1991 waren es knapp 25. So ähnlich sah es auch in Westdeutschland vor dem „Pillenknick“, also vor der Etablierung der hormonellen Verhütung in den frühen Sechzigern aus.
Zwischen West- und Ostdeutschland unterscheidet sich das Alter der Mutter bei der Geburt ihres ersten Kindes heute statistisch nur um ein halbes Jahr: so zwischen dreißig und dreißigeinhalb.
(Am Rande: Im Tschad beträgt dieses Durchschnittsalter 17,9, in Niger 18.1, in Bangladesch 18,5 Jahre. In Ländern wie Indien, Elfenbeinküste, Angola, Tansania und den beiden Kongos steht eine 19 vor dem Komma. Diese Leute haben nicht unbedingt vor, dort zu bleiben.)
Aus subjektiver Sicht wunderte mich diese Zahl, dieser sehr kleine Unterschied zwischen West- und Mitteldeutschland, kolossal. Ich habe herausgefunden, woran diese Irritation liegt.
Meine ersten beiden Mädchen besuchten einen Westkindergarten. Auf den Elternabenden fühlte mich (als Mittzwanzigerin) damals wie eine Jugendliche unter deutlich Älteren. Die anderen waren doch fast alle 35 +! Nach unserem Umzug gen Sachsen-Anhalt fand ich mich plötzlich als Mutter unter Gleichaltrigen. (Ich rede von meinen älteren Kindern). Die Differenz kann doch unmöglich nur ein halbes Jahr betragen?
Ich reime es mir (plausibel) so zusammen: Meine Kinder besuchten im Westen eine reinweiße, katholische Einrichtung. Die im Westen sonst weit verbreiteten migrantischen Altersbremsen spielten dort also keine Rolle. Rechnete man die eingewanderten Mütter bzw. die mit muslimischem Migrationshintergrund aus der Statistik (Alter von Erstgebärenden) heraus, käme man sicherlich auf einen deutlich höheren Altersdurchschnitt von Jungmüttern in Westdeutschland. Heißt: Die Mütter in meinem privilegierten weißen West-Vorort waren damals wirklich deutlich älter als ich.
Ob man also unsere Jugend zum frühen Kinderkriegen animieren sollte? Unser Kameramann Simon Kaupert (@dersimonkaupert) hatte im vergangenen Hochsommer folgenden Tweet abgesetzt:
Erfreulicher Trend im meinem unpolitischen Umfeld: Junge Frauen um die 20 setzen 1. Kind noch während der Ausbildung/letzten Semester an, WEIL sie keinen Bock auf Wirtschaftskrise und Hamsterrad/Arbeitslosigkeit haben.
Dieses „unpolitische Umfeld“ teile ich ganz ungefähr mit (dem jüngeren) Kaupert. Kaupert befindet sich altersmäßig zwischen uns und unseren Kindern. Und tatsächlich ist der Trend in diesen zwar „unpolitischen“, aber von außen doch als „rechts“ verorteten (also „traditionellen“) Kreisen deutlich: Frau gebärt früh und legt rasch nach. Das Statistische Bundesamt ist längst nicht so weit, seine Natalitätsziffern nach weltanschaulicher Präferenz zu sortieren.
Wäre die Geburtenquote dieser unpolitischen, traditionellen Kreise amtlich, dann ohweh! In diesen Gefilden ist es nicht selten, das erste Kind mit 19 und das letzte mit 44 Jahren zu bekommen.
Tja. Natürlich ist es immer die berühmte „persönliche Entscheidung“, aber dennoch wird man als siebenfache Mutter einen Rat loswerden dürfen: Als ich neunzehnjährig für unsere Abizeitung auf die Frage „Was bringt die Zukunft?“ formulierte, ich wolle „Mutter von vier Kindern“ werden, waren die (abgedruckten) Reaktionen der Mitschülerinnen genervt: „Ellen: Hauptsache Provokation“, und: „Wenn eine kinderlos bleibt, dann Ellen“.
