Schnellroda, 6. Juli 2022 –
Lieber Ivor, war ein gutes Gespräch. Dank nochmal für Speis und Trank und Bettstatt.
Am Ende sind wir beide zynisch geworden, das ist legitim und angemessen, letztlich aber bloß ein Fluchtimpuls. Also setze ich noch einmal an: Wir dürfen denjenigen, die geschmeidiger sind als ein Schluck Wasser zumindest als Beobachter nichts durchgehen lassen. Ich meine damit: Fassungslos wahrnehmend müssen wir immer wieder von der Abwendung zu einem Standpunkt zurückfinden, von dem aus wir konstruktiv sein können und “das Öffentliche” nicht aus dem Blick verlieren.
Wir sind ja nicht die einzigen, die begreifen, daß unser Land zugrunde gerichtet wird. Unser Widerstand dagegen sollte (abgesehen von der Ordnung, die man um sich herum schaffen kann) darin bestehen, daß wir die Sache auf den Punkt zu bringen versuchen. Noch will ich politisch sein in dem Sinne, daß ich nicht für mich nach Wegen suche, sondern für unser Land.
Ein Beispiel: Sind Wehrhaftigkeit und Opferbereitschaft Tugenden, die nur für Ukrainer oder Russen gelten, während wir Deutsche sie uns seit Jahrzehnten und weiterhin aberziehen? Wie ist das mit der nationalistischen Aufladung eines Verteidigungskampfes? Ist so etwas situativ gestattet? Kennt jemand die Formen und die Rituale einer solchen Aufladung in der Ukraine, und wie ist das, wenn »der Westen« diese Männer romantisiert und allen Ernstes behauptet, hier kämpften Leute für die Werte ebendieses Westens?
Ich will also nach dem fragen, was zu uns – gerade zu uns Rechten – an Fragestellungen aus diesem Konflikt und Krieg zurückkommt.
Gruß!
Götz
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Burg Schreckenstein, 7. Juli 2022
Lieber Götz,
Du stellst rhetorische Fragen – doch auch dabei kommt es auf den Standpunkt, die Perspektive an: Aus der Sicht des hiesigen Parteienkartells und seiner PsyOps-Medien sind die meisten Deiner Fragen mit einem Ja zu beantworten – andere dürfen und sollen, was den Deutschen selbstverständlich verwehrt zu bleiben hat, das ist ein alter Hut.
Für uns Dissidenten bilden die Kämpfe in der Ukraine in mehrerlei Hinsicht ein Problem, auch über die konkreten materiellen Folgen des EU-Wirtschaftskrieges gegen Rußland hinaus. Über die reale Lage in der Ukraine wissen wir nicht genug, insofern ist die Frage nach der dortigen Wehr- und Opferbereitschaft, der nationalistischen Aufladung jenseits schierer Propaganda nicht seriös zu beantworten.
Was wir jedoch zweifelsohne erkennen, das ist ein höchst realer Krieg, der mit jenen Scharmützeln der »westlichen Wertegemeinschaft« in Afghanistan, sogar den dynamischen Sezessionskriegen im vormaligen Jugoslawien Anfang der 1990er Jahre wenig Gemeinsamkeiten hat. Die »Spezialoperation« der Russen hat sich längst zu einem klassischen Abnutzungskrieg ausgeweitet, der einen langen Atem und Durchhaltefähigkeit auf allen Ebenen erfordert.
Wir Deutschen sind dazu kaum mehr in der Lage: Die Moral der aktiven Truppe wurde und wird aus bekannten Gründen zersetzt, deren Kern bei allen Armeen der Welt stets in der eigenen Tradition lag und liegt. Über den Ausrüstungs‑, Munitions- und Personalstand ist kein Wort mehr zu verlieren.
Mit der Abschaffung der Wehrpflicht hat man sich nicht nur einer nationalerzieherischen Institution beraubt, sondern auch der Soldaten, die in einem Kriegsfall schnell reaktiviert werden könnten, um überhaupt auf die nötige Mannstärke zu kommen und Verluste an der Front zu ersetzen. Und mit einer éducation commune in unseren Schulen, Universitäten und Medien, die ganz auf ein negatives Selbstbild ausgerichtet ist, läßt sich keine Wehrbereitschaft in der »Bevölkerung« hervorrufen, von »Volk« gar nicht zu sprechen.
Für Energiewende und französischen Atomstrom, freie Geschlechtswahl und islamische Religionsausübung, für Abtreibungswerbung und Rentensicherung, Oben-ohne-Schwimmen und Frauenbeschneidung wird hierzulande keiner das eigene Leben einsetzen.
