Kritik der Woche (39): Raserei

Auf interessante Sachbücher stoße ich, wenn ich Verlagsvorschauen durchblättere. Der Werbetext sagt, wohin die Reise geht und ob es von Interesse ist.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

In der Bel­le­tris­tik­wahl ist es ungleich schwie­ri­ger. Es wird oft viel ver­spro­chen, was der Text nicht hal­ten kann. Ich schaue, daß ich regel­mä­ßig in einer Buch­hand­lung zu sit­zen kom­me und die Neu­erschei­nun­gen gründ­lich durch­schmö­kern kann.

Dabei bin ich eben auf den neu­en Roman von Sascha Reh gesto­ßen, Rase­rei. Ein Retro­co­ver wie aus den Sieb­zi­gern. Ich war bei der Lek­tü­re sofort drin: Jonas Nim­rod (der alt­ori­en­ta­li­sche Name mag etwas zu bemüht gewählt sein) ist „Rei­se­blog­ger“. Eigent­lich ist aber sei­ne Frau Vera die begab­te und halb­wegs erfolg­rei­che Blog­ge­rin: LifeIsAJourney.com. Jonas betreibt das Management.

Er ist es, der Rei­se­da­ten plant, Ter­mi­ne mit Spon­so­ren wahr­nimmt und die An- und Abfahrts­zei­ten der Bus­se und Züge im Kopf hat. Ein Influen­cer-Dasein ist ja kein Zucker­schle­cken, wenn man nicht gera­de zu den Top-100 gehört.

Zuhau­se ist man in Ber­lin, und zwar in eher pre­kä­ren Umstän­den. Man drif­tet mit den zwei klei­nen Söh­nen Mats und Enno ziem­lich spek­ta­ku­lär durch die Welt, aber man kehrt letzt­lich doch in die Plat­te zurück. Vera macht so ihr Ding und fin­det noch in jedem Cha­os „Foo­ta­ge“, Jonas hin­ge­gen reser­viert Vie­rer­plät­ze im welt­wei­ten ÖPNV.

War´s das? Jonas ist fünf­und­drei­ßig, Vera deut­lich jün­ger. Jonas muß zusätz­lich Gitar­ren­stun­den geben, um „die­sen Traum zu leben“ und zwei­felt zuneh­mend an die­sem abge­ho­be­nen Entwurf.

Aber dann kommt es: Etwas ganz ande­res hebt ab. Die Fami­lie kehrt gera­de von einer gespon­sor­ten Rei­se nach Ber­lin zurück, zurück in die Plat­te. Da heult ein Motor auf. Bedroh­lich. Es kann sich eigent­lich nur um einen Betrun­ke­nen han­deln, hof­fent­lich wird er bald aus dem Ver­kehr gezo­gen! Jonas haßt prot­zi­ge Autos und ihre Fahrer.

Pech: Das Auto bret­tert über den Bord­stein und erfaßt zwei Men­schen. Jonas´ Fami­lie ist nun­mehr zwei­köp­fig. Die Toten sind Enno und Vera. Mats und Jonas überleben.

Jonas sinnt auf Rache. Der Fah­rer heißt Rado­mir Milic. Er war betrun­ken – als „streng­gläu­bi­ger“ Mos­lem. Er ist ein stadt­be­kann­ter Clan-Anwalt. Rado­mir ist ver­strickt in inter­na­tio­na­le Machen­schaf­ten, und wie! Er spielt aber die seriö­se Num­mer, und sein lan­ger Arm kann auch in Pres­se­re­dak­tio­nen eingreifen.

Rado­mirs eis­kal­te Gewis­sen­lo­sig­keit hat eine lan­ge Geschich­te, die erst im letz­ten Vier­tel des Buches auf­ge­deckt wird. Wer den über­wäl­ti­gen­den oscar­no­mi­nier­ten Film Die Frau, die singt – Incen­dies (2010) gese­hen hat, wird sich bei der Lek­tü­re von Rase­rei an die­sen Strei­fen erin­nert füh­len. Leu­te, die in Krie­ge und mör­de­ri­sche Gewalt invol­viert waren, mögen ihrem Land ent­kom­men – aber nicht der Rase­rei, die in ihnen steckt. Wie bei Die Frau die singt geht es hier auch um impor­tier­te Gewalt.

