Herbst, Empörung, Grundsätze (4): Leipzig

Vermutlich wäre es schöner gewesen, nach Magdeburg zu fahren. Dort demonstrierte die AfD und gab den Auftakt zu einem Herbst voller Protest und Druck.

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

Die Bil­der von einem vol­len Markt­platz in Mag­de­burg sind stark, der Auf­bau war pro­fes­sio­nell, die Struk­tu­ren ste­hen, die Poli­ti­ker rund um Frak­ti­ons­chef Kirch­ner und Lan­des­chef Rei­chardt sind gut vor­be­rei­tet, wol­len auf die Stra­ße gehen und den Pro­test in die Regio­nen tragen.

Aber wir waren nicht in Mag­de­burg, son­dern in Leip­zig. Dort war es unschön, dort stan­den sich Lin­ke und Rech­te gegen­über, aber nicht, wie sonst, weil die eine Sei­te ver­hin­dern woll­te, was die ande­re vor­hat­te. Dies­mal ging es um die Fra­ge, ob die gemein­sa­me Geg­ner­schaft aus­rei­chen wür­de, um die Gren­zen zwi­schen den poli­ti­schen Lagern wenigs­tens zu verwischen.

Denn wenn die Lin­ke um ihren Spit­zen­red­ner Gre­gor Gysi unter dem Slo­gan “Wir frie­ren nicht für euren Krieg” antrat, dann war das nicht weit von dem ent­fernt, was die “Frei­en Sach­sen” for­der­ten und durch Red­ner wie Jür­gen Elsäs­ser, Mar­tin Kohl­mann und – ganz am Ende – Anselm Lenz vor­tra­gen ließen.

Um es gleich zu sagen: Aus der erträum­ten Quer­front wur­de an die­sem Abend nichts, und das war abzu­se­hen, schon bevor sich die bei­den Grup­pen sam­mel­ten. Die Auf­tei­lung des Augus­tus­plat­zes in Leip­zig war sym­bo­lisch: Vor dem Opern­haus die Lin­ke, pro­fes­sio­nel­ler, mit guten Laut­spre­cher­an­la­gen, vor dem Gewand­haus die Frei­en Sach­sen – mehr Impro­vi­sa­ti­on. Schon der Umstand, daß man die Red­ner nicht ver­stand, wenn man sich nicht dicht bei den Laut­spre­chern auf­hielt, sorg­te dafür, daß sich nichts bün­del­te und ausrichtete.

Die Lin­ke grenz­te sich nach rechts mit einem unver­söhn­li­chen Ban­ner ab, die Rech­te beton­te mit einem Spruch­band das Gemein­sa­me. Aber zwi­schen den bei­den Ban­nern, den Absperr­bar­rie­ren und den Poli­zei­ket­ten, zwi­schen dem also, was eh schon trenn­te, roll­te die Stra­ßen­bahn wei­ter, durch­trenn­te die Mit­te die Platz-Hälf­ten, wur­de der Pen­del­ver­kehr zwi­schen den Lagern unterbunden.

Ver­mut­lich sind sol­che Bil­der viel zu roman­tisch für den pro­sa­ischen Vor­gang, daß hier nichts zusam­men­fand, nicht zusam­men­fin­den wird und vor allem nichts zusam­men­fin­den soll. Nichts spielt den Macht­ha­bern bes­ser in die Kar­ten als die Auf­spal­tung derer, die ein gemein­sa­mes Ziel aus­han­deln könnten.

Es wird also anders kom­men: Der Stär­ke­re wird sich durch­set­zen und Leu­te auf sei­ne Sei­te zie­hen kön­nen, mit denen er heu­te noch nicht rech­nen kann. Das war bei den Coro­na-Maß­nah­men-Pro­tes­ten ja auch so: daß plötz­lich das The­ma doch grö­ßer war als der Richtungszwang.

Leip­zig: Ein Pro­test­zug setz­te sich in Marsch, man zog auf den Ring, wir zogen mit, um zu sehen, was sich ereig­nen wür­de. Aber wir ahn­ten es ja schon, und so kam es auch. Sol­che Pro­test­zü­ge sto­cken, man läuft nach vorn, um das, was man weiß, noch ein­mal mit eige­nen Augen zu sehen: Eine dün­ne Ket­te nicht ein­mal beson­ders muti­ger Anti­fas konn­te sich see­len­ru­hig auf der Stra­ße nie­der­las­sen, gedul­det von den Poli­zis­ten, die wie­der­um von jenen ange­wie­sen wur­den, denen genau die­ses Bild in die Hän­de spielte.

