Den Menschen lieben?

Liebe? Zugegeben, ich fand diesen Begriff selbst im Paradies Pubertät etwas süßlich.

Heino Bosselmann

Heino Bosselmann studierte in Leipzig Deutsch, Geschichte und Philosophie für das Lehramt an Gymnasien.

Mit dem Wort Frei­heit geht es mir übri­gens ähn­lich. Und wenn ich „Frei­heit, Gleich­heit, Brü­der­lich­keit“ beschwo­ren höre, den­ke ich an Guil­lo­ti­ne und Jako­bi­ner-Ter­ror, der sich ein­ein­halb Jahr­hun­der­te spä­ter bol­sche­wis­tisch fort­ge­schrie­ben fand. Bes­ser weni­ger davon wagen. Die Kennt­nis der eige­nen Nachtseite(n) hilft ein Über­maß Hoff­nung vermeiden.

Soll man, muß man den Men­schen lie­ben? Die Lin­ke liebt ihn angeb­lich und fühlt sich immer­fort zu sei­ner Ret­tung, sei­ner mora­li­schen Erzie­hung und zur Gewähr­leis­tung sei­nes Wohls auf­ge­ru­fen – jeden­falls solan­ge er von ihr nicht als Rech­ter mar­kiert ist. Ihre revo­lu­tio­nä­re Atti­tü­de mag man in der Jugend auf roman­ti­sche Wei­se gran­di­os fin­den, erwach­sen gewor­den mutet sie eher affek­tiv-thea­tra­lisch und etwas naiv an.

Kenn­zeich­nend für die Lin­ke in Rot- wie Grün­va­ri­an­te: Sie kennt die Nacht­sei­te des Men­schen eben nicht; sie will sie nicht ken­nen und beflei­ßigt sich statt­des­sen eines anstren­gen­den Rol­len­spiels, in dem jeder so zu tun hat, als wäre er ethisch durch­weg grund­in­takt. Die „Zivil­ge­sell­schaft“: Das etwa klingt nach einer Ver­samm­lung der durch und durch Grund­gu­ten, so wie „zivil“ stets ja bes­ser anmu­tet als „mili­tä­risch“.

Die sozi­al­de­mo­kra­ti­sche Vari­an­te der Men­schen­lie­be erscheint neben den lin­ke­ren Befrei­ungs­my­then als ein eher klein­bür­ger­li­ches Gequen­gel nach Las­ten­tei­lung, Hil­fe und vor allem „Teil­ha­be“, wobei sozi­al­de­mo­kra­ti­sche Poli­ti­ker sich beson­ders unge­niert legi­ti­miert füh­len, zunächst sich selbst und anschlie­ßend ihre Kli­en­tel wei­test­ge­hend ohne eige­ne Leis­tung mit öffent­li­chen Mit­teln auszustatten.

Den Men­schen also lie­ben, Kain eben­so wie Abel? Bloß weil man zur glei­chen Gat­tung gehört?

Ich kann über den Men­schen stau­nen. Zu stau­nen ist aller­dings bereits dar­über, daß es über­haupt etwas gibt und nicht nichts, daß also das Sein als sol­ches exis­tiert, fer­ner dar­über, daß sich dar­in sogar Leben ent­fal­tet, Pflan­zen und Tie­re, und daß schließ­lich ein Wesen ent­stand, das alle Man­nig­fal­tig­keit in sich wider­spie­gelt, das im Sin­ne einer Frei­stel­le Distanz gegen­über der Welt und so ein Bewußt­sein vom eige­nen Selbst ent­wi­ckelt und alle Gren­zen zu über­schrei­ten bereit ist, die es natur­ge­ge­ben zunächst ein­zu­schrän­ken scheinen:

So ein­zig­ar­tig wie unheim­lich, in der Natur unbe­haust und unge­bor­gen, sich sogar nach der geschlos­se­nen Lebens­welt des Tie­res und der Pflan­ze (zurück)sehnend, dabei aller Mög­lich­kei­ten voll und zum Wun­der­volls­ten so wie zum Furcht­bars­ten befä­higt, fin­det sich die­ses Wesen ins Dra­ma der Frei­heit gestellt, das eben im Wider­streit des Guten und Bösen besteht.

Zurück zum Gan­zen: Schon eine unschein­ba­re Pflan­ze ist ein Wun­der, auf­stre­bend ins Licht, Pho­to­syn­the­se betrei­bend, ande­rer­seits mit dem wei­ßen Wur­zel­werk, sym­me­trisch zum grü­nen Blät­ter­dach, sich ein­tas­tend ins dunk­le Erd­reich. In bei­den Sphä­ren, im Licht wie im Dun­kel, als ein und das­sel­be Lebe­we­sen jeweils eine ande­re Exis­ten­z­wei­se entwickelnd.

Pflan­zen zu bewun­dern und zu bestau­nen habe ich kei­ne Schwie­rig­kei­ten, Tie­re stim­men mich oft sen­ti­men­tal; der Mensch fast nie, allen­falls noch Kin­der. Schon weil sie in ihren ers­ten behü­te­ten Jah­ren nur ahnen kön­nen, in wel­che Ham­let­schen Tur­bu­len­zen sie gera­ten wer­den. Han­deln – aber wie? Noch erträu­men sie sich ein Leben, auf das so traum­haft nicht zu hof­fen ist. Die Kind­heit – mit Rai­ner Maria Ril­ke das „Land, das lan­ge zögert, eh es untergeht.“

Wenn man den Men­schen aber lie­ben soll­te, so kann das, mei­ne ich, nicht zuerst um sei­nes viel­fäl­ti­gen Kön­nens und Ver­mö­gens wil­len gesche­hen, son­dern viel­mehr mit Blick auf sei­ne Tra­gik. Eine wich­ti­ge Übung mag dar­in bestehen, Tra­gi­schem unver­trau­ert begeg­nen zu kön­nen, dies schon des­we­gen, weil es als Kern genau das eigent­lich Mensch­li­che ist.

Daß der Mensch die Kro­ne der Schöp­fung oder gar geschaf­fen nach dem Bil­de Got­tes wäre – dies nach­zu­voll­zie­hen fällt mir schwer. Und wenn es sich doch so ver­hiel­te, wäre es ein Pro­blem oder deu­te­te auf eine Art Soll­bruch­stel­le hin, die Phi­lo­so­phie und Theo­lo­gie zu prü­fen haben. Durch uns geht ein Riß, wäh­rend wir selbst der Riß sein mögen, der durch die Welt geht …

In der „Neu­en Zür­cher Zei­tung“ hat Kon­stan­tin Sak­kas das von ihm glei­cher­ma­ßen als hero­isch wie tra­gisch emp­fun­de­ne Dilem­ma des Men­schen beschrie­ben, der aus der Natur „her­aus­ragt“: „Der Mensch ist Pro­me­theus, der Vor­aus­den­ken­de, und Odys­seus, der Lis­ten­rei­che; bei­de muß­ten, um sich zu ret­ten, der Natur und sich selbst – Gewalt antun. Dar­in liegt die onto­lo­gi­sche Aus­zeich­nung, dar­in liegt die spe­zi­fi­sche Wür­de des Menschen.“

Daß dar­in auch eine tie­fe Schuld lie­gen mag, berührt Sak­kas, er möch­te sie jedoch nicht als Schuld auf­fas­sen, weil wir nicht anders han­deln kön­nen, als wir es – unse­rer spe­zi­fi­schen Natur nach – müssen.

Ich weiß, es ist dazu eigent­lich alles gesagt – in der Viel­zahl der Mythen und in den Reli­gio­nen, in den Lite­ra­tu­ren und Küns­ten. Wir wis­sen, wenn wir eini­ger­ma­ßen reflek­tiert sind, um unse­re lich­ten Mög­lich­kei­ten wie um unse­re fins­te­re Ver­wor­fen­heit. Nur die Musik fin­det dafür tie­fe Aus­drü­cke, da allein sie kei­ner tren­nen­den Begrif­fe bedarf. (Darf man ver­mu­ten, daß die Lin­ke – sie­he oben – ein gestör­tes Ver­hält­nis zur soge­nann­ten erns­ten Musik hat, sug­ge­riert sie, die Lin­ke, sich doch irrig ein­sei­tig den nur guten Men­schen, so wie sich jeder Lin­ke gleich selbst als Modell­ex­em­plar dafür ansieht. Wenn man’s schon nicht dumm nen­nen möch­te, so muß man es doch gefähr­lich finden.)

Um unse­re Tra­gö­die zu emp­fin­den, muß man nichts stu­die­ren, man braucht dazu nicht mal Bücher oder Zei­tun­gen lesen, inso­fern das ein­fa­che Leben selbst noch jeden belehrt, vie­le dabei unglück­lich macht, weni­ge wei­se wer­den läßt, bei allen jedoch ganz not­ge­drun­gen ein all­tags­phi­lo­so­phi­sches oder reli­giö­ses Nach­sin­nen aus­löst, meist eben nicht in den ver­meint­lich glück­se­li­gen, son­dern in spür­bar ver­zwei­fel­ten Momen­ten. Es ist stets als umfas­sen­de Gerech­tig­keit auf­ge­faßt wor­den, daß nie­mand von uns heil durch­kommt und wir im letz­ten Akt alle recht alt aussehen.

