Die Ökologie ist restlos besetztes Gelände. Zu dieser Einsicht muß derjenige gelangen, der sich sowohl die Wahlprogramme der etablierten Parteien zur anstehenden Bundestagswahl als auch die Omnipräsenz ökologischer Themen und deren Auslegung im öffentlichen Diskurs nicht nur im Augenblick, sondern über die letzten Jahrzehnte zu Gemüte führt.
Umweltpolitik gehört heute zum politischen Pflichtprogramm der Etablierten – ohne eine Position zum Klimawandel oder zum Artensterben macht man im politischen Betrieb eine schlechte Figur.
Im Bundestagswahlprogramm 2021 der Grünen ist »die Klimakrise die Existenzfrage unserer Zeit«, die man über eine »sozial-ökologische Transformation« abzuwenden gedenkt. »Klimaneutralität ist dabei eine große Chance für höhere Lebensqualität, mehr soziale Gerechtigkeit und einen klimagerechten Wohlstand«, heißt es da weiter.
Aber nicht nur die Grünen sehen in ihrem Wahlprogramm die Abwendung der Klimakrise als notwendige Aufgabe zur Rettung der Menschheit, sondern auch die CDU befindet: »Überlebensfragen der gesamten Menschheit und deshalb Schwerpunkte unserer Klima-Außenpolitik sind das Erreichen der Klimaziele sowie die Bewahrung der Artenvielfalt und der Wälder.« Ähnliches gibt es zudem bei SPD, FDP und der Linken zu lesen.
Wenn dieses Thema derart omnipräsent ist und bei allen etablierten Parteien, wenn nicht ganz oben, dann doch sehr weit vorne auf der Agenda vertreten ist, gibt es da einen Platz für rechte Ökologie und braucht es sie überhaupt?
Die Antwort geben wieder die Bundestagswahlprogramme der bundesrepublikanischen »Eliten«, beispielsweise wiederum das der CDU: »Die Ziele der Vereinten Nationen für eine nachhaltige Entwicklung der Agenda 2030, das Pariser Klimaschutzabkommen und die Menschenrechte sind unser Leitbild für eine gerechte Globalisierung, für eine friedliche und nachhaltige Entwicklung in der Welt.«
In dieser Lesart wird Ökologie vor allem auf den Klimaschutz reduziert. Mit einer nachhaltigen Entwicklung möchte man eine »gerechte Globalisierung« im Einklang mit den Menschenrechten und eine »klimagerechte Welt« mit »klimagerechtem Wohlstand« erreichen.
Der technologische Fortschritt soll diese Welt ermöglichen, sogar einen neuen wirtschaftlichen Aufbruch initiieren. In diesen Visionen und Utopien einer klimagerechten Moderne ist die Ökologie fest in progressive Programme eingebettet – umweltfreundliches Handeln wird darin zum Beitrag für eine Gesellschaft der Diversität, die die vermeintliche Selbstverwirklichung des Individuums in den Mittelpunkt rückt und damit die Auflösung aller gesellschaftlichen Grenzen antreibt.
Doch unter den grundsätzlicheren Ökologen gibt es erhebliche Zweifel an diesen ökologischen Wohlfühlszenarien, und zwar entlang der Frage, ob ein derart fortschritts- und wachstumsorientiertes Programm die Umweltkrise lösen kann. So kommt der britische Ökonom und Postwachstumstheoretiker Tim Jackson zu dem Schluß, »daß es kein glaubwürdiges, sozial gerechtes und ökologisch nachhaltiges Szenario gibt, um das Einkommen von neun Milliarden Menschen zu steigern.« Das steht den eingangs angeschnittenen ökologischen Projekten diametral entgegen.
Ferner legt seine Einschätzung nahe, daß die Ökologie in den Händen der Etablierten falsch aufgehoben sein könnte. Der französische Vordenker der Nouvelle Droite, Alain de Benoist, greift indes Jacksons Kritik aus rechter Sicht auf und verschärft sie noch einmal. Bei ihm ist »die Hauptursache der ökologischen Probleme […] weder ökonomischer noch technischer Natur, sondern fundamental politisch und vor allem ideologisch begründet«. Eine Gesellschaft ohne Grenzen, in der sich unbegrenzte Wünsche in uneingeschränktem Maße erfüllen sollen, entfremde laut Benoist den Menschen von seiner Natur.
