Kritik der Woche (41): Nationale Interessen

von Jörg Seidel -- Viktor Orbáns Deutschlandbesuch erregte nicht nur bei Union Berlin großes Aufsehen;

vor allem auch sein Gespräch auf der Büh­ne der „Ber­li­ner Zei­tung“ fand viel Beach­tung. Natür­lich auch ätzen­de Kri­tik – in die­ser Debat­te konn­ten die Deut­schen den unga­ri­schen Minis­ter­prä­si­den­ten viel­leicht zum ers­ten Mal als weit­sich­ti­gen Geo­po­li­ti­ker ken­nen­ler­nen. Im Nach­klapp gab er der deutsch­spra­chi­gen „Buda­pes­ter Zei­tung“ ein aus­führ­li­ches und sehr lesens­wer­tes Inter­view, in dem er auch eine Rei­he Bücher benann­te, die ihn beein­druckt und beein­flußt haben.

Beson­ders hob er Klaus von Dohn­any­is Natio­na­le Inter­es­sen her­vor, ein Werk, das erst Anfang des Jah­res erschie­nen war und sicher nicht ganz zufäl­lig eilig ins Unga­ri­sche über­setzt wur­de. Das Buch konn­te bereits Mit­te Juni in Buda­pest vor­ge­stellt wer­den, von kei­nem Gerin­ge­ren als Ger­ge­ly Gulyás, Kanz­ler­amts­mi­nis­ter und Orbáns rech­te Hand; als deut­scher Ver­tre­ter saß Wer­ner Pat­z­elt an sei­ner Sei­te. Nicht aus­zu­schlie­ßen, daß auch Dohn­any­is unga­ri­sche Wur­zeln bei der schnel­len Ein­füh­rung behilf­lich waren.

Orbán jeden­falls nann­te es „ein außer­or­dent­lich wert­vol­les Buch“, das er auf­grund der „Klar­sicht, mit der von Dohn­anyi die inter­na­tio­na­len Bezie­hun­gen betrach­tet und ana­ly­sier­te“ gleich zwei Mal gele­sen, ja ver­schlun­gen habe. Der Ber­li­ner Dia­log bestä­tigt die­se Aussage.

Was ist das für ein Buch? Und war­um hat es noch so wenig Auf­merk­sam­keit gefun­den? Sicher, auf sei­nem Schutz­um­schlag prangt der Auf­kle­ber „Spie­gel Best­sel­ler“ – ein Zei­chen für den Hun­ger der deut­schen Leser­schaft nach alter­na­ti­ven Deu­tun­gen – und es wur­de in allen gro­ßen Gazet­ten bespro­chen, wenn auch über­wie­gend ableh­nend, und es wäre wohl regel­recht ver­ris­sen wor­den, hät­te es nicht eine Beiß­hem­mung vor der Lebens­leis­tung eines 93-jäh­ri­gen Sozi­al­de­mo­kra­ten gege­ben, der seit den 60er Jah­ren im Polit­ge­sche­hen die­ses Lan­des mit­misch­te, etwa als Staats­se­kre­tär, Minis­ter, Ham­bur­ger Bür­ger­meis­ter und enger Ver­trau­ter von Brandt, Schmidt und Genscher.

Dohn­anyi ist Zeit­zeu­ge. Wenn er aus dem Näh­käst­chen plau­dert, dann soll­te man lau­schen. Spä­tes­tens wenn er sich den geo­po­li­ti­schen Nar­ra­ti­ven der eige­nen Par­tei, ja des gesam­ten amtie­ren­den Polit­kom­ple­xes wider­setzt, soll­te man die Ohren spitzen.

Und wenn wir dann bereits im Vor­wort lesen:

Deutsch­land und Euro­pa sind heu­te in Fra­gen der Sicher­heit und der Außen­po­li­tik nicht sou­ve­rän. Es sind die USA, die in Euro­pa die Rich­tung vorgeben,

dann wis­sen wir, daß die wei­te­re Lek­tü­re lohnt. Man begreift an die­sen Stel­len auch, daß Dohn­any­is Lebens­leis­tung ihn vor der media­len Demon­ta­ge schützt, daß über­haupt nur einer wie er, ein Gran­de, ein Unan­tast­ba­rer, es sich leis­ten kann offen­siv gegen den media­len und poli­ti­schen Main­stream anzu­schrei­ben, ohne ver­nich­tet oder min­des­tens als „rechts“ dis­kre­di­tiert zu wer­den. Kurz: das Buch ver­dient – noch ohne, daß wir eine Zei­le gele­sen hät­ten –  unse­re ganz beson­de­re Aufmerksamkeit!

Es steht frei­lich unter einem Vor­be­halt, unter einer ungüns­ti­gen his­to­ri­schen Kon­stel­la­ti­on. Dort, wo es um Ruß­land oder die Ukrai­ne geht, unter­stellt Dohn­anyi den Rus­sen eine prin­zi­pi­el­le Frie­dens­ab­sicht, hält er einen Angriffs­krieg Ruß­lands für nahe­zu aus­ge­schlos­sen. Weni­ge Wochen nach Ver­öf­fent­li­chung schien die­se Posi­ti­on Maku­la­tur, man konn­te das unbe­que­me Buch erleich­tert bei­sei­te­le­gen und den Autor nun einen Starr­kopf zei­hen, da er doch auf sei­ner Hal­tung beharrte.

Tat­säch­lich hat­te Dohn­any­is Opti­mis­mus eine Kon­di­ti­on, die ihm durch die Hin­ter­tür wie­der recht gab. Es sei die Auf­ga­be deut­scher und euro­päi­scher Poli­tik und Diplo­ma­tie gewe­sen, Ruß­land jeg­li­ches Inter­es­se an einer Aggres­si­on zu neh­men, aber gera­de das sei lang­fris­tig durch die Ost­erwei­te­rung der NATO und kurz­fris­tig durch die Zuge­ständ­nis­se an die Ukrai­ne nicht gesche­hen – hier­in lie­ge die Mit­ver­ant­wor­tung des Wes­tens, Euro­pas, der NATO und der USA.

Dohn­any­is Prä­mis­se geht von knall­har­ten „natio­na­len Inter­es­sen“ aus, die auch hin­ter „schwam­mi­gen Begrif­fen“ wie der „Wer­te­ge­mein­schaft“ lagern. Er begrün­det sie aus der His­to­rie und der jewei­li­gen Geo­gra­phie, die natio­na­le Cha­rak­te­re und Men­ta­li­tä­ten erschaf­fen, his­to­ri­sche Pfa­de vor­ge­ben, und wer die­se mut­wil­lig ver­letzt, wer also sei­ner natio­nal­his­to­ri­schen Natur durch mut­wil­li­ge poli­ti­sche Ent­schlüs­se zuwi­der han­delt und die­se Wege ver­läßt, ris­kiert nicht nur, von den Träg­heits­kräf­ten der Geschich­te über­rollt zu wer­den, er pro­vo­ziert auch mas­sen­haf­tes Leid und Chaos.

Umge­kehrt kommt es in der Poli­tik dar­auf an, die his­to­ri­schen Kon­ti­nui­tä­ten, die geschicht­lich gewach­se­nen Unter­schie­de zu beach­ten, wes­halb es etwa illu­sio­när sei, Xi oder Putin, Chi­na oder Ruß­land – die auf eben­je­nen Pfa­den wan­deln – durch Sank­tio­nen oder Dro­hun­gen von ihrem Weg abzu­brin­gen: es gibt „Pfad­ab­hän­gig­kei­ten“.

Das gilt natür­lich auch für Ungarn mit sei­ner tau­send­jäh­ri­gen his­to­ri­schen und sprach­li­chen Sin­gu­la­ri­tät und das gilt selbst­ver­ständ­lich eben­so für Deutsch­land. Die­ser Fall liegt frei­lich etwas kom­pli­zier­ter, denn „der Holo­caust und die deut­sche Schuld“ haben die his­to­ri­sche Kon­ti­nui­tät unter­bro­chen, haben die auf sie zulau­fen­de vor­he­ri­ge Geschich­te, das Erbe, von der Gegen­wart abge­trennt, wes­halb Deutsch­land auch das ein­zi­ge Land Euro­pas sei, das an „inne­rem Zwei­fel“ lei­det. Seit­her ringt das Land um eine neue Identität.

Ver­fas­sungs­pa­trio­tis­mus ist laut Dohn­anyi zu sehr ein Leicht­ge­wicht, um ein Natio­nal­be­wußt­sein begrün­den zu kön­nen. Was uns heu­ti­ge Deut­sche tat­säch­lich aus­macht, das sind die „for­ma­le Rechts­staat­lich­keit“, ein „mer­kan­ti­lis­ti­sches Wirt­schafts­sys­tem“ und die „Tra­di­ti­on föde­ra­lis­ti­scher Struk­tu­ren“. Unse­re deut­sche Iden­ti­tät liegt in der Wirt­schafts­po­li­tik und im „wett­be­werbs­fä­hi­gen Sozi­al­staat“, des­sen Tra­di­ti­on auch über die Holo­caust-Schran­ke zurück­reicht. Dies zu erhal­ten, das ist das natio­na­le Inter­es­se der Deutschen.

Die­se Inter­es­sen füh­ren zwangs­läu­fig zu Inter­es­sen­kon­flik­ten mit ande­ren natio­na­len Inter­es­sen, ins­be­son­de­re in Zei­ten der Glo­ba­li­sie­rung, also einer zuneh­men­den Ver­net­zung und gegen­sei­ti­gen Abhän­gig­keit. Der Natio­nal­staat bleibt dabei das Fun­da­ment, nur er besitzt die

not­wen­di­ge demo­kra­ti­sche Legi­ti­ma­ti­on zum natio­na­len und inter­na­tio­na­len Handeln.

Doch ist die Sou­ve­rä­ni­tät des deut­schen Natio­nal­staa­tes gefähr­det und in Fra­ge gestellt, außen- und innen­po­li­tisch. Zum einen durch die hege­mo­nia­le Stel­lung der USA in Europa –

„Euro­pa muß sich end­lich ein­ge­ste­hen: Wir Euro­pä­er sind Objekt US-ame­ri­ka­ni­schen geo­po­li­ti­schen Inter­es­ses und waren nie wirk­lich Ver­bün­de­te, denn wir hat­ten nie ein Recht auf Mitsprache“ –

und die Kom­pe­tenz­über­ga­be an die Euro­päi­sche Uni­on und Euro­päi­sche Kommission –

kla­re natio­na­le Füh­rung, kei­ne Ein­mi­schung der EU-Kom­mis­si­on, die Unter­neh­men müs­sen im Mit­tel­punkt stehen -,

zum ande­ren durch die inne­re Auf­wei­chung der Demo­kra­tie, etwa durch die demo­kra­tisch nicht legi­ti­mier­ten und unge­nü­gend gesteu­er­ten „Kräf­te des Welt­mark­tes“ oder die zuneh­men­de Mora­li­sie­rung und Wer­te-Ori­en­tie­rung in der Politik.

Dohn­anyi wid­met sich vor allem dem außen­po­li­ti­schen Aspekt. Die Euro­pä­er sind Opfer der US-ame­ri­ka­ni­schen Geo­po­li­tik, deren habi­tu­el­le Kon­fron­ta­ti­on zu Ruß­land nahe­zu 150 Jah­re zurück­reicht, seit Geor­ge Kennan Ruß­land zum „Evil Empire“ erklär­te. Genui­nes euro­päi­sches, ins­be­son­de­re deut­sches Inter­es­se sei jedoch eine Koope­ra­ti­on mit Ruß­land, die­se wer­de aus­drück­lich seit Ende des Zwei­ten Welt­krie­ges von den USA sys­te­ma­tisch behin­dert. Ame­ri­ka setzt sei­ne geo­po­li­ti­schen Inter­es­sen seit dem 19. Jahr­hun­dert, seit man sich als „excep­tio­nal nati­on“ ver­steht, seit der Mon­roe-Dok­trin, durch.

Um das zu sehen, müs­se man durch die huma­ni­tä­ren Flos­keln, die „Wer­te­ge­mein­schaft“, die „his­to­ri­sche Freund­schaft“ durch schau­en. Roo­se­velt sah im erstar­ken­den Deutsch­land eine poten­ti­el­le Gefahr und näher­te sich Eng­land an, das nun als eine Art Platz­hal­ter ame­ri­ka­ni­scher Inter­es­sen in Euro­pa agier­te. Auch der Kriegs­ein­tritt im April 1917 geschah nicht aus huma­ni­tä­ren Gründen …

Dohn­anyi gräbt sich tief in die Geschich­te ein. Er kann auch eige­ne Erfah­run­gen ein­brin­gen. Ein scho­ckie­ren­des Schlüs­sel­er­leb­nis scheint eine NATO-Übung Ende der 70er Jah­re gewe­sen zu sein, als die USA nach ange­nom­me­nen rus­si­schen Land­ge­win­nen auf deut­schem Boden mit tak­ti­schen Nukle­ar­waf­fen reagier­ten, ohne die deut­sche Regie­rung, die er bei die­sem Manö­ver ver­trat, auch nur infor­miert zu haben.