Die soge­nann­ten ein­fa­chen Men­schen, die, mit­ten im Leben und des­sen ele­men­ta­ren Kon­flik­ten ste­hend, am ehes­ten zur Klar­heit fin­den, wis­sen: Alles fremd, alles objek­tiv ver­ur­sach­te Elend muß man wie Hiob oder eben fata­lis­tisch zu tra­gen ler­nen, das selbst ver­ur­sach­te wie­der­um hat meist einen Grund, dem man abhel­fen kann, indem man dem eige­nen Unmaß, der Hof­fär­tig­keit und Anma­ßung Demut ent­ge­gen­setzt. In einer all­zu kon­stru­ier­ten Über­tra­gung, weil oben von Pflan­zen die Rede war: Es lebt sich auch als Kie­fer, auf san­dig ärm­li­chem Grund. Magno­li­en bil­den min­des­tens in Bran­den­burg kei­ne Wälder.

Einen Anlaß aller­dings mag es geben, den Men­schen wirk­lich zu lie­ben, obwohl es schwer­fällt, ihn als lie­bens­wert anzu­se­hen. Nicht sei­ne gemut­maß­te Wür­de, nicht ein­mal sein von der Auf­klä­rung behaup­te­ter Wert als Zweck an sich selbst ver­an­las­sen dazu, son­dern sei­ne Arm­se­lig­keit. Arthur Schopenhauer:

“Bei jedem Men­schen, mit dem man in Berüh­rung kommt, unter­neh­me man nicht eine objek­ti­ve Abschät­zung des­sel­ben nach Werth und Wür­de, zie­he also nicht die Schlech­tig­keit sei­nes Wil­lens, noch die Beschränkt­heit sei­nes Ver­stan­des und die Ver­kehrt­heit sei­ner Begrif­fe in Betrach­tung; da ers­te­res leicht Haß, letz­te­re Ver­ach­tung gegen ihn erwe­cken könn­te, son­dern man fas­se allein sei­ne Lei­den, sei­ne Noth, sei­ne Angst, sei­ne Schmer­zen ins Auge: da wird man sich stets mit ihm ver­wandt füh­len, mit ihm sym­pa­thi­sie­ren und statt Haß oder Ver­ach­tung jenes Mit­leid mit ihm emp­fin­den, wel­ches allein die Lie­be (aga­pe) ist, zu der das Evan­ge­li­um auf­ruft. Um kei­nen Haß, kei­ne Ver­ach­tung gegen ihn auf­kom­men zu las­sen, ist wahr­lich nicht die Auf­su­chung sei­ner angeb­li­chen ´Wür­de‘, son­dern umge­kehrt der Stand­punkt des Mit­leids der allein geeignete. (…)

Wenn man die mensch­li­che Schlech­tig­keit ins Auge gefaßt hat und sich dar­über ent­set­zen möch­te, so muß man als­bald den Blick auf den Jam­mer des mensch­li­chen Daseins wer­fen; und wie­der eben­so, wenn man vor die­sem erschro­cken ist, auf jene: da wird man fin­den, daß sie ein­an­der das Gleich­ge­wicht hal­ten, und wird der ewi­gen Gerech­tig­keit inne wer­den, indem man merkt, daß die Welt selbst das Welt­ge­richt ist.”

Ein pes­si­mis­ti­sches Welt- und Men­schen­bild, aber die­se Ansicht des Daseins und Soseins befreit. Sie erst ermög­licht es, den Men­schen in sei­nen schwie­ri­gen Geschi­cken unver­stellt anzu­schau­en und so zu erken­nen, daß er mit all sei­nen welt­ver­än­dern­den Kennt­nis­sen und Befä­hi­gun­gen, derer es ja bedarf, damit Indi­vi­du­en und Gat­tung über­haupt über­le­bens­fä­hig sind, letzt­lich ein ganz und gar Ver­lo­re­ner ist – mit dem schwie­ri­gen Vor­teil, um die­se Ver­lo­ren­heit immer­hin wis­sen zu kön­nen, sie min­des­tens zu fürch­ten und sich allen­falls dar­über hin­weg­zu­trös­ten, indem er sich in einen grö­ße­ren, höhe­ren Zusam­men­hang stellt als in jenen eher jam­mer­vol­len, der sich hie­nie­den für ihn ergibt.

Dabei muß er sich ent­we­der auf sei­ne eige­ne Exis­tenz und deren Ent­wurfs­mög­lich­kei­ten ein­las­sen, im Wis­sen auf Beschränkt­hei­ten und ent­ge­gen­ste­hen­de Wider­stän­de – oder auf ein Offen­ba­rungs­wis­sen, was in sich wie­der­um ein Wag­nis mehr ist: Kier­ke­gaard sieht daher kei­nen ande­ren Aus­weg als – „Cre­do quia absur­dum.“ – den „Sprung“ in den Glau­ben. Schön fin­de ich das Bild vom zuver­sicht­li­chen Schritt auf den Spie­gel des dunk­len tie­fen Was­sers, in der Hoff­nung oder gar Gewiß­heit, der Fuß tref­fe dort unter der opa­ken Ober­flä­che schon auf einen siche­ren Halt geben­den Stein.

Die All­ge­gen­wart des Himm­li­schen und Ewi­gen bzw. das Gespür dafür oder der Ver­laß dar­auf wur­de weit­ge­hend ver­lo­ren an die blo­ße Heu­tig­keit, der Glau­be an Erlö­sung scheint ersetzt von der Ori­en­tie­rung auf schnel­le Befrie­di­gung aller Bedürf­nis­se durch die Ver­spre­chen der indus­tri­el­len Waren­pro­duk­ti­on. Dabei wur­de ver­ges­sen, was an Gleich­ge­wicht und Ata­r­axia (ἀταραξία) einst wohl mög­lich war. Und die guten wie bösen Geis­tern schei­nen aus unse­rem enge­ren Umkreis längst fort­ge­zo­gen zu sein. Mar­shall Salin spricht daher von gegen­wär­tig  tran­szen­den­ta­lis­ti­schen statt vor­ma­lig imma­nen­tis­ti­schen Gesellschaften.

Zwar ver­bes­ser­te sich mit dem fas­zi­nie­ren­den wis­sen­schaft­lich-tech­ni­schen Fort­schritt das Lebens­ni­veau, aber die­ses bloß irdi­sche Glück wur­de mit furcht­ba­ren Opfern und enor­men öko­lo­gi­schen Tie­fen­schä­den eben­so erkauft wie mit Ent­frem­dung und Ver­ein­ze­lung, letzt­lich mit dem Her­aus­tre­ten aus alt­ver­trau­ten und bewähr­ten Bin­dun­gen in die von ande­ren immer wei­ter geschie­de­ne Indi­vi­dua­li­tät und Eigen­ver­ant­wor­tung – eine Befrei­ung, mit der für vie­le eher eine eis­kal­te Win­ter­ei­se begann, ein ver­schärf­tes Dra­ma der Freiheit.

Zu Beginn von Anton Tschechows „Der Kirsch­gar­ten“ wird mene­te­kel­haft auf die Bau­ern­be­frei­ung 1861 in Ruß­land ver­wie­sen, und am Ende des Stü­ckes fin­det sich das idyl­lisch anmu­ten­de Gut der Ran­jews­ka­ja ver­ramscht, die schö­nen Kirsch­bäu­me abge­hau­en. Zu Geld gekom­men ist der Enkel eines ehe­ma­li­gen Leib­ei­ge­nen der Fami­lie, der Kauf­mann Lopachin, der eben die Ver­wer­tung des Kirsch­gar­tens als Ter­rain für Dat­schen emp­fahl. Er ver­stand die neue Frei­heit zu nut­zen, kapitalistisch.