Naja, ich hab dann rasch das Gegenteil bewiesen. Außer mir wurde im Jahrgang nur eine kroatische Mitschülerin mit unter 23 Jahren Mutter. Unsere Lehrerinnen, Ordensschwestern, hatten uns braven Mädchen dringend geraten, nicht zu früh „in die Falle“ zu gehen. Erst, wenn das Leben vollständig geordnet sei. Die allermeisten folgten diesem Rat. Viele haben ihr Leben nie „vollständig geordnet“, schade. Typisch für die Artigen.
Man sollte nie einer Devise von außen folgen. Man sollte aber auch nie rein aus Trotz zuwiderhandeln. Ohne Berufssabschluß ein Kind in die Welt zu setzen, ist riskant. Ich selbst hatte mein Studium (Geschichte/Deutsch, Staatsexamen) fast in Regelzeit und ohne Berurlaubung beendet. Es war, mit zwei kleinen Kindern, aber wirklich ätzend und forderte mich auf´s Äußerste. Genau genommen würde ich diesen Gang rückblickend aber wiederholen. Manchmal muß man an die Grenzen gehen!
Ich rate ab: vom kinderlosen Leben. Wer mit Fruchtbarkeit begabt ist, soll diese Herausforderung annehmen. Selbstgewählte Kinderlosigkeit, erst recht als Frau (diesen Sexismus verzeihe man mir), erscheint mir als schlimmstes Los. Eine solche Potenz vergeuden! Es wäre, als lehnte man den Hauptgewinn im Lotto ab, weil man irgendwelchen Prinzipien folgt.
Das “Schicksal des deutschen Volkes” steht bei diesen Überlegungen für mich übrigens ungefähr an 71. Stelle. Gewollte Kinderlosigkeit hat in meinen Augen aber Krankheitswert, außer man wäre Nonne mit noch höherem Ziel.
Ich rate ebenfalls ab: vom bewußtseinslosen Kinderkriegen. Viele „kontrakulturelle“ oder „völkische“ Leute kriegen heute Kinder, um raus zu sein aus dem Spiel. Das ist verlockend. Kein Hamsterrad mehr, kein Druck von außen, keine Anforderungen. Im Deutschland-von-heute, das die soziale Hängematte immer bequemer macht, ist diese Option besonders verlockend, erst recht, wenn man sich das durchrechnet.
BRD-Verächter preisen das: dem verhaßten Staat auf der Tasche liegen, „sein eigenes Ding“ machen, während der Staat neben Kindergeld auch Kinderzuschlag, Wohngeld, Krankenversicherung, Zahnersatz, Kindergarten, Essensgeld etc. zahlt.
Nein, so geht es nicht. Nein, egal, ob unsere neuen Mitbürger alias Migranten doch auch davon profitieren. So sind wir nicht. Ein solches Konzept geht vor allem gegen die Disziplin. Gegen das, was man früher „Manneszucht“ nannte. Die Frauen dürfen sich eingemeindet fühlen. „Ganz die Mama sein“ ist für etliche Jahre schön und sogar vorteilhaft für die Nachkommen. Irgendwann ist aber auch gut.
Wir sind längst nicht an dem Punkt, wo wir ausruhen könnten. „Sich wappnen“ heißt, präsent zu sein. Die Reproduktion ist wichtig. Aber sie ist nur das eine. Wir brauchen gut ausgebildete Leute. Das dürfen auch Mütter sein.
Ja, das ist anstrengend. Anstrengender als in den einzigartig fetten Jahren zwischen 1960 und 2000, wo “Hausfrau” eine lebenslange Option war. Heute müssen wir Frauen unsere Muskeln anspannen. Ich garantiere: Es geht.
tearjerker
Da müsste man einmal schauen, wer überhaupt in die Statistik aufgenommen wurde. Grundsätzlich würde ich davon ausgehen, dass der Datensatz zur Alterserfassung der Mütter unvollständig und die Zahlen einfach falsch sind.