Konservative Kulturkritik verbindet sich an dieser Stelle mit der Identifikation ökologischer Probleme. Kultur und Natur sind bei Benoist engmaschig ineinander verwoben. Den menschlichen Austausch mit der Natur bestimmt aus dieser Perspektive die gesellschaftliche Ordnung. Der Raubbau an der Natur wird zum Wesensmerkmal progressiver Systeme, deren politische Paradigmen und gesellschaftliche Versprechungen auf dem industriellen Produktionsregime und der daran gekoppelten Ausbeutung der natürlichen Ressourcen fußen.
Mit dieser Sichtweise auf die Umweltkrise sind wir zum Fundament und einem der Alleinstellungsmerkmale rechter Ökologie vorgestoßen. Sie stellt eine der elementaren Antworten auf die Frage nach der Notwendigkeit rechter Ökologie dar, insofern als sie das Paradoxon der zeitgenössischen Verbindung aus Progressivismus und Umweltbewußtsein dekuvriert und damit aufzeigt, daß die neuen liberalen bis linken Platzhirsche der Ökologie qua ihrer ideologischen Ausrichtung keine Lösung der Umweltkrise herbeiführen können. Sie sind vielmehr selbst Teil des Problems.
Indes ist diese Analyse nicht neu. Benoist betritt damit kein theoretisches Neuland, sondern knüpft nahtlos an eine konservative Geistestradition an, die die einstige rechte Hoheit über ökologische Fragen begründete. Denn anders als Liberale oder Linke standen die Konservativen zumindest bis Mitte des 20. Jahrhunderts dem sogenannten Fortschritt bzw. dem Industriesystem als seinem Antreiber skeptisch bis ablehnend gegenüber.
Der Umwelthistoriker Rolf Peter Sieferle erklärt sich diese Dominanz anhand der »gegenaufklärerischen Position« der Rechten, »die sich an der eingebetteten Wirtschaft traditioneller Gesellschaften orientierte« und »den Blick für die Zumutungen und Umwälzungen des Industriesystems« schärfte.
Diese »Umwälzungen« waren derweil nicht nur sozialer Natur, sondern erfaßten simultan die ökologisch vielfältigen Kulturlandschaften, die das Ergebnis traditionaler Bewirtschaftung waren. Flurbereinigung, die Begradigung von Flußläufen und die konsequente wirtschaftliche Aufforstung begannen die Umwelt in die Anforderungen des Industriesystems einzupassen.
Für die konservativen Kulturkritiker brach »ein fremdes häßliches Ungetüm über unser Land«, das anfing, die Schönheit gierig aufzufressen. Unter dem Eindruck einer fortschreitenden Technisierung vertiefte und ergänzte Friedrich Georg Jünger in Die Perfektion der Technik diese Kritik um die Beschreibung der Herauslösung des einzelnen aus seinen angestammten Bindungen bei gleichzeitiger Festsetzung in der Masse als Ziel einer verselbständigten Vernutzung: »Der Universalarbeitsplan geht auf nichts anderes hinaus als auf die zentrale Bewirtschaftung des in Masse lebenden Menschen, auf seine Verwirtschaftung. Wir sind mitten im Maelstrom. […] Wir müssen uns ihm widersetzen, wenn wir nicht von ihm verschlungen werden wollen.«
Diesen Widerstand versuchte die Rechte darüber zu leisten, den einzelnen in diesem Maelstrom qua Verortung und Verstetigung auf einen stabilen Boden zu stellen, also die normativen Funktionen der traditionalen Ordnungen aufrechtzuerhalten und gegen die Zumutungen der Moderne zu verteidigen.
Ökologisch gesprochen, bedeutete dies die feste Rückbindung des Individuums an seinen regionalen und lokalen Kontext, aus der eine signifikante Verlangsamung der Welt und der Lebensrealitäten resultierte – die mit Hilfe fossiler Rohstoffe massiv beschleunigt wurden und immer noch werden –, wodurch die Vernutzung der Bestände gebrochen wäre.
Die Analyse Jüngers bleibt dabei hoch aktuell: Die Notwendigkeit zur Kehre ist nur noch angewachsen. Sowohl kulturell als auch ökologisch nähern wir uns einer bisher nie dagewesenen Monokulturalisierung, die aus der expansiven Ausbreitung der Industrie- und Konsumgesellschaften westlicher Provenienz um den gesamten Globus herrührt.