Für die alte Zeit steht der Die­ner Firs, ein 87-jäh­ri­ger Greis, der in einer schein­idyl­li­schen Abend­stim­mung bemerkt:

“Vor dem Unglück war es genauso.“
„Vor wel­chem Unglück?“ –
“Vor der Freiheit.“

Und der ewi­ge Stu­dent Tro­fi­mov erkennt die Kon­se­quenz des Liberalismus:

„Eine Gesell­schaft, in der jeder sein eige­ner Unter­neh­mer sein soll, jeder wach­sen und sich ver­schul­den muß auf Teu­fel komm raus. Und zur sel­ben Zeit haben immer mehr Leu­te nichts zu essen.“

In gewis­ser Wei­se the­ma­ti­siert Theo­dor Fon­ta­nes „Der Stech­lin“ die Weh­mut beim Über­gang zur Moder­ne ähn­lich. Der Pas­tor Loren­zen resü­miert dar­in: „Nicht so ganz unbe­dingt mit dem Neu­en. Lie­ber mit dem Alten, soweit es geht, und mit dem Neu­en nur, soweit es muß.“

Ent­zau­ber­te Welt: Wo frü­her das Mythi­sche, Hei­li­ge, Tran­szen­den­te noch gegen­wär­tig und zu grei­fen war, wal­te­te end­lich kal­te, aber ver­läß­li­che Sach­lich­keit in den „Ske­lett­hän­den ratio­na­ler Ord­nun­gen“ (Max Weber). Park­häu­ser statt hei­li­ger Haine … -

Die Stei­ge­rung des Lebens­kom­forts von immer mehr Mil­li­ar­den Men­schen – um den Preis der als gerecht­fer­tigt ange­se­he­nen Aus­rot­tung gan­zer Tier- und Pflan­zen­ar­ten – unter­mi­nier­te wie in Erfül­lung eines düs­te­ren Flu­ches schließ­lich die Exis­tenz der Gat­tung. Je sat­ter die Märk­te, um so elen­der die Mitgeschöpfe.

Was Scho­pen­hau­er oben notier­te, sein nega­ti­ves Men­schen­bild, das aber Mit­leid ermög­licht, immu­ni­siert gegen Uto­pis­men und Hoff­nungs­be­sof­fen­heit. Indem der Mensch gera­de nicht geadelt, nicht ver­göt­tert, nicht beschwärmt, son­dern in sei­nem Exis­ten­zia­len von Leid, Not und Sor­ge gezeigt wird, ist sein Kern erfaßt, der tat­säch­lich allen und jedem eig­net: Armseligkeit.

Schon alle Anzugs­ord­nung ver­sucht die zu dra­pie­ren. Sta­tus­sym­bo­le stüt­zen die inne­re Hin­fäl­lig­keit. Ins­be­son­de­re Poli­ti­ker sind auf ein so auf­ge­rüs­te­tes Außen­ske­lett ange­wie­sen. Ein cha­rak­ter­li­cher schwa­cher Wicht bedarf einer um so stär­ke­ren Karos­se. Man soll­te den Kai­ser bes­ser nie nackt sehen, obwohl er es wesent­lich stets ist, wie jeder andere.

Lin­kes Den­ken ist das Gegen­teil des­sen, was Scho­pen­hau­er, sehr gern die Stoi­ker und vor allem Sene­ca zitie­rend, emp­fiehlt. Gegen die an sich idea­lis­ti­schen Ent­wür­fe der Lin­ken bedarf es bestän­dig eines reak­tio­nä­ren Korrektivs.

Die „Indok­tri­na­ti­on in die Woke­ness“ (Cur­tis Yar­vin) etwa gewann mitt­ler­wei­le die Wucht einer lin­ken bzw. neu-links­li­be­ra­len Kul­tur­re­vo­lu­ti­on, die sich eigen­dy­na­misch wei­ter ver­stärkt und so das Kon­tra einer Ten­denz zur illi­be­ra­len Demo­kra­tie selbst her­aus­for­dert. Der Hys­te­rie der Can­cel Cul­tu­re soll­te mit ruhi­ger Selbst­ge­wiß­heit begeg­net wer­den, sto­isch eben. Gelas­sen­heit und einen schlicht akku­ra­ten bis aske­ti­schen Stil kann man der poli­ti­schen Hys­te­rie und dem infan­ti­len Geplärr wirk­sam entgegenstellen.

Die Lin­ke geht zuver­läs­sig immer wie­der in die von ihr selbst gestell­te Fal­le des Illu­sio­nis­mus. Sieht sie ihre Ent­wür­fe, das Him­mel­reich auf Erden zu schaf­fen, unwei­ger­lich an den Tat­sa­chen schei­tern, ver­sucht sie sich an Kon­struk­tio­nen der Gewalt, die staat­lich und tech­nisch erzwin­gen, was natür­li­cher­wei­se so nicht sein will oder kann. Ihr posi­ti­ves Men­schen­bild, in sich frag­wür­dig, bezieht sich ohne­hin nur auf die eige­ne Parteigängerschaft.

Wo Leben Leid ist, da ist Mit­leid Tugend, nach Scho­pen­hau­er in einem mys­ti­schen Akt. Der Sans­krit-Spruch „Tat twam asi.“ („Das bist du. – Du bist das.“) meint auch: Das dort, der ande­re, ja alles Leben­di­ge, das atmet, das bist auch du, du selbst. Des ande­ren Leid ist deines.

Mit­leid bedarf kei­ner Rühr­se­lig­kei­ten, ruhi­ger, tie­fer Lebens­ernst genügt – in Selbst­ver­ständ­lich­keit des­we­gen, weil mir das Leid aller ande­re Wesen in sei­ner Viel­ge­stalt an mir selbst wesens­ver­traut und selbst­ver­ständ­lich ist. Also: Im Leid sou­ve­rän exis­tie­ren, weni­ger dar­an lei­den, sich selbst nicht ver­fins­tern, son­dern mit Hal­tung hin­durch durch den Schmerz.

Erwach­sen gewor­den brau­chen wir nicht zu jam­mern und zu kla­gen, im Wis­sen, daß wir genau das bekom­men, was infol­ge unse­rer Hand­lun­gen zu erwar­ten war.

Den Men­schen lie­ben? Es ist schon viel, ihn in sei­ner Ver­lo­ren­heit zu ver­ste­hen. Erstaun­lich aber, daß der neue Mensch im Grun­de doch immer der alte ist. Einer­seits. Und daß uns ande­rer­seits im ande­ren Men­schen, im Du immer noch die Ein­ma­lig­keit des Ein­zel­nen zu begeg­nen scheint, mit­ten in der genorm­ten und stan­dar­di­sier­ten tech­ni­schen Kunstwelt.

Heino Bosselmann

Heino Bosselmann studierte in Leipzig Deutsch, Geschichte und Philosophie für das Lehramt an Gymnasien.

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Kommentare (56)

Rheinlaender

5. Oktober 2022 09:24

Die deutsche Sprache ist in diesem Punkt höchst unvollkommen und unterscheidet sprachlich nicht wie z. B. das klassische Griechisch zwischen agape (den Willen zum uneigennützigen Dienst an anderen Menschen), philia (freundschaftliche Zuneigung) und eros (körperliche Anziehung). Alle diese Dinge und darüber hinaus noch allgemeine positive Emotionen werden im Deutschen als "Liebe" bezeichnet. Zugleich wurde dieser Begriff korrumpiert bzw. immer stärker auf den eros bezogen und im Zuge einer sentimentalen Aufladung zunehmend mit Gefühlen anstatt mit einer Willensentscheidung identifiziert. Die eigentliche Liebe ist aber agape, und das Vorhandensein dieses Willens zum Dienst unterscheidet zur Führung von Gemeinwesen taugliche Eliten von Tyrannen und vom Pöbel. Wer über agape verfügt, muss nicht irgendwelche süßlich-sentimentalen Emotionen empfinden, sondern im Wesentlichen den Willen dazu haben, Verantwortung für andere und fürs Ganze zu deren Wohl zu übernehmen.

Rheinlaender

5. Oktober 2022 09:28

Wie Herr Bosselmann völlig richtig schreibt, gilt dies auch für Begriffe wie "Mitleid". Auch dieses ist im idealen Sinn kein Gefühl, sondern eine Entscheidung, die aus Liebe im Sinne von agape heraus getroffen wird. Dass solche zentralen Kulturbegriffe in den vergangenen Jahrzehnten entwertet wurden, indem man sie mit einer Soße sentimentalen Kitsches übergoss, gehört zu den großen Problemen unserer Zeit.

Zauberer von Oz

5. Oktober 2022 09:34

Der Mensch als „Fliegenschiss“ der Geschichte beruhigt doch ungemein. Fröhliche Gelassenheit über jedwede Weltschmerzen, da sich die Erde unaufhörlich dreht. Die Begrenztheit des Menschen akzeptieren, helfen, wo Not ist, und sein eigenes Leben sinnvoll gestalten. Mehr ist nicht drin. Seelenfrieden.

Monika

5. Oktober 2022 09:48

Danke! Ein ganz wunderbarer Text. Von mir aus kann jetzt sofort das Kommentariat geschlossen werden. Ich gehe heiter in den Tag hinein.

Blue Angel

5. Oktober 2022 10:12

Danke, Herr Bosselmann, für diesen wunderbaren Text.

Zustimmung, Rheinländer: M. E. handelt es sich beim Letztgenannten um einen weiteren Aspekt "hollywood-esker" Kulturverarmung, wenn nicht -zerstörung.  

Costas Fielmann

5. Oktober 2022 10:36

Ist ein solch illusionsloses Trachten nach einem tieferen Verstehen des Menschen denn nicht schon bereits Liebe? Echte Liebe geht doch als unstillbares, immer unabgeschlossenes Verlangen entscheidend tiefer, und verweilt nicht in einem naiv-verträumten Sinne hinter einer rosaroten Brille. Gott liebt den Menschen – eben weil dieser Willensfreiheit hat und er ihn somit nicht besitzen kann. Liebt man den Menschen nicht schon längst, wenn man sich über ihn und seine Welt den Kopf zerbricht? Täte man es nicht, liebte man den Menschen nicht, verspürte man denn dann überhaupt den Drang, sich hin und wieder vor ihn in Gedichte zu flüchten?

