Das ist jetzt kein ganz neues Thema. 2008 hatte ich mein unspektakuläres Bändchen Gender ohne Ende. Was vom Manne übrigblieb veröffentlicht. Es erfuhr ein paar Neuauflagen, verkauft sich noch heute (für Sammler: seit letzter Woche gibt es eine weitere Neuauflage) und war eventuell prognostisch – was es heute nicht mehr ist. Denn: Vor fünfzehn Jahren war der weiche Mann weitgehend eine Zukunftsperspektive beziehungsweise ein avantgardistisches Modell.
Anekdote dazu: Damals hatte eine (eher) „rechte“ Freundin von mir das Buch einer „linksrechten“ (also in ambivalenter Haltung befindlichen) Bekannten weitergegeben. Die wiederum ließ es eine „linke“ Freundin (mir ganz unbekannt) lesen. Jene hatte mir damals einen wütenden Brief geschrieben.
Kleines Zitat daraus:
Ihre schlichte Polemik kann bei mir auch daher nicht verfangen, weil ich jeden einzelnen Tag dankbar bin für meinen „weichen Mann“. Wir haben nun unser zweites Kind [es folgte ein weiteres, drittes, wie ich später hörte, EK], und ich bin heilfroh, dass es bei uns nicht mal Aushandlungsprozesse geben mußte, nirgends. Fifty : Fifty in allen Belangen, das war von vornherein klar. Momentan arbeite ich und er ist zuhause. Und das ist sehr gut so. Ich wünsche mir mehr von solchen Männern. Männern, die weinen dürfen, die sich zart und empfindsam zeigen. Es ist ein Fortschritt, den Sie geflissentlich und mit boshafter Grobheit übersehen.
Usw.usf.; die Pointe ist, daß diese Ehe vor ein paar Jahren geschieden wurde, offenkundig gar schlammschlachtförmig. Mit welchem Typ diese Frau nun zusammen ist, schildere ich lieber nicht, es könnte als übertriebene anekdotische Evidenz rüberkommen – außerdem kenne ich die Geschichte ohnehin nur aus zweiter Hand.
Den sogenannten „Frauenversteher“ alias „Softie“ gab es freilich bereits ab 1968. Da war er aber noch eine Sonderedition. Ein Nischenmann, dessen Zukunft aber wachen Zeitzeugen (die das Wort „Friendzone“ noch nicht kannten) schon damals klar vor den Augen stand:
Er war der Typ, der pazifistisch war, diese Haltung aber aggressiv verteidigte. Der Typ, der gern auf die Kinder/das Kind aufpaßte und letztlich als bemitleidenswerter Dämlack endete.
Der Typ, der 50:50 (Stichwort Care-Arbeit) befürwortete und dann, nja, flöten ging bzw. gehen mußte. Weil es attraktivere Männer gibt als den carenden Gatten. (Wie immer bestätigen Ausnahmen die Regel, aber wir sind hier ja nicht bei der ZEIT, wo jede Nischenfigur zum neuen Idol hochgejubelt wird.)
Als ich mein „Gender“-Buch schrieb, gab es immerhin noch die sogenannte Wehrpflicht. Dazu heute: nur müdes Gelächter; unvorstellbar. Den Abitur-Jahrgang (Photos sind allenthalben greifbar) 2022 mal einer Tauglichkeitsprüfung unterziehen? Witz komm raus.
Bereits in meinem Abi-Jahrgang (1993) wollte kaum einer mehr zur Bundeswehr (ich war ohnehin Mädchenschülerin und bekam das am Rande mit); zum sogenannten „Bund“ meldeten sich nur die paar Unzeitgemäßen. „Brust raus“ und Kurzhaarfrisur galten im Zeitalter von Beck („I’m a loser, baby, so why don’t you kill me“) und Kurt Cobain als vollkommen reaktionär und daneben.
Männer, die in den Neunzigern amourös trendeten, mußten zwangsläufig ein melancholisches Loser-Image mit sich tragen, freilich verknüpft mit der Hoffnung auf einen neuen Hippie-Frühling – der natürlich nie kam. Aber es ging ja auch nur um eine Imagination, um eine Behauptung. Punk, Grunge, Straight Edge – es war alles ein einziges pathetisches “als ob”, das für Abende taugte, aber nicht für’s Alltagsleben.