Die Frau­en­stim­me aus dem Ein­satz­wa­gen wusch sanft über wenig ble­chern ein­ge­stell­te Laut­spre­cher die Hän­de ihres anwe­sen­den Berufs­stan­des in Unschuld und rief 3000 ste­hen­de Bür­ger zu Geduld, Ein­sicht und Zuver­sicht auf: Man dür­fe wei­ter­zie­hen, sobald die Blo­cka­de geräumt sei. Aber nie­mand räum­te, und das war das Signal in die ande­re Rich­tung: Bleibt geschützt durch die Staats­macht noch ein Weil­chen auf der Stra­ße sit­zen. Wir wis­sen zwar, daß ihr es seid, die mor­gen (oder gleich nach­her) wie­der Stei­ne und Fla­schen auf uns werft, aber jetzt gera­de macht ihr das im Rah­men unse­rer Stra­te­gie rich­tig gut, denn die Rech­ten wer­den nicht dem Staat, son­dern euch die Schuld dar­an geben, daß es nicht vor­an ging.

Was pas­siert solan­ge dort, wo gestan­den wer­den muß? Immer das­sel­be: Die Leu­te grum­meln, die Leu­te skan­die­ren, die Leu­te mur­meln etwas von ihrem guten Recht, von Uner­hör­tem und davon, daß man nun etwas machen müs­se. Die­ses Machen besteht dar­in, daß ein Teil den Rück­weg antritt, ein ande­rer die Poli­zei­ket­te und die Sitz­blo­cka­de zu umge­hen ver­sucht (bloß: wohin dann? Es sieht ja jen­seits der Anti­fa nicht bes­ser aus…). Der weit­aus größ­te Teil bleibt ste­hen und eine ganz klei­ne Grup­pe ver­sucht zu drän­geln und zu drü­cken und schiebt eine Beu­le in die Polizeikette.

Die­sen Vor­gang erleb­ten wir weit vorn mit und sahen vor allem eines: extrem gut geschul­te, säch­si­sche Poli­zei, die in Wel­len den Druck solan­ge mal abbranden ließ, mal erwi­der­te, bis die Lage tat­säch­lich dees­ka­liert war. Daß sie dies ver­moch­te, war ein Glücks­fall: Die schlech­te Pres­se wäre mit desas­trö­sen Bil­dern unter­legt worden.

Es war dann auch vor­bei, wir gin­gen zurück zum Augus­tus­platz. Wir­re Stun­de, wider­sprüch­li­che Ansät­ze, aus­ge­frans­tes Ende, wir hat­ten genug gese­hen. So geht es nicht.

Wie oft will man die Leu­te noch auf­hei­zen (und damit ver­bren­nen), indem man Knast für die Regie­rung for­dert und zur Atta­cke auf das “Sys­tem” bläst, wenn man noch nicht ein­mal einen Plan B hat, falls man auf­läuft. PEGIDA hat das damals aus dem Stand her­aus bes­ser hin­ge­kriegt und eben deut­lich weni­ger gefor­dert. Man muß füh­ren, wenn 3000 Leu­te Anwei­sun­gen fol­gen. Man darf kei­ne Sack­gas­sen auf­su­chen, aus denen man nur ent­we­der frus­triert oder mit genau den Bil­dern zurück­kommt, die man nicht bie­ten wollte.

Was gut war: Die Lin­ke hat sich über dem rich­ti­gen Umgang mit der rech­ten Offer­te wei­ter­hin zu beschäf­ti­gen, und sie ahnt, daß sie nicht als Anfüh­re­rin in den Herbst gehen wird. Sie ahnt auch, daß sie als akzep­tier­ter Teil eines Bünd­nis­ses aus Alt­par­tei­en, kapi­tal­in­ten­si­vem Gesell­schafts­um­bau und Macht­zy­nis­mus nicht im Ansatz so frei agie­ren kann wie die Oppo­si­ti­on von rechts. Die Aus­la­dung von Sahra Wagen­knecht ist sym­pto­ma­tisch für die­se Fesselung.