Daß dennoch auch in vielen Deutschen die Sehnsucht nach einem positiven Selbstbild glimmt, ist unbestritten. Wir werden diese Sehnsucht dringend brauchen, wollen wir uns wieder aus Ruinen erheben, noch ist sie leicht anzufachen. Allerdings glaube ich nicht, daß wir Dissidenten großen Einfluß darauf haben.
Vielmehr wird es für die herrschende Klasse und ihre Derivate in Parteien und Medien recht bald zum Schwur kommen, und ich bin mir sicher, daß sie dann die »nationale« Karte zu ziehen versuchen, wie man es schon einmal unter unserem Kriegskanzler Schröder und seinem grünen Vize Jockel Fischer 2005 aus dem regierungsnahen Bertelsmann-Imperium heraus anging.
Wir werden sehen, ob dies das nächste Mal gelingt. Gelänge es, dann gerieten wir, das Andere Deutschland, in eine mißliche Lage – was tun, wenn Gangster den deutschen Funken für ihre Zwecke mißbrauchen?
À bientôt!
Ivor
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Schnellroda, 10. Juli
Lieber Ivor,
Du kennst meinen Impuls, immer dann, wenn man merkt, daß man als Machtloser über Machtfragen zu sprechen beginnt, damit lieber nicht zu beginnen, sondern zu Handhabbarem zu greifen: im Garten zur Harke, am Schreibtisch zum Schriftenfächer für die Form des nächsten Buches und zum Manuskript.
Ich schrieb das ja neulich in einem Beitrag über eine Vortragsreise nach Belgrad. Als mir dort junge Zuhörer die Frage nach Europa stellten, antwortete ich:
Wenn jemand davon erzählt, wie er Europa von rechts gestalten wolle, dann kommt es mir vor, als spräche er über die Menschheit oder über das Leben, das Universum und den ganzen Rest (um Douglas Adams zu zitieren) – über eine Bezugsgröße jedenfalls, die noch weniger in unserer Reichweite liegt als bereits unsere Nationen. Europäische Politik ist angesichts des Zustands unserer je eigenen Länder (und vor allem Deutschlands) auf einer Leiter die oberste Sprosse, nach der man nicht greifen kann und an der man sich folglich nicht beweisen muß.
Dieser Umstand spielt seit jeher allen Baumeistern von Nicht-Orten in die Karten: Man muß bloß etwas behaupten, muß bloß Bescheid wissen, muß nicht einmal wirklich wollen, und vor allem muß man nie konkret werden.
Großraumgespräche sind für die Machtlosen in Vasallenstaaten, also für uns, ein Glasperlenspiel. Dennoch müssen wir die Frage stellen und beantworten, wie es soweit hat kommen können. Wie lange ist dieser Konflikt geschürt worden, wem nützt er, was wird durch die vermeintlich eindeutigen Frontverläufe festgezurrt? Welchem übergeordneten Interesse folgt das Verhalten der »Machthaber« in unserem Land? Können, müssen wir uns auf eine Seite schlagen?
Antworten darauf sind für die innere Hygiene von Wichtigkeit, und sie sind das kleine Fähnchen, das sichtbar aufgezogen wird, wenn über der Republik, der »westlichen Welt« das große Banner der Alternativlosigkeit weht. Ich schaute gebannt auf die Verteidiger des Asow-Stahlwerks in Mariupol und halte zugleich und nach wie vor den russischen Angriff für die legitime Reaktion auf eine jahrzehntelange Einkreisung und näherrückende Bedrohung, von der ich, um den Bogen zu spannen, im Falle der US-amerikanischen Angriffe auf den Irak und Afghanistan nichts bemerkt hatte, nichts also, was diese Überfälle gerechtfertigt hätte.
Aber diese Haltung beantwortet nicht die Frage, die wir vor allem stellen sollten: Gibt es aus deutscher Sicht Freund und Feind in diesem Krieg oder nicht, und wenn ja: Ist es nicht legitim oder sogar notwendig, diese Positionierung als Alternative zur Alternativlosigkeit zu formulieren und zu vertreten – auch dann, wenn wir wissen, daß es bloß Rhetorik ist?
Gruß in die Nacht!
Götz
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(Teil 1 des Briefwechsels mit Ivor Claire, der aus Lothringen stammt und in Deutschland an einem Privatgymnasium Sport und Deutsch unterrichtet. Veröffentlicht in der 109. Sezession – hier einsehen und bestellen.)
