49 Jungsozialisten (Jusos) sind in den 20. Deutschen Bundestag eingezogen. Der prominenteste Vertreter dieses linken Blocks innerhalb der Sozialdemokratie hört auf den Namen Kevin Kühnert. Er führte die Jusos unumstritten von 2017 bis ins aktuelle Jahr hinein; seit 2019 ist der 1989 geborene Studienabbrecher aus West-Berlin überdies einer der stellvertretenden Vorsitzenden der Mutterpartei. Von Berlin-Schöneberg aus vertritt Kühnert, der stets kumpelhaft-juvenil wirken will, die Interessen des linken Parteiflügels – mit Erfolg.
Daß das Duo Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken die kriselnde Sozialdemokratie übernehmen konnte, kann man auch auf Kühnerts entspannt wirkende, aber unnachgiebige Kärrnerarbeit im Umfeld des Willy-Brandt-Hauses zurückführen. Dies läßt sich nachvollziehen dank einer beispiellosen Werbekampagne, die der Norddeutsche Rundfunk (NDR) leistete. Eine TV-Dokumentation, verfügbar auf YouTube, bewirbt man wie folgt: »Für ihre sechsteilige Dokuserie haben die NDR Filmemacher*innen Katharina Schiele und Lucas Stratmann […] Kevin Kühnert drei Jahre lang mit der Kamera begleitet […]. Die bewußt gewählte Methode bei der Produktion war die strikte Beobachtung mit der Kamera, ›Direct Cinema‹ genannt. So sind intime Einblicke in das Innenleben einer lange strauchelnden Volkspartei und eines aufstrebenden Jungpolitikers entstanden.« Einblicke, über deren Verlauf und Umfang Kühnert, wie er einem Gesprächspartner preisgibt, ausschließlich selbst entscheiden durfte.
Ebendiese subjektive Selektivität macht die Besonderheit des Filmmaterials aus: Keine PR-Agentur und kein Juso-Medienbeauftragter hätten eine solche qualitativ hochwertige Propagandashow mit dieser Reichweite umsetzen können. So etwas gelingt spielerisch-seriös nur über Formate, die vom Beitragszahler gestützt werden. Nur an wenigen Stellen der Doku scheint die Hybris des Jungpolitikers durch: Etwa dann, wenn er fassungslos seinen nicht minder entsetzten Juso-Freunden berichtet, daß er angegangen worden sei. Schnell stellt sich heraus: Es handelte sich bei den als Übergriffen interpretierten Vorkommnissen um verbale Kritik an den politischen Forderungen Kühnerts durch einzelne Passanten. (Kaum auszudenken, wie hysterisch die gefühlsgeleitete Generation Kühnert mit tatsächlichen Diffamierungen oder gar Angriffen umgehen würde, von denen jeder halbwegs prominente Akteur rechts der Mitte Dutzende erlebt hat.)
Man realisiert bei Kühnerts Persönlichkeitsprofil ja an vielen Stellen: Widerspruch ist er gewohnt, aber eben nur im Rahmen des linken und allenfalls noch »mittigen« Konsensbogens; alles darüber hinaus ist in der Berliner Republik gar nicht vorgesehen – die kulturelle, mediale und schließlich auch politische Hegemonie des linken Lagers wirkt als Schutzpanzer für antifaschistische Gemüter. Apropos Antifaschismus: Kühnert scheint in dieser Szene keine Berührungsängste zu kennen.
Der Antifa-Journalist »Sören Kohlhuber«, mit dem sogar der linke »Störungsmelder« von Zeit Online 2017 die Zusammenarbeit einstellte, plauderte auf seinem Blog im Dezember 2019 offen aus, daß er Kühnert mindestens seit 2007 (!) kenne: Kühnert habe ihm damals einen »aufblasbaren Riesenpenis in Regenbogenfarben« geschenkt: »Dieser fuhr, in Anlehnung an schwule TeBe-Fans, mit zu seiner ersten Auswärtsfahrt.« TeBe steht für den Sportverein Tennis Borussia aus dem Berliner Westend. Dessen Fußballsparte ist bekannt für ihre Antifa-durchsetzte Fanszene.
Bei so wenig Distanz zu Linksradikalen und entsprechenden politischen Standpunkten läßt sich erahnen, daß die bundesdeutsche Linke auf die 4,9‑Prozent-Wahlpartei Die Linke verzichten könnte; mit den Jusos hat man eine viel wirkmächtigere Truppe im Reichstag. Sie dürfte künftig immer dann, wenn es nötig scheint, entsprechenden ideologischen Druck auf das bürgerlich-sozialdemokratische Feigenblatt Olaf Scholz ausüben. In Kooperation mit den ebenfalls von antideutschen Ressentiments geprägten Junggrünen und den opportunistisch-progressiven Jungliberalen läßt die vielerorts gefeierte »Verjüngung« des deutschen Parlamentsbetriebes nichts Gutes erahnen.