Den­noch: In Mag­de­burg – das ist mein Ein­druck – woll­te man fürs ers­te weni­ger und tat gut dar­an. Man ent­ließ die Bür­ger mit dem glaub­haf­ten Ver­spre­chen, dies sei die Anfangs­fan­fa­re gewe­sen, nach der nun das gan­ze Orches­ter ein­set­ze. Ich bin auf das Zusam­men­spiel gespannt.

– – –

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Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

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Kommentare (32)

Niekisch

6. September 2022 13:00

"wurde der Pendelverkehr zwischen den Lagern unterbunden."

Warum in dieser Lage eine eigene Veranstaltung? Warum sickerte der Schwächere nicht in die Kundgebung des Stärkeren völlig zivil ein, wie wir das hier im Westen machen? Da lassen sich Parolen variieren, in deren Sprache nationale Impulse einflechten, Kontakte knüpfen. 

Süßwasserfische können im neutraisierten Salzwasser schwimmen.

Herbstwind

6. September 2022 13:08

Danke für diese (er)nüchter(d)ne Bestandsaufnahme. Das klingt auf dem Telegramkanal der Freien Sachsen doch etwas anders. Hier wird bereits Stimmung gemacht und behauptet, die AFD verhöhne die Demonstranten, weil die AFD Fraktion im Landtag sich bei der Polizei bedankt habe. Wie will man denn eine Querfront zustande bringen, wenn man schon ständig gegen das eigene Lager schießt?

Nee, so wird das nix

Ralph

6. September 2022 13:15

Die AFD und die Freien Sachsen lassen sich schwerlich miteinander vergleichen. Die FS sind wesentlicher dynamischer aber oftmals unprofessionell. Bei der AFD verhält es sich für gewöhnlich umgekehrt. Magdeburg sei hier mal ausgeklammert. Beide Gruppen würden sich gut ergänzen.

Joerg

6. September 2022 13:19

Auf Telegram ist ein sehr sehenswertes kurzes Video davon zu finden wie der Lohnempfänger des "Spiegel" bei Götz Kubitschek abblitzt. 

Allnichts

6. September 2022 14:04

Insgesamt kam es so, wie es zu erwarten war. Es war in Ordnung, aber unspektakulär und das auf allen Seiten.

"Bisher ist ein Zusammenschluss von rechts und links nicht zu erkennen.", das ist Teil einer Meldung zu den Kundgebungen im Telegram-Kanal vom Compact-Magazin. Ein Satz, der bei mir hängenblieb. Derartiges dürfte in den nächsten Monaten noch häufiger zu lesen sein.

Es ist taktisch unklug und insgesamt sinnlos, sich immer wieder an eine Linke ranzumachen, welche offensichtlich nicht nur jede Zusammenarbeit ablehnt, sondern auch noch die von rechter Seite laufend gezeigten Annäherungsversuche dazu nutzt, um sich noch mehr als ohnehin schon als sozialverträglichen, schönen und guten Teil des Protestes darzustellen. Nicht nur eine Wissler oder die Partei Die Linke, sondern auch eine Wagenknecht, ein Pellmann, die DKP, die junge Welt, selbst eine Truppe wie die Freien Linken - oder wer auch immer auf linker Seite ähnliche Ansichten in den gerade wichtigen Fragen vertritt - wollen einfach nicht. Daran ändern auch Ausnahmen auf eher persönlicher Ebene nichts. Es wird auch mit den Grünen, der CDU, der FDP usw. bei manchen Themen inhaltliche Überschneidungen geben, aber deswegen wird nicht gleich eine Querfront gebildet. Die unüberbrückbaren Differenzen bleiben bestehen.

Die Einschätzung, die Partei Die Linke bzw. überhaupt die Linken, würden nicht viel reissen können, sollte stärker hinterfragt werden. Das scheint eine auf rechter Seite schon zu sehr abgehakte Selbstverständlichkeit zu sein.

MARCEL

6. September 2022 14:31

@Niekisch

sehr interessant, kenn' ich von den Montagsspaziergängen (erinnert ein wenig an Trotzkis "Entrismus")

Klassische Formate werden mittlerweile ad absurdum geführt. Das Regime rechnet fest damit, dass wir mehr nicht drauf haben und gleichzeitig wünscht es sich genau das!

