Zum einen ist es aufs Ganze gesehen egal, ob es sich um ein (selbstbewußtes) Outing handelt oder um ein (peinliches) Geoutet-werden. In beiden Fällen stehen im folgenden unterschiedliche Hindernisse an: Der mit dem Outcoming muß sich rechtfertigen und erklären; der unwillentlich Geoutete wird zusätzlich dazu neigen, sich zu entschuldigen und den Tatbestand/Verdacht zu relativieren.
Dies alles ist fraglos völlig ätzend; und zwar so oder so. Es handelt sich dabei ja nicht um bürokratische Vorgänge, die man halt seufzend erledigen muß wie einen Wechsel des Strombetreibers oder einen Kirchenaustritt. Denn es steht bei „Rechtsverdacht“ immer die ganze Person zur Debatte. Oft sogar die Familie, wenn die sich nicht distanziert. Und wenn die sich distanziert: dann erst recht wehe…
Es hängt unter Umständen ein ganzer Haufen dran: der Betrieb, der Verein, die Nachbarschaft. Wenn die kein Unbehagen äußern, ergeht an sie die Gretchenfrage: „Sie haben also einen Rechten in ihren Reihen“, mit Bitte um Stellungnahme.
Das ist also das eine. Was ebenso irrelevant ist: Ob die als rechts Markierte sich überhaupt mit dieser Windrichtung identifizieren oder wenigstens anfreunden kann.
Vielleicht sah sie sich selbst gar nie als „rechts“ – sie war nur gegen die Corona-Maßnahmen. Oder gegen eine arg liberale Abtreibungspraxis. Vielleicht war sie nur gegen Gendersprache, gegen obligatorische Ganztagsbeschulung oder für die Öffnung von Nordstream 2? Egal: Jetzt sitzen sie halt alle mit im Boot, die “irgendwie als rechts” entlarvten. Oft (wenn nicht: meist) ungewollt!
Eine Vera Lengsfeld mit einem Götz Kubitschek, Martin Sellner mit Monika Maron, Norbert Bolz mit Martin Lichtmesz, Susanne Dagen mit Björn Höcke, Dieter Stein mit Philip Stein, Michael Klonovsky mit Frank Franz, Alexander Wallasch mit mir.
Viele sträuben sich. Sie wollen nicht verwechselt werden, weil sie (aus ihrer jeweils feinziselierten Sicht) doch vorgeblich ganz unterschiedliche Agenden bespielen. Sie wehren sich gegen diese Einschätzung.
Das Spiel des Herausredens ist so uralt wie beliebt. Wir erinnern uns, daß der damals – vor 15 Jahren – noch zwiespältige Michael Klonovsky ein Büchlein veröffentlicht hatte mit dem skrupulösen Titel Jede Seite ist die Falsche.
Ja, wir verstehen den Impuls. Sich auf die eine Seite zu schlagen, zumal auf die „rechte“, mag grundsätzlich etwas von Bekenntnis, von mangelnder Differenz, es hat etwas von Parole, “einfachen Lösungen” und Grobheit. Auch, wenn eben genau dies anhand der existierenden intellektuellen Rechten (nur um die geht´s hier) objektiv nicht nachzuweisen ist.
Man muß ja immer differenzieren. Kaum jemand ist „ganz rechts“. Sommerfeld und Lichtmesz hatten das links-rechts-Dilemma in ihrem Buch Mit Linken leben von A‑Z durchexerziert.
Wir, Antaios, hatten in den vergangenen Jahren zwei Projekte zum Thema „Drangsalierung“, „Rechte als Opfer“ in Arbeit. Wir haben allerdings keinen der beiden Sammelbände veröffentlicht, und zwar zum einen, um die Denunziationsopfer zu schützen.
Zweitens: Anonymisierte Berichte („Fatma trägt eigentlich einen anderen Namen“; ZEIT, Süddeutsche et al.) ziehen nur im Mainstream. Bei Rechten steht gleich der Verdacht im Raum, es würden ausgedachte Strohmänner beschrieben. Und drittens, weil der Verdacht nahe läge, daß hier jemand jammere, der doch „ganz bewußt den Konsens verlassen“ habe. Ein beliebtes Motiv der Ankläger!
Unsere Autorin Brittany Pettibone hat zwei Bücher bei Antaios veröffentlicht, zuletzt den packenden Bericht An vorderster Front über ihren politischen Kampf, den sie letztlich an die Seite Martin Sellners führte. Ihr Jung, weiblich, rechts (2019) ist bereits vergriffen. Jedenfalls: Brittany und ich haben eine Gemeinsamkeit: Wir sammeln seit Jahren (in meinem Fall: seit Jahrzehnten) Aphorismen großer Denker. Weil sie ein Anhalt sind, eine Fundgrube, ein spruchgewordener Segen.