Volksdeutscher

5. Oktober 2022 11:15

"- Kennzeichnend für die Linke in Rot- wie Grünvariante: Sie kennt die Nachtseite des Menschen eben nicht;"

Doch, sie kennen sie. Nur, sie blenden sie aus, verschweigen sie, leugnen ihre Existenz, wenn es hoch kommt, führen sie sie zurück auf Umwelt und Sozialisation. Sie sind Environmentalisten. Die Mobilisierung von Massen für die ultimative Befreiung der Menschheit erfolgte bis dato immer unter Berufung auf soziale Mißstände. Geschlecht, Mutterschaft, Familie, Nation - alles soziale Mißstände, die nach Abhilfe schreien. Nehmen wir z.B. die Geschlechtsfrage. Wir sind für die Linke nicht von Natur aus Frauen und Männer, sondern wir werden von unserer Umgebung erst dazu gemacht. Pfui! Welch ein Frevel! Das gehört abgeschafft, das steht im Wege unserer Freiheit der individuellen Selbstbestimmung. Also im Galopp hopp-hopp zum Geschlechtschirurgen rennen, man vergesse ja nicht, seine Kinder mitzunehmen! Das Kreuz des Linksseins: Die Zurückweisung der Welt, wie sie ist, und ihre Umgestaltung, Umbenennung, Umerziehung zu dem, was sie wesenhaft nicht ist, aber sein sollte. Sollten all diese Bemühungen nichts fruchten, dann bleibt immer noch die Auslöschung der Welt als finale Rettungsmaßnahme vor der "Fremdbestimmung". Und so schreibt eine Judith Butler ihre kranken Theorien von der Seele, die von der Rockefeller-Stiftung dann prompt ausgezeichnet werden. Von den Gemeinsamkeiten, die Rockefeller und Butler verbinden, will ich jetzt lieber nichts schreiben.

Sandstein

5. Oktober 2022 11:33

"Der Mensch als „Fliegenschiss“ der Geschichte beruhigt doch ungemein. Fröhliche Gelassenheit über jedwede Weltschmerzen, da sich die Erde unaufhörlich dreht. Die Begrenztheit des Menschen akzeptieren, helfen, wo Not ist, und sein eigenes Leben sinnvoll gestalten. Mehr ist nicht drin. Seelenfrieden."

 

Volle Zustimmung.

Danke an HB für diesen Text.

Laurenz

5. Oktober 2022 12:05

@HB

Straft Ihr noch gar nicht so alter Artikel https://sezession.de/66049/kleine-verhaeltnisse

nicht diesen hier mit Lügen? Ist die Liebe eines Jungen zur Mutter, zur Großmutter, vielleicht auch zu Vater oder Großvater nicht fast als rein zu bezeichnen? Und erhält sich dieses Gefühl, wenn vorhanden, nicht bis in unser Alter, denn sonst hätten Sie den zitierten Artikel gar nicht schreiben können?

Die Natur ließ soziale Lebewesen entstehen, von den schwesterlichen Bienen bis zum Löwenrudel, was aber ohne Emotion, das Erkennen des eigenen und den Unterschied zum Fremden, nicht funktioniert. Linkes Dogma oder Gott sind daher immer die Feinde der Natur, da sie die Natur & die Natürlichkeit von Lebewesen auszuhebeln wünschen.

Das muß man daher auch dem Rotzlöffel Schopenhauer zur Last legen. Als soziales Wesen mit dem Gefühl von Mitleid projiziert man sich grundsätzlich selbst in den Bemitleideten, also ist Mitleid immer auch Selbstmitleid. Unsere soziale Wesenheit steht also immer im direkten Widerspruch zur Freiheit. Nur derjenige, der sich aller sozialen Bindungen enthebt, sie abschneidet, kann frei sein. Da es aber ohne Liebe nicht geht, empfiehlt Castaneda die abstrakte Liebe zur Unendlichkeit, da nur sie die universelle Freiheit in aller Reinheit repräsentiert.

Uwe Lay

5. Oktober 2022 12:16

Die Linke propagiere die Liebe zu allen Menschen, weil sie ihre dunklen Seiten verkenne. Stimmt denn diese These überhaupt? Solange sie keine Macht ausübt, reden Linke so, um jeden Angriff auf sich selbst abzuwehren: Man müsse uns lieben!, aber kaum mächtig geworden, wie sieht es dann aus? Bauen Linke an der Macht nicht schnellstens die Geheimdienste aus, um Falschdenkende zu kontrollieren, und rufen zur Denunziation auf? Rechnen sie nicht sofort mit einem Mißbrauch der Freiheit durch "böse Rechte" und schränken so die Meinungsfreiheit ein? Sie kennen sehr genau ihre Gegner und kämen nie auf die Idee, die zu lieben. Oder war die Guillotine ein Instrument der Liebe zu allen Menschen?

Uwe Lay Pro Theol Blogspot

FraAimerich

5. Oktober 2022 13:47

@Laurenz

Die Menschenseele, der "universelle Freiheit in aller Reinheit" das Höchste bedeutet, möchte doch bitte einfach von ihrer Inkarnation Abstand nehmen. Hat sie sich erst in die Materie hinein-"kreuzigen" lassen, treten - auf ganz natürliche Weise - andere Orientierungen in den Vordergrund.

Waldgaenger aus Schwaben

5. Oktober 2022 14:12

Ein tiefer, fast schon überzeitlicher Text, der etwas darunter leidet, dass der gegenwärtige politische Konflikt Rechts-Links zu sehr in den Mittelpunkt gerückt wird.

Mich haben viele Stellen an Spengler erinnert, der Gegensatz Pflanze-Tier, der allgewärtige Sozialismus unserer Zeit, der wohl unser Schicksal ist. So wie Buddhismus Hinduismus ohne Götter, Stoa antike Religion ohne Götterwelt ist, so ist der Sozialismus Christentum ohne Gott, ohne Kampf und Sieg über Tod und  Teufel. Letztere herrschen gerade deshalb dort, wo der Sozialismus real wird.

Carsten Lucke

5. Oktober 2022 14:48

Doch, es gibt etwas, das mich die Menschen lieben läßt - jedenfalls die Deutschen : Ihr unglaubliches Talent zur Vorfreude !

Sie trotzen damit dem Leben (dem Schicksal) etwas ab, das es zu geben nicht bereit oder auch nur in der Lage ist : Freude an sich - nicht über oder an etwas - auf etwas. Völlig gleich, ob es eintritt - oder nicht.

Wenn das nicht liebenswert ist !?

 

heinrichbrueck

5. Oktober 2022 15:03

Fassadenkritik. Ich kritisiere den Hammer, mit dessen Hilfe eine Organisation ihre Mördereien betreibt. Die Gleichheitsfanatiker gewinnen deshalb, weil ihre Opfer im Mitleidsteich ersaufen. Der Mörder leidet auch, aber er kommt nicht ins Himmelreich. Eine steile These, Illusionismus von rechts. Und wem gehört die Erde? Den Totgeschlagenen, die im Himmel die Ewigkeit bemitleiden? Man muß den Hammer lieben, sonst läßt er sich nicht führen. 
Als Gott den Menschen die Liebe schenkte, mußte er wissen, daß er dafür gehasst wird. Hätte Gott nur Mitleid gehabt, wäre sein Anspruch durchschaubarer gewesen. 

Ein gebuertiger Hesse

5. Oktober 2022 15:32

@ Volksdeutscher

Danke für diesen Brennglas-Satz:

"Das Kreuz des Linksseins: Die Zurückweisung der Welt, wie sie ist, und ihre Umgestaltung, Umbenennung, Umerziehung zu dem, was sie wesenhaft nicht ist, aber sein sollte."

Laurenz

5. Oktober 2022 16:48

@FraAimerich @L.

Ihre Antwort

Die Menschenseele, der "universelle Freiheit in aller Reinheit" das Höchste bedeutet, möchte doch bitte einfach von ihrer Inkarnation Abstand nehmen. Hat sie sich erst in die Materie hinein-"kreuzigen" lassen, treten - auf ganz natürliche Weise - andere Orientierungen in den Vordergrund.

ist für mich nicht leicht zu verstehen. Wenn das, was ich verstanden habe, stimmt, interpretieren Sie zu viel in meine Aussage hinein.

Die Welt des materialisierten Menschen ist arg begrenzt, limitiert. Wir kommen von diesem keinen Planeten auch nicht weg, im weiteren Sinne ist die Erde daher ein Gefängnis(planet). Daß soziale Bindungen, auch die der Seele, die persönliche Freiheit einschränken, ist doch schon im GG recht gut definiert. Nur ein menschlicher Gedanke oder vielleicht auch die Seele kann sich in Sekundenbruchteilen nach AlphaCentauri beamen. Über das, was ich für mich entscheide, habe ich gar nichts geschrieben. Natürlich habe ich soziale Bindungen, auch wenn ich diese in den letzten Jahren reduziert habe.