Ein Mann wie Jonas mag im Rache­rausch sein, aber sei­ne Grun­die­rung bleibt zivi­li­siert, weich, pazifiziert :

Jonas muss sich dar­über klar wer­den, wie weit ihn sein Bedürf­nis nach Gerech­tig­keit tra­gen wird. Die Tat­sa­che, dass er kaum Erfah­rung mit Gewalt hat, wür­de ihn sehr wahr­schein­lich dar­an hin­dern, zu Milic zu fah­ren, zu klin­geln und ihn zu erschie­ßen. Irgend­et­was wür­de ihn, wenn er es ver­such­te, davon abbrin­gen. Die Gegen­wart eines Men­schen ver­än­dert die Vor­stel­lung, die wir uns vor der Begeg­nung gemacht haben. Plötz­lich ist alles anders: Die leib­li­che Prä­senz erzeugt das Gefühl von Auto­ri­tät und Domi­nanz des ande­ren oder ver­mit­telt, im Gegen­teil, Empa­thie, viel­leicht sogar Ver­letz­lich­keit. Plötz­lich sieht man etwas in dem ande­ren Men­schen, das man vor­her nicht gese­hen hat. Der Hass, der die geplan­te Tat antrei­ben soll­te, schwindet.

Gegen Ende wird Jonas Nim­rod den­noch vor Milic ste­hen und zie­len. Damit ist nichts über den Aus­gang der Geschich­te gesagt.

Das hier ist ein „Kri­mi plus“, der es in sich hat. Sozio­lo­gisch fun­diert und mit sei­nem Per­so­nal ganz im Hier & Heu­te. Es ist nicht wie im „Tat­ort“, wo von vorn­her­ein klar ist, daß die Lin­ken und die Frem­den (die zunächst natür­lich ver­däch­tigt wer­den) letzt­lich nicht „die Bösen“ sein werden.

Erst post­lek­tü­risch habe ich ergoo­glet, daß die­ser Mann mit dem selt­sam andro­gy­nen Namen „Sascha Reh“ ein unab­hän­gi­ger Kopf zu sein scheint: 2020 war Reh Erst­un­ter­zeich­ner des Appells „für freie Debat­ten­räu­me“. Und als die „umstrit­te­ne“ Kaba­ret­tis­tin Lisa Eck­hart aus poli­tisch-kor­rek­ten Grün­den vom  Ham­bur­ger „Har­bour-Front-Lite­ra­tur­fes­ti­val“ aus­ge­la­den wur­de, sag­te Reh sei­ne Teil­nah­me soli­da­risch ab.

Dies nur am Ran­de. Es ist ein wirk­lich guter, packen­der Roman.

– – –

Sascha Reh: Rase­rei. 235 Sei­ten, 22 € – hier bestellen.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

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Kommentare (20)

Laurenz

7. November 2022 14:36

Wieder ein schön zusammengefaßtes Buch.

Zuhause ist man in Berlin, und zwar in eher prekären Umständen.

Ist nicht jeder, der im Kalkutta an der Spree lebt, in einer prekären Situation?

So schön die Villen am Wannsee auch sind, für kein Geld der Welt dorthin. Die einzige Ausnahme wären die ehemaligen Botschaften Japans oder der Türkei....

Volksdeutscher

7. November 2022 16:27

Na mal sehen, wie lang es dauert, bis die linke Hysterie das Buch mit Schaum vorm Mund ins Visier nimmt und die ersten Blitze losschickt, da das Buch unterschwellig Vorurteile und Haß verbreite, wobei doch ein jeder wisse, daß der Fremde ein irgendwie besserer Mensch sei.

Doch was die arme ausgeladene Liserl betrifft, sei jedem empfohlen, sich ihren Stuß mal anzuhören, wonach "diese Partei, gemeint ist die AfD, weder Anstand noch Verstand besäße". Überleben wollen, koste, was es wolle. Charakterstärke ist aus anderem Stoff. Rückgrat auch.

Kositza: Naja. Welche Partei hat, bei Lichte besehen, Anstand und Verstand.

https://www.youtube.com/watch?v=_0U9dM0NtSA

 

anatol broder

7. November 2022 17:47

am impressum des buches erkenne ich, dass sascha reh zu den amtlichen kulturschaffenden gehört:

Der Autor dankt der Kulturverwaltung des Berliner Senats.

an den ersten zwei sätzen des romans erkenne ich, dass kein lektor zu den langjährigen freunden von sascha reh gehört:

Obwohl er besser Italienisch spricht als Vera – sicherer in der Grammatik, mit größerem Wortschatz –, ist meistens sie es, die das Reden übernimmt. Sie ist zugewandt und herzlich und gibt ihren Kooperationspartnern und Gastgeberinnen fast immer das Gefühl, langjährige Freunde zu sein.

aber ich kann nicht erkennen, warum kositza den namen sascha reh «seltsam androgyn» findet.