Um in einer inter­es­sen­ge­lei­te­ten Außen­po­li­tik bestehen zu kön­nen, genü­ge es nicht, nur die eige­nen Inter­es­sen zu ver­ste­hen, man müs­se auch die der stra­te­gi­schen Part­ner und Geg­ner ver­ste­hen und ein­kal­ku­lie­ren, man muß „Ruß­land-Ver­ste­her“, „Ame­ri­ka-Ver­ste­her“ und „Chi­na-Ver­ste­her“ werden.

Die jet­zi­gen Kon­flik­te beru­hen auf einem Unver­ständ­nis der rus­si­schen Posi­ti­on. Immer­hin habe Ruß­land immer wie­der und über Jahr­hun­der­te die schmerz­haf­te Erfah­rung machen müs­sen, vom Wes­ten her ange­grif­fen wor­den zu sein. Der Zusam­men­bruch des Sowjet­rei­ches stell­te einen schwe­ren Schlag für das Selbst­be­wußt­sein dar.

In die­ser Pha­se waren die wört­li­chen Zusa­gen des ame­ri­ka­ni­schen Außen­mi­nis­ters Bak­er, kei­ne NATO-Oster­er­wei­te­rung jen­seits der deut­schen Gren­ze anzu­stre­ben, die Gor­bat­schow ihm im Kon­text der deut­schen Wie­der­ver­ei­ni­gung abge­run­gen hat­te, essen­ti­ell. Doch hielt man nicht Wort. Die ein­ma­li­ge his­to­ri­sche Chan­ce auf einen dau­er­haf­ten Frie­den wur­de ver­tan. Die­ser kann nur mit und nicht gegen Ruß­land garan­tiert wer­den. Statt Diplo­ma­tie und wirt­schaft­li­cher Zusam­men­ar­beit setzt der Wes­ten ame­ri­ka­ni­sche Inter­es­sen durch, brüs­kiert Mos­kau durch die Ost­erwei­te­rung und das NATO-Ver­spre­chen an die Ukrai­ne, besteht auf Sank­tio­nen und Konfrontation.

Umge­kehrt „grün­det die euro­päi­sche Sicher­heit fak­tisch aus­schließ­lich auf der NATO, das heißt letz­ten Endes auf der Ver­tei­di­gungs­stra­te­gie der USA“, der Bock wird zum Gärt­ner gemacht. Man müs­se sich von der „Illu­si­on der Freund­schaft“ befrei­en und sich „als sou­ve­rä­ner Part­ner ‚alli­anz­neu­tral‘ in der Welt­po­li­tik posi­tio­nie­ren.“ Käme es näm­lich zu einem mili­tä­ri­schen Kon­flikt zwi­schen den bei­den Groß­mäch­ten, dann wür­de er zuerst kon­ven­tio­nell auf euro­päi­schem Boden aus­ge­tra­gen wer­den, die hier sta­tio­nier­ten Atom­waf­fen sind für den Schutz Euro­pas über­flüs­sig, nicht aber zum Schutz der USA:

Wir wis­sen, daß wir in einem Krieg mit Ruß­land sogar als Sie­ger nur der Ver­lie­rer sein können!

Im zwei­ten Teil sei­nes Buches wid­met sich Dohn­anyi der EU. Ihm schwebt ein gaul­lis­ti­sches Modell des „Vater­lan­des der Vater­län­der“, eine „evo­lu­tio­när fort­schrei­ten­de Kon­fö­de­ra­ti­on“  vor, ein supra­na­tio­na­les Gebil­de lehnt er hin­ge­gen ab. In einem wei­te­ren his­to­ri­schen Exkurs geht Dohn­anyi den Anfän­gen der Poli­tik des Zen­tra­lis­mus nach, an deren Ende heu­te von der Ley­en und Ves­ta­ger stehen.

Es gilt, den Natio­nal­staat inner­halb der Uni­on zu stär­ken und nicht einem Traum von „Ver­ei­nig­ten Staa­ten von Euro­pa“ nach­zu­hän­gen. Gera­de die Inter­na­tio­na­li­sie­rung – so sei­ne inter­es­san­te Vol­te – ver­lan­ge nach der Stär­kung der Nati­on, denn der Welt­markt, die gegen­sei­ti­gen wirt­schaft­li­chen Abhän­gig­kei­ten ver­än­dern die innen­po­li­ti­schen Bedin­gun­gen und bedür­fen daher ver­stärk­ter natio­na­ler Rege­lung, um „die wirt­schaft­li­che und sozi­al­po­li­ti­sche Sou­ve­rä­ni­tät zurück­zu­ge­win­nen.“ Die Welt­markt­kräf­te sei­en auch eine Gefahr für die Demo­kra­tie, denn sie gehen nicht vom Volk aus, sind nicht gewählt, bedür­fen der natio­na­len Kontrolle.

Nur der ein­zel­ne Natio­nal­staat ist … in der Lage, die demo­kra­ti­sche Fein­steue­rung der oft schmerz­haf­ten und unbe­lieb­ten sozi­al­po­li­ti­schen Ant­wor­ten auf die Fol­gen der Inter­na­tio­na­li­sie­rung durchzusetzen.

Vor allem Deutsch­land und Frank­reich, als Säu­len, sei­en gefor­dert. Dohn­anyi schreibt der Ampel ins Stammbuch:

Wer Deutsch­lands öko­no­mi­sche Ent­wick­lung behin­dert, zer­stört die EU.

Der EU-Kom­mis­si­on hin­ge­gen hält er vor, die Wett­be­werbs­fä­hig­keit Euro­pas zu behin­dern. Die Zah­len bele­gen: im inter­na­tio­na­len Block­ver­gleich schnei­det Euro­pa am schlech­tes­ten ab, wich­tigs­ter Grund dafür sei die ver­fehl­te Poli­tik der Euro­päi­schen Gemein­schaft. Sie den­ke nicht glo­bal und ersti­cke wirt­schaft­li­che Initia­ti­ve durch ihre „inner­eu­ro­päi­sche Wett­be­werbs­po­li­tik“, statt­des­sen müs­se man über den Bin­nen­markt hin­aus­den­ken. Einem supra­na­tio­na­len euro­päi­schen Gebil­de erteilt er eine Absage;

nur das Gebil­de des Natio­nal­staa­tes kann der unent­behr­lich demo­kra­ti­sche Bau­stein auch inter­na­tio­na­ler Zusam­men­schlüs­se sein.

Mehr noch, Dohn­anyi hält – ähn­lich wie Slo­ter­di­jk – ein Plä­doy­er für die klei­ne Ein­heit, schließ­lich kön­ne man die diver­gie­ren­den Ent­wick­lun­gen nicht übersehen:

Einer­seits schaf­fen Wirt­schaft und Finan­zen öko­no­misch gro­ße Räu­me, ande­rer­seits wird aber von den Bür­gern gera­de des­we­gen ein ver­trau­ens­voll demo­kra­ti­sches Fun­da­ment zuneh­mend in klei­ne­ren Räu­men gesucht.“ Gera­de die klei­nen Ein­hei­ten sta­bi­li­sie­ren die euro­päi­sche Demo­kra­tie stär­ker als „ gro­ße euro­päi­sche Insti­tu­tio­nen, die viel zu weit weg sind, um das vol­le Ver­trau­en zu gewähren.

Von daher ent­wi­ckelt Dohn­anyi auch ein bes­se­res Ver­ständ­nis für Län­der wie Polen und Ungarn, deren Geschich­te, Spra­che, Befind­lich­kei­ten, his­to­ri­sche Pfa­de zu wenig gekannt und berück­sich­tigt wer­den. Euro­pa brau­che die natio­na­le Viel­falt – nicht Ein­heit­lich­keit, nicht Gleich­heit – um bestehen zu können.

Auch an die­sen Wor­ten dürf­te Vik­tor Orbán sei­ne Freu­de gehabt haben. Wie in nahe­zu allen Grund­po­si­tio­nen stellt sich Dohn­anyi quer zum poli­ti­schen Main­stream in Deutsch­land und Euro­pa. Daß die­se Ein­sich­ten aus dem sozi­al­de­mo­kra­ti­schen Herz­land kom­men, macht sie umso bri­san­ter und wert­vol­ler. Der alte Mann der SPD hat ein wesent­li­ches und muti­ges Buch hin­ter­las­sen, des­sen The­men- und Gedan­ken­fül­le hier nur ange­deu­tet wer­den konn­te. Es läßt sich mühe­los in die Rei­he der gro­ßen geo­po­li­ti­schen Wer­ke ein­ord­nen und hat eine lan­ge, inten­si­ve Dis­kus­si­on verdient.

– – –

Klaus von Dohn­anyi:  Natio­na­le Inter­es­sen. Ori­en­tie­rung für deut­sche und euro­päi­sche Poli­tik in Zei­ten glo­ba­ler Umbrü­che, 238 Sei­ten, 22 Euro – hier bestel­len.

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Kommentare (85)

Rheinlaender

20. Dezember 2022 09:48

Der Realismus von Dohnanyis oder auch Mearsheimers und Kissingers geht letztlich auf rechte Denker zurück. Die alternative Rechte hätte sich und Deutschland einen Gefallen getan, wenn sie sich nach dem Beginn des Ukraine-Krieges an dieses Erbe erinnert hätte, anstatt in politischen Moralismus zu verfallen.

Freund der Freiheit

20. Dezember 2022 09:54

Dohnanyis Buch steht in einer älteren Tradition innerhalb der Sozialdemokratie. Zu denken ist hier namentlich an den Staatsrechtslehrer und Politikwissenschaftler Hermann Heller (1892-1933). Der veröffentlichte 1925 sein Buch über Sozialismus und Nation (2. Auflage 1931). Die Ausführungen zur Außenpolitik, die Heller dort präsentiert, entwickeln genau die Prinzipien, die auch Dohnanyis außenpolitische Argumentation tragen. Heller ging bei seiner Darlegung von den Herausforderungen aus, die die schon damals enormen weltwirtschaftlichen Verflechtungen für das nationale Interesse und für den Ausbau eines freiheitlichen Sozialstaates bedeuteten. Es war ihm unzweifelhaft, dass diese Herausforderungen nur im Rahmen des Nationalstaates zu bewältigen seien, der allerdings für diesen Zweck im Rahmen einer "nationalen Internationale" mit anderen Staaten kooperieren müsse, um dem international agierenden Kapital eine demokratisch legitimierte Gegenmacht entgegenstellen zu können. Einen europäischen Superstaat lehnte Heller daher ab. Seine "nationale Internationale" war nichts anderes als de Gaulles "Europa der Vaterländer".

Erfreulicherweise wurde Hellers Büchlein im Jungeuropa-Verlag neu aufgelegt. Eignet sich hervorragend als begleitende Lektüre zu Dohnanyis Buch!

quer

20. Dezember 2022 10:44

Ich habe das Buch gelesen. Meine Interpretation: Mit dem Ende der EWG und dem Beginn der EU begann der Niedergang Europas mitsamt seiner Nationalstaaten, oder was von denen noch übrig geblieben ist. Von der fehlenden Legitimität der Handelnden ganz abgesehen.

Allnichts

20. Dezember 2022 10:53

"Es sei die Aufgabe deutscher und europäischer Politik und Diplomatie gewesen, Russland jegliches Interesse an einer Aggression zu nehmen, aber gerade das sei langfristig durch die Osterweiterung der NATO und kurzfristig durch die Zugeständnisse an die Ukraine nicht geschehen - hierin liege die Mitverantwortung des Westens, Europas, der NATO und der USA."

Vielleicht wäre es auch die Aufgabe russischer Politik und Diplomatie gewesen, den osteuropäischen Staaten jegliches Interesse an einer Suche nach westlichen Verbündeten zu nehmen und nicht ständig in irgendeiner Form auf andere Länder überzugreifen. Russland hätte ein glänzendes Vorbild sein können, dem andere Länder nacheifern und dem sie sich anschliessen wollen, statt ein Grund für alle möglichen Ängste, die sich letztendlich auch noch als berechtigt herausstellen sollten. Diese Denkweise geht natürlich davon aus, dass alle Staaten legitime nationale Interessen haben, während der "rechte Mainstream" der Ansicht zu sein scheint, dass sich alle Nachbarstaaten Russlands, welches sich über eine riesige Landmasse ausbreitet, diesem mehr oder weniger ausliefern müssen, und die Nachbarstaaten dieser Nachbarstaaten ebenfalls.

Irgendwann wird der Krieg ein Ende gefunden haben, vermutlich nicht zu Russlands Gunsten. Ich bin schon jetzt gespannt auf die Reaktion gerade der Rechten, die seit Monaten, eher seit Jahren jede russische Schweinerei rechtfertigen. Der Hoffnungsträger im Osten schafft sich derzeit ab, das hat so mancher offensichtlich noch nicht verstanden.

Niekisch

20. Dezember 2022 11:17

"dem international agierenden Kapital eine demokratisch legitimierte Gegenmacht entgegenstellen zu können."

@ Freund der Freiheit 9:54: Das kann doch nur eine systemisch sozialistische Gegenmacht sein. Wie soll sich die im alle Ufer der Welt bespülenden Liberalismus, diesem automatischen Türöffner des Eigensüchtigen, jemals noch entwickeln können?

Mitleser2

20. Dezember 2022 11:28

@Rheinländer: was meinen Sie mit "alternativer Rechte"?