Niekisch

5. Oktober 2022 17:28

"@ Volksdeutscher

Danke für diesen Brennglas-Satz:

"Das Kreuz des Linksseins: Die Zurückweisung der Welt, wie sie ist, und ihre Umgestaltung, Umbenennung, Umerziehung zu dem, was sie wesenhaft nicht ist, aber sein sollte.""

@ Ein gebuertiger Hesse 5.10. 15:32: Lieber Landsmann, Brennglas ja, aber nicht heiß, sondern kalt. Denn Karl Marx hat eine andere Welt zurückgewiesen als Lenin, Stalin wiederum eine andere, Horkheimer eine andere als Dutschke und so fort. Denn die menschengestaltete Welt ist je Epoche jeweils eine andere als zuvor. 

Heiß ist vielleicht: Eine Sorte von Menschen versucht den anderen Menschen nicht mit allen Sinnen zu erfassen, sondern mit dem ideologischen Hammer zu behauen wie einen rohen Stein.

 

 

Wahrheitssucher

5. Oktober 2022 17:28

„Soll man, muß man den Menschen lieben?“

Und die Frauen im Besonderen?

“Das höchste aller Güter ist der Frauen Schönheit“

Vernachlässigen Sie nicht diesen Aspekt!?

Ein gebuertiger Hesse

5. Oktober 2022 18:02

@ Niekisch

Oh ja, Sie liegen richtig. Einwürfe, Ergänzungen, Korrekturen wie die Ihre hier auf meinen Kommentar hin sind Gold wert, gerade wenn sie hemdsärmelig kommen, was Sie, lieber Landsmann, vermutlich ebenso zu schätzen wissen wie ich. Die Wahrheit bricht sich Bahn auf kurzen, direkten Wegen. 

@Wahrheitssucher

Auf die Frauen und ihre Schönheit hin: Zum Glück sprechen Sie das an! Now we are talking, vielleicht erst wirklich, vorher nicht.

Ein Fremder aus Elea

5. Oktober 2022 18:26

Der Mensch ist die Gattung.

Den Menschen zu lieben heißt, die Gattung zu lieben.

Und warum auch nicht? Wieviele Leute stellen sich Pflanzen zur Zierde in ihren Garten?

Wieviele lieben Sonnenuntergänge und den Sternenhimmel?

Wieviele das Meer?

Seien wir nicht unfair.

Laurenz

5. Oktober 2022 18:27

 

@Wahrheitssucher

„Soll man, muß man den Menschen lieben?“

Und die Frauen im Besonderen?

“Das höchste aller Güter ist der Frauen Schönheit“

Verwechseln Sie nicht lieben mit begehren?

Niekisch

5. Oktober 2022 19:39

"Ihre Antwort

Die Menschenseele, der "universelle Freiheit in aller Reinheit" das Höchste bedeutet, möchte doch bitte einfach von ihrer Inkarnation Abstand nehmen. Hat sie sich erst in die Materie hinein-"kreuzigen" lassen, treten - auf ganz natürliche Weise - andere Orientierungen in den Vordergrund.

ist für mich nicht leicht zu verstehen".

@ Laurenz 16:48: Das verstehe ich bzw. kann ich nachfühlen. Selbst dann, wenn Sie rein garnichts verstehen. Denn des Fraters Aussage ist in vielerlei Hinsicht etwas anmaßend, widersprüchlich und schlicht anfechtbar. Ist die Seele eines Menschen wirklich derart exakt zu beschreiben, daß ihr ein Höchstwert zugeschrieben werden kann, der zudem völlig disparat ist? Wie kann Freiheit zugleich äußerst weitgefaßt und zugleich völlig rein, also nicht osmotisch auch von Unfreiem durchdrungen sein?

Wahrheitssucher

5. Oktober 2022 19:40

@ Laurenz

“Verwechseln Sie nicht lieben mit begehren?“

Jetzt wird es interessant! Aber das wäre einen eigenen Blog wert…

Aber statthaft wäre es doch allemal!?

 

Niekisch

5. Oktober 2022 19:41

II.

Selbstinkarnation der Seele? Was soll das sein? Was bedeutet bei neuronalen Vorgängen ein Abstandnehmen? Ein synaptisches Umschalten? Ein gefühlsmäßiges Zurücktreten ? Was ist ein "sich "hinein"kreuzigen" lassen"? Und dann noch in die Materie? Enstammt nicht der Mensch und damit auch die ihm zugehörige Seele der Materie, speziell mineralischer Substanz? Geboren aus Materie, sodann ans Kreuz aus Materie in die Materie hinein? Ist das nicht selbst als Metapher wenig originell? Anschließend sollen andere Orientierungen in den Vordergrund treten. Wie soll das in einer unnatürlichen Situation "ganz natürlich" gehen? 

Ist Letzteres nicht gerade Materialisierung der fühlenden und sich selbst denkenden Seele?

Wahrheitssucher

5. Oktober 2022 19:44

@ Ein gebuertiger Hesse

“Now we are talking, vielleicht erst wirklich, vorher nicht.“

 

You are so right…!

(Entschuldigen Sie mein „Neu-Hochdeutsch)
 

 

Gracchus

5. Oktober 2022 21:36

(Scheinbar) off topic: Da ich gerade Ross MacDonald-Krimis verschlinge, bin ich heute auf eine Rezension von HB zu einem gestoßen - on topic: Lew Archer, dem Detektiv, offenbaren sich im Laufe seiner Ermittlungen meist Tragödien, und er begegnet den darin verstrickten Menschen, so wie HB es hier schildert, also mit Mitgefühl. 

Die Liebe ist ein Riesen-Phänomen, in der Kommentarspalte kaum abhandelbar. Zwar kann man zwischen Agape und Eros differenzieren, ich sehe @anders als im Rheinland doch beides aus derselben Wurzel kommend, nämlich aus Gott. Das Hohelied ist doch sehr erotisch getönt (so dass es manche nur als versehentlich in die Bibel hineingerutscht ansehen), ebenso die Brautmystik. Das Schönste über die Liebe sagt Paulus im Korintherbrief. Die Liebe, schrieb jemand, besteht darin, dass der andere mir so wirklich wird wie ich mir selbst. 

Gracchus

5. Oktober 2022 21:47

Das Problem der Linken ist ja derzeit, dass sie das Denken überhaupt eingestellt haben. Letzte Fragen kann ich mit den mir bekannten Linken nicht diskutieren, es interessiert sie nicht. Die derzeitigen Linken haben sich auch mit den Sozialtechnologen verbrüdert, sie können kein so positives Menschenbild haben, wenn sie den Menschen erziehen und zum in ihren Augen Guten manipulieren wollen.

Es ist jetzt aber nicht so, als gäbe es kein rechtes Sollen und als würde sich die Rechte mit jedwedem Ist-Zustand abfinden. EK und CS haben immerhin ein Erziehungsbuch geschrieben. Bosselmann ist Lehrer. Bei aller Kritik an der Schule will er sie doch nicht abschaffen. 

Gracchus

5. Oktober 2022 22:12

@Niekisch: Es dürfte Ihnen doch nicht unbekannt sein, dass es Auffassungen von einer immateriellen Seele gibt. Darüber hatten wir schon hier im Forum diskutiert. Dann vermischen Sie Aussagen von FraAimerich und Laurenz. 

Volksdeutscher

5. Oktober 2022 22:55

- "Mitleid bedarf keiner Rührseligkeiten, ruhiger, tiefer Lebensernst genügt – in Selbstverständlichkeit deswegen, weil mir das Leid aller andere Wesen in seiner Vielgestalt an mir selbst wesensvertraut und selbstverständlich ist."

Nein, es bedarf ihrer in der Tat nicht. Nichts desto trotz sind sowohl Mitleid als auch Mitgfühl schwierige Begriffe. Mitleid deshalb, weil man damit, wie Nietzsche richtig erkannte, das Leid in der Welt mehrt, anstelle es zu mindern.

Und Mitgefühl deshalb, weil es ein gehöriges Maß an Selbstüberschätzung enthält, fühlen zu können, was der andere fühlt, da man mit ihm weder dieselbe Seele noch denselben Leib teilt.

Glück – das ist das Täuschen des Schmerzes. Vielleicht würde Schopenhauer diesen Satz unterschreiben.

Volksdeutscher

6. Oktober 2022 00:21

2. @Laurenz - "Als soziales Wesen mit dem Gefühl von Mitleid projiziert man sich grundsätzlich selbst in den Bemitleideten, also ist Mitleid immer auch Selbstmitleid."