Trotzdem: Der Einsatz muss höher ausfallen und es wird weh tun müssen.

(ja, ich weiß, das schreibt sich alles so wahnsinnig leicht...)

 

Gracchus

6. September 2022 15:24

Weder Einwand noch Kritik: Stellenweise liest sich der - wie üblich gut analysierende - Bericht wie eine Theaterrezension. 

@Niekisch: Wer ist denn der Stärkere?

Die ideologischen Differenzen sind zweifellos vorhanden. Die Linke erscheint teilweise ideologisch starrsinnig, teilweise korrumpiert; sie hat mehr zu verlieren, wenn sie sich auf eine Querfront einlässt. Sie könnte aber auch gewinnen, nämlich dass man sie wieder ernst- und nicht als Folklore wahrnähme.

Mein Mantra ist sowieso, dass es eine neue Mitte (= Herz) bräuchte. Eine Art Zivilgesellschaft, aber von unten.  

 

anatol broder

6. September 2022 15:29

«vor dem opernhaus die linke, professioneller, mit guten lautsprecheranlagen, vor dem gewandhaus die freien sachsen – mehr improvisation. schon der umstand, daß man die redner nicht verstand, wenn man sich nicht dicht bei den lautsprechern aufhielt, sorgte dafür, daß sich nichts bündelte und ausrichtete.»

der vergleich von lautsprecheranlagen ist unbedeutend, denn sie alle geben die menschliche stimme hinreichend gut wieder. die freien sachsen versagten hier eindeutig handwerklich.

Rheinlaender

6. September 2022 15:51

Ich verstehe nicht, warum man Allianzen mit einer Linken sucht, die in ihrer Geschichte hinreichend bewiesen hat, dass ihre wirtschaftspolitischen Ansätze nicht das Geringste taugen. Mehr Planwirtschaft und Umverteilung ist das Letzte, was Deutschland jetzt braucht. Im Übrigen wird das genau das Rezept der gegenwärtigen Bundesregierung sein, mit der man auf diesem Weg höchstens um den größeren Grad der Inkompetenz konkurrieren kann. Nur zur Erinnerung: Wesentliche Teile der Industrie und des Mittelstands werden bald erledigt sein, und es wird nichts mehr umzuverteilen geben. Man braucht jetzt schnell Lösungen, die verhindern, dass die deutsche Wirtschaft ruiniert wird.

Der mit dem Wolf tanzt

6. September 2022 15:52

Weite Teile der AfD-Apparatschiks haben bis heute noch nicht begriffen, wie wichtig der Schulterschluß zwischen Partei und deren Umfeld ist. Hier sehe ich das eigentliche (hausgemachte)  Problem unseres Widerstandes.

Ein trauriges Beispiel:

Der nordrhein-westfälische AfD-Politiker Helmut Seifen hat in einem Gastbeitrag für PI-NEWS auf die dort veröffentlichte dreiteilige Textserie von Götz Kubitschek reagiert. Man kann Seifens Text als Zurückweisung der Kritik Kubitscheks an einigen Entwicklungen und Tendenzen in der AfD verstehen. Er geht so weit, Kubitschek zu unterstellen, die AfD „auf seinen Weg einschwören“ zu wollen. Kubitschek ist aber Realist genug, um einen solchen Versuch gar nicht zu unternehmen. Doch würde er es tun – was wäre so Schlimmes daran? Eine lebendige Partei braucht Kritik, Widerspruch, Vorschläge. Damit kann sie sich auseinandersetzen, davon kann auch und gerade die AfD profitieren auf ihrem schweren politischen Weg.

https://www.pi-news.net/2022/09/auch-die-seifen-afd-braucht-schnellroda/

Herbstwind

6. September 2022 15:53

@Joerg

Würde mir das Video gerne ansehen - welcher Kanal auf Telegram und ggf. Uhrzeit des Postings?

Laurenz

6. September 2022 17:36

@Anatol Broder

Der Vergleich von Lautsprecheranlagen ist unbedeutend, denn sie alle geben die menschliche Stimme hinreichend gut wieder.