Tatsache ist, dass "die Rechte" bzgl. des Ukraine-Kriegs gespalten ist. Das ist auch verständlich, es geht um die Frage nationaler Selbstbestimmung (ich möchte keine Diskussion über den Status der Ukraine beginnen), das sehen Teile der Rechten als übergeordnet gegenüber der anderen Position, die die Kritik am US-Hegemon in den Vordergrund stellt.

Schade ist halt, dass diese Spaltung die Rechte insgesamt angreifbar macht für die Blockparteien und Kriegstreiber.

RMH

20. Dezember 2022 11:41

"Ein schockierendes Schlüsselerlebnis scheint eine NATO-Übung Ende der 70er Jahre gewesen zu sein, als die USA nach angenommenen russischen Landgewinnen auf deutschem Boden mit taktischen Nuklearwaffen reagierten, ohne die deutsche Regierung, die er bei diesem Manöver vertrat, auch nur informiert zu haben."

Jetzt benutze ich einmal den Ausdruck putzig. Ich finde es jedes mal aufs Neue putzig, wenn Sachverhalte, die wirklich jedem bis hin zum Schütze A. in den 70er- und 80er Jahren selbstverständlich bekannt waren oder nur mit simplen Berechnungen, wo denn in etwa Raketen schon von ihrer Reichweite her landen, warum es Atomminen gab (wofür Deutschland die Schächte grub) bekannt sein mussten, heute, nur etwas mehr als 30 Jahre danach, als erschütternde Neuheiten verkauft werden. Zudem, was macht es für einen Unterschied, wenn eine deutsch Regierung zu solchen Einsätzen dann formal brav ja sagt? Mit einem Nein war/ist mit diesem Kader nicht zu rechnen.

Was hat denn der Herr von Dohnanyi damals dazu gesagt? Wo war sein Widerspruch?

Wo ist der Widerspruch der Europäer heute? Mit drängt sich einmal mehr auf, dass hinter der behaupteten Unsouveränität Europas in Wahrheit die Unsouveränität in entscheidenden Fragen Deutschlands oder der Organisation EU gemeint ist. Man erzähle mir nicht, dass die Atommächte UK und FR unsouverän seien (Putin nimmt einen Macron bspw. deutlich ernster, als einen Scholz und ein Johnson wurde zum Feind ersten Grades erklärt, was ja auch ein Zeichen dafür ist, ernst genommen zu werden).

dojon86

20. Dezember 2022 14:50

@Allnichts 10:53 Der Hoffnungsträger im Osten schafft sich gerade ab. Leider verstehen sie nicht, dass Deutschland diesen "Hoffnungsträger" braucht, um Spielraum gegenüber der auch kulturell erstickenden US Hegemonie zu haben. Oder glauben sie, dass die Angelsachsen (US und GB) auf ihren Morgenthauplan verzichtet hätten, wenn nicht nach 45 immer die Gefahr im Raume gestanden hätte, dass die Sowjetunion bei einer Durchführung dieses Plans die Unzufriedenheit der Bevölkerung für sich ausgenutzt hätte. Dasselbe gilt übrigens für die aktuellen ostmitteleuropäischen Staate. Kein angelsächsischer Hegemon würde sich für sie interessieren und diese Staaten unterstützen (auf unsere Kosten, da wir eine Vasallenrepublik sind), wenn da nicht Russland wäre. Und nun abschließend, Russland ist kein Hoffnungsträger und auch kein Modell, es ist ein Gegengewicht gegen eine sehr real existierende Hegemonie. So etwas nennt man Realpolitik. Ein Rechter sollte das verstehen.

Karl Otto

20. Dezember 2022 14:59

@Allnichts: 100% Zustimmung. 

Hier ist ein interessanter Artikel von Timothy Garton Ash, der erklärt, warum Russland inzwischen bei allen seinen Nachbarn zutiefst verhasst ist.

https://www.theguardian.com/commentisfree/2022/dec/17/ukraine-greatest-threat-russian-world-vladimir-putin

Hajo Blaschke

20. Dezember 2022 15:13

,@ RMH Auch die NVA der DDR hatte bei Manövern immer sowjetische Offiziere, eingeordnet als Berater. Das war Besatzungsrecht.

Die Sowjets waren allerdings die einzige Besatzungsmacht, die sich aus Deutschland zurückgezogen hat. 

Warum die westdeutschen Okkupanten der DDR es nicht fertiggebracht haben, auch Engländer, Franzosen und Yankees dazu gebracht haben, auf eine weitere Besatzung zu verzichten?

Ein Fremder aus Elea

20. Dezember 2022 15:19

Wer Deutschlands ökonomische Entwicklung behindert, zerstört die EU.

Das habe ich leicht abgewandelt über England gedacht, also daß sich die Normannen seit 911 militärisch unentbehrlich zu machen versuchen, und Deutschland nun seit 1945 ökonomisch. Über einen Mangel an Verehrern kann sich Frankreich nicht beklagen: Zürnet nicht, ihr Franzosen, wir gewinnen eure Kriege oder bauen euch die besten Maschinen. Und wehe, es wäre anders. Noch hat der Mohr seine Schuldigkeit nicht getan? Ich kann mir auch eine schönere Perspektive vorstellen.

Gustav

20. Dezember 2022 15:22

@ Allnichts

"Der Hoffnungsträger im Osten schafft sich derzeit ab, das hat so mancher offensichtlich noch nicht verstanden."

Sie sollten den Kakao nicht auch noch trinken, nachdem man sie durch jenen gezogen hat. Es ist wirklich zum kaputtlachen, wie sie hier ihr westliches Propaganda-"Wissen" zum Besten geben. Und wie immer ohne irgendwelche Belege, die auf eine russische Niederlage hindeuten.

"Die Russen dringen nie tief in die dritte Linie ein, wo sich möglicherweise die Befehls- und Kommandozentrale befindet. Was hier im Spiel ist, ist ein Zermürbungskrieg im Rahmen der Deep-Operations-Strategie, die direkt aus dem Spielbuch des legendären „Roten Napoleon“, Feldmarschall Michail Tuchatschewski, stammt.

Russland spart Soldaten, Personal und Ausrüstung. Das Ganze wirkt Wunder in schwierigem Gelände, wo Fahrzeuge auf regennassen Straßen stecken bleiben. Diese Taktik, die sich Tag für Tag und über Monate hinweg wiederholt, hat zu (mindestens) 400.000 ukrainischen Opfern geführt. Das ist der Inbegriff der Zermürbungskriegsführung."

https://uncutnews.ch/neues-aus-dem-von-der-nato-errichteten-fleischwolf/

Seydlitz

20. Dezember 2022 16:05

@RMH:

Dohnanyi hat den Sachverhalt natürlich dem Bundeskanzler Helmut Schmidt berichtet, dessen Rolle er ja in dem Kriegsspiel zu übernehmen hatte. Dieser erwiderte, dass ihm diese Strategie der NATO natürlich bekannt sei. Deshalb werde er, sobald  sich kriegsähnliche Entwicklungen zwischen NATO und WP in Europa anbahnen sollten, Deutschland für neutral erklären!

 

 

tearjerker

20. Dezember 2022 16:22

Solche Bücher liest kaum jemand, weil einfach niemand erwartet, dass sachdienliche Hinweise für den Umgang mit den Herausforderungen der Gegenwart von einem greisen Beute-Ungarn zu bekommen sind. Dohnanyi hat zudem mehr als ein halbes Jahrhundert den distinguierten Aussenseiter in „seiner“ Partei gespielt und interessiert sich null für die Deutschen, weshalb er bei ca 88% der Parteibasis als Fremdkörper betrachtet und von den Sozi-Medien übergangen wurde. Wie erwartet ist er auch auf den aktuellen Propagandazug nicht aufgesprungen. Schlecht für den Autoren. Man muss es schon wie Gerhart Baum machen, der wieder zu Talkrunden geladen wird, weil er 1982 immer noch nicht überwunden hat und gegen seine eigene Partei giftet. Solche Leute stehen besseren Entwicklungen seit 60 Jahren im Weg und man sollte sie weder einladen noch ihre Bücher lesen. Frage an die Orbanisten: Wieviele Sanktionspakete und Sanktionsverlängerungen hat Orban verhindert?

RMH

20. Dezember 2022 16:39

@Seydlitz,

vielen Dank für die Erläuterung. Steht das hier:

"Deshalb werde er, sobald  sich kriegsähnliche Entwicklungen zwischen NATO und WP in Europa anbahnen sollten, Deutschland für neutral erklären!"

auch im Buch von Dohnanyi oder gibt es eine andere Quelle dafür? Wäre hochinteressant, wenn ausgerechnet der Kanzler, der den sog. Nato-Doppelbeschluss gegen große Widerstände im Land (die durchaus auch DDR-UdSSR gesteuert waren) durchgesetzt hat, im Ernstfall die Option Neutralität (entgegen aller Bündnisverpflichtungen) befürwortet haben will.

Karl Otto

20. Dezember 2022 17:04

Spätestens seit März verkauft uns die russische Propaganda jeden Rückzug und jede Niederlage als weise Vorbereitung einer neuen, entscheidenden Großoffensive. Klingt irgendwie nicht mehr glaubwürdig.

Gustav

20. Dezember 2022 17:12

@ Karl Otto

In Europa finden sie kaum ein schlimmers und verlogeneres Propagandablättchen als The Guardian.

Solange mir keine anderen Informationen vorliegen, bleibe ich davon überzeugt, daß man auf höchster politischer Ebene tatsächlich längst kooperiert und gemeinsame Ziele verfolgt – der Krieg in der Ukraine, ausgetragen auf dem Rücken darunter leidender Ukrainer, dient hier „nur“ als Täuschungsmanöver zur Verschleierung.

Ich empfehle außerdem die vierteilige Artikelreihe von Iain Davis über die „Multipolare Weltordnung“, die ich zu einem pdf gebündelt habe, das sie hier herunterladen können:

Die multipolare Weltordnung – Iain Davis

Hajo Blaschke

20. Dezember 2022 17:37

@ RMH Ich gebe Ihnen recht. Was hätte eine Neutralitätserklärung Deutschlands bewirkt. Wahrscheinlich nichts als Hohngelächter aus Washington.

Seydlitz

20. Dezember 2022 17:37

@RMH:

Bruno Bandulet hat das Buch in Cato 5/22 besprochen und  führt diese Stelle im Anschluss an die von Ihnen angesprochene Darstellung Dohnanyis von seiner Teilnahme als "Kanzler-Double" bei der NATO-Übung an. Bandulet nennt diese Aussage "erstaunlich", was ich ziemlich milde finde.

 

 

Allnichts

20. Dezember 2022 17:38

RMH:

Souverän hiesse im Grunde rechtlich wie faktisch uneingeschränkte Handlungsfreiheit, also auch absolute Durchsetzungsfähigkeit, was sicherlich auf keinen Staat, auf keine Organisation usw. und auch auf keinen einzelnen Menschen zutrifft. Alle Akteure sind unfreiwillig wie freiwillig Teil allgemeiner oder auch gesonderter Zusammenhänge und damit in irgendeiner Weise abhängig oder eingebunden. Es gibt aber offensichtlich mächtige und weniger mächtige Staaten, Bündnisse, Positionen usw.

Wenn der Vorwurf kommt, bspw. Deutschland oder auch Europa seien nicht souverän, soll damit ja meistens ausgedrückt werden, die USA, die EU, die UN, wer auch immer würden im Grunde alles vorgeben, hätten zumindest auf jeder Entscheidung den Finger drauf und alle anderen müssten sich voll und ganz danach richten. Das sehe ich so nicht. Staaten können sich sehr unterschiedlich entscheiden und verhalten, es gibt interne wie öffentliche Kämpfe um Macht, Vorgehen, Entscheidungen, auch gegen die USA und auch in Deutschland, aber eben immer im Rahmen der jeweiligen Machtverhältnisse.

Gnaeus

20. Dezember 2022 20:34

@ Karl Otto

Und spätestens seit März erzählt der britische Geheimdienst, den Russen ginge bald die Munition aus und es könne nur noch Tage dauern, bis die ukrainische Armee die Aussenbezirke Moskaus erreiche. Ob es wohl möglich ist, dass beide Seiten Propaganda betreiben? Kann man sich das als halbwegs gebildeter erwachsener Mensch vorstellen?

"Diese Denkweise geht natürlich davon aus, dass alle Staaten legitime nationale Interessen haben, während der "rechte Mainstream" der Ansicht zu sein scheint, dass sich alle Nachbarstaaten Russlands, welches sich über eine riesige Landmasse ausbreitet, diesem mehr oder weniger ausliefern müssen, und die Nachbarstaaten dieser Nachbarstaaten ebenfalls."