Kositza: Na kommen Sie, wer außer Antaios und noch einer Handvoll Verlagen hat nicht v.a. staatlich geförderte Kulturschaffende in seinem Programm? Sogar wir hatten mal "Kulturförderung" genossen. Bitte keine Reinheitsphantasien!
An der inkriminierten Passage gibt´s m.E. nicht viel auszusetzen. Was denn? Daß es Gastgeberinnen sind? Na und.
Sascha ist ein Frauen- wie ein Männername. Ein Nachbar hier hatte seinen Sohn Sascha genannt, und das Amt hatte damals (18 Jahre her) einen geschlechtlich eindeutigen Zweitnamen verlangt. (Das wurde dann, witzig genug, "Alexander"). Und "Reh" ist wohl eins der am eindeutigsten weibl. konnotierten Tiere.

Andrenio

7. November 2022 18:29

Danke für die Erwähnung des Filmes „Die Frau die singt“. Dieser Film ist absolut sehenswert. Man sollte allerdings einen Freitag oder Samstag dafür vorsehen. Ich konnte danach die ganze Nacht nicht schlafen. An Grauen wurde der Film nur noch von „Wolhynien“ übertroffen, der wegen seinem historischen Bezug zum gerade stattfindenden Ukrainekrieg besonders aktuell ist.

 
Kositza: Ja, "Die Frau.." hallt lange nach, hab ihn mehrmals gesehen. "Wolhynien" kenne ich nicht, schick ihn uns doch gern mal zu, falls Du ihn materiell besitzt!

Volksdeutscher

7. November 2022 18:42

@Frau Kositza

Ich würde meine Enttäuschung von ihr nicht besser kompensieren können, als Sie es durch Ihre relativierende rethorische Frage getan haben. Wenn das aber etwas allgemein Bekanntes, Normales, Gewohntes darstellt, was sie da von der AfD behauptet, dann ist es nicht gerade verständlich, warum sie so einen Wert darauf legt, es zu betonen. Anders hätte es sich verhalten, wenn sie das Behauptete auf Parteien allgemein gemünzt hätte, zum Beispiel so: "Parteien haben keinen Anstand und Verstand". Ihre Distanzierung ist in meinen Augen die typische, von Künstlern oft zu vernehmende Form der Reaktion, wenn sie einen Karrierebruch befürchten, ihn jedoch nicht in Kauf nehmen können. Welche Souveränität oder Integrität erwartet man denn auch von Karrieristen? Den AfD-lern möchte ich jedoch ungebetenerweise raten, sich nicht gleich auf irgendwelche Minutenmännchen und -weibchen zu stürzen, nur weil diese irgendetwas Artiges zum Wohle ihres beruflichen Fortkommens gesagt haben, was sie dann am Ende dann doch nicht so gemeint haben möchten, denn man habe sie ja mißverstanden und ihre Worte arg verdreht....

Kositza: Ich sehe tagtäglich so viel Opportunismus & Feigheit, daß ich längst nicht von irgendwem "da draußen" (also von "Promis") erwarte oder erhoffe, er würde sich NICHT distanzieren. Ich sehe aber, daß sie, LE, viel unverfrorener auch in andere Richtungen austeilt als das alle anderen in ihrem Fach tun. Und was heißt schon "Karrieristin". Zwischen "über Leichen gehen" und "nicht den Martyrer geben wollen" ist ja einiger Raum.

Nordlicht

7. November 2022 20:50

Der Protagonist trägt Verwantwortung für sein Kind, und dies sollte ihn 

"... daran hindern, zu Milic zu fahren, zu klingeln und ihn zu erschießen."

So plump zu handeln wäre der direkte Weg zu einr langen Gefängnisstrafe. Rache darf nicht das Denken ausschalten. Im Gegenteil sollte sehr viel Gehirnschmalz aufgewendet werden, damit durch die Rache das eigene Elend nicht noch grösser wird. 