Daher ist es nur folgerichtig, daß Sieferle in seinem Werk Rückblick auf die Natur kurz vor der Jahrtausendwende Jüngers Analyse der einzig wirksamen Widerstandsform noch einmal bekräftigt: »Das einzige, was dieser Gesellschaft [der Freiheit, der Gleichheit, des Individuums, des Diskurses, des Marktes, der Demokratie] wirklich Schaden könnte, wäre der Versuch zur Fixierung eines bestimmten Zustandes, zur Unterbindung von Wandel oder zur normativen Festlegung auf inhaltliche Ziele.«
Im Einklang mit dieser Forderung plädiert Alain de Benoist dafür, »der Vorherrschaft der Wirtschaft ein Ende zu setzen«, was bedeute, »das Lokale dem Globalen vorzuziehen, kurze Wege dem Welthandel, Nähe dem Unbegrenzten, greifbare Eigenart dem abstrakten Horizont, Verwurzelung dem Nomadentum, Gemeinschaft dem Krieg aller gegen alle«. Auf die vorangegangenen Elaborationen bezugnehmend, zeichnet sich rechte Ökologie also dadurch aus, daß sie:
- die Existenz natürlicher Grenzen betont und als unveränderbare
Rahmenbedingungen begreift, deren Überschreiten zu einem hohen Preis führt. - Gesellschaft und Natur als einen wechselseitig aufeinander bezogenen
Komplex begreift. Konservative Ökologie konzipiert Natur, Individuum, Gemeinschaft und Volk als ein organisches Ganzes. - die Beständigkeit dem Flüchtigen vorzieht. Sie strebt feste Lebenszustände an, die sich nur in einem Horizont verändern, der außerhalb der Lebensspanne des Individuums bzw. ganzer Generationen liegt.
- die Verortung des Individuums in den Mittelpunkt stellt. Der Mensch hat seinen festen Platz, in seiner regionalen Gemeinschaft, an einem Ort, in einem Volk.
- sich gegen die Massengesellschaft stemmt. Die Problematik der Überbevölkerung wird von ihr als Ausdruck einer naturalistischen Grenze der Machbarkeit betont.
- als zentralen Gegner das Maximierungsprinzip identifiziert, da Wachstum schlußendlich fortwährende Zertrümmerung der
Bestände und Instabilität bedeutet.
Es wird deutlich, daß in der rechten Sichtweise auf die Ökologie Aspekte fokussiert werden, die die zeitgenössische, progressive Ökologie ignoriert oder vernachlässigt. Aspekte, die sie aufgrund des eingangs beschriebenen Paradoxons ignorieren und vernachlässigen muß, weil sie ansonsten mit ihrer eigenen Widersprüchlichkeit – mit der inkonsistenten Verquickung von Hedonismus, humanitärem Universalismus und Versorgungslogik, deren Wurzeln im Industriesystem liegen, auf der einen Seite und mit der Forderung nach Verzicht und Selbstbeschränkung zur Schonung der Natur auf der anderen Seite – konfrontiert und vor eine Zerreißprobe gestellt wäre.
Rechte Ökologie löst diese Inkonsistenz auf, indem sowohl die gesellschaftlichen als auch die natürlichen Folgen der Moderne Ziel ihrer Kritik sind. Darüber hinaus ist der Mensch in ihrer Konzeption fester Teil der Natur und wird nicht als »störendes«, eine vermeintliche Harmonie destruierendes Element aus ihr verbannt, wie es der im zeitgenössischen Naturschutz überhandnehmende Wildnisgedanke propagiert. Vielmehr ist die Krise der Natur ihr zufolge Ausdruck einer menschlichen Krise, nicht das Resultat der menschlichen Existenz per se.
Die Frage nach der Notwendigkeit rechter Ökologie im 21. Jahrhundert sollte damit beantwortet sein. Bleibt die Frage zu klären, warum sie trotz der existierenden Repräsentationslücke im ökologischen Diskurs weiterhin ein restlos marginalisiertes Dasein fristet.
Denn anders, als es aus der vorangegangenen Darstellung abgeleitet werden könnte, gehört sie keineswegs zum allseits akzeptierten Kanon konservativer Weltanschauung. Ganz im Gegenteil steht sie innerhalb der Rechten in einem erheblichen Spannungsverhältnis, insofern als die von rechts formulierte »ökologische Frage« die Produktionsweise der Industrie- und Konsumgesellschaften in ihrem Kern und mit ihr die bürgerliche Gesellschaft als ihre soziale Ausformung zur Disposition stellt.
