Wie gelingt es den Mächtigen, ihre Macht abzusichern und zu behaupten? Und: Wie kann ich an ihre Stelle gelangen?
Die erste Frage ist wissenschaftlicher Gegenstand von Soziologie, Psychologie und Politikwissenschaft. Die zweite Frage wird hierzulande nur ungern erörtert, weil die Mächtigen das Infragestellen ihrer Herrschaft gern als extremistisches Unterfangen stigmatisieren.
Diesem Grundsatz folgt auch der Sammelband, der sich vor allem mit dem metapolitischen Problem der Meinungs- und Willensbildung in der Öffentlichkeit befaßt (die mittlerweile allerdings auch den Argwohn des Verfassungsschutzes weckt). Daß die Autoren durchweg aus der linken Ecke stammen, ist in diesem Fall kein Nachteil, weil es sich um Leute handelt, für welche die Linksdrift der öffentlichen Meinung in der Bundesrepublik nur eine Verkleidung des Neoliberalismus ist.
Auch wenn das Vorwort mit dem naheliegendsten Beispiel für Manipulation der Massen, der Corona-Hysterie, anhebt, ist der Band bereits vorher konzipiert worden, so daß dieses Phänomen nur am Rande vorkommt. Es geht vielmehr um die Grundlage der Hysterie, die dahinterliegenden »Wertmaßstäbe, Normen und Weltbilder«.
Die einzelnen Beiträge sind von der Qualität her sehr unterschiedlich, es gibt vulgärmarxistische Ausreißer (Feindbild Familie, »fremdbestimmte Arbeitnehmer« sind gleichsam moderne Sklaven) und lesenswerte Beiträge, die von den Grundlagen der Massenkommunikation und denjenigen handeln, die sie bestimmen. Die Mittel, derer sie sich bedienen, werden einzeln beleuchtet: Konsum, Internet, Bildmanipulation. Ein Schwerpunkt liegt auf Beispielen, mit denen die Herausgeber belegen wollen, daß insbesondere in der Außenpolitik die Manipulation der Öffentlichkeit kaum eine Grenze kennt (Krieg gegen Serbien, Maidan). Auch Nutzen und Nachteil von Verschwörungstheorien werden erfreulich offen gegeneinander abgewogen.
Nützlich und mit Gewinn zu lesen sind viele der Beiträge aber nur, wenn man die Schlußfolgerungen entweder ignoriert oder sie als Prüfstein für das Theoriegebäude nutzt, das hinter diesem ganzen Band steht.
Diesbezüglich sind viele Autoren irgendwo zwischen 1930 und 1970 steckengeblieben. Sie sehen im Faschismus immer noch die konsequente Fortentwicklung des Kapitalismus, in der Sexualpathologien eine große Rolle spielen, und sie sehen sich dementsprechend einer Verschwörung aus Sicherheitsdiensten und Rechtsextremisten gegenüber, die bei den durch den Neoliberalismus völlig desorientierten Leuten leichtes Spiel haben werden.
Wenn man sich davon nicht abschrecken läßt, kann man zumindest feststellen, daß die Linke mittlerweile eingesehen hat, daß sie keinen Zaubertrank besitzt, der die Massen zu einem politischen Faktor machen könnte.
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Klaus-Jürgen Bruder, Almuth Bruder-Bezzel (Hrsg.): Macht. Wie die Meinung der Herrschenden zur herrschenden Meinung wird, Frankfurt a. M.: Westend Verlag 2021. 250 S., 22 €
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