Das ist richtig, auch wenn die Interpretation des Phänomens von Nietzsche stammt. Dieser Satz ist eine Erklärung, eine Möglichkeit, daß es so sein könnte, aber kein Beweis dafür, daß es auch so ist. Das Empfinden von Mitgfühl entsteht spontan oder es entsteht nicht. Da ist keine Zeit für Einfühlung, Vergleich und Überlegung. Man ist auf einmal bewegt, man ist emotional. Oder man ist es nicht. Nitzsche ginges um die Entstehungsweise des Mitleids/Mitgefühls. Das ist aber weniger wichtig, als das, was es bewirkt. Wem hülfe es, in jenem Augenblick zu wissen, daß er nun einer egoistischen Projektion erlegen ist? Da geht einer zugrunde. Ich habe die Wahl zu helfen oder Hilfe zu verweigern. Ob ich helfe oder nicht helfe, handle ich in beiden Fällen egoistisch, d.h. ich vollziehe jene Handlung von beiden, die mein Ego zufriedenstellt, d.h. in beiden Fällen habe ich mich im Blick, indem ich dem anderen helfe. Wenn man jedoch Selbstmitleid/Mitgfühl funktionalistisch denkt, erkennt man seine Signalwirkung: das ist das Anzeigen von Not. Darauf kommt es an meines Erachtens.

Volksdeutscher

6. Oktober 2022 00:28

3. @Laurenz"Als soziales Wesen mit dem Gefühl von Mitleid projiziert man sich grundsätzlich selbst in den Bemitleideten, also ist Mitleid immer auch Selbstmitleid."

Es gibt aber auch eine andere Überlegung zu Nietzsches unzufriedenstellenden Deutung des Phänomens. Denn wenn ich seinen Gedanken konsequent weiterdenke, komme ich zu der Erkenntnis, daß ich jedesmal dem Selbstmitleid anheimfallen müßte, sooft und sobald ich mir vorstelle, zu leiden (wovon und woran auch immer) und das auch ohne irgendein Objekt des Mitleids. Das heißt also: Ob ich mir angesichts eines tatsächlich Leidenden vor meinen Füßen vorstelle, wie ich leiden würde, wenn ich er wäre, oder ob ich mir die gleiche Situation kraft meiner Phantasie erschaffe und daran in Selbstmitleid falle, macht in Bezug auf das Ergebnis keinen Unterschied.

Laurenz

6. Oktober 2022 06:59

@Gracchus (3)

Wie schon erwähnt, bin ich seit dem Sommer ein Anhänger unserer Frauen-Nationalmannschaft geworden, alles sportliche, jungen & schöne Grazien, kenne alle mittlerweile mit Namen. Nur, da in meinem Alter das Begehren, hormonell bedingt, keine so große Rolle mehr spielt, habe ich mich schon öfters gefragt, ob mir hier nicht einfach die schönen Töchter, wie die GKs, als Vater, fehlen. Und meist muß ich diese Frage mit Ja beantworten, ich hätte gerne solch schöne Töchter, auch dann, wenn sie weit weg wären. In solchen Augenblicken muß man sich mit dem Anblick der Töchter aus dem eigenen Volk bescheiden. Dadurch werden sie auch zu den eigenen.

RMH

6. Oktober 2022 07:53

Die deutsche Sprache kann durchaus auch im Bereich der Liebe starke Ausdrucksweisen setzen.

Sätze wie, "ich liebe Euch doch alle", entbehren - nicht nur wegen dem zeitgeschichtlichen Hintergrund - natürlich nicht einer gewissen Komik.

Aber wenn man vom Menschen als liebendes Wesen spricht, kommt doch gleich etwas ganz Anderes dabei heraus. Wir sind Liebende von Geburt an - mit der Fähigkeit zum Hassenden zu werden. Liebe und Leidenschaft - was für Wörter!

Beim Lieben erscheint mir auch schlecht eine freie Wahl möglich zu sein . 

PS: Leider hört sich für Jüngere, die dem Dauer Bombardement des Gender-Mainstreaming ausgesetzt sind, die alte Wortewendung "Liebende" fast schon wie "Forschende" oder "Studierende" an - aber nein, als Mann ist man immer noch Liebender (oder Geliebter) und als Frau Liebende (oder Geliebte) und Liebende kann auch zusammen mit die Liebenden Mehrzahl sein.

pasquill

6. Oktober 2022 08:40

Ein wunderbarer Text, mir allerdings zu zögernd den Pessimismus als gerechtfertigte Denkhaltung anerkennend - trotz der deutlichen Schopenhauerreferenz. Die pessimistische Denktradition ist eine stolze und kommt ohne relativierende wiewohls, zwars und obwohls aus. Und ohne Gott sowieso und auch dafür einen Dank an H.B., dass er den Schlenker ins Religiöse meidet und ebenso an die Sezession, die auch Agnostikern Raum bietet. Konservativ sein im Schopenhauer`schen Sinne geht auch ohne Glauben an welchen Gott auch immer. Mehr Schopenhauer lesen und seine wilden Söhne Julius Bahnsen, Eduard von Hartmann und Philipp Mainländer und ihre Modernisierer Dávila und Cioran, sowie seine vielen Vorgänger von Seneca und Aurel über Gracián und La Rochefoucauld bis Diderot und d'Holbach.

 

Volksdeutscher

6. Oktober 2022 08:40

@Rheinlaender - "Die deutsche Sprache ist in diesem Punkt höchst unvollkommen und unterscheidet sprachlich nicht wie z. B. das klassische Griechisch zwischen agape (den Willen zum uneigennützigen Dienst an anderen Menschen), philia (freundschaftliche Zuneigung) und eros (körperliche Anziehung)."

Ich möchte behaupten, daß die deutsche Sprache und andere germanischen Sprachen in der Hinsicht nicht unvollkommen(er) sind, sondern anders mit dem Phänomen umgehen und folgerichtig zu anderen Ergebnissen kommen. Im vorneherein nur soviel: Es gibt Sprachen, die ein Phänomen auffächeren und wiederum andere, die es verallgemeinern. Man sollte deshalb den Umgang der Griechen mit dem Phänomen Liebe nicht verabsolutieren. Für sie ergaben sich andere Konsequenzen, diese Auffächerung/Differenzierung vorzunehmen. Soviele Sprachen es gibt, soviele verschiedene Deutungen der Welt existieren auch - wenn wir darin übereinstimmen, daß die Sprache die Abbildung der die Menschen umgebenden Welt darstellt. Je mehr man die Sprache anderer Völker kennenlernt, umso mehr erfährt man nicht nur über die Besonderheit ihrer Denkungsweise, sondern auch über die Welt als Gegenstand seines eigenen Denkens: Der Zugang zur Welt und ihre Wahrnehmung durch die eigene Sprache ist in sich vollkommen, aber in Bezug auf andere Sprachen niemals erschöpfend. Das ist keine Frage von Vollkommenheit oder Unvollkommenheit. Im folgenden möchte ich die Problematik anhand ein paar Beispiele verdeutlichen.

Niekisch

6. Oktober 2022 09:30

"@Niekisch: Es dürfte Ihnen doch nicht unbekannt sein, dass es Auffassungen von einer immateriellen Seele gibt. Darüber hatten wir schon hier im Forum diskutiert. Dann vermischen Sie Aussagen von FraAimerich und Laurenz". 

@ Gracchus 5.10.22:12: Ja, es ist mir nicht unbekannt und einen immateriellen Anteil im Menschen habe ich nie bestritten. Wozu schrieb ich denn: "Ist Letzteres nicht gerade  M a t e r i a l i s i e r u n g  der fühlenden und sich selbst denkenden Seele"?

Wo habe ich Aussagen Laurenzens und FraAimerichs vermischt? Ich habe Laurenz direkt angesprochen und zitiert, anschließend des Fraters Bekundung einbezogen und kritisiert ( 5.10. 19:39 = I. u. 41 = II. )

 

 

Pit

6. Oktober 2022 10:44

Das im Artikel Aufgeführte mag stimmen (obgleich es etwas arg als Cioran-knock-off daherkommt). Aber dem steht gegenüber der Wunsch sich zu freuen. Das entspricht nur der Einsicht: es gilt im Augenblick zu leben, das Denken an Zukunft und Vergangenheit kann nur unglücklich machen. Natürlich gibt es unbegrenzt Grund unglücklich zu sein: denn wir sind verwundbar, also droht zu jedem Augenblick Verwundung. Dem steht aber, wie gesagt, der Wunsch gegenüber sich zu freuen. Die Frage ist nur, was man betont, worauf man seine Aufmerksamkeit richtet.

Natürlich ist der Versuch, die Verwundbarkeit des Menschen zu elimieren, idiotisch; wenn das das Linke ausmachen sollte. Es ist sinnvoll anzustreben, Verwundungen zu minimieren, es gilt allerdings zu klären, wieviele Ressourcen man dafür aufwenden will. Zugleich macht aber eben auch dieses "pessimistische konservative Menschenbild" keinen Sinn. Sicher, als Korrektiv gegen einen unbegründeten Optimismus ist es berechtigt, aber ansonsten ist es eine Binsenweisheit, s.o., wir sind verwundbar. Es macht aber eben nicht den geringsten Sinn, seine Aufmerksamkeit auf diesen Aspekt des Lebens zu richten statt auf die Möglichkeit des Sich-Freuens.