Der "rechte Mainstream" scheint eher der Ansicht zu sein, ein Ausbreiten unwidersprochener amerikanischer Hegemonie sei nicht zu Deutschlands Vorteil. Das ist ein legitimes nationales Interesse. Im ukrainischen Interesse wäre es doch, Frieden zu haben und zu prosperieren. Vielleicht war es nicht die cleverste Art, seine Interessen zu verfolgen, sich an der Grenze zu einer Grossmacht zum Prellbock einer anderen Grossmacht zu machen? Sich militärisch für neutral zu erklären wäre wichtigste Grundvoraussetzung gewesen, die wirtschaftlichen Fühler nach allen Richtungen ausstrecken zu können

Laurenz

20. Dezember 2022 21:41

@Allnichts & Karl Otto

Den Guardian-Artikel können Sie den Hasen geben. Der ist doch nur was für die Blöden im Westen. Wenn dem so wäre, wie der Guardian schreibt, hätten wir der IRA ja über Jahrhunderte Waffen liefern & Britannien sanktionieren müssen. Warum hat keiner Deutschland in 2 Britischen Weltkriegen, die gegen uns entfesselt wurden, Waffen geliefert? Was schreibt der Guardian dazu? Hier dazu Wischmeyer  https://youtu.be/e55swn93lEA

@RMH

hat die Situation bisher am besten erfaßt & beschrieben. Kissinger, Mearsheimer & Dohnanyi haben doch selbst von diesem System im Westen gelebt. Kissinger hat den Putsch gegen Allende selbst organisiert & obwohl Kissinger Sozialdemokraten schlachtete, nannte Schmidt diesen seinen Freund. Oskar wollte sich 99 auflehnen, aber man ließ ihn alleine. Wäre ich, wie Habeck, grüner Vollidiot von Uncle Sams Gnaden, wäre ich vorsichtiger. Die Außenpolitik der Kuhtreiber war nach 1945 oft destruktiv, aber nicht wirklich erfolgreich. Wenn des denn gar kein deutsches Volk gibt, wie Vollspakken Habeck philosophiert, dann existiert auch kein Schuld.

RMH

20. Dezember 2022 21:44

"Der "rechte Mainstream" scheint eher der Ansicht zu sein, ein Ausbreiten unwidersprochener amerikanischer Hegemonie sei nicht zu Deutschlands Vorteil."

@Gnaeus,

was auch immer der rechte Mainstream sein mag, zumindest in diversen Internetdebattenräumen, so auch hier, entsteht der Eindruck, dass viele sog. Rechte im Gegensatz zu ihrem seit Jahren deutlich wahrnehmbaren Widerspruch zu den hegemonialen Ansprüchen der USA nicht viel Widerspruch gegen den Versuch russischer Hegemonie und russ. Imperialismus erheben, diese Versuche vielmehr häufig mit Floskeln wie "natürlich", " da darf man sich nicht wundern", "nachvollziehbar" im Grunde genommen schön reden und oft stark vereinfachend als pure Reaktion auf US- Ambitionen rechtfertigen. Weist man in Debatten auf diese Vereinfachungen hin, wird man im harmlosesten Fall als "Atlantiker", Pro-USA etc. angegangen.

@Allnichts liegt also mit seinen Ausführungen gerade nicht daneben.

RMH

20. Dezember 2022 21:46

@Seydlitz,

sollte Schmidt tatsächlich so etwas wie eine (west-) deutsche Neutralität im Falle des Falles X sich vorbehalten oder auch nur dahingehend ernsthaft geäußert haben, dann erschiene seine Abwahl durch konstruktives Misstrauensvotum in einem ganz anderem Licht (zu den Hintergründen des Wechsels der FDP gibt es ja viele Vermutungen und Spekulationen). "Erstaunlich" wäre dann in der Tat eine viel zu schwache Bewertung.

Gracchus

20. Dezember 2022 21:49

Jetzt liest man: Putin will jahrelangen Krieg! So ist eben der Russe. Da kann so ein Sozi reden was er will. Über die Pipeline-Sprengung hört man nix mehr - warum wohl? Weil wenn rauskäme es war der Russe - und wer sonst soll's gewesen sein, so was Hinterhältiges kann nur einem Russen einfallen -, dann würde die Sache mächtig eskalieren. Deutschland müsste in den Krieg eingreifen, mit Mann & Maus. Deshalb kann die Devise nur sein: Waffen! Waffen! an die Ukraine. Angela Merkel hat in ihrem letzten ZEIT-Interview durchblicken lassen, dass die ganzen Verhandlungen nur dazu dienten, Zeit zu gewinnen und die Ukraine aufzurüsten. Richtig so. Der Russe hätte sich sonst die Ukraine geknallt, dann Polen ... unersättlicher Russe ... 

ede

20. Dezember 2022 23:51

Ja, Gracchus. Mit Mann & Maus. Was ich mir in dem Zusammenhang nur schwer erklären kann, warum liest und hört man so wenig von deutschen Freiwilligen in der Ukraine? Oder gar von ganzen Einheiten? Gefühlt scheinen doch viele zu mögen, oder dann doch nicht?

Nicht ganz was anderes: In Deutschland kann man derzeit nirgendwo noch Kernkrafttechnik etc. studieren. Es gibt noch Lehrstuhlreste aber offenbar keine kompletten Studiengänge mehr.

Nordlicht

20. Dezember 2022 23:57

Russland/Ukraine: Mit den gegenwärtigen rd. 20 Prozent der Ukraine hat Russland a. einen gewissen Sicherheitsabstand von seinen vorigen Grenzen geschaffen und b. der Kiewer Regierung wichtige Industriekapazitäten und Ressourcen entrissen. 

Das dürfte Russland nicht wieder hergeben, und die Ukraine wird diese Gebiete aus Mangel an eigenen Soldaten nicht wieder entreissen können. Und NATO-Staaten werden keine eigenen Soldaten im Marsch setzen, um der Regierung Selenskyi oder deren Strippenziehern zu Hilfe zu kommen.

Der Präsidenten-Held wird feststellen müssen, dass sein Land 100.000 oder 200.000 tote Soldaten später deutlich schlechter dasteht als Anfang 2021, als er - die US- und GB-Zusicherungen im Ohr - die Geschütz-Angriffe auf die separatistischen Provinzen Luhansk und Donezk intensivierte. Aus heutiger Sicht wäre die Umsetzung des Minsk-Abkommen mit Autonomie für die beiden Provinzen innerhalb der Ukraine klüger gewesen.

Aber hinterher ist man ja meist klüger. Putin ist insofern sicherlich klüger, als er erkennen musste, dass sein Versuch, einen Regime-Change in Kiew herbei zu führen, auf völlig falschen Grundannahmen beruhte. Die USA werden mE mit China beschäftigt sein.

Ansonsten: Ich glaube, dass wir in 5 bis 10 Jahren wieder mit Russland Handel treiben und von dort Erdgas beziehen werden. Per Pipeline durch die Ostsee.

(Natürlich alles Vermutungen ohne Anspruch auf Wahrscheinlichkeit.)

Ein Fremder aus Elea

21. Dezember 2022 03:34

Gnaeus,

das ist in der Tat das erste erklärungsbedürftige Faktum: Warum denken die Ukrainer, daß dieser Kurs ihnen am meisten verspricht? Ich kenne die Antwort nicht. Ich weiß nur, daß die Ukraine vor 2014 auch nicht prosperiert hat. Es scheint mir klar zu sein, daß England kein Interesse an einer Mitgliedschaft der Ukraine in der EU hat. Die katholischen Länder, sonst niemand, vor allem Frankreich und Polen. England scheint zu versuchen, dafür zu sorgen, daß sich die EU verschluckt. Der Krieg wird weitergehen, bis wenigstens eine kriegsführende Partei ihn nicht mehr will. Einstweilen bleibt wohl alles beim Alten: Waffenlieferungen an die Ukraine, defensive Strategie auf Seiten Rußlands. Mag gut sein, daß es Absprachen gibt, daß Rußland sich nützlich macht und daß ihm dafür etwas versprochen wurde, aber das sind alles Spekulationen. Ich vertraue unseren Regierungen nicht, dafür brechen sie mit zu vielen Dingen, welche mir heilig sind. Großmäuligkeit ist das Letzte im Krieg, jeder Instinkt sagt mir, mit Großmäulern nicht zusammen zu kämpfen. Großmäuler verschieben Kriegsziele nach Gefechtslage, Großmäuler sind unfähig, ihre Mittel auf den Punkt gerichtet einzusetzen. Naja, man kann sich seine Mitmenschen nicht aussuchen. Ich fühle mich mit jedem Tag mehr als Fremder in einer barbarischen Zeit.

Gustav

21. Dezember 2022 09:54

@ RMH

"Weist man in Debatten auf diese Vereinfachungen hin..."

Sie und Allnichts verbreiten hier doch nur die propagandistischen Ansichten der Hauptstrommedien. Sie sind auch gar nicht offen für alternative Sichtweisen. Schwarz oder weiß. Es geht dabei aber doch nicht darum, sich für eine Partei zu entscheiden. Sie wissen doch, wie oft wir von der Politik und den Medien belogen werden. Ziel ist ein objektives Bild über die Geschehnisse. Das erreichen wir aber nicht, wenn wir selbst mit Vorurteilen beladen jede andere Schilderung der Begebenheiten ablehnen und erst gar nicht überprüfen. Ich habe ihnen schon etliche unabhängige Stellen benannt. Anscheinend ignorieren sie dies, und beharren weiterhin ohne Gegenbeweise auf ihrer Sicht der Dinge. Eine lesenswerte und neutrale Seite:

https://axelkra.us/ukraine-war-what-is-it-good-for-teil-6-transformation-iain-davis/

 

Gustav

21. Dezember 2022 10:01

@ Laurenz

"Wenn es denn gar kein deutsches Volk gibt, wie Vollspakken Habeck philosophiert, dann existiert auch kein Schuld."

Hö, Hö, und man müßte ihn auch gar nicht bezahlen...

Karl Otto

21. Dezember 2022 11:46

Für mich ist es jedenfalls immer wieder verblüffend, wie die Rechten den Amis jede Schandtat zutrauen und ihnen grundsätzlich finsterste Motive unterstellen, während die Russen im Grunde immer ein gutes Herz haben, und nur vom Bösen Westen gezwungen wurden, über alle ihre Nachbarn herzufallen. BZw. wenn die Russen das tun ist es legitim, wenn die Amis Saddam Hussein beseitigen, ist es ein imperialistischer Eroberungskrieg.

Als mein Vater im Februar 1945 mit 17 Jahren eingezogen und nach Ostpreußen geschickt wurde, um die Russen aufzuhalten, versuchten er und die meisten seiner Kameraden jedenfalls, sich schnell nach Westen abzusetzen, um in amerikanische und nicht in russische Gefangenschaft zu geraten. So jedenfalls seine Erzählung.

RMH

21. Dezember 2022 12:27

@G., warum sollte ich die genannten Quellen auch tiefer rezipieren? Damit ich denselben Käse, den mir die MSM zeigen, schlicht gespiegelt bekomme? Ich bin der tiefen Überzeugung, dass der große Angriff nicht zu rechtfertigen ist und allen Emanzipationsinteressen Europas, gerade auch gegen die USA, zuwider läuft. Neben meiner Auffassung, dass das Argument „aber die anderen doch auch" gar nichts rechtfertigt, sind das einige der Beweggründe im Chor des simplen "Die Russen haben Recht" oder abgeschwächt "die Russen sind in eine Falle der USA gelaufen" zur Belebung der Diskussion eine andere Seite zu bringen. Ich versuche das Recht gegen die Macht zu vertreten. Für mich, der ich mich der rechten Szene - obwohl selber zu liberal - seit Jahrzehnten verbunden fühle, war es schon ein Schlag ins Kontor, dass ausgerechnet die Operetten-Truppe vom III. Weg bis heute die Stellungnahme zum Ukraine-Krieg veröffentlicht hat, die noch am ehesten Positionen von Ethnopluralisten widerspiegelt, ohne pazifistisch zu sein. Der offene Antiamerikanismus (hinter dem bei wenigen auch noch ein anderer ismus stehen mag) macht einige blind für die Folgen des russ. Handelns für D. Und am Ende wird die Sache auf dem Schlachtfeld entschieden - mit einem Blutverlust für Europa, der einen nur noch erschüttern kann. Über diesen Blutzoll naseweise hinweg zu referieren oder den Sandkastenstrategen zu geben, der alles aufgrund seiner vermeintlich zutreffenderen Quellen besser weiß, ist ein Zeichen von Unreife.

Allnichts

21. Dezember 2022 14:03

1/2

Gustav:

Ich kann nun nicht sagen, wie der ebenfalls angesprochene RMH oder überhaupt die Kommentatoren hier sich informieren, aber ich gehe davon aus, dass sich die meisten beide bzw. mehrere Seiten und Argumentationen anhören und daraus ihre Schlüsse ziehen, natürlich auf der Grundlage des bereits vorhandenen Wissens, politischer Einstellungen usw. Ich für meinen Teil stelle fest, dass mich das, was von russischer bzw. "pro-russischer" Seite kommt, einfach sehr viel weniger überzeugt. Natürlich betreiben alle Seiten Propaganda und haben ihre eigenen Interessen, auch ihre eigene Wahrnehmung, doch bei der russischen Argumentation stellt sich schlichtweg sehr viel häufiger heraus, dass sie nicht auf Fakten beruht.

