Ein wenig Vorsicht mit den Wörtern

Wie scharf und unerbittlich, wie kategorisch und zürnend geht es doch zu in den Kommentarspalten dieses Netz-Tagebuchs und...

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

in den ange­schlos­se­nen Blogs. Da erklärt der eine die Kin­der­lo­sen zu “unse­ren” Fein­den – und ist sicher­lich auch heu­te nicht auf der Stra­ße, um die­se Fein­de zu bekämp­fen. Und ein ande­rer erklärt seit Tagen sei­nen Abschied von den Rech­ten – und zeigt gera­de durch den nicht enden­wol­len­den Abschieds­gruß, wie sehr er um uns kreist.

Hin­ter sol­chen Bot­schaf­ten radi­ka­ler Feind­schaft und radi­ka­ler Abgren­zung scheint die gro­ße Suche auf. Es ist die Suche nach einem guten Grund, so zu sein, wie man ist. Man ist nicht ein­fach, man will glas­klar so sein, wie man nicht ist und nie war. Ich gehe jede Wet­te ein, daß der­je­ni­ge, der die Kin­der­lo­sen zu unse­ren Fein­den erklär­te, sich noch beim Schrei­ben vor­ge­nom­men hat, in sei­nem Bekann­ten­kreis künf­tig ein­deu­tig Stel­lung zu bezie­hen – um sich sel­ber sicher zu wer­den, daß er das Rich­ti­ge tat in sei­nem Leben.

Wie unfrucht­bar ist das zu gro­ße Wort! Es muß doch wei­ter­ge­hen! Die­ses Kot­zen, die­se Selbst­ver­ge­wis­se­rung durch Beschimp­fung und sinn­lo­se Feind­er­klä­rung und quad­dern­de Distan­zie­rung: Das ist doch alles nur dann gerecht­fer­tigt, wenn aus dem Leben ein – sagen wir – ver­ein­zel­tes, kon­se­quen­tes Gesamt­kunst­werk wer­den könn­te. Anders aus­ge­drückt: Einem Künst­ler neh­me ich sei­nen Haß und sein Gegrö­le nicht übel, einem abge­si­cher­ten Beam­ten und Arbeit­neh­mer schon.

Und doch, auch bei den Künst­ler ist es das, was mich immer abstieß, etwa bei der Lek­tü­re eines Davila, eines Cioran oder eines Franz Xaver Kroetz: Der geäu­ßer­te Ekel, der anschei­nend in dem Moment nicht prä­sent ist, wenn man sich nach ver­faß­tem Apho­ris­mus im Restau­rant ein Mahl ser­vie­ren oder von einem Taxi­fah­rer zu einer Lesung kut­schie­ren läßt.

Nicht über­trei­ben. Ham­sun lesen und den Men­schen lie­be­voll beschrei­ben wie er ist, oder auch ver­ächt­lich, aber dann nicht zu selbst­si­cher und zu böse, denn mor­gen haben wir mit denen umzu­ge­hen, die wir ges­tern beschimpf­ten. Ein biß­chen Vor­sicht mit den Wör­tern also!

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

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Kommentare (9)

Thorsten

21. August 2009 10:01

Schöner und wichtiger Beitrag. Wer vom Volk und der Gemeinschaft spricht, muß einen Weg zum Volk finden und offenhalten und selbst gemeinschaftsfähig sein. Mann kann nicht das verachten, was man sich auf die Fahne geschrieben hat: Unser Volk. Bedenkt, wir haben kein anderes.

Passend dazu: "Man kann seiner eigenen Zeit nicht böse sein, ohne selbst Schaden zu nehmen." (Robert Musil)

Christian S

21. August 2009 10:22

Danke, das tut gut.

Guardiola

21. August 2009 10:41

Um es mit dem schönen deutschen Sprichwort zu sagen: What goes around, comes around. – Man darf sich über solche dummen und verbissenen Kommentare hier und anderswo nicht wundern, denn eröffnet wurde das Denunziations- und Spottgeplapper ja hier, in diesem Netztagebuch. Das wiederholte Naserümpfen über degenerierte Landbewohner, dicke Migrantenkinder im Freibad, Tablettenkonsum (der gar links machen könnte) hat den oben angesprochenen Beiträgern ja erst Tür und Tor geöffnet – mit schöner Regelmäßigkeit wird das Ressentiment befruchtet (fast deckungsgleich zu den 68er, die rümpften halt die Nase über Spießer etc.). Die Komplexität und Ambivalenz dieser Welt machen so manchem Hirn zu schaffen.
Hamsun ist auf jeden Fall ein guter Tipp.
Und der ganz große Feind, der bleibt nun mal die Dummheit (und nicht die Kinderlosen, Gay-Hedonisten, Rechts-Beschimpfer etc.).