Dieses Mal muß man Ihnen widersprechen. Eine (im Fachjargon) Top-PA, wie Top-Beleuchtung, die Strom ohne Ende frißt, ist entscheidend für jede Schau, ob Konzert oder Demo. Eine Kapelle kann noch so gut spielen, wenn der Klang scheiße ist, ist auch die Kapelle scheiße. Die Lautsprecher-Anlage muß so gut sein, daß sie alle linken Parolen untergehen läßt.

@Der mit dem Wolf tanzt

Die AfD tut das, was die AfD tun muß. Siehe hier, gestern Timo Chrupalla im Phoenix Tagesgespräch https://youtu.be/6cSMckQ6Ju8

@Rheinländer

Wesentliche Teile der Industrie und des Mittelstands werden bald erledigt sein, und es wird nichts mehr umzuverteilen geben. Man braucht jetzt schnell Lösungen, die verhindern, dass die deutsche Wirtschaft ruiniert wird.

Wie lange lesen Sie die SiN? Wenn wir an die Macht wollen, muß die deutsche Wirtschaft erst ruiniert werden. Sonst entsteht keine mehrheitliche Betroffenheit. Haben Sie das nicht verstanden?

@Gracchus, Niekisch & Co.

Hier die Sicht des Altlinken Jens Berger bei den Nachdenkseiten auf Leipzig. Da wird das bald ehemals linke Dilemma nur allzu deutlich. https://www.nachdenkseiten.de/?p=87700

kikl

6. September 2022 17:55

Es wäre auch naiv zu glauben, dass von heute auf morgen die Querfront gelingt, insbesondere wenn beide Gruppen gleichzeitig am selben Ort zu Demos aufrufen. Dazu bedarf es unaufgeregter Begegnungen in der Masse.

Derzeit hat die Linke allerdings mehr zu verlieren als die AFD. Die AFD hat ein stabiles Wählerpotential, das sie in den Bundestag befördert.

Die Linke ist 2021 an der 5%-Hürde knapp gescheitert und ist nur wegen dreier Direktmandate im Bundestag vertreten, zwei davon in Berlin und eines in Leipzig. Ob die Berliner Mandate zurecht errungen wurden, steht in den Sternen, weil wir dank Tichy wissen, dass in Berlin keine reguläre Wahl stattgefunden hat.

Die Linke steht vor dem Abgrund. Ihr Führungspersonal Gysi, Lafontaine und Wagenknecht ist zerstritten und/oder in Rente. Weitere Zugpferde hat die Partei nicht.

Wenn die Linke bei der nächsten Wahl rausfliegt, dann könnte sie Geschichte sein.

Deshalb kann man dem Treiben der Linken ganz gelassen zuschauen. Wenn sie trotz gemeinsamer Kritik in der Sache den Protest spaltet und damit schwächt, dann stellt sie ihr Befinden über die Sache. Der Bürger in Not wird sich das merken und erkennen, dass es der Linken nicht wirklich um die Sache geht.

H. M. Richter

6. September 2022 18:17

Zunächst: Wenn zahlreiche Medien heute versuchen, den gestrigen Pellmann-Gysi-Auflauf (Opernseite, oben) gegenüber der FS-Versammlung (Gewandhaus, unten) als „deutlich höher“ darzustellen, vermag dieses Luftbild die tatsächlichen Verhältnisse abzubilden. Es war nahezu pari pari.

Hätte die AfD mutiger sein sollen? All in (Weiland, Gauland u.a.) bereits beim ersten Male? Wer vermag es zu sagen?

So hat man zumindest aufgezeigt, wie Teile der Linken zum Regierungsbüttel verkommen sind. Die Live-Übertragung zeigte den endlos wirkenden FS-Zug vom Gewandhaus über den Ring. Bis die friedliche Demonstration wie im Juni 1989 durch Polizeiketten gestoppt wurde. Damals am Hauptbahnhof, gestern am Leuschnerplatz, diesmal mittels der sog. Antifa als System-Staffage und Hilspolizei.