Ausserdem und viel wichtiger: Russland hat sehr früh, spätestens aber auf dem Schlachtfeld gezeigt, wer angreift und wer sich verteidigt, wer wem das Land und die Menschen rauben will, wer wem das Existenzrecht abspricht, wer massenhaft Kriegsverbrechen begeht usw. Für jemanden, der für die territoriale Integrität von Staaten, für das Selbstbestimmungsrecht der Völker etc. einsteht, ist die Sache eigentlich klar. Viele Rechte scheinen diese Grundsätze vergessen zu haben, es geht nur noch darum, was den USA schaden und Deutschland nützen könnte. Dafür würde man das ukrainische Volk opfern und vermutlich auch noch weitere. Nicht meine Weltanschauung.

Dieter Rose

21. Dezember 2022 14:24

01 Ich verurteile die Kriege, die von den USA im Namen der Demokratie geführt wurden.

02 Ich schätze Country & Western Musik ind Leonard Cohen (Kanadier, ich weiß).

03 Ich verurteile den russischen Angriff auf die Ukraine mit den toten jungen Menschen auf beiden Seiten.

04 Ich schätze russische Komponisten und russische Literatur.

Bin ich jetzt ein Ami- oder Russenhasser oder ein Ami- oder Russenfreund?

 

Gustav

21. Dezember 2022 14:25

@ RMH und Allnichts

Sie scheinen beide nicht in der Lage zu sein, sinnerfassend zu lesen. Oder sie wollen mich absichtlich mißverstehen. Das, was sie schon wieder zu dem Thema schreiben, ist doch gar nicht meine Position. Wie Trolle und Papageien erzählen sie ihren Stiefel, egal was der andere erzählt. Ich geb´s auf.

Allnichts

21. Dezember 2022 14:26

2/2

Verstehe ich Sie eigentlich richtig, dass Sie hier laufend Ihre eigene Netzseite als Quelle angeben und diese nun auch noch als lesenwert und neutral empfehlen? So oder so: Eine Seite wie axelkra.us ist vieles, aber sicherlich nicht neutral. Muss sie genau genommen auch nicht sein, aber sie muss auch nicht anders angepriesen werden als es den Tatsachen entspricht. Wir wollen tendenziöse Stellungnahmen doch nicht unter dem Deckmantel der Neutralität verkaufen, nech.

Ein Fremder aus Elea:

Die Ukrainer können sich ausmalen, was ein Leben unter russischer Herrschaft bedeuten würde, Verhandlungen mit einem für die Ukraine akzeptablen Ausgang sind derzeit unrealistisch, es bleibt daher nur der Kampf. Es muss verwundern, dass gerade Rechte die Unabhängigkeitskämpfe von Völkern - angeblich - nicht mehr verstehen können.

dojon86

21. Dezember 2022 15:21

@tearjerker 20.12.2022 16:22 Zu ihrer Frage an die Orbanisten, "Wie viele Sanktionspakete und Sanktionsverlängerungen hat Ungarn verhindert ?"

Was erwarten sie eigentlich von einem Kleinstaat in Ostmitteleuropa ? Offenbar außergewöhnlichen Mut. Vor allem wenn vor ihrer Haustür (wenn wir mal annehmen, das Österreicher kulturell eindeutig Süddeutsche sind) ein 90 Millionen Volk kuscht.

Hajo Blaschke

21. Dezember 2022 15:28

@ Karl Otto Mich würde wirklich mal interessieren, über welche Nachbarn die Russen am laufenden Band herfallen. Ihre Argumentation ist so lachhaft, dass man darüber gar nicht lachen kann.

Was hier übrigens von solchen Russland-Experten (mir fallen da u.a. RMH und vor allem Allnichts ein)als russische bzw. prorussische Propaganda aneprangert wird, ist einfach Wissen über die Realitäten dieses Krieges und vor allem seiner Vorgeschichte.

Laurenz

21. Dezember 2022 15:51

@Dieter Rose

Kulturell ist Leonard Cohen kein Kanadier, sondern Jude. Der Urgroßvater väterlicherseits stammte aus Litauen & der Vater der Mutter aus Rußland. Ein Paß macht keinen Menschen.

Allnichts

21. Dezember 2022 16:27

Gustav:

Wo genau fühlen Sie sich denn nun missverstanden? Sie schrieben, dass wir angeblich nicht offen für andere Sichtweisen seien, uns einseitig und ausschliesslich im Sinne der westlichen Propaganda äussern und ohne Gegenbeweise zu Ihren Thesen auf unserer jeweiligen Sicht der Dinge beharren würden. Nichts davon trifft zu, weder für mich noch für RMH noch für andere, die Sie wohl ebenfalls zu kritisieren hätten, diesmal aber nicht kritisiert haben, und Begründungen wurden geliefert. Auch jene, die sich hier gegen den Krieg aussprechen, setzen sich permanent mit anderen Sichtweisen als der eigenen auseinander, unter anderem hier im Forum, es wird auch nicht 1:1 nachgesprochen, was aus dem NATO-Hauptquartier kommt, Quellen werden immer wieder geliefert. Theoretisch könnte ich Ihnen umgekehrt alle Vorwürfe ebenfalls an den Kopf werfen. Es bleibt festzustellen, dass hier offensichtlich unterschiedliche Auffassungen aufeinandertreffen, was wohl zu akzeptieren ist.

Sezession, Anti-Spiegel, Compact, junge welt, DKP, Telepolis, Overton-Magazin, Alina Lipp, die entsprechenden Telegram-Kanäle, Weltnetz, Putin-Pressekonferenzen, -reden, -texte, stundenlange Videos irgendwelcher kommunistischer Gruppen, ungarische Seiten, selbst nordkoreanische Medien usw. usf. - alles auf meiner Leseliste, die mehrmals wöchentlich durchgegangen wird. Es überzeugt nun einmal nicht.

Laurenz

21. Dezember 2022 16:48

@Allnichts @Gustav

Sitzen die Russen in Ramstein oder die Amis? Schon mal probiert, die loszuwerden? Bevor wir uns also über Russen beschweren, sollten wir da nicht vor unserer eigenen Haustüre kehren? Ami, go home and fuck your mother..... Da hatte die DDR mit der guten Stimme eines Ernst Busch schon einen guten Riecher https://youtu.be/3CmJyn61j1k 

Niekisch

21. Dezember 2022 17:00

"Als mein Vater im Februar 1945 mit 17 Jahren eingezogen und nach Ostpreußen geschickt wurde, um die Russen aufzuhalten, versuchten er und die meisten seiner Kameraden jedenfalls, sich schnell nach Westen abzusetzen, um in amerikanische und nicht in russische Gefangenschaft zu geraten."

@ Karl Otto 11:46: Schade, denn zu gleicher Zeit eilten Deutsche, die eine Verbindung zu den deutschen Ostprovinzen hatten, aus aller Welt bis nach Königsberg, um die Heimat noch Ende 1944/Anfang 1945 zu beschützen. Eine Überlebenschance gab es da kaum. 

Ein Fremder aus Elea

21. Dezember 2022 17:16

Allnichts,

da haben Sie wenigstens Recht, ich verstehe diesen Unabhängigkeitskampf nicht. Die Ukraine war unabhängig. Unabhängigkeitskämpfe werden doch normalerweise von Völkern geführt, welche nicht unabhängig sind.

Ich würde diesen Krieg als einen klassischen Krieg bezeichnen. In gewisser Weise ähnlich zum Deutsch-Dänischen Krieg. In anderer Hinsicht ähnlich zum Amerikanischen Bürgerkrieg. Ich kann nicht erkennen, daß dieser Krieg nötig war oder daß er einen konstruktiven Zweck erfüllen wird. Sein Zweck kann doch nur sein, alte Standards zu zerstören und Raum für neue zu machen. Ist mir zu spekulativ. Kann ich in dieser Form nicht unterstützen. Ich glaube nicht an diese Zauberlehrlinge, ihre Theorien scheinen mir zu oberflächlich.

Karl Otto

21. Dezember 2022 17:46

@Hajo Blaschke: Stimmt, über China sind sie nicht hergefallen, war wohl doch zu groß. Aber ansonsten von Finnland bis Armenien so ziemlich alle. Und die muslimischen Länder in Zentralasien sind auch nicht freiwillig der Sowjetunion beigetreten. Lesen sie mal "Hadji Murat" von Leo Tolstoi, da wird beschrieben wie die Russen im 19. Jahrhundert in Tschetschenien gehaust haben. Genau wie heute in der Ukraine. Gewissermaßen eine alte Tradition.

Hajo Blaschke

21. Dezember 2022 18:29

Fremder aus Elea, der Dänisch-Deutsche Krieg 1864 (bzw. Kriege, denn es gab schon 1848 - 1851 einen antidänischen Aufstand) war im Gegensatz zu Ihrer Ansicht ein Befreiungs- oder Unabhängigkeitskrieg. Es war ein Krieg der deutschen Bevölkerung zur Befreiung vom dänischen Versuch der Eingliederung der Provinzen Schleswig und Holstein, die nie zu Dänemark gehörten, nach Dänemark. Etstaunlich, aber es hat eben auch Kriege des deutschen Volkes von Fremdherrschaft gegeben.

Gracchus

21. Dezember 2022 19:09

@Allnichts, RMH

Damit die Diskussion konkreter wird: Seid Ihr beiden dafür, dass Deutschland sich an Sanktionen gegen Russland beteiligt und Waffen an die Ukraine liefert? Bitte mit kurzer Begründung!

Gustav

21. Dezember 2022 20:00

@ Karl Otto

"...versuchten er und die meisten seiner Kameraden jedenfalls, sich schnell nach Westen abzusetzen, um in amerikanische und nicht in russische Gefangenschaft zu geraten."

Ja, und wer Glück hatte, kam zur Erholung von Krieg und Hunger zur Pflege in die Rheinwiesenlager.

Gnaeus

21. Dezember 2022 20:38

Putin ist kein Nationalist, Putin ist nicht unsere Rettung, Russland ist ein Vielvölkerstaat, Russland verhält sich wie eine Grossmacht etc. pp.  Alles richtig, alles geschenkt. Es geht gar nicht darum, Russland weiss zu waschen, es geht darum sich nicht blindlings vor den Karren der Amerikaner zu spannen.

Würde man nur einmal sehen wollen, was offensichtlich ist, dass nämlich der Amerikaner vor den Toren Russlands operiert und nicht der Russe vor den Küsten Amerikas – was bedeutet, dass Russland hier geostrategisch in der Defensive ist – dann könnte man auch verstehen, warum die Rechte hier nicht zu einer einseitigen Verurteilung Russlands tendiert, obwohl es den Krieg hat eskalieren lassen.

@Allnichts Genau so einfach ist es nicht, wie sie hier immer behaupten. Vieles steht und fällt doch damit, was die Menschen im Donbass wollen/wollten. Haben die Ukrainer das Selbstbestimmungsrecht der Völker da akzeptiert, sich wie Nationalisten aufgeführt, oder eher wie Chauvinisten? Alles nicht ganz so einfach zu beurteilen, wie sie hier immer behaupten. Dass aktuell gerade das ukrainische Volk geopfert wird, um amerikanische Interessen durchzusetzen; nicht meine Weltanschauung.

Gnaeus

21. Dezember 2022 20:59

Doch RMH, Allnichts liegt daneben und Sie über weite Strecken auch. Sie versuchen angeblich das Recht gegen die Macht zu vertreten, verkennen dabei aber offenbar, dass dieses Recht über weite Strecken nur missbraucht wird, um amerikanische Interessen zu vertreten. Es gibt da nicht mehr viel zu vertreten. Denken Sie, die Russen hätten nicht beobachtet, was die Amerikaner bspw. in Serbien und mit dem Kosovo gemacht haben? Mir kommt es vor, wie wenn das Völkerrecht den Protagonisten einen Arm auf den Rücken bindet, damit man sich nicht verteidigen kann, wenn man angreift. Einer der Boxer hat aber schon lange die Fessel gelöst und kämpft mit beiden Fäusten. Anstelle mit aller Macht zu versuchen, den Arm wieder festzubinden, beginnt man aber laut mit dem zweihändigen Boxer zu schreien, wenn andere die Fessel auch zu lösen beginnen.
 

Um zu erkennen, dass die Amis immer noch in Deutschland sitzen, dass alle dekadenten Strömungen aus amerikanischen Universitäten über den Teich schwappen und nicht aus russischen, dazu muss man nicht russophil sein. Die Kommunisten, welche ich verachte, haben in Mitteldeutschland kein babylonisches Sprachwirrwarr und keinen multikulturellen Slum hinterlassen, der droht die Einheimischen zu schlucken.

dojon86

21. Dezember 2022 21:00

@Karl Otto 21.12.2022 11:46. Unbestritten ist es, dass sich die Russen in Ostdeutschland sehr sehr übel aufgeführt haben. Unbestritten ist es aber auch, dass viele Russen gegen Ende des Krieges sehr viele auch persönliche Gründe hatten, die Deutschen zu hassen. Über die Realitäten der deutschen Besatzungspolitik im Osten könnte ich durch meinen Vater, Soldat von 1940 bis 1944, so einiges erfahren. Wogegen die amerikanischen Bewacher, die ihre Lebensmittelreste demonstrativ auf den Müll warfen, während deutsche Kriegsgefangene hinter dem Stacheldraht hungerten, abgesehen von den Juden unter ihnen, wohl kaum solche Gründe hatten. (Letzteres erzählte mir mein Onkel, der solches 1945 in Oberösterreich erlebte.) Aber letztlich sind das alte Geschichten. Europa braucht einfach ein Gleichgewicht der Kräfte, so einfach ist das. Und die pathologischen Zustände in der westeuropäischen Gesellschaft haben wir der US Reeducation zu verdanken. Man sehe nur mal die Lebensläufe der ersten Genderprofessorinnen in Deutschland an. Die meisten durchliefen einen Teil ihrer Ausbildung in den USA, nicht in Moskau.