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Burg Schreckenstein, 11. Juli 2022 – Lieber Götz, eine Flucht ins Private ist in Krisenzeiten nicht möglich, das hat uns Schiller in seinem Tell gezeigt.
Und auch eine Emigration ins Ausland schöbe den Zugriff Behemoths und Leviathans auf uns selbst nur auf. Die entscheidende Frage lautet, wer in der Bundesrepublik einen Rütlischwur ablegen kann und will, ob und wie überhaupt ein »neuer Bund« möglich ist.
Wir müssen hier zunächst zwei Kröten schlucken: daß es, erstens, weder für uns noch irgend jemand anderen einen Weg zurück zu irgendeinem Vorher gibt; und zweitens, daß für einen Rütlischwur Männer nötig sind, die in den Institutionen des schwindsüchtigen Staates eingebunden und in der Wirtschaft tätig sind, also über Einsicht, Kenntnisse und Erfahrung verfügen.
Damit befinden wir uns bereits inmitten jener Gedankenspielereien oder Großraumgespräche, von denen Du sprichst. Sie sind notwendig, um uns über unsere Lage und Möglichkeiten klarzuwerden – wir dürfen dabei freilich nicht so tun, als verfügten wir über Mittel und Kräfte, die wir nicht haben.
Gibt es denn noch Leute, die willens und fähig wären, einen neuen »Kreisauer Kreis« zu bilden? Wie wären sie zu identifizieren, wie zusammenzuführen, ohne von den Schergen frühzeitig vernichtet zu werden?
Die »große Lage« spielt hier, damals wie heute, eine entscheidende Rolle, denn wir brauchen uns keiner Illusion hinzugeben: Hierzulande geschieht nichts, das nicht »von außen« zugelassen oder beeinflußt wäre, und den USA geht es sowenig um das Wohlergehen der Deutschen wie den Russen oder den Chinesen.
Damit sind wir auch bei Deiner Frage nach einer Feindbestimmung im aktuellen Krieg im Osten. De facto wird den Deutschen massiv vor Augen geführt, wer der Feind sein soll, was zu den bekannt-absurden Verrenkungen führt: Bandera-Traditionen in der Ukraine, vor einem Jahr noch Ausgeburten des Schaitans, bilden jetzt die Basis europäischer Vorneverteidigung gegen russisch-asiatische Horden, während grüne und rosarote Wehrdienstverweigerer, Christ- und Freizeitdemokraten ihre friedlichen bundesdeutschen Schafe tapfer auf einen Kampf gegen den alt bösen Feind einschwören.
Hier ist der Versuch einer eigenen Feindbestimmung von uns Machtlosen im aktuellen Krieg wohl ein Sandkastenspiel, das indes, betreibt man es richtig, die Grundlage künftiger Entscheidungen bilden kann.
Von einer deutschen Position aus zerstört uns die Politik der USA und der EU, aber auch die russische Politik operiert, insbesondere vergangenheitspolitisch, so, daß sie uns mehr schadet als nützt. Daraus ergibt sich für mich mit Blick auf die gegebenen Kräfteverhältnisse eine Linie, wie sie unser Cum-Ex-Scholz mit seinen beschränkten Fähigkeiten zu verfolgen suchte: sich heraushalten, ohne zu sehr anzuecken.
Wenn ich mir vorstelle, BlackRock-Merz oder gar einer der pensionierten AfD-Obristen säße an seiner Stelle, bin ich fast froh, daß der vormalige Jungsozialist heute als Kanzler herumzueiern versucht.
Weder eine »Rote Kapelle« noch die geforderte Nibelungentreue zur NATO können derzeit die Option einer deutschen Dissidenz sein. Die drängende Frage, was einem selbst in dieser beschissenen Lage an politischen Handlungsmöglichkeiten bleibt, brennt mir weiter auf der Haut, aus meiner Ratlosigkeit habe ich noch nicht herausgefunden.
Was also tun?
Sans aucune illusion,
Ivor
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Schnellroda, 12. Juli 2022
Lieber Ivor,
Deine Skizze der Lage würde, das war mir klar, ein für uns Deutsche lähmendes Bild abgeben. Kannst Du Dich an die irre Szene erinnern, die sich am Rand jener Berliner Großdemonstration vom 1. August 2021 abspielte, von der einer unserer Landsmänner beim vorabendlichen Gang über das kommende Schlachtfeld behauptete, dies würde der wohl wichtigste Tag der deutschen Geschichte seit dem 8. Mai 1945 werden?