RMH

7. November 2022 21:06

Liest sich interessant, werde ich für den nächsten Urlaub vormerken. Einziger Punkt, der etwas abwegig klingt: Reisejournalismus auszuüben mit Kindern dabei. Aber darauf kommt es ja offenbar nicht entscheidend an.

PS: LE kann man gut anhören, kommt aber nicht authentisch rüber. Kunstfigur eben, wohl temperierter Tabubruch, sowas, was Walter Moers mit dem kleinen Arschloch etc. früher mal gemacht hat, nur eben jetzt intellektuell 3 mal upgegradet (aber auch Moers ist mit "Käpt´n Blaubär" zusätzlich in Richtung bezahlte Altersversorgung abgebogen. Das versucht die E. eben durch Dauerauftritte). Im Meer des Schrotts an YT-Links, die man über die Messenger täglich angespült bekommt, noch das, was man am ehesten antippen kann.

PPS:

@Laurenz,

war immer Gegner von Berlin als Hauptstadt. Frankfurt am Main wäre passender für diese Republik gewesen. Berlin ist vorbei ... lange.

Laurenz

7. November 2022 23:18

@RMH @L.

Berlin, Frankfurt oder Bonn

Richtig, aber da man Bonn gewählt hatte, Dank Konrad dem Senilen, hätten man die ganzen Bundeskaschberln auch das lassen können. Aber der rollenden Schwabe meinte, es müßte Berlin sein. Aus Berlin kam selten was Gutes. Prag war die viel bessere Hauptstadt, historisch betrachtet.

Gracchus

7. November 2022 23:29

Nicht uninteressant. Mich stößt nur etwas das Präsens ab, was nicht heißt, dass ein Text im Präsens nicht funktionieren kann (s. Coetzee), aber dessen Verwendung ist ubiquitär geworden. "Soziologisch fundiert" ist für mich auch kein Kompliment, das klingt, als würde jemand wie @imagine eine Erzählung schreiben. 

Ich empfehle als Krimi +: Andrej Belyj: Petersburg. 

Ich bin auch kein Fan von EL. Natürlich: ein kleiner Farbtupfer. Aber jetzt ... na ja ... Geschmackssache. Nur nehme ich ihr auch nicht übel, wenn sie die AfD bescheuert findet. 

Eo

8. November 2022 00:26

 

Ach Laurenz,
Berlin ist zwar zum Abgewöhnen, aber das ist doch vielerorts genauso, wie zB. im einst schönen, beschaulichen Limburg ...

Nur gilt das nicht
generell. In Schlachtensee etwa läßt es sich noch aushalten, auch wenn da öfters Zischeuner vorm Aldi stehen. Und folglich versuchen in den letzten Jahren immer mehr Multikulti-Flüchtlinge, also junge deutsche Familien mit kleinen Kindern, dort ansässig zu werden.

Die allerdings,
wie die Wahlergebnisse in den umliegenden Wahllokalen zeigen, weiterhin grün oder sonstwie links wählen. 

 

Volksdeutscher

8. November 2022 05:15

Frau Kositza - "Zwischen "über Leichen gehen" und "nicht den Martyrer geben wollen" ist ja einiger Raum."

Ja, das stimmt, man kann das in der Wirklichkeit so handhaben, solange die betreffende Person einem emotional ferne steht, wie die Eckhart Lieserl - oder ihr die AfD. Ich glaube jedoch, nicht allzu weit von der Wahrheit enfernt zu sein, wenn ich behaupte, daß sowohl Sie als auch ich mit solchen Distanzierungen anders umgingen, würde einer unserer Freunde oder Verwandten sich von uns in aller Öffentlichkeit auf die Weise lossagen. Es ist weniger der Fakt der Distanzierung an sich, der die Distanzierung so geschmacklos macht, sondern der Umstand, daß die sich von uns distanzierende Person die Öffentlichkeit dazu benutzt und Schutz in der wärmenden Herde sucht, der sie uns jäh ausliefert.

"Über Leichen gehen" ist das eine Ufer mit festem Boden unter den Füßen - "nicht den Martyrer geben wollen" ist das andere. Dazwischen bietet der Morast "einigen Raum" an Auswahl- und Bewegungsmöglichkeiten. Meine Welt ist nicht von dieser Welt.

RMH

8. November 2022 09:11

"Ich empfehle als Krimi" (Gracchus)

Ist das Buch von S. Reh ein Krimi? Nach der Rezension eher nicht. Aber eben ein durchaus klassischer Plot. Jemand wird aus dem Alltag durch ein tragisches Ereignis heraus gerissen aus der Normalität und dann geht es los ... während alle anderen wie Uhrwerke brav weiter in ihrem Alltag laufen.