Empfehlung: In Leipzig das nächste Mal eine stationäre Veranstaltung auf dem Augustusplatz abhalten. Mit guten Rednern. Dann kommen noch ein paar Tausend mehr. Und wenn die Leute dann nach Hause gehen und fahren wollen, entstehen die „Demonstrationszüge“ (wie einst vom Nikolaikirchhof aus) von ganz allein …

Gimli

6. September 2022 18:18

Kommentare hier lesen sich - sorry to say - wie von Sofarevolutionären mit viel Selbstzuspruch. Da es in ganz Europa hohe Inflation und Energiepreisanstieg gibt, wird auch diese Krise nicht nur D durchrütteln sondern von GB bis ESP und IT reichen und sie wird ein weiteres Mal NICHT zum Zusammenbruch führen. Wir werden eben Energie sparen, überflüssige Kühlschränke abstellen, kürzer duschen, LED einsetzen wo nur geht und etwas später im Jahr die Heizung einschalten. Is eh alles ökologisch sinnvoll und dient damit einem guten Grund und braucht keine weitere Ideologie. Bitte nicht falsch verstehen, ich finde das nur realistischer. 

Gracchus

6. September 2022 18:24

@Rheinländer: 

Da haben Sie insoweit recht, als die BuRe zu einer Art Planwirtschaft tendiert und umverteilen wird, solange das noch geht. Die Pleitewelle hat anscheinend begonnen. Daher muss es schnell gehen.

Frage: Reichte es denn aus, die Sanktionen aufzuheben und das Gas wieder laufen zu lassen - und ansonsten auf die Selbstheilungskräfte der Wirtschaft zu vertrauen? 

Meine makroökonomischen Kenntnisse sind zugegeben begrenzt, aber ich glaube, das reicht nicht. Um jahrzehntelange Fehlentwicklungen, die ja nicht allein auf dem Ukraine-Konflikt beruhen, zu korrigieren und den Mittelstand zu retten, braucht es wirtschaftspolitische Interventionen. Ferner denke ich, dass, wenn der Mittelstand weitgehend verschwinden sollte, sich dieser nicht mehr aufbauen lässt. 

Welche Partei verfügt über ein geeignetes Konzept? 

 

 

Hajo Blaschke

6. September 2022 18:45

Gysi ist ein Systemschwätzer, der betrügen, Geld verschwinden lassen und sonst nichts kann. Wenn man Wagenknecht bei den Linken nicht zugelassen hat, hätten sie die Veranstalger der rechten Demo einladen können. Sie wäre hundertprozentig nicht gekommen. Das wäre die Nagelprobe gewesen, ob sie auch nur schwätzt oder an Widerstand wirklich interessiert ist.

Die Verbündeten der konservativen Kräfte, zu denen ich die sächsische AfD und die Freien Sachsen zähle, werden Linksparteiler niemals sein. Welches Klientel hat denn die Linke? Parteibonzen, die von Diäten u.ä. leben.

Die AfD und die Freien Sachsen müssen als Verbündete die einer Arbeit nachgehenden Massen, d.h. Arbeiter, Angestellte, Handwerker und vor allem Landwirte gewinnen. Das sind alles Leute, die die Linke kaum auf ihre Seite ziehen kann. 

RMH

6. September 2022 19:58

Größere mediale Aufmerksamkeit blieb den gestrigen Demonstrationen versagt. Allenfalls als Randnotiz wurde es erwähnt. Die auch über den Sommer hinweg am köcheln gehaltenen Sonn- und Montagsspaziergänge waren/ sind nicht mal mehr ne Randnotiz. In den jeweils eigenen "Szenen" hingegen wurde zumindest vor und nach dem gestrigen Montag groß debattiert.

Als AfD würde ich derzeit noch mal alles nach Niedersachsen werfen und dann erst ab Advent breiter los legen. Im Moment kommt mir das Ganze wie zu früh verschossenes Pulver vor, welches sogar systemstabilisierend sein kann.

PS: @Der mit dem Wolf ... die Sichtweise von H. Seifen hat durchaus etwas für sich. Aber aktuell sollte man sich als Alternative darauf vorbereiten, sich wieder sehr breit als echte Alternative anzubieten. Das muss nicht nur über Demos gehen, aber: der stete Tropfen, der den Stein höhlen kann, kommt aktuell nicht mal mehr bis zum Stein. Von daher darf es auch wieder aktionistischer werden.