Es scharte sich damals ein Haufe vor den Eingängen der russischen und der amerikanischen Botschaft und flehte um Friedensverträge und um Erlösung von den Schulderzählungen. Diese Bittgesuche wurden von den Veranstaltern aufgegriffen und verkündet. Glaub mir, Ivor: Diese Szene verpaßte mir Gänsehaut und eine Aufwallung von Mitleid. Die Hoffnung dieser Leute war spürbar echt, sie war nicht abgebrüht oder kalkuliert, sondern kam aus dem Herzen, hatte für diejenigen, die mitwogten und mitflehten, tatsächlich die verdichtende Kraft einer Sternstunde der Menschheit, war zugleich aber für ferne Beobachter wie mich irrsinnig wie ein Veitstanz.
Als die Spannkraft nachließ, kam es zu Ernüchterungsszenen. Verzweifelt weinende Demonstranten, jähe Unbehaustheit im Potemkinschen Dorf, Scham: der Deutsche als politischer Romantiker mit der Gemütsverfassung eines kleinen Kindes … Jede Seite ist die falsche – Meister Klonovsky verwendet dieses Diktum gern, es paßt auch hierher.
Ich spreche immer vom Windschatten, in den ich unser Land wünsche, wenn mich einer nach dem politischen Minimum fragt. Bloß ist Deutschland für den Windschatten zu groß, immer noch zu wesentlich. Wir sind halt nicht Portugal oder Ungarn.
Laß uns also mal ein paar Wahrnehmungen auf der unteren Ebene durchdeklinieren und Schlußfolgerungen aus ihnen ziehen. Ich will mit einem Themenkomplex beginnen, der Konjunktur hat, seit es um Wehrbereitschaft, Verteidigung, Selbstversorgung in abgeschnittenen Räumen und ums Überleben an sich geht.
Ich sah einen Arte-Film über schwedische Prepper und über die militärische Seite dieser Krisen- und Kriegsvorbereitung: die schwedische Heimwehr. Dieser Film berichtete ohne jede Herablassung oder Dekonstruktion über das, was wir früher aus den Survival-Büchern des Konditormeisters Rüdiger Nehberg nachbastelten und beim Militär lernten: Feuer bei jedem Wetter (auch im Film wird dieser idiotische Zufall wiederholt, daß man zwar kein Feuerzeug, aber einen Magnesiumstein plus Schaber in der Hosentasche habe …), dazu Anleitung zum kleinen Krieg, zum totalen Widerstand.
Schweden dort, Deutschland hier. Was der Film zeigt, wird hierzulande kriminalisiert: zu lernen, wie man in einer in jeglicher Hinsicht nichtautarken Großstadtwohnung im Ernstfall nicht friert und hungert, sondern selbstbewußt dabei helfen kann, die Ordnung aufrechtzuerhalten; dann: zu üben, wie man vor dem Feind nicht »blank« dasteht, sondern mit Waffen umzugehen weiß.
Es geht in der Dokumentation tatsächlich um Wehrsport, Vorratshaltung, auf Wochen oder Monate angelegte Autarkie, identitäres Selbstbewußtsein, Mobilmachung, Ertüchtigung.
In Deutschland sind diese Impulse in justitiable Kistchen abgelegt worden: Reichsbürger, Prepper, Militaristen, völkische Siedler. Legen wir die 100 Milliarden zusätzlicher Schulden für die Aufrüstung der Bundeswehr daneben: Sie sind doch ein Beweis dafür, daß sich die Gefährdungslage verschlechtert haben muß!
Was läge also näher als eine praktische und geistige Aufrüstung des Normalbürgers, eine Kräftigung seines Widerstandspotentials? Es schält sich doch in einer solchen Lage ein bestimmter Typ heraus: derjenige nämlich, der trotz allem daran festhält, unser Land sei etwas, das zu verteidigen sich lohne. Die Frage nach dem Volk wird laut: Wer wäre das »Wir« im Ernstfall? An wen würde man sich richten, wer wäre gefragt, wenn es nicht mehr um Dienst nach Vorschrift geht?
Das Verteufelte kehrt zurück: Kohlekraftwerke, Männer, Waffen, sogar Söldner dürfte man wieder sein, wenn man auf der richtigen Seite kämpft und die Bösen jagt.