Dies ist eben ein weiterer Einwand von mir gegen "rechts", dieses oberclevere "pessimistische Menschenbild"; neben dem Nichtverstehen von Freiheit und Veränderung. Als ob nicht alle politischen Probleme mit Freiheit und Selbstbestimmung zu lösen wären. Aber nein: Zwang muß es sein. Drunter machen wir es eben nicht.

FraAimerich

6. Oktober 2022 12:45

@Niekisch: Gemeint war schlicht, von dezenter Ironie umschattet und an Laurenz gerichtet: ein Mensch, der hinieden nach "universeller Freiheit" und "Reinheit" strebt, ist auf dem Holzweg. Zur Symbolik des Kreuzes/der Kreuzung muß ich mich gewiß nicht weiter einlassen. Sie scheint auch in den Teilungsvorgängen der befruchteten Eizelle auf. Die Frage, ob und in welchem Maße der Mensch - gleichsam als neuronale Reflektion - eine "Seele" ausbildet oder sich umgekehrt die Seele ihren Körper schafft, mag offen bleiben.

quarz

6. Oktober 2022 13:25

"Soll man, muß man den Menschen lieben?"

Die Frage hat eine emotionale und eine moralische Komponente. Die emotionale können wir gleich ad acta legen, denn allen Mitmenschen gleichermaßen ein Gefühl der Empathie und Betroffenheit entgegenzubringen, dazu ist ein Mensch psychisch und organisatorisch gar nicht in der Lage. Und ultra posse nemo obligatur.

Die moralische Komponente läuft wohl darauf hinaus, bei moralischen Entscheidungen die Interessen aller Menschen in gleichem Maß zu berücksichtigen. Das ist ein Anspruch, der bei Umfragen wohl spontan auf beträchtliche Zustimmung stoßen würde, der aber jedem, der die Konsequenzen bedenkt, völlig absurd erscheinen muss. Die Interessen meiner Kinder habe ich z.B. bei meinen Entscheidungen in höherem Maß zu berücksichtigen als die der Nachbarskinder oder gar die eines mir unbekannten Beamten in Mexiko. Natürlich sind dem Ausmaß der Bevorzugung der mir Nahestehenden Grenzen gesetzt, aber die Bevorzugung an sich in Frage zu stellen führt zu einem moralischen Extremismus, dessen sich die wenigsten bewusst sind, die dem Universalismus huldigen, weil sich die Idee (bei geringer Reflexionsbeteiligung des Intellekts) doch so "human" anfühlt.

Laurenz

6. Oktober 2022 13:41

@FraAimerich @Niekisch

Gemeint war schlicht, von dezenter Ironie umschattet und an Laurenz gerichtet: ein Mensch, der hinieden nach "universeller Freiheit" und "Reinheit" strebt, ist auf dem Holzweg. Zur Symbolik des Kreuzes/der Kreuzung muß ich mich gewiß nicht weiter einlassen. Sie scheint auch in den Teilungsvorgängen der befruchteten Eizelle auf. Die Frage, ob und in welchem Maße der Mensch - gleichsam als neuronale Reflektion - eine "Seele" ausbildet oder sich umgekehrt die Seele ihren Körper schafft, mag offen bleiben.

Meine entsprechende Antwort für Sie gilt immer noch & ich erachte sie auch als gut. Das, was wir hier debattieren, bleibt immer eine persönliche Entscheidung des einzelnen, egal ob er auf Erde, Stahl, Holz oder Wasser geht. Was Sie aber mit Ihrem Beitrag zu verhindern suchen, ist die philosophische Debatte, die normalerweise geführt wird, um exakte Definitionen zu erlangen. Bin selbst kein Freund der Philosophie, aber ich würde sie niemals zu verhindern suchen. Sie klammern damit auch jegliche Heilsdebatte aus. Der normale Mensch erlangt als Paar das Heil, das Ganzsein im Sein. Wenige Heilige können das auch alleine.

Volksdeutscher

6. Oktober 2022 14:20

1. @Bosselmann

Sie haben eine philosophische Frage, ob man den Menschen lieben könne/solle, aufgeworfen. Dies Frage stellt meines Erachtens einerseits eine sprachphilosophische Frage nach der Definition von Liebe und Haß und zweitens eine psychologische Frage nach der Beschaffenheit der Gefühle Haß und Liebe dar. Da ich weder Philosoph noch Psychologe bin, möchte ich mich nur auf ein paar Gedanken beschränken. Sie schreiben: "Wenn man den Menschen aber lieben sollte, so kann das, meine ich, nicht zuerst um seines vielfältigen Könnens und Vermögens willen geschehen, sondern vielmehr mit Blick auf seine Tragik." Der Gedanke erinnert stark an Nietzsches Gedanken in Zarathustra, wo er im ersten Teile sagt, daß er den Menschen nur um seinen Willen zum Untergang liebe. Erkennen Sie diese Ähnlichkeit? Ist diese Ähnlichkeit zufällig oder absichtlich?

Volksdeutscher

6. Oktober 2022 14:23

2. @Bosselmann

Wer unterschreibt, daß es eine Liebe zum Menschen legitim ist, muß auch untrschreiben, daß es einen Haß auf den Menschen legitim ist. Wie sieht es mit der Legitimation aus? Darf der Mensch nur geliebt, aber nicht gehaßt werden? Kann man Abstraktionen wie Gott, Natur, Vaterland, Nation oder Familie überhaupt lieben? Wie beschaffen sind Liebe und Haß, die man auf diese Abstraktionen überträgt? Worin unterscheiden sich Liebe und Haß, die man für Abstraktionen empfindet, von der Liebe und dem Haß, die man für konkrete Personen empfindet? Worin liegen die Gemeinamkeiten in beiden Fällen? Man könnte sich der Problematik etwas nähern, wenn man hierüber mehr erschließen könnte. Die Problematik ist zu komplex, Lösungsvorschläge können in Kommentarform so gut wie nicht geleistet werden werden.

FraAimerich

6. Oktober 2022 18:37

@Laurenz: Ich habe Ihre Antwort nicht kritisiert - und gewiß wollte und will ich keinerlei Debatte verhindern. Wozu auch, jeder versteht unter "Freiheit" etwas anderes, nicht wenige verbinden völlig unrealistische Vorstellungen oder abwegige Forderungen mit dem Begriff - die meisten Banalitäten. Vom ständigen propagandistischen Mißbrauch im Rahmen der westlichen Wertgemeinschaft und Produktionsweise einmal ganz abgesehen.

Insofern hat es mich verblüfft, daß ausgerechnet Sie den Begriff "philosophisch" so hoch hängen, eingerahmt von "universell" und "Reinheit" zumal.

Sein Heil "im Gegenüber" zu suchen, ist auch längst keine "mystische" oder tantrische Übung der "Einfühlung ins All-Eine" mehr, sondern steht als alltäglicher und trügerischer Bestandteil der westlichen Verwertungslogik im Rahmen des "Pursuit of Happyness" zu kritisieren. Die "Freiheit" soll da jederzeit die "Liebe" zu allem und jedem ermöglichen - diese "Liebe" soll aber bitte nicht die persönliche Freiheit einschränken.

Also ja, mir sind all diese Begriffe mindestens so verdächtig wie "Menschheit".

 

Volksdeutscher

6. Oktober 2022 18:53

@Rheinlaender

Daß Sie sich in Ihrer obigen Annahme über die Unvollkommenheit der deutschen Sprache möglicherweise irren, möchte ich Ihnen anhand eines Beispiels verdeutlichen.

Die ungarische Sprache kennt keine grammatischen Geschlechter, es gibt keine bestimmten Artikel wie der-die-das, sondern nur die geschlechtslosen bestimmten Artikel a/az und sie kennt auch keine Personalpronomen wie er-sie-es, sondern nur das eine Personalpronomen ő für beide Geschlechter in der 3. Person singular. Muß man daraus folgern, daß die ungarische Sprache deshalb unvollkommener sei, weil sie, anders als die griechische oder die deutsche Sprache, keine grammatischen Geschlechter kennt? Das sprechende und lesende Subjekt weiß aber auch ohne das, welchem Geschlecht er und sein Objekt angehört. Aufgrund der immanenten Logik der Sprache ist es für die Kommunizierenden unmöglich, Subjekt und Objekt durcheinanderzubringen.

Andererseits wäre die Vorstellung für einen Griechen vollkommen fremd und bizarr, daß Dinge, Wesen und Erscheinungen kein grammatisches Geschlecht haben. Ist die griechische Sprache aufgrund ihrer Angewiesenheit auf die grammatischen Geschlechter deshalb unvollkommener der ungarischen gegenüber, wenn wir ein Denken, das ohne grammatische Geschlechter auskommt, als das Abstraktere von beiden bewerten?

