Oh ja, das tun sie, und ähnlich wie den romanschreibenden deutschen Soziologen (etwa Wolfgang Sofsky) und Philosophen (Sloterdijk) täte man ihnen pauschal lieber abraten.
Großartige Akteure wie Ulrich Tukur und Axel Milberg haben sich bereits vergriffen, und über Publikumslieblinge wie Andrea Sawatzki und Joachim Meyerhoff mag man trotz ihrer Verkaufserfolge in literarischer Hinsicht doch lieber schweigen.
Bei Ethan Hawke haben wir es nun mit einem echten Hollywoodstar zu tun. Hawke, Jahrgang 1970, brillierte unter anderem in Club der toten Dichter, Before Sunrise und Boyhood, Oscarnominierungen inbegriffen.
Hawke ist Vollblutschauspieler, und ein waschechter Gala- und Bunte-Promi hinzu. Er war mit der Uma Thurman verheiratet, das Paar hat zwei Kinder. Sein Alter ego William Harding zeichnet in diesem Buch die Trennungsgeschichte nach. Zählt das zum erwähnten Schreckensphänomen? Definitiv nein.
Hawke verfügt über Qualitäten, von denen andere Schauspieler nur träumen können. 2016 hatte er das Büchlein Regeln für einen Ritter veröffentlicht, das jedem heranwachsenden Jungen herzlich anempfohlen sei. Nun also dieser – keineswegs jugendfreie – Roman.
William, der prominente Filmschauspieler, geht fremd, obwohl er seine Frau sehr liebt, die Kinder ohnehin. Die Klatschpresse vervielfältigt das Vergehen. Derweil soll William, der Popstar von der Kinoleinwand, auf der echten Theaterbühne auftreten: nämlich als Hotspur im Shakespeare-Drama Henry IV., auf dem Broadway, unter einem saghaften Regisseur.
»Obwohl meine Welt um mich herum einstürzte, gab es doch eine Sache, auf die ich mich nach wie vor verlassen konnte. Ich halte es nicht für wichtig; ich glaube nicht, daß ich damit an Petrus vorbei durchs Himmelstor komme; die meiste Zeit spotte ich darüber – aber ich war immer ein guter Schauspieler. Es gab immer einen Ort auf der Welt, an dem mein Körper wußte, was er zu tun hatte.«
William ist nicht nur wohltuend selbstironisch, sondern ein gläubiger Mensch. Es wird eindringlich gebetet in diesem Buch. Es wird auch gesoffen, gekokst und gevögelt, und in dieser Zusammenschau wirkt es gar nicht bigott. Harding ist ziemlich ehrlich mit sich selbst; man kann das Selbstironie nennen oder »die Wunden offenlegen«.
Auf seinem meist berauschten Schmerzensweg (nämlich der unausweichlichen Scheidung von der Frau, die er einst vergötterte) begegnet Harding zahlreichen Personen, die ihm dezidierte oder untergründige Ratschläge und Botschaften mitgeben. Der Kollege, das Flittchen, der Altstar, der Regisseur – jeder hat eine eigene, je glaubwürdige Haltung gefunden, mit dreckigen und düsteren Zeiten umzugehen.
Kunstvoll hineingeflochten in das private Schlamassel wird das Theatergeschehen. Es geht – und das ist vielsagend – letztlich um die Präsenz auf der Bühne. Wie komme ich an, oder warum nicht? Das ist das »Allzumenschliche« im Nietzscheschen Sinne an diesem Buch: Vorpremiere, Premiere, Dernière.
Artiges Klatschen? Jubel? Ovationen gar? Was heißt Authentizität? Was Leidenschaft? Was heißt Willen, was Wollen? Bin ich leidenschaftlich genug oder reicht mein Leiden nicht hin? Was sagt die Presse? Und die Kollegen – der Konkurrenzkampf ist nicht zu unterschätzen. Dann aber: Sitzt die Mutter der Kinder im Publikum, wenigstens beim letzten Auftritt? Bitte! Was für ein Mensch bin ich überhaupt, und wie beantworte ich die Fragen meiner Kleinen?
Das hier ist ein echter, glutvoller Künstlerroman, hervorragend übersetzt von Kristian Lutze.
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Ethan Hawke: Hell strahlt die Dunkelheit. Roman, Köln: Kiepenheuer & Witsch 2021. 327 S., 23 €
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