 

RMH

21. Dezember 2022 21:37

"es geht darum sich nicht blindlings vor den Karren der Amerikaner zu spannen."

@Gnaeus,

Wir sind seit 45 immer stärker vor den Karren der Amerikaner gespannt - seit Ende 1990 dann auch mit den Gebieten Mitteldeutschlands. Das sind Fakten, die man nicht von heute auf morgen ändern kann und es entbehrt keiner Logik, dass wir aktuell dann eben nicht neutral sind sondern uns an Sanktionen beteiligen und Waffen liefern. Und damit ist auch die Grundlage genannt, auf der ich @Gracchus, der vollkommen recht hat, einmal eine Art Gretchenfrage zu stellen, antworten möchte:

Unter der oben genannten Voraussetzung und der Feststellung, dass meiner Meinung nach fast die gesamte deutsche Außenpolitik seit 1990 schief gelaufen ist, befinden wir uns in einer Situation, wo wir nicht auf einmal "ohne uns" sagen können. Ich bin überzeugt, dass Deutschland im Verbund mit den anderen bekannten Ländern Zusagen gemacht hat, Zusagen, die uns unter Umständen nicht bekannt sind. Und vor diesem Hintergrund sage ich klar: Ja zu Waffenlieferungen, ja zu Sanktionen, auch wenn letztere uns mehr schaden, als Russland. Wer A sagt, muss auch B sagen. Vor dieser geschichtlichen Ausgangslage können wir die Ukraine nicht einfach hängen lassen. 

Wäre seit der Wiedervereinigung eine andere Politik gemacht worden, würde es anders aussehen. Ist aber nicht passiert. Eine zukünftige, deutsche Außenpolitik hat aber anders auszusehen, darüber besteht hier vermutlich Einigkeit. Bis dahin müssen wir die Suppe auslöffeln.

Gnaeus

21. Dezember 2022 21:43

"Und am Ende wird die Sache auf dem Schlachtfeld entschieden - mit einem Blutverlust für Europa, der einen nur noch erschüttern kann. Über diesen Blutzoll naseweise hinweg zu referieren oder den Sandkastenstrategen zu geben, der alles aufgrund seiner vermeintlich zutreffenderen Quellen besser weiß, ist ein Zeichen von Unreife."

Hier ist Ihnen beizupflichten. Putin versuchte, ein Ende mit Schrecken herbeizuführen, um den Schrecken ohne Ende zu beenden. Er hat sich wohl verzockt. Dank westlicher Intervention wurde ein Friedensschluss im März verpasst und jetzt wird der Schrecken ohne Ende ins unermessliche gesteigert. Zum Leidwesen der Ukrainer, der Russen, der (West-) europäer und zur Freude der Amerikaner und einiger Osteuropäer, die sich leider aus historischen Gründen dazu hinreissen lassen. Und es soll mir jetzt nicht wieder ein Simplifizierer kommen und sagen, die Russen könnten heute noch alles beenden, indem sie sich aus der Ostukraine und der Krim zurückziehen.

RMH

21. Dezember 2022 21:50

"in die Rheinwiesenlager."

Mein Onkel war als ehem. Soldat der Waffen- SS in einem der dortigen Lager. Das, was er mir davon erzählt hat, passt nicht in die gängigen Erzählungen, die man auf rechten Seiten lesen kann. Ich will aber dieses Fass nicht auch noch aufmachen, denn das dort auch Schreckliches geschehen ist, ist meiner Meinung nach unstreitig. 

Genauso wie es in die gängigen Erzählungen nicht passt, was ein vor kurzem verstorbener Wehrmachtsoldat mir über seine 8 Jährige Gefangenschaft in russischen Lagern erzählt hat - obwohl auch in Russland unstreitig Schreckliches geschehen ist. Insbesondere der Umgang mit den gar nicht mal so kleinen Resten der 6-Armee wirft doch ziemliche Fragen an Russland auf. Fragen, die neben vielen anderen, bis heute nicht fair beantwortet wurden, außer, dass man für den teilweisen Furor der Sieger bis heute dann eben irgendwie "Verständnis" haben soll (der letzte Teil dieses Satzes gilt allgemein und damit auch für das, was die anderen Alliierten mit Deutschen gemacht haben).

Zusammengefasst: Zu allem gibt es immer auch Gegenbeispiele - die Wirklichkeit ist vielschichtig.

Ein Fremder aus Elea

22. Dezember 2022 01:55

Herr Blaschke,

der schleswig-holsteinische Aufstand war ein Unabhängigkeitskampf, Preußen und Österreich waren hingegen schon unabhängig, als der Deutsch-Dänische Krieg begann.

Was soll die Wortakrobatik? Und was die traditionelle Rechtsverfassung angeht, 1864 bestand das HRRDN schon nicht mehr. Selbstverständlich fand der Krieg im Rahmen der preußischen Expansion statt, Vorwände finden sich immer. Aber ich will das weder so noch so werten, vor Gericht vertritt jeder Rechtsanwalt seine Position, mit dem Völkerrecht verhält es sich nicht anders. Und vor dem Völkerrecht ging es halt um die Ansprüche von Adelsfamilien, etwa in Frankreich oder Konstantinopel. "Recht" hat noch nie für "Gerechtigkeit" bei Kriegen gestanden.

Mir geht es darum, daß es die Aufgabe der internationalen Politik ist, eine Verständigung herbeizuführen, welche Situationen verhindert, in welchen Ziele zu Kriegszielen werden, welche vernünftigerweise keine sein sollten. Ob man diesbezüglich eine allgemeine Liste angeben sollte, oder sich von Fall zu Fall überlegen, ob Krieg ein probates Mittel ist, in jedem Fall bin ich aus demokratischer Sicht, als Souverän, welcher formal hinter diesen Entscheidungen steht, mit meinen politischen Vertretern unzufrieden, aber man kann natürlich auch nicht ungeschehen machen, was bereits geschehen ist.

Allnichts

22. Dezember 2022 09:35

1/2

Gracchus:

Ich bin sowohl für Waffenlieferungen als auch für Sanktionen als auch für andere Maßnahmen, welche der Verteidigung der Ukraine sowie der Schwächung der Fähigkeit Russlands zur Fortführung des Krieges dienen, wobei sich jeweils darüber streiten lässt, was genau sinnvoll und angebracht ist. Sie haben um eine kurze Begründung gebeten, daran werde ich scheitern:

1. Die Ukraine ist ein europäisches Land, welches ungerechtfertigterweise angegriffen wurde. Ohne solche Hilfe könnte sie ihr Land nicht erfolgreich verteidigen, mit allen Folgen für das Land und die Menschen. Es sollte selbstverständlich sein, in einer solchen Situation zu helfen, und es wäre falsch, die Hilfsmaßnahmen auf andere abzuwälzen.

2. Gegen die imperialistischen Bestrebungen Russlands ist generell anzukämpfen, gerade auch, da sie sich auch auf Europa beziehen. Den Automatismus, den viele vermuten, nämlich dass sich mit einem stärkeren russischen Pol die Situation für Europa verbessert, sehe ich nicht. Es ist ungewiss, es würde ohnehin nicht jedes Opfer rechtfertigen und es könnte vor allem auch die genau gegenteilige Wirkung haben: verstärkte Lagerbildung mit Europa im US-Lager, heisse Konfrontationen auf europäischem, auf deutschem Boden, Chaos in Europa. Russlands feindliches Vorgehen bedeutet für Deutschland vor allem stärkere Unsicherheit.

Hajo Blaschke

22. Dezember 2022 09:41

Ein Fremder aus Elea, vielen Dank für Ihre Antwort. Preußen und Österreich hatte ich nicht erwähnt, darum ging es nicht. Es ging einzig und allein darum, dass in Schleswig-Holstein in den Jahren 1848 bis 1851 ein Aufstand gegen die Okkupationsbestrebungen Dänemarks stattfand. Den dann folgenden Krieg 1864 hatte ausschließlich Dänemark und weder Preußen noch Österreich initiiert. Und auch dieser Krieg hatte zum Ziel, die unrechtmäßige Eingliederung beider Provinzen nach Dänemark abzuwehren.

Soweit zu Unabhängigkeitskriegen. Die Ukraine kämpft nicht um ihre Unabhängigkeit, auch wenn das noch so oft behauptet wird. Russland hat am Ende des Jahres 2021 in Memoranden an die USA und NATO Vorschläge für gegenseitige Sicherheitsgarantien übergeben, darauf jedoch keine Antworten erhalten. In diesen Memoranden wurden USA und NATO aufgefordert, die Ukraine als neutralen Staat ohne jegliche Mitgliedschaft in der NATO zu belassen. Da weder USA noch NATO als die Hauptinitiatoren der ukrainischen Politik darauf dadurch reagierten, dass die ukrainische Armee im Januar 2022 ihre Aggressionen gegen den Donbass verstärkten, hat Russland am 24. Februar 2022 die militärische Aktion zur Demilitarisierung der Ukraine begonnen. Merkel hat doch klar und deutlich die Aufrüstung der Ukraine gegen Russland benannt.

RMH

22. Dezember 2022 10:20

"Mir geht es darum, daß es die Aufgabe der internationalen Politik ist, eine Verständigung herbeizuführen, welche Situationen verhindert, in welchen Ziele zu Kriegszielen werden, welche vernünftigerweise keine sein sollten."

Exakt darum geht es. Wenn es aber durch militärische Mittel Machtgefälle gibt, dann ist der vermeintlich Stärkere eher geneigt, ein "Problem" militärisch zu lösen, in dem er den vermeintlich Schwächeren eben mit Krieg überzieht.

Da das Völkerrecht keinen Weltpolizisten kennt, der regelnd eingreift, bleibt zur Wahrung des Grundsatzes, dass Angriffskriege geächtet sind, nur die Möglichkeit, dass alle andere, nicht betroffenen Länder sich mit dem Überfallenen solidarisieren und dieses Land - auch mit Waffen - unterstützen. Durch so eine Vorgehensweise wird zum einen der Angreifer gezwungen, seine Position zu überdenken und es wird gezeigt, dass zukünftige Angreifer sich nicht sicher auf ihre eigene militärische Stärke verlassen können sondern immer einen deutlich höheren "Preis" kalkulieren müssen, als bei einer echten 1 zu 1 Situation, was den Preis für zukünftige Kriege unkalkulierbar macht. Auch diese rein formalen Aspekte sprechen für Waffenlieferungen an die Ukraine, auch wenn der Sachverhalt dort nicht derart lehrbuchmäßig bewertbar ist. Um damit wieder zum Anfang zu kommen: Kluge Politik braucht Krieg nicht als Fortsetzung mit anderen Mitteln.

Allnichts

22. Dezember 2022 10:24

2/2

3. Auch unter dem Gesichtspunkt, dass das Ziel ein eigenständiges, verbündetes Europa der Vaterländer sein soll, muss potentiellen Verbündeten auch jetzt in der Not beigestanden werden, selbst wenn das jetzige Europa nicht dem beschriebenen entspricht. Zwischenstaatliches Vertrauen sowie Solidarität müssen auch als Grundlage eines solchen Europas erhalten bzw. gestärkt werden, Deutschland kann seinen Teil dafür tun statt gegebenenfalls als Land dazustehen, auf das sich im Ernstfall niemand verlassen kann. Im Übrigen wäre eine Ukraine unter russischer Fremdherrschaft für ein solches Europa verloren, während Russland in der jetzigen Form allgemein kein Bündnispartner sein kann.

Für jene, die im Grunde nur Deutschlands Interesse im Auge haben:

4. Verweigert Deutschland Beteiligung an den Maßnahmen gegen Russland, werden seine Verbündeten zunehmend auf Abstand gehen, gleichwertige neue Verbündete und entsprechende Strukturen stehen nicht bereit. Wir wären ein Fremdkörper in Europa.

5. Die Wahrscheinlichkeit einer Rückkehr der ukrainischen Flüchtlinge in ihr Heimatland ist höher, wenn sich die Ukraine als eigenständiges, nicht von Russland besetztes Land behaupten kann.

6., 7., 8., ..

dojon86

22. Dezember 2022 12:49

@RMH @Allnichts Ehrlich, wenn die Bürger einer abhängigen Provinz über Weltpolitik und Geostrategie diskutieren, hat das in meinen Augen etwas lächerliches. Meinem Kind redet man in den Bildungsinstitutionen eine Familiengründung aus, wenn ich meine Wohnung verlassen, fühle ich mich wie im Ausland weil ich kaum mehr deutsche Worte höre, aus dem Radio quäkt ständig Pidgin Englisch. Das sind Probleme die mich interessieren. Und wem habe ich diese Probleme zu verdanken?