Toni Roidl

21. August 2009 11:16

Hallo Guardiola! Du meinst, der Herr GöKu hat seine Leser erst zum Rumpöbeln erzogen? Mit Verlaub, das ist doch sehr weit hergeholt. Gerade hier geht es doch ausgesprochen gesittet und menschenfreundlich zu, wenn ich mich an die Geschichte mit dem alten Gustav-Adolf-Freund oder dem Dorfpfarrer erinnere. Es gibt doch einen Unterschied zwischen intellektueller Polemik und einem weit-über-Ziel-hinausschießen wie die Feindschaft der Kinderlosen (was beim gerade mal ersten Kind besonders skurril ist!). Und ich meine, man kann aus den Kommentaren herauslesen, dass die Leser diesen Unterschied kennen und verstehen. Und das man die Dummheit beim Namen nennt (Gay-Hedonisten, Rechts-Beschimpfer, etc.) ist schließlich das Anliegen dieses Tagebuchs. Was soll man sonst tun? Den ganzen Tag auch die andere Wange hinhalten?

Turm König

21. August 2009 11:23

Ich bin, Du bist, er/sie/"es" ist, Ihr seid,
WIR, die sich "rechts" und "konservativ" nennen, sind kein Nonplusultra,
und SIE, die sich nicht so nennen, sind kein Gegenteil davon.

Zu einem (ge-)rechten Wesen gehört auch, die eigene Unübertrefflichkeit in jedem Augenblick seines Lebens infrage zu stellen. Das hohe Roß gehört ein für allemal zurück in den Stall!

Und wahrlich, am Anfang war das große Wort; am Ende stand es immer noch einsam und allein. Wie leicht läßt es sich doch machen, virtuell Anklage zu erheben und Richtersprüche zu verlesen; wie schwer dagegen erscheint es, aus sich selbst heraus ein reales Exekutivorgan zu werden?

,,FÜR das Volk, weil wir es in seiner Wahrhaftigkeit, Schönheit und Güte ja so lieben, aber zugleich NICHT DURCH oder gar - wenn nötig - GEGEN das Volk, weil es ja eigentlich viel zu ungelenk ist für das Wahre, Gute und Schöne'': Ist das, auf die Spitze gebracht, wirklich unsere Losung? Oder haben wir es hier nur mit einer achso elitären Binnenegozentrik zu tun, welche der achso schlichten Menschen feind ist?

Daß Herr Kubitschek endlich all diese Fragen zur Diskussion stellt, ist ein großes Verdienst.

Guardiola

21. August 2009 11:49

@Toni Roidl: Gut, da rudere ich gern ein Stück zurück – es ist sicher nicht der Gesamtton hier, aber doch einige Töne, die in die angesprochene Richtung gehen.
Grundsätzlich: Meinung äußern und positionieren: ja. Anpöbeln und rumjammern: nicht unbedingt bzw. möglichst vermeiden.
(Wegen "Wange hinhalten": Darüber lässt sich streiten, aber ein bisschen Demutseinübung ist vielleicht nicht so verkehrt.)

Hannibal

21. August 2009 13:25

Nun, das eigentliche Problem ist doch viel simpler und wurde in der SPIEGEL-Titelstory der letzten Woche gut beschrieben. Im Internet fallen halt die Hemmungen und der Mensch kommuniziert in einer Art und Weise, wie er es in einer realen Gesprächssituation von Angesicht zu Angesicht nie tun würde. In der Anonymität fallen zivilisatorische Standarts eben schneller und der im realen Leben aufgestaute Druck entläd sich auf den erstbesten digitalen Gegenüber.

Martin Lichtmesz

21. August 2009 15:26

Das ist eine Temperamentfrage. Manchmal kann man aus puren gesundheitlichen Gründen nicht anders, als "kategorisch und zürnend" zu sein. So ist das eben, wenn man an "Temperaturerhöhung" und Grüneiterprodkution leidet. Im besten Fall ist das schon eine literarische Gattung, von Léon "Je suis anti-cochon"Bloy über Céline und Cioran bis zu Thomas Bernhard und Eckhard Henscheid. Es gibt einfach Zeiten, da muß man die Kanaille beim Namen nennen, ohne falsche Scham, Rücksicht- oder Geiselname.

Joschka

21. August 2009 16:19

Nun, "Kinderlose" zu Feinden zu erklären ist etwas heftig, es ist aber klar was gemeint ist. Es gibt schlimmere Ausrutscher.

Das so eine Aussage aber " gerade mal nach dem ersten Kind besonders skurril sein soll" ist falsch. Gerade zu diesem Zeitpunkt spürt man die Diskrepanz zum sich nicht vermehrendem "Rest" am deutlichsten. Man ist näher "am Leben dran" auch philosopisch gesehen, es öffnet die Augen für das, was das Leben eigentlich ausmacht, und man findet dann z.B. händchenhaltende, kinderlose Endvierziger, die sonnenbebrillt auf ihrem I-Phone herumtippsen und so tun, als ob sie jetzt gerade die Schleier der Maya abgelegt hätten, einfach nur noch lächerlich.

Da ist mir sogar der kinderwagenschiebende Kulturbereicher ein schönerer Anblick.

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