David Ranan (Hrsg.): Sprachgewalt

Bereits der Untertitel des Buches deutet an, daß sich der Herausgeber...

Erik Lehnert

Erik Lehnert ist promovierter Philosoph.

nicht hin­rei­chend Gedan­ken dar­über gemacht hat, was er in dem Buch eigent­lich behan­deln möchte.

Sind »miß­brauch­te Wör­ter« ein poli­ti­scher Kampf­be­griff? Oder geht es um zwei ver­schie­de­ne Kate­go­rien, näm­lich »miß­brauch­te Wör­ter« und »poli­ti­sche Kampf­be­grif­fe«? Oder ist ein miß­brauch­tes Wort ein poli­ti­scher Kampf­be­griff? Nach der Lek­tü­re des Vor­wor­tes von David Ranan, einem 1946 in Tel Aviv gebo­re­nen Anti­se­mi­tis­mus-For­scher, ist zumin­dest soviel klar, daß es um Begrif­fe geht, die in irgend­ei­ner Wei­se poli­tisch instru­men­ta­li­siert wer­den können.

Auch wenn es sich dabei um einen alten Hut han­delt, der schon Pla­ton sei­nen Kampf gegen die Sophis­ten füh­ren ließ, sieht Ranan in der Gegen­wart eine ganz beson­de­re Dring­lich­keit für der­lei Unter­su­chun­gen. Denn im »post­fak­ti­schen« Zeit­al­ter neh­me der sorg­lo­se Gebrauch der Spra­che zu, was uns vor eine grö­ße­re Her­aus­for­de­rung stel­le, als das in der Ver­gan­gen­heit der Fall gewe­sen sei.

Das Buch will aber nicht nur über den sorg­lo­sen Gebrauch auf­klä­ren, son­dern vor allem den Miß­brauch, den bei­spiels­wei­se Poli­ti­ker wie Trump mit der Spra­che trie­ben, bekämp­fen. Daher fällt der wis­sen­schaft­li­che Ertrag des Ban­des auch eher dürf­tig aus.

Denn mit die­ser mora­li­schen Grun­die­rung behan­delt jeder der 27 Autoren sei­nen »umstrit­te­nen« Begriff. Der pro­mi­nen­tes­te Bei­trä­ger ist sicher Gre­gor Gysi (Kom­mu­nis­mus), und mit ­Dani­el Morat (Intel­lek­tu­el­le) hat sich jemand betei­ligt, der ein­mal eine lesens­wer­te Pro­mo­ti­on über Heid­eg­ger und die Gebrü­der Jün­ger vor­ge­legt hatte.

Eini­ge Autoren nähern sich ihrem Gegen­stand essay­is­tisch, ande­re ver­su­chen es eher in der Form eines Lexi­kon­ar­ti­kels. In der Sum­me wird vor allem deut­lich, daß das lin­ke Blick­feld von gro­ßen Scheu­klap­pen begrenzt wird und man es sich im Main­stream so bequem gemacht hat, daß die ideo­lo­gi­sche Schnitt­men­ge der Bei­trä­ger mit den poli­ti­schen Ansich­ten der Bun­des­re­gie­rung rie­sen­groß ist.

Inso­fern sind die Ana­ly­sen zu Begrif­fen wie Ras­sis­mus, Popu­lis­mus, Isla­mis­mus und Faschis­mus erwart­bar ein­tö­nig: Ras­sis­mus ist jeg­li­che Form von Aus­gren­zung des »Ande­ren«, Popu­lis­mus ist eine Gefahr für die Demo­kra­tie, Isla­mis­mus ist die Auf­bau­schung des Islam zum Schreck­ge­spenst und Faschis­mus gleich­be­deu­tend mit Rechts­extre­mis­mus (AfD!) und Völkermord.

Etwas inter­es­san­ter wird es dort, wo sich die Autoren bemü­hen, ihre eige­ne Welt­an­schau­ung vor ver­meint­li­chen Miß­ver­ständ­nis­sen zu ret­ten. Da wird dann der Extre­mis­mus­be­griff miß­braucht, um AfD und Links­par­tei gleich­zu­set­zen, der Anti­se­mi­tis­mus soll klar vom Anti­zio­nis­mus geschie­den wer­den, und der Kom­mu­nis­mus hat vor allem sei­ne Fein­de als haßer­füll­te Klein­geis­ter entlarvt.

Daß »Hei­mat« und »Patrio­tis­mus« ent­we­der nutz­los sind oder belie­big sein müs­sen, ist da nicht mehr überraschend.

– –

David Ranan (Hrsg.): Sprach­ge­walt. Miß­brauch­te Wör­ter und ande­re poli­ti­sche Kampf­be­grif­fe, Bonn: J. H. W. Dietz 2021. 383 S., 26 €

 

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Erik Lehnert

Erik Lehnert ist promovierter Philosoph.

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