Zeiten ändern sich. Ich mag nicht sagen, daß der athletische Mann als Idealbild ausgesorgt hätte. Für‘s Spektakel sorgen aber andere — “Männer”.
Ich habe hier nur mal als Paradigma ein paar der neuen Helden rausgesucht. Zumindest subkutan ist der Schnitt längst vollzogen. Der weiße, männliche Westeuropäer kuscht. Und zwar auch, ohne „auf der Straße“ mit anderen Männern konfrontiert zu sein. Ich führe vier sehr unterschiedliche, aber hoffentlich sprechende Belege vor:
1. Ein (Mainstream-) Journalist X ist bei uns zu Gast. (Insofern ist er natürlich bereits ein “Mutiger”. Andererseits wissen diese Leute um unsere Dezenz.) Er ist seit Frühjahr 2022 Korrespondent in Madrid. Seine Frau (Wissenschaftlerin) ist mit umgezogen. X (wiewohl er weiß, mit wem er spricht, nämlich mit Antifeministinnen) „Ja, ist mir klar. Total problematisch, es gab auch unendlich Diskussionen. [Typ errötet.] Frau folgt Mann an neuen Wirkungsort, das geht eigentlich gar nicht. Aber ich kann es insofern erklären, daß…“ Wie bitte? Man(n) muß sich heute umständlich für sehr banale Lebensentscheidungen erklären?
2. Eine meine Töchter und ich sind Tatort-Fans. Beschränkt auf einzelne Teams, klar. Wir haben uns die Jubiläums-Doku „Das Tatort-Geheimnis“ angeschaut. Eigentlich mögen wir speziell die Kommissare Prof. Dr. Dr. Karl-Friedrich Börne, Max Ballauf und Jan Pawlak. In den Filmen spielen sie unterschiedliche Formen der Männlichkeit aus: den Narzissten, den „einsamen Wolf“, den melancholisch Suchenden. Sie bedienen in ihren Filmrollen sehr verschiedene, aber klassische Männertypen. Ob leidend, triumphierend, eitel oder mitfühlend: Männer, die… Männer sind!
Nun in dieser Doku, im O‑Ton und unmaskiert: Wir haben es hier offenkundig mit Opfern zu tun. Jan-Josef Liefers und Klaus‑J. Behrend hocken da herum wie Weiber, kreuzen keusch die Beine und äußern sich betulich. Stimmung: wie Altweiberkaffeeklatsch. Rick Okon alias Pawlak trägt Männerdutt. Alle sind supergeschmeidig und total warm. Sie sitzen alle so verbogen, nicht gerade, neigen zuhörend den Kopf, wie es vor hundert Jahren Frauen geboten war. Was ist los mit diesen Typen?
Um Mißverständnisse auszuschließen: ein Mann muß nicht breitbeinig den Erklärertyp abgeben. Auch dann macht er sich peinlich. Einfach aufrecht sitzen, Kopf hoch (normal hoch, niemand soll übertreiben!), das war das alte Normal. Passé!
Das betrifft übrigens keineswegs bloß die Kulturelite. Seit Jugendtagen wurde mir nachgesagt, einen trefflichen Schwulenriecher zu haben. Ich erkannte die Präferenz sinngemäß hundert Meter gegen den Wind.
Klappt heute nicht mehr. Wenn ich heute meine Kinder zu deren Freunden verstohlen frage “er ist schwul, oder?”, trifft das maximal bei 60% zu. Sogar die Stimmlage der gesamtmännlichen Bevölkerung scheint sich irgendwie verändert zu haben. Cis-Männer, die auf homo machen – pff, von mir aus; aber mir gibt das zu denken.
Warum gibt es eigentlich – dies nebenbei – noch keine Untersuchung über Stimmlagen “im Wandel der Zeit”?