Darum möchte ich hier diejenigen unter uns (ich denke speziell an X und Y, überaus kluge Köpfe) erinnern, die sich zurückzogen:
Das Rechte erkennen und nicht tun, ist Mangel an Mut. (Konfuzius)
An diejenigen, die etliche Gespräche mit Kubitschek „in der Sicherheit des Schweigens“ geführt haben, möchte ich mit Mark Twain appellieren:
Mut ist Widerstand gegen die Angst, Sieg gegen die Angst, aber nicht Abwesenheit von Angst.
Denjenigen, die vorpreschten und nun zurückrudern müssen, möchte ich den alten Matthias Claudius mitgeben:
Greif nicht leicht in ein Wespennest.
Doch wenn du greifst, so stehe fest.
Und einen ganz speziellen Berufspolitiker, der seit seinem Berufspolitikerdasein damit hadert, aber davon nicht lassen kann und immer neue Gründe findet, warum es wichtig ist, daß er jetzt diesen und morgen jenen Kompromiß mitträgt, damit die „Mehrheiten stimmen“, will ich an Heinrich Heine erinnern:
Fürsten hadern, Völker streiten
Jeder will die Macht erbeuten;
Herrschaft ist das höchste Gut,
Höchste Tugend ist der Mut.
Goethe hingegen täte ich widersprechen.
Mut und Bescheidenheit sind die unzweideutigsten Tugenden; denn sie sind von der Art, daß Heuchelei sie nicht nachahmen kann.
Das stimmt definitiv nicht. Es ist so leicht, Bescheidenheit vorzutäuschen! Nur für den Mut trifft es zu.
Ich hoffe, daß die beiden angesprochenen Bände irgendwann den Weg den Weg in den Druck finden. Es geht hier um Fälle, die nie öffentlich besprochen oder skandalisiert wurden: um Leute, denen von der Mietgemeinschaft die „Hölle heiß gemacht“ wurde, nachdem herausgefunden wurde, daß sie die JF abonnieren: um Kündigungen, die ausgesprochen wurden, weil jemand als Helfer am Wahlstand „enttarnt“ wurde; um Kontaktschuld mit heftigen Auswirkungen; um Schultadel, weil eine sich weigerte, bei einer bestimmte Aktion mitzuwirken; sogar um Blockwartszenen auf dem Kinderspielplatz.
Es braucht heute oft gar nicht viel, um mutig zu sein. Das Stöckchen, über das es heute zu springen gilt, hängt recht niedrig. Reißen wir es! Wie sagte der Pfarrer gestern in seiner Predigt: Oft geht die Rechnung erst im Himmelreich auf. Für Christen ist das Aufmunterung genug.
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Mut ist auch der Titel eines Buchs, das jüngst bei Antaios erschien. Es ist eine Aufforderung, den Kulturkampf zu inszenieren. Björn Höcke empfahl es jüngst den Mitgliedern der Jungen Alternative. Es ist ein Buch, das die Notwendigkeit von Bekenntnis, Bewegung und Angriffsgeist betont, also ein Buch gegen die Zufriedenheit. Man kann es hier bestellen.
RMH
Interessant. Erst gestern zeigte das ZDF den Film "Die Bürgermeisterin", hier eine "empathische" Rezension
https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/die-buergermeisterin-im-zdf-wenn-hass-sich-zum-aeussersten-steigert-18408129.html
in der das Establishment mehr oder weniger seinerseits behauptet, wer heute ein kommunales Ehrenamt oder ähnliches übernimmt, hat fast immer einen schweren Stand. Rechte werde dort tatsächlich als Gruppen mit Einfluss dargestellt, wobei reiner Internet-Shitstorm wie die Schwalbe mit dem Frühling konsequent verwechselt wurde. Der Film war übrigens gut inszeniert, was auch an guten Schauspielern lag, aber man fragte sich am Ende buchstäblich, in welchem Film die Autoren und Macher denn eigentlich leben, die sogar daran gedacht haben, dass der böse Rechte des Films einmal erwähnen darf, dass ihm die im übrigen totgeschwiegene Antifa auf den Pelz gerückt sei. Wie auch immer: Das Etikett "Rechts" ist so ähnlich wie der nach dem G. Marx Witz berühmte Club, der einen als Mitglied akzeptiert und bei dem man deswegen nicht Mitglied sein will. All diese Zuschreibungen sind Ausdruck einer Unfreiheit, eines Festnagelns und praktischer Intoleranz unserer Gesellschaft. Klonovsky trifft es dann doch: Jede Seite ist die Falsche.