Thomas Hobbes: Über die Ketzerei und die Bestrafung derselben

von Konrad Gill -

 

Daß ein gerufener politischer Geist nach Austritt meist nicht mehr in die Flasche paßt, mußten nicht nur Revolutionäre in Paris oder Honoratioren in Berlin erleben.

Auch der Staats­denker Tho­mas Hob­bes, der die Rech­te des eng­li­schen Königs in Flug­schrif­ten ver­tei­digt und dafür mehr als ein Jahr­zehnt im Exil ver­bracht hat­te, stand unter wech­seln­den Sys­te­men dau­ernd unter Ketzereiverdacht.

Spä­tes­tens nach der Restau­ra­ti­on der Mon­ar­chie galt der Ein­zel­gän­ger vie­len als Häre­ti­ker; der geis­ti­ge Herold eines radi­ka­len Abso­lu­tis­mus (wohl) ohne Wider­stands­recht muß­te nun eine Aus­flucht fin­den, um sich nicht aber­mals im Exil oder vor einem Kir­chen­ge­richt wie­der­zu­fin­den. Vor die­sem Hin­ter­grund und ange­sichts eines kon­kre­ten Angriffs durch einen angli­ka­ni­schen Bischof ent­stand die His­to­ri­cal Nar­ra­ti­on con­cer­ning Here­sy, And the Punish­ment the­reof, ver­öf­fent­licht post­hum 1680 und in der hier bespro­che­nen Aus­ga­be erst­mals ins Deut­sche übersetzt.

Der schma­le Band fügt die­se Ver­tei­di­gungs­schrift in eige­ner Sache zusam­men mit einem Aus­zug aus dem Dia­log De Here­si (Nach­trag zum ­Levia­than, Kap. 2, erschie­nen 1668) sowie einem kun­di­gen Nach­wort des Wie­ner Phi­lo­so­phie-Eme­ri­tus Peter Kam­pits, dem aber anzu­mer­ken ist, daß es all­zu­viel über die­se kur­zen Schrif­ten nicht zu sagen gibt. Statt des­sen gibt der Autor einen Über­blick über Hob­bes’ Werk, ins­be­son­de­re die Staats­theo­rie des Levia­than. Sei­ne His­to­ri­cal Nar­ra­ti­on läßt Hob­bes mit einem Rück­blick auf die Begriffs­ge­schich­te der »Häre­sie« und die Ent­wick­lung der hel­le­nis­tisch-römi­schen Phi­lo­so­phie beginnen.

Den brei­tes­ten Raum nimmt dann eine detail­rei­che Nach­er­zäh­lung der Inter­pre­ta­ti­ons- und Dog­men­strei­te­rei­en ein, die das frü­he Chris­ten­tum zu bewäl­ti­gen hat­te; eine gewis­se Iro­nie kann man der Abhand­lung nicht abspre­chen. Die Dar­stel­lung der früh­christ­li­chen Hete­ro­do­xien flicht Hob­bes über­sicht­lich und geschickt in die Abschnit­te des aus die­sen Kämp­fen her­aus ent­stan­de­nen apos­to­li­schen Glau­bens­be­kennt­nis­ses. Weni­ger über­zeu­gend erscheint sei­ne Her­lei­tung aus den Ergeb­nis­sen die­ser (zu sei­nen Leb­zei­ten schon weit über 1000 Jah­re zurück­lie­gen­den) Gescheh­nis­se sowie der eng­li­schen Geschich­te, war­um er gar kein Ket­zer sein oder aber jeden­falls des­we­gen nicht bestraft wer­den könne.

Für den heu­ti­gen Leser inter­es­san­ter sind die hier abge­druck­ten, kur­zen Aus­zü­ge aus dem Dia­log De Here­si zu den The­men Ver­ant­wor­tung und Stra­fe, Sün­de und Ver­bre­chen. Geist­reich liest sich Hob­bes’ auf Grund­la­ge sei­ner skep­ti­schen Anthro­po­lo­gie zu nach­sich­ti­gen Urtei­len kom­men­de Unter­schei­dung von posi­ti­vem Recht (Abwei­chung: Ver­bre­chen) und Natur­recht (Abwei­chung: Sünde).

Fach­leu­ten wer­den die­se Anhän­ge zum Haupt­werk schon bekannt gewe­sen sein; in der Über­set­zung die­nen sie nun auch inter­es­sier­ten Lai­en zum bes­se­ren Ver­ständ­nis der ent­spre­chen­den Kapi­tel aus dem Levia­than (v. a. Kap. 26 und 27) und dürf­ten in Zukunft mit die­sen zusam­men gele­sen werden.

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Tho­mas Hob­bes: Über die Ket­ze­rei und die Bestra­fung der­sel­ben. Mit einem Nach­wort von Peter Kam­pits, Wien/Leip­zig: Karo­lin­ger Ver­lag 2021. 72 S., 18 €

 

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