in Richtung beginnender Beobachtung von AfD, IB und Neuer Rechten, CDU-Spitzenkandidat in Südthüringen und bis heute inständig davon überzeugt, man könnte mit einem neuerlichen Unionskanzler unionsfabrizierte Probleme lösen.
Es gibt folglich ausreichend Gründe, Maaßen als politische Figur abzulehnen (vgl. dazu Sezession 103). Der schlechteste von ihnen, der strenggenommen gar kein Grund ist, löste im Frühsommer 2021 einen veritablen Skandal aus: Maaßen hatte den Terminus »Globalismus« verwendet, woraufhin ihm die vereinigte Linkspresse und der parlamentspolitische Einheitsblock »antisemitische« Wortwahl vorwarfen.
Das liegt insbesondere daran, daß der Globalismusbegriff im deutschen Sprachraum bis vor kurzem kaum popularisiert wurde, und wenn doch, dann eher im verschwörungsideologischen Kontext. International gilt »Globalismus« längst als satisfaktionsfähig. Der Begriff dient der Beschreibung einer linksliberalen (bis »woken«), neoliberalen (bis marktradikalen) und US-geprägten Form der Globalisierung.
Nach dem weltweit rezipierten Globalismuskritiker Quinn Slobodian (vgl. Globalisten. Das Ende der Imperien und die Geburt des Neoliberalismus, Berlin 2019) legt nun mit Wolfgang Streeck auch der emeritierte Direktor am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung in Köln eine Schlüsselschrift vor, die Begriff und Bedeutung des »Globalismus« als elementare Bestandteile einer wissenschaftlichen Analyse enthält.
Erscheint bereits dies »anrüchig« für das Juste milieu, verstärkt dessen Skepsis, daß Streeck gar vom Ziel der »Entglobalisierung als Ermächtigung des Lokalen und Nationalen« spricht, die er dem globalistischen Furor entgegenzustellen bereit ist. Sein Ausgangspunkt ist dabei jene These, daß der Hauptwiderspruch der Gegenwart und der nahen Zukunft zwischen Volksherrschaft und Globalismus verlaufe. Widerstand gegen die Zentralismus- und Monopolismustendenzen des letzteren komme »mal von links, mal von rechts, immer aber ›von unten‹«.
Das heißt auf internationaler Ebene: Wer den Globalismus als Hauptgegner erkennt, wisse um die Notwendigkeit der »Verteidigung des Nationalstaats und der in ihm potentiell gegebenen populär-demokratischen Einflußchancen« und hege stärkste »Zweifel an deren Verlagerbarkeit ›nach oben‹«.
Da aber die liberalkapitalistische Zeittendenz »ins Weltoffene« strebe, würden »Halteseile« benötigt – im rechten Duktus wären das: Aufhalter im Sinne Carl Schmitts –, die den immanenten Fehlern der »kosmopolitischen Illusion« wirkungsvoll begegnen: Mit Streeck gedacht, sind das demokratisch verfaßte Nationalstaaten, für deren Rehabilitierung respektive Renaissance er ein Plädoyer von über 500 Seiten vorlegt.
Daß er damit in seinem eigenen Milieu – der 1946 geborene Forscher kann als Grandseigneur linker Sozialwissenschaften gelten – aneckt, scheint ihn keineswegs zu stören; selbst den heraufdräuenden Vorwurf des »Nationalismus« plant Streeck mit ein. Er betrachtet einen solchen schlicht als »Bezeichnung für auf den Nationalstaat bezogenes und gestütztes politisches Handeln«, womit das Thema erledigt wäre.
Was bei der Lektüre anschließend auffällt, ist die Zwitternatur dieses tiefschürfenden Werks: einerseits wissenschaftlich-empirische Studie (was man erwarten durfte), andererseits politisch-polemische Zuspitzung (was überrascht). Da ist von »globalisierungsaffinen Kosmomoralisten« die Rede, von einer »Globalisierungs-Einheitsfront«, von »Hofpoeten der Brüsseler Kommission« (Streeck schilt so u. a. den Schriftsteller Robert Menasse) und der »Verkitschung« Europas im Zeichen marktliberaler EU-Ideologie.
Mehr noch ärgern dürfte sich der durchschnittliche linke und / oder liberale Leser über unerwartete Autoren, die Streeck als Referenzen anführt und deren Erkenntnisse er in sein Ideensystem einbaut. Carl Schmitt ist präsent, Werner Sombart wird reaktiviert, und selbst ein Hans Werner Neulen, den lediglich Criticón- und Sezession-Stammleser kennen dürften, taucht auf.
Bleiben John Maynard Keynes und Karl Polanyi zwar die offenkundigen Hauptbezugspunkte der Traditionslinie des Streeckschen Nachdenkens, ist doch bemerkenswert, wie geistig beweglich und undogmatisch Streeck Bezüge herstellt und in seine luzide Argumentationsweise integriert. Denn daß Streecks Vorgehen nichts mit Name dropping, sehr viel aber mit Ideensynthese und dem Einreißen von Lagergrenzen zu tun hat, wird auch dann augenfällig, wenn er – und selbst seine ehemaligen »Aufstehen«-Genossen Sahra Wagenknecht und Bernd Stegemann vermeiden dies tunlichst – von Nationen und Völkern als »historisch gewachsenen Erfahrungs- und Verständigungsgemeinschaften« ausgeht, deren »gemeinsame Sprache« und »Erinnerungen« erst die (für jeden Antiglobalismus ja notwendigen) »kollektiven Identitäten« begründen.
Daß dann noch »einer reaktivierten nationalen Wirtschaftspolitik«, einer »partiellen Autarkie« (Sombart dixit) und gar dem Prinzip »relativer Homogenität« als Stärkungsfaktor für wechselseitiges »Verantwortungsgefühl« das Wort geredet wird, wirft am Ende die Frage auf, was Wolfgang Streeck noch von der liberalismus- und kapitalismuskritischen Strömung innerhalb der Neuen Rechten trennen soll.
Viel kann es nicht sein.
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Wolfgang Streeck: Zwischen Globalismus und Demokratie. Politische Ökonomie im ausgehenden Neoliberalismus, Berlin: Suhrkamp Verlag 2021. 538 S., 28 €
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