Um an diesen Strang politischen Denkens anzuknüpfen, müßte eine Rückbindung an den traditionellen Konservatismus vollzogen und damit eine traditionale Ordnung gegen Aufklärung, Kapitalismus und Globalisierung verteidigt werden. Da die Basis dieser Ordnung aber von der Industrialisierung restlos nivelliert wurde, ist diese Rückbindung zwangsläufig mit der Notwendigkeit eines revolutionären Gegenentwurfs zum Status quo verbunden.
In ihrer Konsequenz bedeutet rechte Ökologie – solange man sie nicht nur als ein ästhetisches Artefakt begreift, um sich distinguiert von der Moderne abzuheben – einen radikalen Kurswechsel, der gänzlich andere gesellschaftliche Rahmenbedingungen als die jetzigen aufstellt. Konkret gesprochen heißt das, »Heimat« als festen Zustand, als normative Festlegung wider die Flüchtigkeit der Moderne aufzurichten und ihrer Vernutzung zu entziehen.
Allerdings laufen etliche programmatischen Elemente, die in dieser Zielsetzung enthalten sind, diametral entgegengesetzt zum ideologischen Fundament des bundesrepublikanischen Konservatismus. Zwar verwahrte sich der Ahnvater der Neuen Rechten in Deutschland, Armin Mohler, in seinem Aufsatz »Zwölf Thesen zur Öko-Klage« (Criticón 40, 1977) vehement gegen den Vorwurf von linker Seite, daß der Konservatismus dem Technokratismus anheimgefallen sei.
Unterzieht man jedoch sowohl die diesbezügliche inhaltliche Positionierung des Konservatismus als auch seine politischen Taten in der Bundesrepublik einer nüchternen Analyse, so muß man Mohler leider widersprechen und den Kritikern recht geben: Das Gros der Konservativen hat sich seiner transzendenten Visionen entledigt und begnügt sich seitdem mit der Verteidigung des bundesrepublikanischen Status quo.
Der Bundestagswahlslogan der Alternative für Deutschland, »Deutschland, aber normal«, und die Unterordnung des gesamten Wahlprogramms unter diese »Normalität« verkörpern in ihrem statuswahrenden Impetus die Betonierung dieser Haltung.
Wenn es das Hauptanliegen eines der gewichtigsten konservativen Akteure in der Bundesrepublik mit der größten öffentlichen Reichweite ist, die sozioökonomischen Voraussetzungen des Industriestandorts Deutschland zu sichern, fällt es schwer, mit einer von rechts formulierten Forderung nach Verzicht und einer grundlegenden Infragestellung des Überflusses durchzudringen.
Darüber hinaus haben die Umdeutung und die Übernahme der Ökologie von links zu einer reflexartigen Abwehrhaltung im konservativen Lager geführt, die sich über die letzten Jahrzehnte eher verstärkt als abgeschwächt hat: Jegliche umweltpolitische Forderung wird abgebügelt und im extremsten Fall die Existenz einer Umweltkrise abgestritten.
In diesem politischen Klima erscheint die Kehre aussichtslos. Doch auch eine tatsächliche oder vermeintliche Aussichtslosigkeit kann nichts an der Notwendigkeit rechter Ökologie ändern. Ihrer Notwendigkeit, um die letzten Restbestände an »Heimat« zu bewahren und eine Renaissance der »Heimat« einzuläuten. Ihrer Notwendigkeit, um den von Jünger beschriebenen »Maelstrom« zum Erliegen zu bringen, daß es in Deutschland, in Europa wieder eine Zukunft für regionale Eigentümlichkeiten, für die Verortung des Menschen an einem festen Platz gibt.
Ihrer Notwendigkeit, um die Flüchtigkeit und die Unfestgelegtheit der Moderne mit einer Ordnung der Stabilität zu ersetzen, deren Austausch mit der Natur nicht auf Übernutzung, sondern einem relativen Gleichgewicht basiert. Zweifelsohne bedarf es dafür eines weitreichenden Umdenkens innerhalb der deutschen Rechten. Sie ist in Fragen der Vernutzung nicht besser als ihre politischen Gegner.
Daher: Was haben wir bisher überhaupt bewahrt und was wollen wir bewahren?