Kritik der Woche (40): Gretha Jünger und Carl Schmitt

Die Autorin, die bis 2009 Politikwissenschaften in Freiburg lehrte, hat im letzten Jahr eine umfangreiche Biographie über Gretha Jünger vorgelegt.

Erik Lehnert

Erik Lehnert ist promovierter Philosoph.

Jenes Buch wid­me­te sich der ers­ten Ehe­frau Ernst Jün­gers in allen Facet­ten ihres Lebens. Im aktu­el­len Bänd­chen bie­tet Vil­lin­ger einen kon­zen­trier­ten Blick auf die bei­den wesent­li­chen Bezugs­per­so­nen von Gre­tha Jün­ger: ihren Mann Ernst Jün­ger und den schon damals bekann­ten Staats­recht­ler Carl Schmitt. Ist die Nähe bei Ehe­leu­ten, deren umfang­rei­cher Brief­wech­sel als Aus­wahl eben­falls erschien, nahe­lie­gend, so ist sie bei Carl Schmitt erklärungsbedürftig.

Die Ehe­paa­re Schmitt und Jün­ger lern­ten sich im Ber­lin der frü­hen 1930er Jah­re ken­nen und schätz­ten sich so sehr, daß Carl Schmitt 1934 die Paten­schaft für den zwei­ten Sohn der Jün­gers, Alex­an­der, ange­tra­gen wur­de, die die­ser gern über­nahm. Zu die­sem Zeit­punkt wird es aller­dings schon schwie­rig zwi­schen den bei­den Män­nern, die sich nach 1933 grund­sätz­lich unter­schied­lich zum NS-Staat posi­tio­nie­ren. CS stellt sich vor­be­halt­los in sei­nen Dienst, Jün­ger geht aufs Land und hat wenig Ver­ständ­nis für Schmitts Ent­schei­dung. Eine zwei­te Erschüt­te­rung erlebt die Bezie­hung nach dem Krieg, als Ernst Jün­ger die Kri­tik Schmitts an sei­ner publi­zis­ti­schen Ver­wer­tung der ver­gan­ge­nen Jah­re zurück­weist und ihm die Berech­ti­gung dazu mit einem Hin­weis auf Schmitts Ent­schei­dung von 1933 abspricht, vor der er ihn gewarnt hätte.

Das ist die im Titel erwähn­te „Sache selbst“, die sich in der Kom­mu­ni­ka­ti­on der bei­den in zahl­rei­chen Eitel­kei­ten und dem zeit­wei­sen Abbruch des Brief­wech­sels nie­der­schlägt. So typisch für Jün­ger das distan­zier­te Schrei­ben von All­ge­mein­plät­zen war, so kenn­zeich­nend war für Schmitt sein Hang zur Lar­moy­anz. Sie sind sich jedoch dar­in ähn­lich, daß es bei­de wun­der­bar ver­ste­hen, den ande­ren zwi­schen den Zei­len mög­lichst genau an dem wun­den Punkt zu treffen.

Die Rol­le, die Gre­tha in die­sem eit­len Gefecht spiel­te, ist die der Ver­mitt­le­rin. Sie ist die­je­ni­ge, die Ver­bin­dung hielt, indem sie mit Schmitt und sei­ner Frau einen zeit­wei­se regen und inhalts­rei­chen Brief­wech­sel führ­te, als Jün­ger von Schmitt nichts wis­sen woll­te. Die­se Brie­fe sind schon vor eini­gen Jah­ren publi­ziert wor­den, eben­so wie der zwi­schen Schmitt und Jün­ger sowie der zwi­schen Schmitt und Armin Moh­ler, der Anfang der 1950er bei Jün­ger als Sekre­tär arbei­te­te und gleich­zei­tig mit Schmitt in regem Aus­tausch stand.

Gre­tha Jün­ger mach­te für das Zer­würf­nis ihres Man­nes und Schmitt vor allem die Hin­ter­trei­be­rei­en von Moh­ler und ande­ren (u.a. Ger­hard Nebel) ver­ant­wort­lich. Moh­ler war sicher jemand, der mit Infor­ma­tio­nen, die er sei­ner her­aus­ge­ho­be­nen Stel­lung ver­dank­te, hau­sie­ren ging, viel­leicht aber auch gene­rell damit über­for­dert war, sei­nen bei­den so unter­schied­li­chen Ido­len loy­al zu sein. Aller­dings ent­schul­digt ein Blick in die Auf­zeich­nun­gen von Schmitt, die er unter dem Namen Glos­sa­ri­um tage­buch­ar­tig notier­te, den jun­gen Moh­ler doch recht ein­deu­tig. Das Res­sen­ti­ment des NS-belas­te­ten Schmitt gegen den smar­ten Jün­ger saß so tief, daß Moh­ler dar­an kaum etwas zu bestär­ken brauch­te. Gre­tha hat Schmitts plötz­li­ches Ver­stum­men (ein bei Schmitt immer wie­der zu beob­ach­ten­des Phä­no­men) ihr gegen­über so ver­stan­den, daß die­ser sie für Moh­ler geop­fert habe.

Wer die Brief­wech­sel der Pro­to­go­nis­ten und die Gre­tha-Bio­gra­phie von Vil­lin­ger kennt, wird in dem Band nichts neu­es über die Per­so­nen erfah­ren. Für alle ande­ren ist er, abge­se­hen von eini­gen auf Geschlech­ter­rol­len ver­wei­sen­de Gemein­plät­ze heu­ti­ger Poli­tik­wis­sen­schaft, eine kurz­wei­li­ge Ein­füh­rung in die ent­schei­den­den Nach­kriegs­jah­re aus dem Blick­win­kel der wich­tigs­ten Vor­den­ker, die wir haben. Hin­zu kommt, daß die Kon­zen­tra­ti­on auf das Wesent­li­che das Büch­lein wohl­tu­end von der etwas geschwät­zi­gen Gre­tha-Bio­gra­phie abhebt.

Inge­borg Vil­lin­ger: Gre­tha Jün­ger und die Sache selbst. Ein Por­trät mit Carl Schmitt, , 106 Sei­ten, 24,90 Euro.

Erik Lehnert

Erik Lehnert ist promovierter Philosoph.

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