war einer der einflußreichsten konservativen Intellektuellen. Nachdem heute Personen wie Angela Merkel oder Marietta Slomka für konservativ gelten, sollte man Scruton womöglich sogar einen authentischen Rechten nennen.
Scruton hat etwa 60 Bücher verfaßt. Mit seiner klaren Absage an kommunistisches wie insgesamt utopisches Denken hatte er sich bereits 1985 durch sein Buch Thinkers of the New Left den Ruf eines mindestens »Umstrittenen« eingehandelt. Nun erscheint dieses Werk (damals in zahlreiche Sprachen übersetzt und als Samisdat auch hinter dem Eisernen Vorhang kursierend) noch einmal stark überarbeitet und aktualisiert.
Was heißt nun »linke Denker«? Kann man das so sagen, wo hier doch ein bunter Haufen an Anarchisten, Nihilisten, »Liberalen« und marxistischen Dogmatikern vereint wird?
Ja, kann man, zumal sich diese Denker, die mit ihren Schriften unser heutiges Bild von der Welt geformt haben, allesamt als dezidiert »links« verortet haben. Nach 1989, also nach dem Abgesang auf ihre Illusionen, haben diese Leute innerhalb eines Jahrzehnts erneut »das Sagbare« markieren können. Es ging nun ungebrochen gegen den sogenannten Neoliberalismus, »als sei der schon immer das Problem gewesen«.
Die von links formulierten Ziele der »Befreiung« und der »sozialen Gerechtigkeit« hätten mehr strangulierende Gesetze hervorgebracht, als die »Unterdrückten« je hätten erfinden können, meint Scruton. Vortrefflich verweist er auf das »Veredelungspotential« des Gerechtigkeitsnimbus: »Haben sie sich erst hinter der Flagge der Moral versammelt, lassen sie sich von den radikalsten Mitgliedern ihrer Sekte begeistern, inspirieren und am Ende auch führen.«
Heute allerdings säßen auf den linken Nasen keine marxistischen Brillen mehr. Das von der Neuen Linken vertretene revolutionäre Paradigma sei längst von »bürokratischen Abläufen und der institutionalisierten Wohlfahrtskultur beseitigt« worden.
In neun Kapiteln (von »Was ist links?« bis »Was ist rechts?«) setzt sich Scruton mit »Theologien des neuen Klassenkampfs« auseinander. Gründlich durchgenommen werden etwa Hobsbawm, Sartre, Foucault, Gramsci, Badiou und Žižek. Kapitel fünf ist besonders trefflich, es titelt »Ödnis in Deutschland: Bergab zu Habermas«.
Interessant ist, daß Scruton den allermeisten von ihm porträtierten Denkern auch etwas Gutes abgewinnen kann. Thorstein Veblen und John K. Galbraith etwa nennt er bei aller Kritik »witzige, bezaubernde, unorthodoxe Linke«, an Hobsbawm lobt er dessen enzyklopädisches Wissen und fesselnden wie eleganten Stil.
Das knappe Vorwort der Übersetzerin Krisztina Koenen bringt die Essenz von Scrutons Denken hervorragend auf den Punkt. Ob ihre Übersetzung ähnlich glänzend ist, bleibt an manchen Stellen fraglich. Französisches (etwa: petite bourgeoisie, gauchiste, soixante-huitard, pour-soi) bleibt schlicht unübersetzt und unerklärt. Oder es heißt: »Galbraith fährt dann fort zu seiner gefeierten Beschreibung der Konsumgesellschaft« – was meint das genau?
Einmal wird anläßlich eines Zitats von Ronald Dworkin in einer Fußnote auf Hans-Georg Gadamer verwiesen. Wörtlich: »Gadamer legte in seinem Werk ein vages, aber einflußreiches Bekenntnis zur Priorität der Interpretation gegenüber der Erklärung in den Humanwissenschaften ab.« Wie bitte? Man wünschte sich hier Butter zu den Fischen.
Oder dies: »Wenn er [Foucault] als ›bourgeois‹ bezeichnet wird, so ist es nur ein Schnörkel, wie die Beleidigungen, die Ringer im Kampf einander zuwerfen.« Was ist da los? Ringer werfen sich im Ring schnörkelhafte Beleidigungen zu? In welcher Welt?
Insgesamt ist dieser Band so treffsicher wie voraussetzungsreich. Ein Beispiel für letzteres – Scruton schreibt: »Von Bentham und Austin bis Elsen und Hart dominierte in der Jurisprudenz eine Art ›Rechtspositivismus‹.« Darauf muß sich der interessierte Laie, der weder Elsen noch Hart intim kennt, zunächst einen Reim machen!
Oder darauf: »[…] daß die Mittelschicht die Fähigkeit zeigte, die Emotionen im häuslichen Leben zu dämpfen – was weder am höheren noch am niederen Ende der sozialen Skala üblich war – diese Tatsachen kommen bei Foucault nicht vor.« Gelegentlich steht man bei der Lektüre also wie der sprichwörtliche Ochs vorm Berg. Man weiß doch viel zuwenig!
Jedoch, schon allein durch das vortreffliche Stichwortverzeichnis (das nahezu ausschließlich ein Namensverzeichnis ist) von Adorno bis Zola (über Aristoteles, Bahro, Bentham, Eagleton, Freud, Schönberg, Stalin etc.) lohnt dieses anspruchsvolle Werk auf jeden Fall den Erwerb.
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Roger Scruton: Narren, Schwindler, Unruhestifter. Linke Denker des 20. Jahrhunderts, München: FinanzBuch Verlag 2021. 410 S., 25 €
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