Amos

6. September 2022 21:51

Die Hoffnung auf „Querfront“ teile ich nicht. Ich glaube, dass die gesamte Linke ohne das Gespenst, bzw. den aufgeblasenen Popanz des Antifaschismus sich in Rauch auflöst, wie die Hexe im Zauberer von Oz. Unbewusst ahnt sie das. Sie ist, mit Tolkien gesprochen ohne den imaginierten Nazifetisch, „gestaltlos, namenlos, gesichtslos“. Sie kreist um eine schwarze Sonne, die allein das Lügengebäude trägt und aus der sie das bisschen Lebenskraft saugt. Ohne die braune Referenz sind sie nichts, deshalb brauchen sie den Feind, dem sie diese Rolle zuschreiben, den sie entmenschlichen können und der als Projektionsfläche für ihr Schlimmstes dienen darf. Heilig sind ihnen deshalb ihre Fussknöchelzertrümmerer und Überfallkommandos für allein bedienende Verkäuferinnen. Sie spielen „Inglorios Bastards“ und haben uns die Rolle des Opfers zugedacht. Selbst ein Zweckbündnis ist doch undenkbar, zumal in Leipzig?

Rheinlaender

6. September 2022 22:21

@Gracchus

Die Sanktionen gegen Russland aufzuheben würde sehr wahrscheinlich nicht reichen, um die Gesamtproblematik in den Griff zu bekommen, aber zumindest eine sozioökonomische Katastrophe weniger wahrscheinlich machen. Nachdem nun über mehr als ein Jahrzehnt lang scheinbar alles getan wurde, das zu solch einer Katastrophe führen musste, ist es aber gut möglich, dass dieser Schritt das Unvermeidliche nur herauszögern würde, weil der bereits angerichtete Schaden einfach zu groß ist. Mir ist leider keine Partei bekannt, die über ein tragfähiges Programm in diesem Bereich verfügt. Mit der Formel "mehr Sozialstaat, aber nur für Deutsche" wird man bald möglicherweise viele Menschen vorübergehend mobilisieren können, aber die Probleme des Landes nicht lösen, auch wenn die Entlastung der Sozialsystem von von Transferempfängern ohne deutsche Staatsangehörigkeit sicherlich ein richtiger Schritt wäre, aber nur einer von vielen.

Asenpriester

7. September 2022 06:10

Bitte nicht vergessen, die Freien Sachsen waren nicht nur am Augustusplatz; Fast in jeder Kleinstadt, ja sogar Dörfer, läuft jeden Montag Protest, und dieses mal wieder mehr, trotz dieser Großveranstaltung. In Dresden waren es über 900 Patrioten und Freie Sachen. Dieser Protest muß dezentral bleiben.

Joerg

7. September 2022 07:25

@Herbstwind: geben Sie auf Telegram oben ins Suchfenster "Götz Kubitschek gibt heute kein Interview ein".

deutscheridentitaerer

7. September 2022 08:25

Dieses Gebettel um eine Querfront von Elsässer und anderen ist unwürdig und dumm.

Kein normaler Mensch will mit den Linken was zu tun haben. Selbst Linke wollen mit anderen Linken nichts zu tun haben. 

Auch angeblich rechte Linke wie Wagenknecht sind völlig in ihren Dogmen verrannt. Da gibt es nichts zu holen. Deshalb sollte man besser für eine klare Kante gegen links stehen.

RMH

7. September 2022 09:07

Wenn ich Linker wäre, hätte ich auch kein Interesse an einer Querfront, denn als Linker kann ich offen recht frei agieren, habe keinen Stress mit Banken und Behörden etc.. Um Opfer von Repressionen zu werden, muss man hingegen noch nicht mal rechts sein, wie Reitschuster einmal wieder veröffentlicht:

Neuer Psychoterror: Wieder die Polizei, wieder die Banken - reitschuster.de

Oder es werden die Folterwerkzeug recht rasch nicht nur auf den Tisch gelegt, sondern schon mal angelegt, um an Informationen zu kommen, wie dieses aktuelle Beispiel zeigt:

Bundeswehr: Feldjäger meldet nach Extremismus-Razzia Bedenken an - DER SPIEGEL

Simplicius Teutsch

7. September 2022 09:40

@Hajo Blaschke, Sie haben recht, aber ich würde das Wort "unterhaltsam" ergänzen und auch noch "intelligent".