Laurenz

8. November 2022 13:02

@Eo @L.

Kalkutta an der Spree

Bei der Wahl der Hauptstadt geht es doch nicht um die Wohnqualität der Bürger, auch wenn das in meiner persönlichen Abneigung vielleicht so zu verstehen war. Dann müßten wir wohl die Hegewiese, ein halblegaler Stadtteil der Gemeinde Schmitten im Taunus zur Hauptstadt küren. Meine Abneigung gegen Berlin ist vordergründig politischer Natur, hintergründig spiritueller Natur & ein durch die Jahrhunderte des Schmarotzens am Reich oder Bund versauten Charakters der Berliner.

Wenn wir die historische Rechnung aufmachen, kam aus Berlin wenig Gutes, aber viel Ungemach & Leid. Da geht mir der Gründungsmythos Berlins durch die Templer (in der Legende eine Vision in den Ruinen Karthagos) am Allerwertesten vorbei. Und wie bereits erwähnt, war Prag 300 Jahre lang als Hauptstadt des I. Reichs wesentlich erfolgreicher. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Ich frage heute noch jeden Tschechen, den ich treffe, was er da verloren hat. Herrn Bystron habe ich leider noch nie kennenlernen dürfen.

Laurenz

8. November 2022 13:20

Bezüglich Lisa Eckhart oder Lasselsberger läßt sich sagen, daß ihr Lebenslauf, vor allem für ihre Generation, bemerkenswert ist.

Da überhaupt einen Mann gefunden zu haben, der genügt, ist auch eine Leistung. Die Wahlheimat Leipzig mag auch interessant sein. Frau Eckhart lebt vor allem von Tabubrüchen, künstlerisch ähnelt sie da Rammstein. Das macht sie schon wirklich gut, auch wenn das manche, wie zB auch manche Mitglieder der AfD, mißverstehen. Nichtdestotrotz werden mutmaßlich die meisten ihrer Einnahmen aus dem ÖRR generiert werden, vor allem die vielen Auftritte bei Dieter Nuhr werden dafür Garant sein.

Aber wir hier müssen davon ausgehen, daß Frau Eckhart in jeder Epoche Karriere gemacht hätte, auch bei realexistierenden Sozialisten oder Nationalsozialisten. Künstler, die Engagements haben wollen, sind immer irgendwann Büttel der Herrschenden. Frank Sinatras Karriere ging über die Mafia, nur um ein Beispiel zu geben, wie Herrschaft aussehen kann.

Und wie EK korrekt bemerkte, kommt im Grunde keine Partei bei Frau Eckhart gut weg, wenn sie überhaupt ins Programm findet. Und lieber eine Scheiß'-PR als keine PR.

ede

8. November 2022 22:08

Was den Roman angeht, denke ich, kann man Frau Kositzas Nase schon vertrauen.

Da die Lisa E. nun auch Thema ist:

Zweifellos eine ganz ungewöhnliche Künstlerin. Da gelten andere Maßstäbe. Trotzdem halte ich die Reserviertheit von Volksdeutscher für berechtigt. Eine Distanzierung zur AfD, die mit "Wie wir alle wissen..." einleited ist enttäuschend schwach. Genau auf eine solche Frage muss mehr kommen, als den Hut zu grüßen, weil sie erwartbar ist.

Franz Bettinger

9. November 2022 07:58

@Ede hat recht. Gerade von der schlauen Lisa Eckhart hätte auf die Gretchen-Frage „Wie hältst du’s mit der AfD?“ mehr kommen müssen, als nur den Geßler-Hut zu grüßen und einen "Applaus von der falschen Seite" zu bedauern. LE's verständlich unanständige Distanzierung  von der einzigen Opposition im Land ist die altbekannte Reaktion schnatternder (=ängstlich alarmierter) Künstler, die nach polit. Unkorrektheiten (Versuchen, die Wahrheit zu sagen) eine zerschmetterte Karriere befürchten. Man denke an Hans Rudolf Kunzes Lied „Willkommen liebe Mörder“ (2015) und seinen an Haaren herbeigezogenen Umdeutungsversuch, der gleichzeitig ein erfolgreicher Fluchtversuch vor der Merkelschen Inquisition war. Muss man Verständnis haben? Ich denke Ja. Lieber eine feige, aber politisch erfrischend unkorrekte Lisa, als gar keine Eckhart. Ihr Künstlername sagt alles. Nomen est omen. 