Karl

6. Oktober 2022 21:06

Im "Kontrafunk" räsoniert Andreas Thiel mit unbeschreiblicher Eloquenz über "Die Zehn Gebote" (bisher Folge 1 - Folge 5; seit Anfang September) und den Exodus. Zentrales Thema ist die "Freiheit", die äußere und die innere. Sehr interessant die etymologische indogermanische Wortwurzel dieses Begriffs (Folge 3-4). Und die Frage: was haben "Die Zehn Gebote" mit "Freiheit" zu tun. Umrahmt von einem individuellen besonderen Musikprogramm.  Das scheinbare Abschweifen und doch eigentlich zum Punkt reden: alles in allem ein Hörgenuß (doch sicher nicht fürjeden...)!

EviGeblumenkraft

7. Oktober 2022 07:12

er sagts alles in einem Satz:  Jetzt liebe ich Gott: die Menschen liebe ich nicht. Der Mensch ist mir eine zu unvollkommene Sache. Liebe zum Menschen würde mich umbringen.( Nietzsche)

Grobschlosser

7. Oktober 2022 18:45

dieser Bernd fährt fast immer mit der U-Bahn und trifft dort ganz viele Menschen aus allen Erdteilen .

Gespräch mit der ganz lieben Religionslehrerin ...."warum fahren Sie eigentlich nicht mit der U-Bahn ; Sie hatten doch kürzlich das Thema "Ökologie und Christentum" mit der 10b thematisiert ?"

( 4 Minuten Worthülsen )

"weshalb Sie Ihre eigenen Ratschläge NICHT befolgen möchte ich von IHNEN WISSEN !" 

"Sie fahren doch einen SUV aus Ingolstadt , nicht wahr ? " 

Diskursende - sie dreht sich um und geht .Niemand kann den Diskurs mit der ganz lieben Relilehrerin erzwingen.Sie lebt , sie fliegt 3x / Jahr nach Spanien und New York ( zu ihrer Freundin ) , sie schreibt Texte für den Kirchentag .Ihr "Engagement" für den "Globalen Süden" / 3.Welt dient der eigenen Karriere ( behaupte ich ) .Sie predigt Verzicht ; sie bittet "ökologisches Fehlverhalten zu MELDEN" .So sind sie eben - die Menschen .

 

anatol broder

8. Oktober 2022 15:56

@ grobschlosser 18:45

schopenhauer warnt:

«man würde sich in einem grossen und sehr jugendlichen irrtum befinden, wenn man glaubte, dass alle gerechten und legalen handlungen der menschen moralischen ursprungs wären. vielmehr ist zwischen der gerechtigkeit, welche die menschen ausüben, und der echten redlichkeit des herzens meistens ein analoges verhältnis wie zwischen den äusserungen der höflichkeit und der echten liebe des nächsten, welche nicht wie jene zum schein, sondern wirklich den egoismus überwindet.» (über die grundlage der moral​​​​​​, § 13)

Grobschlosser

8. Oktober 2022 17:53

re Herr Broder : ich bin kein Philosoph . Ich beurteile die Leute subjektiv , ungerecht und völlig unausgewogen.Fräulein Religionslehrerin will natürlich die Welt retten , und : "solange Kinder in Afrika hungern hat sich der deutsche Arbeiter nicht zu beschweren " auch so ein Kirchentagsspruch den der Herr Hochschullehrer vom Herrenclub sofort unterschreibt . Meine Lehrlinge produzieren gute Schweißnähte und drehen maßhaltige Passungen, sie werden als qualifizierte Arbeiter,Techniker oder auch als Ingenieur diese deutsche Welt erhalten. Mein Bohrwerk funktioniert ohne Relilehrerin , ohne Schopenhauer - wenn Sie wollen : ganz ohne Moral.Mein Universum benötigt auch keine "Bereicherung" und meine Mathematik funktioniert unabhängig von der Gefühlswelt einer völlig nutzlosen rot-grün Bourgeoisie .Gibt es Fragen Herr Broder ? 

anatol broder

9. Oktober 2022 01:41

@ grobschlosser 17:53

meine antwort war durchaus als zustimmung gemeint. ich danke für die gute ausbildung.

ohne eine wichtige erkenntnis aus schopenhauers doktorarbeit hätte einstein die relativitätstheorie nicht entwickelt.

Grobschlosser

9. Oktober 2022 08:17

https://kraut-zone.de/reden-wir-ueber-kapitalismus-darfs-noch-etwas-wachstum-sein/

 

re Herr Broder :

"Linksboomer arbeiten nicht in Autowerkstätten, und sie warten keine Produktionsroboter, Linksboomer fahren keine Lastkraftwagen und decken keine Dächer. Linksboomer gründen auch kein Unternehmen, sondern zecken sich allenfalls in deren Administrationsapparate als „Beauftragte für irgendwas“ ein."

die "Welt" geht nicht unter - wir , die weißen Technikmänner lösen Probleme die von Religionslehrerinnen und Afrikanern verursacht wurden. Naturzerstörung und Überbevölkerung (vom Menschen gemacht ) sind reale Probleme - und es gibt Lösungskonzepte - diese können Sie bei mir kaufen . "Wir müssen unseren Wohlstand mit dem globalen Süden teilen " sagt die Lehrerin . Muss ich nicht - aus guten Lehrlingen werden gute deutsche Soldaten.

Grobschlosser

9. Oktober 2022 12:30

kürzlich bei "servus TV ; talk im Hangar " der Sarrazin - er hat freundlicherweise die wesentlichen Punkte und Probleme zusammenfassend formuliert ; auch die Frage ob "Menschen illegal sind " ( sind sie natürlich nicht ) ABER : es gibt kein Menschenrecht auf Zuwanderung nach Europa . UND : es gibt kein Menschenrecht auf "Glück" .Gebetsmühlenartig wiederholt das spiegel-Personal beim gez Presseclub den hinlänglich bekannten Schwachsinn .Die rotgrüne Lalagesellschaft verbreitet ihr Narrativ von der universellen Humanität - meinetwegen - aber : keine Gesellschaftsexperimente mit meiner Kohle . herr broder : einfach mal einen Freimaurerrundbrief abonnieren und LACHEN ."aber die Menschheit macht auch Fortschritte" auch so ein Blabla-Narrativ aus der Klippschule . Auch FALSCH . Das was sie und ich als Fortschritt wahrnehmen kommt aus Deutschland , Europa , meinetwegen auch aus den usa und Japan . Die Masse Mensch ist nicht besonders helle -egal was ein vertrottelter Herrenclubhumanist behauptet . "aber-aber-aber" .Kein ABER. Gott sei Dank kommt demnächst die moralfreie KI um die Ecke -dann werden wir noch ganz andere Debatten haben :-) 

Grobschlosser

9. Oktober 2022 12:50

re herr broder : auch wenn sie es vermutlich nicht einsehen können : der Kampf ums Dasein ist eine soziale Realität - gut : sie und Ihre philosophisch geschulten Mitmenschen erleben eine hübsch vergeistigte Altbaurealität mit Lieferdiensten und Privatgymnasium - so wie die Dame vom "Spiegel" beim ard "Presseclub" NUR : der Normalbürger erlebt einen harten erbarmungslosen Verteilungskampf der durch die Fehlentscheidungen der pol. Klasse verschärft wird .Die Folgen der "menschenfreundlichen Politik" landen mit mathematischer Gewissheit in den Vorstadtwohnsilos , nicht der hochbegabte Bürgersohn wird von Migranten verprügelt sondern das Kind einer alleinerziehenden Mutter . UNKLAR wo hier der Humanismus der herrschenden Klasse bleibt ( Sonntagsreden und billiges Mitleid zähle ich nicht mit ) ann-katrin-müller, das Dummerchen vom Spiegel steht mit  dem Rücken an der Wand -Therapieansatz : Zwangsumsiedlung in ein buntes Ghetto der Hansestadt , tägliche Fahrt mit der U-Bahn ,regelmäßige Sozialkontakte zur bunten Gesellschaft -gut integrierte Migranten bitte UMGEHEND in die arnefrank Privatschule eingliedern ( geht nicht - hier gelten bürgerliche Spielregeln :-) und nun ? 

Umlautkombinat

9. Oktober 2022 13:01

> ohne eine wichtige erkenntnis aus schopenhauers doktorarbeit hätte einstein die relativitätstheorie nicht entwickelt.

Was ist gemeint?

 

anatol broder

10. Oktober 2022 02:03

@ grobschlosser 12:50

«auch wenn sie es vermutlich nicht einsehen können.»

dann ist unser gespräch vermutlich beendet, zumal meine hervorragende deutsche geschirrspülmaschine auch gerade gepiept hat. da muss ich hin.

@ umlautkombinat 13:01

gemeint ist, dass schopenhauer nicht irgendjemand ist.

Umlautkombinat

10. Oktober 2022 09:55

"gemeint ist, dass schopenhauer nicht irgendjemand ist."

Wollen Sie mich fuer dumm verkaufen? Ich hatte eine konkrete Frage gestellt.