Also: "Gregor Gysi ist ein unterhaltsamer und intelligenter Systemschwätzer."

Ja, und ansonsten, außer amüsant schwätzen, ist Gysis ganz persönliche, realsozialistische Lebenserkenntnis, das unterstelle ich mal: Arbeiten tun die anderen. Die können das auch besser.

Kriemhild

7. September 2022 10:23

Wer hätte 1989/90 gedacht, dass wir es dereinst nötig haben werden, uns bei der SED/PDS und ihren Nachfolgern Lieb Kind zu machen. Und wenn sie uns ins Gesicht schlagen, uns ihnen umso unterwürfiger anzudienen. 

MARCEL

7. September 2022 11:54

@Gimli

schon klar, aber:

Man sollte nicht von sich bzw. den eigenen (alt gewordenen) Landsleuten und ihren andressierten Reaktionsmustern ausgehen. In diesem Land gibt es noch ganz andere Leute, die ganz anders reagieren können bzw. könnten.

Es gibt kein a priori mehr.

Je mehr Krise sich verstetigt oder radikalisert, desto weniger!

Last not least: Der Krug geht solange zum Brunnen, bis er bricht.

Hajo Blaschke

7. September 2022 13:33

Simplicius Teutsch, meinetwegen kann man den Demagogen Gysi mit weiteren Adjektiven schmücken. An der Tatsache, dass diese Linke keine Interessen deutscher arbeitender Bürger vertritt, ändert das nichts.

Eine Volksfront mit der Linken wird es nicht geben. Und wie ich geschrieben habe, macht das schon deshalb keinen Sinn, weil die Linke nur sich selbst, ihre Pfründe und ihre Nostalgie vertritt.

Gracchus

7. September 2022 15:15

@ Rheinländer

Damit ist die Crux benannt. Ihr Vorschlag, Nicht-Deutschen die Sozialleistungen zu streichen, dürfte aber nicht umsetzbar sein. 

@Gimli

Ihre Einschätzung ist gewiss realistisch. Aber es geht ja nicht um "Revolution". Es geht darum, einen Wandel einzuleiten, und den Ausbau alternativer Strukturen. 

@Laurenz

Dass Sie oder "wir" bei einem Zusammenbruch der Industrie an die Macht kämen, ist gar nicht gesagt - wie stellen Sie sich das ausserdem vor? Und was tun mit der Macht?

 

 

 

Pferdefuss

7. September 2022 18:33

Danke E.K. für dieses brennende Thema. Unterschiedliche Gedankensplitter werfe ich in die Runde:

- Adel und Geldadel haben vorrangig Wert darauf gelegt, so viele Nachkommen wie möglich zu Machterhalt und Vermehrung des Reichtums zu zeugen.

- Nichts desto weniger ist dies bei den armen Bevölkerungsschichten ohne Sozialsystem in der ganzen Welt auf der untersten Ebene mit der Begründung des Überlebens ebenso geschehen.

- Drangsal moderner Paare: Wunschkinder, Kinderwunsch; exklusiv.

- Kindergeld eine Frucht des 12jährigen Reiches?

- Hat die katholische Kirche das Gebären in Form des Zölibats ihrer Priester praktisch und der Madonna symbolisch sterilisiert?

- Sind die willkürlich begrenzten Geburten bei 'Weißen' angesichts von Armut bei Kinderreichtum und Umweltschäden, wäre da nicht die 'Völkerwanderung', mehr als nur egoistisch, sondern vernunftbegabt?

 

 

Laurenz

7. September 2022 18:52

@Gracchus @L.

Dass Sie oder "wir" bei einem Zusammenbruch der Industrie an die Macht kämen, ist gar nicht gesagt - wie stellen Sie sich das ausserdem vor? Und was tun mit der Macht?

Stellen Sie Sich bitte doch nicht so an. Ohne echte Staats-Krise, gibt es keine Veränderung des Bewußtseins. Warum wählten anfang der 30er 70% der Wähler was anderes? Weil sie hungerten.

 

Gracchus

7. September 2022 23:07

@Laurenz: 70%? Das hat ja dann erst recht in die Katastrophe geführt.

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