Dieter Rose

9. November 2022 08:17

@Laurenz

irgendwo mal gelesen: seit in Berlin der Pergamonaltar aufgebaut sei, habe Berlin verstärkt das Unglück angezogen.

Wer weiß mehr darüber?

Volksdeutscher

9. November 2022 08:35

@ede

Das Geschmacklose an der Einleitung "Wie wir alle wissen" ist Lieserls distanzlose Bekenntnis ihrer Zugehörigkeit zur Herde. Sie hat nicht nur keine eigene Meinung, sie kann sich auch keine eigene leisten. Von Leuten jedoch, die sich nicht nur Künstler nennen oder genannt werden, sondern auch Künstler sind, darf man zu Recht mehr Subjektivität, Individualismus und erst recht mehr Unangepaßtheit erwarten. Wer danach handelt, tut dies nicht aus Hang zum Martyrium, sondern verteidigt damit seine künstlerische Integrität auch in solchen Momenten, wo es nicht um ästhetische, sondern moralische Fragen geht. Und das umso mehr, da Lieserl in den Augen ihres Publikums als eine provokante und mutige Frau erscheinen und sich ihm auch als solche verkaufen möchte. Die Karriere von Minutenmännchen und -weibchen werden jedoch von den Medien gemacht. Ihre Karriere kann von diesen in Minutenschnelle wieder zerstört werden. Heißes Eisen anpacken, um sich daran die Finger zu wärmen, aber wo es dann zu heiß wird, wieder fallen zu lassen... Das war von ihr nun wirklich keine große Attraktion - wenn das eine war.

Laurenz

9. November 2022 14:06

@Volksdeutscher, Ede & Franz Bettinger

Wir haben hier zwar einige Dissidenten, die aufgrund ihrer politischen Haltung berufliche Einschränkungen hinnehmen mußten, wie zB Maiordomus, aber das haben die wenigsten Konservativen in der Nachkriegszeit in Kauf genommen. Natürlich gibt es die Divergenz von Künstlern & Exil-Künstlern des III. Reichs. Aber Gustav Gründgens war eben ein großer Darsteller, III. Reich hin oder her. Für Sportler, wie für echte Künstler besteht die komplette Welt nur aus der Passion. Und es ist schon etwas unverfroren oder gar unverschämt, von Künstlern die Aufgabe ihre Leidenschaft zu erwarten. Wenn überhaupt kann man von Künstlern, wie in der DDR, zwischen-den-Zeilen-Kunst erwarten. Auch ein Goethe mußte Seinem Fürsten gerecht werden, die Künstlerproblematik ist gut im Torquato Tasso nachzuvollziehen. Von daher, meine Herren, nehmen Sie bitte mal etwas Abstand zum Thema & Ihrer von übermenschlichen Erwartungen geprägten Fundamentalkritik ein. Das ist schon fast unwürdig absurd. Der Fehler liegt doch vielmehr in unserer Unfähigkeit begründet, Macht zu generieren & die Künstler für uns arbeiten zu lassen.

links ist wo der daumen rechts ist

10. November 2022 13:34

 

Pforten der Wahrnehmung

 

Ad Lisa Eckhart:

Ich versteh‘s nicht ganz.

Hört man sich die Passage im verlinken Video genau an, geht es ihr doch nicht nur um die AfD. Aber hier wieder einmal nur einen Satz herausnehmen, um sie daran aufzuhängen…

Bei dem ganzen Gejammer um die Verengung des Meinungskorridors sollte es doch schnurz sein, wer oder was den weitet oder auch irgendwann einmal sprengt, warum nicht auch von links, ob Frau Guerot (gute Besserung an dieser Stelle), ob Frl. Eckhart oder meinetwegen auch Wrecht-Pelzer. Ist das Tor einmal offen, kann auch anderes hinein.

Der Hinweis eines Mitkommentators, fünf Jahre habe es gedauert von „Finis Germania“ bis zu „Endspiel Europa“, ist natürlich nicht unwitzig, bleibt aber nur eine Fußnote.

Und die AfD ist etwa im direkten Vergleich zur FPÖ halt einmal eine Schulrüpel- und Nasenrammelpartei.

 

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