Du siehst, es ist wie stets mit mir: Man denkt nach, kommt ins Fabulieren, wird sarkastisch. Dabei sollte man ernst bleiben: ja, Notlage, Männer, Waffen, Askese, Einsatz, Wir. Der ganze Rest ist zumindest dort, wo der Ernstfall ausgebrochen, eingebrochen, ausgerufen ist, nicht mehr so wichtig.
Götz
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Burg Schreckenstein, 13. Juli 2022
Lieber Götz,
die Einsicht in das, was ist, darf sich nicht nach dem Wünschenswerten richten, das brauche ich Dir ebensowenig zu erklären wie den Grundsatz, daß in der Ruhe die Kraft liegt – wer sich lähmen läßt oder kopflos wird, ist verloren. Wir haben das beide bei den springenden Truppen gelernt.
Oder vornehmer mit Goethen: Es gibt keine Lage, die sich nicht veredeln ließe, entweder durch Leisten oder durch Dulden. Man schanzt, wenn man sonst nichts tun kann, gräbt sich tiefer ein, und sucht doch stets nach Möglichkeiten, die Initiative zu gewinnen und den Angriff zu wagen, auch wenn’s ein letztes Mal wäre.
Das Gute an der gegenwärtigen Zuspitzung einer seit langem schwelenden Krise ist ja, daß die »große Lage« nun tatsächlich in Fluß geraten ist wie seit 1989 nicht mehr, sie ist nur riskanter und gefährlicher als damals. Das bietet wiederum Entwicklungsmöglichkeiten auch für die »kleine Lage« der Dissidenz, die noch nicht absehbar sind.
Ich beobachte inzwischen dasselbe wie Du: Die Leute sind nicht dumm, sie wissen, was es geschlagen hat – man hortet, knüpft Verbindung zu seinesgleichen, zum Bauern auch, zum Förster und zum Jäger, legt sich Holzöfen und Notstromaggregate zu und redet offen, wenn man sich kennt. Nur müssen all diese Leute eben zudem ihren Alltag im Hier und Jetzt weiterleben, halten also den Ball nach außen hin wohlweislich flach, wegen der von Dir angesprochenen Denunziation und Kriminalisierung solcher tätigen Selbstvorsorge durch den okkupierten Staat und seine »zivilgesellschaftlichen« Lemuren.
Auch in dieser Ruhe liegt Kraft, denn selbst wenn ich eine Eskalation bis hin zu einem auf Kerneuropa begrenzten Einsatz atomarer Kampfmittel für möglich halte, werden »wir« vorerst wohl nicht auf unserem Boden gegen »den Russen« kämpfen müssen. Ich rechne hier vielmehr mit der Verdichtung (verzeih mir den Kalauer) jenes Enzensbergerschen molekularen Bürgerkriegs zum »Ernstfall«. Da kann sich das »Wir« dann lokal und regional recht schnell zeigen, mit allen guten und schlechten Seiten.
Den »bestimmten Typ«, von dem Du sprichst, gibt es ja noch immer, als Freiwilligen im Technischen Hilfswerk, bei den Feuerwehren und Rettungssanitätern, in Reservistenkameradschaften und Sportvereinen, aber auch, freilich in zunehmender Verdünnung, in den Streitkräften und bei der Polizei, die alle genau deswegen für die deformierte politisch-mediale Meute in Deutschland zum vorrangigen Ziel der Zersetzung geworden sind.
Auferstanden aus Ruinen und der Zukunft zugewandt – das muß unsere Devise sein, das alte Ziel von Einigkeit und Recht und Freiheit ist für das deutsche Vaterland neu anzugehen, und dafür gilt es, auf »molekularer Ebene«, weiterzuarbeiten, sich vorzubereiten, nicht nur im persönlichen Umfeld, sondern auch grundsätzlich:
Gibt es in Deutschland Konzepte und Leute für den Wiederaufbau einer Volkswirtschaft mit allen wichtigen Sparten wie Energieversorgung, Landwirtschaft und Verkehrswesen? Verfolgt jemand Ansätze für eine zeitgemäße Restrukturierung der Streitkräfte und anderer Exekutivorgane unter den aktuell und absehbar weiterhin schweren ökonomischen, personellen und außenpolitischen Bedingungen? Auf welche Überlegungen zur Reform des politischen Systems mit seinem korrupten Parteienregime kann realistisch zurückgegriffen werden? Welche Expertisen braucht es, um den Karren wieder flott zu kriegen?
Das sind alles ungeheuer komplexe und große Fragen, zugleich hinreichend konkret – sie müssen angegangen werden, Tell hin oder her.
Vorwärts also, und: nichts vergessen!
Ivor