Darunter befindet sich eine Studie über den »Westen und die neue Weltordnung«. Sein neues Buch, Selbstbehauptung, darf als Zuspitzung der Fragestellung gelten. Theisen, der bis zu seiner Pensionierung an der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen lehrte, wagt darin eine umfassende Deutung der globalen Gegenwartssituation. Die Analysen gehen weit über die im Titel angedeutete Thematik hinaus.
Zentraler Aufhänger der Überlegungen Theisens ist das vielfältige Phänomen der Grenzen. Die praktisch unlimitierte Finanzierungsorgie der Europäischen Zentralbank, die einen nicht unwesentlichen Anteil an augenblicklichen inflationären Tendenzen im Euroraum besitzt, zählt ebenso zu den Betrachtungsobjekten des Autors wie die Unfähigkeit vieler europäisch-westlicher Länder, die eigenen Grenzen vor illegaler Migration hinreichend zu schützen.
Paradoxerweise korrespondiert damit das Ziel globalistisch agierender Spitzenpolitiker in den USA wie Europa, in hypermoralistischer Pointierung die ganze Welt mit den angeblichen Wohltaten eigener Werte zu überschütten. Nicht erst das Desaster in Afghanistan 2021 förderte offen zutage, daß besonders die USA an einer Überdehnung leiden. Zu Hause dringend benötigte Gelder wurden in weit entfernten Regionen in den Sand gesetzt. Dazu kommen viele Opfer unter den eigenen Soldaten.
Primäres Ziel war ein Nation-building, vor allem im Nahen Osten, dessen Umsetzung von vornherein illusorisch war. Es fehlt in diesen Gegenden, in denen zum Teil noch traditionelle Stammesstrukturen vorherrschen, der kulturelle Unterbau für das Gelingen eines solchen monumentalen Unterfangens.
Der universalistische Humanitarismus und seine Illusionen sind um so gefährlicher, als in vielen Regionen der Erde (Rußland, China, islamische Welt) durchaus Kräfte dominieren, die bereit sind, westliche Machtstrukturen zu destabilisieren, etwa mit Hilfe der Migrationswaffe.
Mit diesen im Westen verbreiteten Tendenzen der Selbstüberschätzung geht der naheliegende Therapievorschlag des Autors einher: Selbstbehauptung und Selbstbegrenzung sind wichtige Antidota zu den Irrwegen der letzten Jahrzehnte. Entsprechende Weichenstellungen wie die Priorität der eigenen Nation (»America first«) sind schon seit einiger Zeit Gegenstand intensiverer Debatten, werden aber vor allem wegen des Widerstands des politmedialen Establishments nicht konsequent und dauerhaft umgesetzt.
Der im Westen öfters praktizierten Aufgabe des Eigenen wird eine »Achse der Selbstbehauptung« gegenübergestellt, die die basalen Errungenschaften unserer Zivilisation (Rechtsstaat, Sozialstaat, ökologische Grundlagen und so fort) nicht nur definiert, sondern auch verteidigt.
Von diesem nüchtern-realistischen Standpunkt ausgehend, erörtert Theisen viele Gegenwartserscheinungen: den selbstauflösenden Trend der westlichen Kultur; partielle antiglobalistische Gegenreaktionen wie den Protektionismus; die Auswirkungen der Klimapolitik; die Neuausrichtung der Europäischen Union, die der Autor nach dem Vorbild der Schweiz gestalten will; das janusköpfige Gesicht Chinas. Viele weitere Schwierigkeiten kommen zur Sprache.
Theisen präsentiert diskutable Vorschläge zur Lösung etlicher der angesprochenen Probleme. Dazu zählt der Hinweis auf eine verstärkte regionale Gestaltung des Globalisierungsprozesses, aber auch auf eine Renaissance der Bürgerlichkeit. Solche Tendenzen wurden in letzter Zeit oft benannt, schwieriger dagegen ist eine adäquate Umsetzung. Darüber hinaus stellt der Autor die Relevanz des (freilich immer stärker schwächelnden) institutionalisierten christlichen Glaubens heraus.
Hervorzuheben sind die deutlichen Worte zur augenblicklichen Lage oftmals verwirrt anmutender deutscher Alltagsdebatten. Außerdem verdienen seine (wie immer) differenzierten Ausführungen zum Ukrainekrieg Lob. Theisen hat also eine Abhandlung vorgelegt, die zeigt, wie sehr ein klarer und gut begründeter Standpunkt helfen kann, die vielschichtige Welt besser zu verstehen. Die Lektüre bereichert ungemein.
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Selbstbehauptung. Warum Europa und der Westen sich begrenzen müssen, Reinbek: Lau Verlag 2022. 389 S., 24 € – hier bestellen.
Freichrist343
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