PS. Die einzige Nation, zu der Deutschland ein permanentes Bündnis aufrecht halten sollte, wäre aus geostrategischen Gründen Frankreich, (weil die in derselben Lage sind) der aber das wird immer daran scheitern, dass jeder Provinzpolitiker in beiden Ländern, wenn er sich profilieren will, alte Ressentiments aufkocht.

Karl Otto

22. Dezember 2022 13:22

Was meinen Vater betrifft, so waren seine Erfahrungen aus der amerikanischen Kriegsgefangenschaft auch nicht so toll. Jedenfalls hat er später meine Kriegsdienstverweigerung immer unterstützt, weil er nicht wollte, dass sich sein Sohn als "deutsches Schwein" beschimpfen lassen musste, wie es ihm passierte. 

RMH

22. Dezember 2022 15:41

"Ehrlich, wenn die Bürger einer abhängigen Provinz über Weltpolitik und Geostrategie diskutieren, hat das in meinen Augen etwas lächerliches."

@dojon86,

das kann man dann auch auf die Weltstrategen anwenden, die Russland das Wort reden. Ich habe in meiner Begründung klar darauf hingewiesen, dass man in Deutschland ab Beginn der Wiedervereinigung eine andere Außenpolitik hätte fahren müssen. Im Übrigen sind die Gründe, die @Allnichts aufzählt, nicht von der Hand zu weisen.

Freund der Freiheit

22. Dezember 2022 17:42

@ Niekisch, 20.12.:

Heller hatte die Kooperation souveräner Staaten im Blick, kein "demokratisches" supranationales Gebilde. Eine solche Kooperation wäre vermutlich an sich noch kein außenpolitischer Machtblock. Ist die EU heute aber auch nicht. 

dojon86

22. Dezember 2022 17:53

@RMH 15:41 Sie gehen mit keinem Wort darauf ein, wen ich letztendlich für die Deformation und den möglichen Untergang unserer Gesellschaft für verantwortlich halte. Das ist aber für mich die zentrale Frage. Somit erübrigt sich ein Gespräch. Aneinander vorbeireden bringt nichts.

RMH

22. Dezember 2022 22:13

@dojon86,

ja klar, wenn die Russen in der Ukraine siegen und uns den dauerhaften Aufenthalt von Millionen von Flüchtlingen (darunter auch mehrere zehntausende Russen & Weißrussen selber, die Putin & Co. Ade sagen) bescheren, befreien sie uns gleichzeitig vom Kulturmarxismus und den globalistischen Einflüssen der US-Amerikaner und sowohl die etablierten deutschen Politiker und Parteien und deren MSM werden sich dann umgehend auf die eigene, nationale Kultur, die deutschen Sitten und Tugenden zurück besinnen und in den Schulen werden dann Mädchen wieder Nähunterreicht haben und die Jungs Werken.

Gracchus

22. Dezember 2022 23:12

@Allnichts

Ihre Ansicht erachte ich für legitim, teile sie aber nicht. Denn:

1. "Fremdkörper"-Argument: Das hat etwas für sich. Es hängt natürlich auch davon ab, was die dt. Regierung der Ukraine und anderen Ländern zuvor (informell) signalisiert hat. Andererseits fand ein partieller Regierungswechsel statt. Dann ist nicht gesagt, dass andere EU-Länder nicht mitgezogen wären, wenn D ausgeschert wäre. Ausserdem: D kann tun, was es will, es wird als Fremdkörper wahrgenommen. Falls Sie es nicht mitgekriegt haben, sind die Beziehungen zu Italien, Frankreich, Polen, Ungarn angespannt. 

So ist die Gefahr, dass D als Vasall wahr- und nicht mehr ernstgenommen wird. Meinen Sie nicht, andere Ländere kriegen die moralischen Doppelstandards nicht mit? Es ist auch ein Zeichen von Schwäche, dass die Pipeline-Sprengung nicht aufgeklärt wird. 

Ausserdem: Wenn die Sanktionen Deutschland ruinieren, ist das nicht im Interesse der EU-Länder, 

Gracchus

22. Dezember 2022 23:39

@Allnichts II

2. Vermutlich schaden die Sanktionen D mehr als Russland. Sie nutzen partiell vor allem den USA. Daher hielte ich es für legitim, wenn D sich nicht daran beteiligte. Sie bringen auch keinen Frieden. "Russland ruinieren" - diese Devise könnte man einer 12-jährigen gerade noch durchgehen lassen; aber keiner Aussenministerin. Statt sich für 7.500 EUR monatlich eine Stilberaterin zu leisten, sollte AB sich ggf. besser einen Intelligenzberater leisten.

3. halte ich den ukrainischen Kurs seit 2014 nach meinem Eindruck nicht für unterstützenswert. Anders gesagt: wenn die Ukraine sich redlich um eine friedliche Lösung bzgl. Donzek und Luhansk bemüht und beispielsweise Minsk II umgesetzt hätte und trotzdem ein russischer Angriff erfolgt wäre, sähe die Sache anders aus. So aber - mit dieser Haltung - wird es keinen Frieden geben. Natürlich ist klar, dass sich die Ukraine anders verhalten würde, wenn sie keine westliche bzw. US-amerikamische Unterstützung bekommen hätte. Ein derart antirussischer Kurs, wenn man an Russland grenzt, ist m. E. geradezu wahnwitzig. 

4. Von daher hätte ich es besser gefunden, D hätte sich in eine Vermittlerrolle begeben. Das geht nicht, wenn man quasi Kriegspartei ist. 

dojon86

23. Dezember 2022 01:25

@RMH Zwecklos wie gesagt. Lesens Brzezinski (oder sehen sie den berühmten Podcast von George Friedman aus dem Jahr 2015."Europe destined for conflict" (leicht zu finden) da wird aus der Sicht der Atlantiker sehr klar gesagt, worum es geht. Schlicht und einfach um die Bewahrung der Rolle als einzige Weltmacht. Als Gegenmeinung empfehle ich Kissinger  Mearsheimer und Noam Chomsky. Immerhin kann man in den USA als Universitätsprofessor zumindest wenn man pensioniert ist, seine Meinung sagen, (eher noch als bei uns) das spricht zugegeben für sie. Auf der Gegenseite geht's übrigens auch um nichts besseres. Da geht's einfach um die Wiedererringung des Weltmachtsstatus. Und für das ganze sterben Menschen. Pfui Teufel !

RMH

23. Dezember 2022 10:58

@dojon86,

auch ohne Lektüre von Brzezinski war doch schon lange klar, dass die Zeit der 90er Jahre, in der alle hofften, der kalte Krieg sei zu Ende, eine Illusion war. Gerade seit 1990 ging es mit den Kriegen unvermindert weiter. Das die USA nach Weltdominanz in abgeschichteter Form streben und die anderen Weltmächte ebenso, hat sich nicht geändert. Bei den USA kam immer auch noch dazu, dass sie in kulturmarxistischer Weise nicht nur mit den klassischen Mitteln der Macht wie Militär und Wirtschaft operiert haben, sondern auch durch metapolitische und kulturelle Mittel, NGOs, "Softpower" bis hin zu den berühmten PsyOps eine Kontrolle angestrebt haben. Mit Google ist in den USA die aktuell wirkmächtigste "Firma" im westlichen Bereich angesiedelt (nicht ohne Grund sagt China dazu nein). Das alles ist bekannt. Die Ukraine wurde zum Zankapfel zwischen den Weltmächten - auch bekannt. Das Regime in der Ukraine schmeißt sich den USA an den Hals, auch bekannt. Langt das alles aus, damit Russland einen derartigen, weitreichenden Krieg seit Beginn dieses Jahres führt? Ab hier gehen doch die Meinungen weit auseinander ... (ich meine Nein, nur wenige sagen klar ja, bei den neuen Rechten haben sich die meisten auf die "Verständnis für"-Formel geeinigt und haben Sehnsucht nach Neutralität, wobei letzteres aktuell eben rein faktisch nicht möglich ist).

Gustav

23. Dezember 2022 11:50

"Esders beschreibt den laufenden Transformationsprozess in Richtung auf die noch recht fern wirkenden, aber von den globalen Eliten ernsthaft angestrebten Endziele Weltstaat und Weltregierung. Er zeigt, wie eine nicht mehr abreißende Folge von Krisen halb inszeniert und komplett instrumentalisiert wird, um das Weltvermögen umzuverteilen, was für den Westen unvermeidlich auf Freiheitsabbau und Wohlstandsvernichtung hinausläuft. „Mit zunehmender Deutlichkeit zeichnet sich ab”, notiert er, „dass die Auslöschung der Bestände nur ein Zwischenziel ist. Megalomane Sozialtechnologen sind darauf aus, den gesellschaftlichen Nullpunkt auf Dauer zu stellen und die soziale Tabula rasa als neuen Standard zu verfestigen.“ Diese „Politik des absoluten Anfangs“ läuft unter bekannten Labels wie „Build back better“, „Great Reset“, „Agenda 2030”, „Global Governance“, „Klimaschutz”, „Transformation unserer Welt“ (UN-Resolution vom 25. 9. 2015), sie wird begleitet von einem „Kult der Null” („Zero Covid”, „Zero CO2”) und einer „im Singular auftretenden“ Wissenschaft („Follow the science“), die genau das nicht mehr ist, sondern als Magd oder Hure der Politik dient, wie im Realsozialismus."

https://www.klonovsky.de/2022/12/lektuereempfehlung-2/

Allnichts

23. Dezember 2022 16:45

1/2

Gracchus:

1. Theoretisch ist es natürlich möglich, allerdings sehe ich keine Anzeichen dafür, dass so viele europäische bzw. EU-Länder einen völlig anderen Kurs fahren wollen, den jetzigen aber mitmachen, weil die grossen Vorreiter der Alternativen fehlen. Ungarn käme noch am ehesten in Frage, die äussern sich aber eigentlich recht deutlich und bekommen auch deutlichen Widerspruch, jemand wie Macron geht stärker in Richtung Verhandlungen, stellt die Notwendigkeit von Maßnahmen an sich aber nicht in Frage.

Von Bedeutung ist auch, dass es keine Spaltung der EU in West und Ost gibt wie bspw. bei der sogenannten Flüchtlingskrise. Die Beweggründe mögen nicht immer die gleichen sein, aber in der Stossrichtung ist man sich offensichtlich so gut wie einig.

Zu Ihren anderen Punkten unter 1: Darüber liesse sich jeweils lange debattieren, es sind vielleicht aber auch eher Sichtweisen eines deutschen Patrioten, der spezielle Maßstäbe ansetzt, was wertfrei gemeint ist.

2. Deutschland ruiniert sich nicht, zumindest nicht durch Sanktionen, und es wäre nachzuweisen, dass die Sanktionen Deutschland mehr schaden als Russland, gerade auch, wenn die jeweiligen Kosten aller möglichen Szenarien miteinander verglichen werden.

dojon86

23. Dezember 2022 17:24

@RMH Stimme ihnen weitgehend zu. Natürlich kann Deutschland in diesem Konflikt nicht neutral sein, weil es eben ein Vasall ist. Die anderen Europäer sind das  (in minderem Ausmaß) auch. Eine Einigkeit Europas in außenpolitischen Fragen ist nach Lage der Dinge Utopie und nur eine solche könnte die Handlungsfähigkeit im Ukrainekonflikt gewährleisten. ( Was nicht heißt, dass man dann im aktuellen Konflikt neutral sein muss ) Da ohnehin keine Handlungsoptionen vorhanden sind, denke ich, man sollte jedes Mitglied unserer Gesinnungsgemeinschaft in dieser Frage bei seiner Meinung lassen. 

Allnichts

23. Dezember 2022 17:27

2/2

Die Sanktionen sollen Russland bzw. Putin samt Anhang die Fortführung des Krieges erschweren und auch darüber hinaus treffen, dafür sollten sie geeignet sein. Davon, Russland zu ruinieren, halte ich wenig, wobei nicht vergessen werden darf, dass nicht nur die russische Elite, sondern zu grossen Teilen auch das russische Volk den Krieg befürworten. Es ist daher auch nicht ganz unverständlich, weshalb nicht nur gegen Putin agiert und agitiert wird, sondern ebenso gegen Russland.

3. Sie schieben hier letztlich der Ukraine die Schuld zu. Der russische Staat sowie Separatisten innerhalb der Ukraine sind seit 2014 offen darum bemüht, der Ukraine Staatsgebiet zu rauben und es an Russland anzuschliessen. Es bedarf keiner weiteren Erklärung, weshalb sich die Ukraine dagegen wehrt. Russland hat allgemein nichts in der Ukraine zu suchen, das war auch 2014 schon so, und Separatisten sind zu bekämpfen. Zu Minsk II: Kampf um Debalzewe.

Ohne westliche Unterstützung wäre die Ukraine Russland mehr oder weniger ausgeliefert. Ich sehe nicht, weshalb das der bessere Weg sein sollte.

4. Auch darüber lässt sich streiten. Die üblichen Vermittlungsvorschläge bedeuten alles in allem aber, dass sich der Krieg für Russland gelohnt hat. Scholz wirkt nicht, als hätte er Besseres in der Schublade, ob nun mit Beteiligung an den Sanktionen und Waffenlieferungen oder ohne.

