Auf dem Bundeskongreß der Jungen Alternative, der am vergangenen Wochenende im thüringischen Apolda stattfand, strich der geladene Thüringer AfD-Vorsitzende, Björn Höcke, in seiner Rede vor der versammelten Parteijugend diese drei Säulen heraus, auf denen nach François Bousquet, Verleger und Chefredakteur der Éléments – zentrales publizistisches Organ der Nouvelle Droite –, ein von Erfolg gekrönter Kulturkampf zu stehen habe.
Darüber hinaus appellierte er an den Saal, »daß jeder junge Aktivist sich gegen den links-liberalen Zeitgeist und für eine menschenwürdige Alternative selbst in den Stoff stellen müsse«. Auf seinem Telegramkanal resümierte Höcke im Nachgang zur Veranstaltung, daß ihm bei einem Rundgang am Veranstaltungsort schnell klar geworden sei, daß er Eulen nach Athen getragen habe: »Denn dieses Bewußtsein wurde in Apolda bereits gelebt. Das konnte man wunderbar an den zahlreichen Ständen ablesen, die im Veranstaltungsraum und im Foyer dicht gedrängt aufgebaut waren – das politische Vorfeld präsentierte sich und seinen Beitrag zum oben erwähnten Kulturkampf in beeindruckender Art und Weise.«
Wenn Höcke zur Mobilisierung der JA Bousquet zitiert, greift er wiederum selbst auf die Extrakte des von ihm hervorgehobenen Vorfelds zurück. Denn ohne die verlegerische Arbeit des »reifen Onkels«, wie Verleger Götz Kubitschek im Interview mit Info-DIREKT-Chefredakteur Micheal Scharfmüller seinen Verlag Antaios vor Ort selbst bezeichnete, wäre Bousquets Text Courage nicht auf Deutsch als Mut erhältlich. Ist es aber, und zwar hier.
Mut, das Handbuch für die Kulturguerilla, bliebe den meisten verwehrt. Daher war es ein wichtiger Schritt, den die JA in Apolda gegangen ist: Während bei den Parteitagen der Etablierten sich das »Who is Who« der Lobbyisten im Foyer tummelt, war die Vorhalle des Veranstaltungsorts in Apolda von idealistischen Graswurzelprojekten bevölkert.
Einen guten Eindruck vom dort versammelten Oppositionsgeist gibt das Veranstaltungsvideo des österreichischen Magazins Info-DIREKT:
Daß sich auf der bundesdeutschen Parteienebene in der AfD der fundamentalste Oppositionsgeist bündelt, dringt im Angesicht der durch den Krieg in der Ukraine ausgelösten existentiellen Energiekrise immer mehr beim Wähler durch.
Konnte man mit der Coronaskepsis in den alten Bundesländern kaum punkten, sieht das hinsichtlich der aufziehenden Rezession, die uns aller Voraussicht nach noch lange beschäftigen wird, gänzlich anders aus.
Selbst in Bundesländern wie Rheinland-Pfalz, in denen man bei der letzten Landtagswahl noch herbe Verluste hinnehmen mußte, weist der Trend eindeutig nach oben. Im Osten der Republik, wo die AfD schon mit ihrer Coronakritik reüssierte, läßt man vielerorts sogar die gesamte Parteienkonkurrenz hinter sich.
Kein Wunder also, daß beim Rundfunk Berlin-Brandenburg Redebedarf besteht. Dieser geht so weit, daß auch die sonst strikt praktizierte Nichteinladungspolitik der Öffentlich-Rechtlichen gegenüber AfD-Politikern zu Polittalkrunden ignoriert wurde.
Im Sendeformat »Wir müssen reden!« diskutierte daher unter Einbezug von Bürgern neben Gregor Gysi (Die Linke),) und Olaf Sundermeyer (rbb-Journalist) auch Leif-Erik Holm (AfD) zum Thema »Zwischen Wut und Existenzangst – warum gehen im Osten so viele auf die Straße?«.
Es ging hitzig zur Sache, hier geht es zur Runde:
WIR MÜSSEN REDEN!
Der restlose Zusammenbruch eines Systems reißt Löcher und schlägt tiefe Wunden. Manch einer ist derart seiner Gewißheiten beraubt, daß er sich nicht anders als mit Suizid zu helfen weiß.
In den Wendejahren war dieses Phänomen auch in Deutschland zu beobachten und hallt auch etwas mehr als 30 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs noch wirkmächtig nach. Immerhin vollzog sich in Deutschland ein vergleichsweise geordneter Übergang. Etwas, das man vom post-sowjetischen Rußland nicht behaupten kann.
Auf den Zusammenbruch folgte ein Jahrzehnt des Chaos: Es ist das russische Trauma des letzten Jahrhunderts, das für die US-Amerikaner, die ihren einstigen Hauptfeind in ein Spielfeld des Kapitalismus verwandeln wollten, bis heute unbegreiflich bleibt. Mehr noch: Sie sind blind für seine Existenz.
Der englische Dokumentarfilmer Adam Curtis hat nun versucht, dieses tiefsitzende Trauma über unzählige Archivaufnahmen der BBC darzustellen. Herausgekommen ist ein sehenswerter Siebenteiler, an dessen Ende – als Folge des Chaos – der Aufstieg Putins und die Ablehnung der liberalen, westlichen Demokratie steht (Die Teile 1–6 finden Sie auf YouTube; wer mit VPNs umzugehen weiß, wird sich auch zu helfen wissen):
Darüber hinaus ist folgendes Gespräch mit Adam Curtis zur Dokureihe interessant, in dem er im Kontext des russischen Traumas die »Gesellschaft der Singularitäten«, den überbordenden Individualismus des Westens scharf kritisiert:
Wer mehr über Curtis erfahren möchte, der sollte hier Nils Wegners »Wo sind die Radikalen?« aus der Sezession 105 lesen.
Kurativ
Ich würde davon abraten, etwas zu spielen was man selber gar nicht ist. Man landet in der reinen Form ohne sich selber wahrzunehmen. Alles Denken fängt mit dem Γνῶθι σαυτόν (Selbstwarnehmung) an. Die Darstellung eigener Stärke kann ein Fehler sein. Manchmal ist auch die Warnehmung eigener Schwäche und eigener Unvollkommenheit eine große Stärke.
Bach Fantasia BWV 562
https://www.youtube.com/watch?v=uL4IFhrR9-E