3. Man möge sich die Zeit nehmen (Notfalls auf Abspielgeschwindigkeit 1,5 gestellt; wer hat schon Zeit für “sowas”) und sich einige prominente Modeschauen der Wintersaison 2022/23 (Herren) anschauen.
Klar, meine Beispiele sind Haute Couture und also nicht unbedingt straßentauglich. Vielsagend unter dem Gesichtspunkt der Männlichkeit sind sie dennoch. Nehmen wir zunächst dieses neue Video des 1946 gegründeten Luxusgüterherstellers Christian Dior. Es dürfte ein Hochlicht für ästhetisch motivierte Homosexuelle sein. Es ist klassisch inspiriert. Die jungen Herren tragen allesamt wunderbar geschwungene Lippen und nette Täschlein. Darf man kichern, hier und da? Natürlich! Heute gilt es als Kunstwert, wenn ein Klischee überspitzt wird.
Schauen wir dann zu Hermès. Thierry Hermès wurde 1901 in Krefeld geboren, er war gelernter Sattler. Die „neue Mode“ hier ist kaum auffällig, generös betrachtet. Nur, was ist das für eine kuriose Kolonne, die hier ab Min. 8:00 marschiert?
Zuletzt Dolce & Gabbana, das 1985 gegründete italienische Unternehmen. Den Spot zur Herrenmode Winter 2022/23 muß man kaum kommentieren, er spricht für sich selbst, und zwar ab der ersten Minute.
4. Nehmen wir unsere Klimaretter. Sie bringen Aktionen, die etwa für die Identitäre Bewegung unmöglich gewesen wären.
Als sich am 9.11. 2022 zwei Vertreterinnen der “Letzten Generation” protestierend an das Brandenburger Tor klebten, erhielten sie wohlgefällige bis leicht skeptische Berichterstattung, aber kein empörtes “No go”. Anders die Berichterstattung, als die Identitäre Bewegung 2016 das Brandenburger Tor besetzt hatte. Hier wurden die Aktivisten unisono als “Rechtsextremisten”/Rechtsradikale” gelabelt.
Bleiben wir aber beim Faktor Männlichkeit. Man schaue sich die Typen hier (ab Min.0.51) und hier (ab Min. 9.51) an. Oder den hier halt.
Männer, wohin? Als Wahrnehmungsavantgarde (m) sollte man dicht machen und das Seine tun, was sonst? Der gute alte Nietzsche lag in seinem “Zarathustra” gar nicht falsch:
Lebendige Denkmale sollst du bauen deinem Siege und deiner Befreiung. Über dich sollst du hinausbauen. Aber erst mußt du mir selber gebaut sein, rechtwinklig an Leib und Seele.
Dabei wäre das Rechtwinklige heute bereits eine Übererfüllung und mittlerweile eher nur als Satire denkbar. Laßt euch einfach nicht rund machen, das langt schon.
RMH
"Deutsche Männer verkrümeln sich."
Als Ausgleich boomen die Angebote an Selbstverteidigungskursen, krav maga und anderen Schlaubi-Schlau Kursen für Frauen. Zynisch kann man dazu nur sagen, viel Erfolg mit krav maga, wenn man KO-Tropfen im Drink hat oder an eine Gruppe von Männern gerät. Und mit dem Hinweis auf die Gruppe sind wir bei einem Kern des Themas: Es geht um Mehrheitsverhältnisse. Auch die sog. Ausländer gehen in den meisten Fällen nicht alleine in eine Schlägerei sondern im Bewusstsein, im Ernstfall ist da noch jemand. In Mitteldeutschland liegt es auch nicht an rasierten Köpfen und Monteurs-Erfahrung, dass gelegentlich noch robuster vorgegangen wird. Da fühlt man sich im Recht und weis, dass noch jemand da ist, der einen unterstützt. Im Westen hingegen ist Mann allein & fertig. Im Grunde ist das ja auch gut so, dass man seine Konflikte anders austrägt, aber es ist eben vor jeder Softie-Optik oder Herum-Tuckerei vor allem eine Frage der Mehrheiten und vorhanden Rudel. Und da hat der weiße Mann eben gleich zweimal das Nachsehen, keine Mehrheit, kein Rudel, rein Nichts.