Hajo Blaschke

23. Dezember 2022 19:31

Ich will hier keine Namen nennen von Leuten, die sich angesprochen fühlen sollen. Wen ich meine, kann jeder selbst für sich entscheiden. Die Diskussion hat sich zugespitzt von Leuten, die sich um des Kaisers Bart streiten. Ich empfehle, einfach mal die Dokumente von Minsk zum Donbass zu lesen, da steht alles mit den Unterschriften der ukrainischen Administration und den Unterschriften von Frankreich, Deutschland und Russland als Garantiemächten. Russland ist wie Frankreich und Deutschland Garantiemacht und nicht Konfliktpartei wie die Republiken Lugansk und Donezk und die Ukraine. Und als Garantiemacht hat Russland seine Funktion zum Schutz von Donezk und Lugansk am 24. Februar 2022 wahrgenommen. Das sind die Fakten, der Rest ist Propaganda. Hauptsächlich von Personen, die eigentlich gar nicht wissen, wovon sie reden.

dojon86

23. Dezember 2022 20:10

@Allnichts Warum sind Sezessionisten grundsätzlich zu bekämpfen ? Das sah der Wertewesten im Jugoslawien Krieg aber anders. Ich bin verwirrt. Meines Wissens sind die östlichsten Oblaste der Ukraine übrigens weit überwiegend russischsprachig. Das hat mir um 2010 ein ukrainischer Student (politisch eher linksliberal) bei einer Diskussionsveranstaltung bestätigt. Erst später wurde mir das durch andere Quellen bestätigt. PS. Das Völkerrecht erlaubt eine Sezession unter bestimmten Bedingungen.

Hajo Blaschke

23. Dezember 2022 21:18

Wieso ist es verwerflich, dass bestimmte Gebiete eines Landes separieren? Und wieso ist das verwerflich, wenn es Russen betrifft.? Und Korsen, Katalanen?

Und im Kosovo, wo nicht mal ein Referendum stattfand, ist das in Ordnung? Weil es Serbien schwächt? 

Die Möglichkeit, dass Gebiete separieren, ist u.a. ein garantiertes Recht lt. UNO-Völkerrecht. Dazu sind Regierenden erforderlich und nicht der Wunsch von NATO und USA wie im Falle von Kosovo.

RMH

23. Dezember 2022 22:03

@Hajo Blaschke,

1.

bitte lesen und verstehen Sie doch zuallererst einmal selber die genannten 2 Minsker Abkommen. Da steht nirgends, dass einer der mit-verhandelnden Mächte dann militärisch eingreifen darf. Putin selber hat am Tag vor dem großen Angriff direkt auf Kiew (der gerade keine militärische Absicherung der in den Minsker Abkommen betreffenden Oblaste war) gesagt, dass Minsk keine Zukunft hat. Er hat die Donbass Republiken unmittelbar nach dem Angriff als eigenständige Staaten anerkannt und damit gerade nicht nach den Minsker Vereinbarungen gehandelt, diese Vereinbarungen also gerade nicht "garantiert".

Zudem: Bereist im Budapester Memorandum hat Russland die vollständige territoriale Integrität und den Verzicht auf Waffengewalt der Ukraine zugesichert. Bereits mit dem Einmarsch der grünen Männer auf der Krim wurde dagegen verstoßen.

RMH

23. Dezember 2022 22:11

2. Sie, Herr Blaschke, erzählen hier immer mit dem Impetus des "ich kenne Russland, ich spreche russisch, verstehe ukrainisch, habe erste Hand Informationen etc." den Leuten vermeintliche Fakten, erklären von oben herab andere Debattenteilnehmer als Leute ohne Ahnung oder zu Stimmen der USA und verbreiten schlicht falsche Aussagen. Und jetzt haben Sie die Gelegenheit anhand der Minsker Protokolle, die ja durch den aktuellen Krieg in der Ukraine von Russland angeblich "garantiert", also durchgesetzt werden sollen, den Mitdiskutanten zu erklären, warum Russland a) direkt auf Kiew zumarschieren durfte und b) die beiden Donbass Republiken völkerrechtlich als Staaten anerkennen durfte c) die Donbass-Staaten später dann zum russischen Staatsgebiet  machen durfte d) mit der Einverleibung der Donbass Republiken Gebiete mit annektieren konnte, die über die Gebiete des Minsker Abkommens deutlich hinaus gehen. Also bitte, wo geben die beiden Vereinbarungen von Minsk die eben genannten Schritte a-d her?

Sandstein

23. Dezember 2022 22:41

Habe die Diskussion und Wortbeiträge bis hier her wirklich mit Interesse verfolgt. Das Thema hat es in sich: weil es hoch aktuell ist, weil es in die Vergangenheit reicht, und unsere Zukunft zum guten Teil bestimmen wird. 

„2. Deutschland ruiniert sich nicht, zumindest nicht durch Sanktionen, und es wäre nachzuweisen, dass die Sanktionen Deutschland mehr schaden als Russland...“ 

Das ist ja eine inhaltliche Bewertung nicht mehr wert! Allnichts, nehmen Sie sich bitte Weihnachtsurlaub, Sie checken ja gar nichts mehr.

Meine Einschätzung: der Ami sieht und spürt seine Weltmacht schwinden. Alle Kapazitäten werden im Pazifikraum gebraucht. Das ist auch durch offizielle Maßnahmen schon unter der Obama-Administration belegbar.

Für das alte Europa hatten die kulturlosen Fettis überm Teich noch nie was übrig, außer vllt Hohn. Die opfern gerade Europa, schwächen im gleichen Zuge Russland und werden in 5-10 Jahren „ade, Good Bye, war schön bei euch“ sagen. Dann ist Europa ein einziges Shithole und völlig egal wer von den Besserwissern hier weniger falsch lag. 

Deutsche, die Sympathien für die USA hegen, sind unbelehrbar. Leider ein Merkmal der Nachkriegsgeneration, insbesondere im Westen. Stockholm Syndrom und insofern sogar nachvollziehbar - trotzdem pathologisch. Man möchte sich zumindest ein bisschen wie der Sieger fühlen. Erbärmlich. 

Allnichts

24. Dezember 2022 10:24

dojon86:

Auch viele Ukrainer sprechen Russisch und nicht alle, die Russisch sprechen, wollen sich Russland anschliessen.

Aus Sicht eines Staates, der durch Separatismus Land und Leute zu verlieren hat, ist es natürlich erst einmal Pflicht, diesen Separatismus zu bekämpfen. Das Völkerrecht lässt Abspaltungen zu, was sicherlich auch richtig ist, aber wie von Ihnen angesprochen gilt das unter bestimmten Bedingungen, auf bestimmten Wegen, in einem geordneten Prozess. Wäre danach festgestellt worden, dass eine Abspaltung von Ostukraine und Krim rechtmässig ist, hätte ich auch gesagt, dass die Ukraine das akzeptieren und den Kampf dagegen aufgeben muss. Allerdings wurde das nie festgestellt, konnte es unter den Umständen auch nicht, sondern es wurde von Russland mit Gewalt und irgendwelchen Pseudo-Referenden durchgedrückt. Und nach den letzten 8 Jahren, dem Angriffskrieg Russlands, den Vertreibungen, der Indoktrination in den Gebieten usw., die dazu führen, dass der ursprüngliche Zustand, der eigentliche Wille der Bevölkerung nicht mehr nachzuvollziehen sind und der heutige Zustand ein unzulässig manipulierter ist, müssten zumindest meiner unbedeutenden Meinung nach Abspaltungen ohnehin erst einmal vom Tisch sein. Mag gegebenenfalls völkerrechtlich usw. anders aussehen.

Hajo Blaschke

24. Dezember 2022 12:22

RMH Kein Mensch verbietet Ihnen doch, Ihr Wissen und Kenntnisse über Russland und die Ukraine kundzutun.

Sie reproduzieren allerdings, übrigens genau wie Allnichts, das, was man im Westen als dem Michel zumutbar an Informationen verbreitet.

War die Abspaltung des Kosovo vom Völkerrecht gedeckt? Nein. Und Russland hat Referenden auf der Grundlage des Völkerrechts durchgeführt und die Leute dort in Malorussia und Novorussia und auf der Krim haben sich mit großer Mehrheit dafür entschieden, zu Russland zu gehören. Da können Sie noch so lange von grünen Männchen schwafeln. Die Donbass-Republiken wurden übrigens vor dem Einmarsch anerkannt. Der Sinn des Einmarsches ist die Demilitarisierung der Ukraine und Russland wird das auch durchziehen. Seit dem 24. Februar 2022 hat die ukrainische Führung wie auch seit bereits acht Jahren vorher jeden Tag die Möglichkeit, mit Russland zu verhandeln.

Merkel hat doch deutlich den Sinn der Minsker Abkommen dargelegt: Zeit gewinnen für Aufrüstung und Stärkung der Ukraine für einen Angriff auf Russland. Die Ukraine hatte zu diesem Zweck Ende 2021 eine Armee mit über einer Million Mann und mehr Panzern als alle europäischen Nato-Staaten.

dojon86

24. Dezember 2022 13:53

@Allnichts Generell gilt, solange Bewaffnete beider Seiten die Straße in den betroffenen Regionen dominieren, wird die Meinung der Bevölkerung nicht erhebbar sein. Im übrigen stammte meine Erstinformation über diese Gegend aus der Zeit vor 2015.

@Sandstein 22:41 Dass Amerikaliebe eine Religion ist, weiß ich schon lange. Jedenfalls seitdem ich Mitte der 70ger Jahre zum ersten Mal auf einem Konzert für Liebhaber angloamerikanischen Unterschichtmusik war. Aber das ganze hat nichts mit Stockholm-Syndrom zu tun. Eher mit einer seit den späten 19. Jahrhundert ansteigenden Welle der Verachtung gegen die slawischen "Unter"menschen, auf der die Nazis ideologisch noch einen draufsetzten und die unterschwellig bis heute in der Westpropaganda zu spüren ist. Hierzu eine persönliche Anekdote, meine Tochter ging in ein Gymnasium, welches sich ca. 10 Kilometer von der österreichisch-slowakischen Grenze befand. Irgendeine Kooperation mit slowakischen Schulen gab's nicht. Slowakisch als Freigegenstand, gab's auch nicht. Dabei wäre von slowakischer Seite (laut einer Lehrerin meines Kindes ) lnteresse gewesen, es scheiterte an den Eltern. Dafür wurde angeboten, die ganze Klasse auf Elternkosten für drei Wochen nach Buenos Aires zu schicken ! Solange jedenfalls in Europa ein derartiges Desinteresse gegenüber unmittelbaren Nachbarn eher die Regel als die Ausnahme ist, wird es niemals ein vereintes Europa geben.

Gustav

25. Dezember 2022 09:01

Im politischen und medialen Mainstream, ja sogar in der Friedensbewegung, scheint der Fall klar zu sein: Russland gilt spätestens seit dem 24. Februar 2022 als "Aggressor". Diese ahistorische Betrachtungsweise führt in die Irre. Der Sachverhalt ist  – auch völkerrechtlich  – komplizierter, wie die hier dokumentierte Analyse zeigt.

https://seniora.org/politik-wirtschaft/wer-ist-der-aggressor

Karl Otto

25. Dezember 2022 15:02

Der Ami, der Russe, der Pole....ich liebe diesen Reichs-Singular.

Allnichts

25. Dezember 2022 18:02

Gustav:

RT als eigentliche Quelle ist schon einmal nicht schlecht. Vor allem aber ist mir entgangen, wie die "dokumentierte Analyse" zeigen soll, dass der Sachverhalt "komplizierter" ist, denn der Text ist eine absolut einseitige Darstellung nicht nur der Geschehnisse in der Ukraine, sondern überhaupt des Westens und Russlands. Sie wollen so etwas doch wohl nicht ausgeglichen und sachlich nennen.

Hajo Blaschke:

Ganz abgesehen davon, dass die Referenden offensichtlich unter Umständen abgehalten wurden, die freie und faire Wahlen nicht zuliessen: Aus solchen Referenden wäre auch bei 100 % Zustimmung nicht automatisch ein Recht auf Abspaltung ableitbar, da für ein solches noch weitere, sehr strenge Voraussetzungen vorliegen sein müssen. Das Prinzip der territorialen Integrität hat Vorrang, Unabhängigkeitsbestrebungen sind ausser in Ausnahmefällen immer innerhalb des bestehenden Staates zu behandeln. Die entsprechenden Regionen konnten nicht nachweisen, dass solche Ausnahmefälle vorliegen, bezüglich der Krim war das schon auf Grund der kurzen Zeitspanne unmöglich.

Wie meistens werfen Sie hier irgendetwas in den Raum, was letztlich nicht haltbar ist. Traurig eigentlich nur, dass es in der Rechten auf so fruchtbaren Boden fällt.

RMH

25. Dezember 2022 18:21

@Hajo Blaschke,

ihre Wortmeldung ändert leider rein gar nichts daran, dass sie zum Thema der sog. Minsker Abkommen komplett daneben lagen. Man kann ja durchaus die Seite Russlands vertreten, aber dann braucht man auch nicht mehr mit Argumenten wie Minsk ankommen. Aber so ist ihre Argumentation leider oft, statt einmal zu sagen, ja, da lag man daneben, aber ... , kommt immer nur sofort und ohne wenn das aber. 

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