der westlichen Nationen fragmentiert; die durch ihre ubiquitäre Anpreisung devianter Formen der Sexualität die Familie als die Keimzelle der Gesellschaft erschüttert; die mit Hilfe einer in die Köpfe geträufelten Schuldmetaphysik den Behauptungs- und Verteidigungswillen der abendländischen Völker untergräbt.
Ist das Werk der inneren Demontage einmal getan, haben die inneren Proletariate die schließliche Eroberung und Inbesitznahme des eigenen Gesellschaftskörpers durch fremde, auswärtige Mächte in schöner Regelmäßigkeit entweder passiv hingenommen oder freudig begrüßt.
Toynbee spricht hier explizit von einer Praxis und Kultur der Bewillkommnung: »In solchen Fällen ist es natürlich, daß ein inneres Proletariat das Schicksal, das über seine herrschende Minderheit kommt, mit Indifferenz oder auch mit Genugtuung ansieht. Ein Probefall ist das Verhalten des inneren Proletariats im Anden-Universalstaat, als die spanischen Konquistadoren plötzlich einbrachen. Die orejones waren vielleicht die wohlwollendste herrschende Minderheit, die je ein zerfallender Gesellschaftskörper hervorgebracht hat, aber ihr Wohlwollen half ihnen nichts am Tage des Gerichts. Ihre sorgfältig gehüteten Menschenherden nahmen die spanischen Eroberer mit derselben Fügsamkeit ohne Antwort hin.
Wir können auch Fälle vorführen, wo ein inneres Proletariat die Eroberer seiner herrschenden Minderheit mit positivem Enthusiasmus begrüßt hat. Es gibt die Bewillkommnung des persischen Eroberers des neubabylonischen Reiches in den beredten Apostrophierungen des ›Deutero-Jesaia‹. Zweihundert Jahre später bewillkommneten die Babylonier selbst den hellenischen Alexander als ihren Befreier«. Dem späten Abendland dieselbe Richtung weisend, machte eine führende schwedische Zeitung ihre Leser unlängst darauf aufmerksam, sich über von Migranten verübte Gewalttaten zu beschweren sei deplaziert, da die Schweden an sich ein »barbarisches« und »kulturloses« Volk seien und das Land in den Händen neuer Menschen allemal besser aufgehoben sei als in jenen der stumpf und rassistisch veranlagten indigenen Bewohner.
Und in Deutschland schrieb die Sozialdemokratin Sophie Passmann, sich auf das Attentat am Berliner Breitscheidplatz beziehend, bei dem ein islamischer Extremist im Dezember 2016 insgesamt zwölf Menschen getötet hatte, am 19. Dezember 2019 via Twitter: »Oder vielleicht haben Leute, die es für weihnachtlich halten, in Menschenmengen auf Märkten gebrannte Mandeln zu fressen, [es] auch einfach verdient, von anderen Kulturen verdrängt zu werden.«
4. AUSBLICK – Toynbee schildert abschließend verschiedene typische Verhaltens- und Bewältigungsmuster, mit denen die kulturbewahrenden Teile des Gesellschaftskörpers auf offenkundige Verfallsprozesse zu reagieren pflegen, die sich aber letzten Endes allesamt als Sackgassen erweisen: a) den Archaismus als den verzweifelten Wunsch, soziale Zustände und politische Ordnungen zu revitalisieren, die durch den Gang der Geschichte überholt und unwiederbringlich verloren sind; b) den Futurismus als die Flucht in utopische Hoffnungen, welche meinen, die real vorhandenen Umstände voluntaristisch übergehen und ein neues Reich ex nihilo errichten zu können, ohne die Tendenzen der Zeit und die politisch-geschichtliche Lage in Rechnung stellen zu müssen; c) die Abkehr als den Glauben an die inwendige Freiheit als eine Sphäre der Unangreifbarkeit und an das privatistische Glück einer gesellschaftsfernen Idylle fernab des öffentlichen Raumes, wo die politischen Entscheidungen fallen.
Statt diese Sackgassen zu beschreiten, wird es im Sinne Toynbeescher Ergebnisoffenheit darauf ankommen, ob die abendländischen Völker noch einmal imstande sein werden, schöpferische Kräfte zu mobilisieren und gestalterische Energien zu entfachen; ob es ihnen gelingen wird, aus dem immer Gültigen, dem Urgrund des abendländischen Weltgefühls einen neuen Aufbruch hervorzutreiben, will sagen: neue geistige Produktivität, staatsbildende Ordnung und religiöse Verklärung abzuleiten.