Der innere und der äußere Feind

von Dirk Alt -- PDF der Druckfassung aus Sezession 107/ April 2022

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Wie man­ches frü­he­re lebt auch das heu­ti­ge Sys­tem von der Feind­schaft. Es muß sie schü­ren und ver­ste­ti­gen, um über eige­ne Ver­feh­lun­gen und dro­hen­den Bank­rott (nicht nur den wirt­schaft­li­chen) hin­weg­zu­täu­schen: Zu offen lie­gen Kor­rup­ti­on und Idio­tie, zu nahe sind die Zahl­ta­ge bereits gerückt.

Vor allem muß es sich, je grö­ßer der Druck ist, unter den es gerät, der Feind­schaft bedie­nen, um eine wach­sen­de, sich auf­fä­chern­de und, wenigs­tens regio­nal, der Mobi­li­sie­rung fähi­ge Oppo­si­ti­on unschäd­lich zu machen. Zu die­sem Zweck hat es – seit eini­ger Zeit schon – den inne­ren Feind wie­der­ent­deckt. Dank dem Krieg in der Ukrai­ne ist in die­sem Früh­jahr der äuße­re Feind hin­zu­ge­tre­ten. Wie bei­des effekt­voll mit­ein­an­der ver­klam­mert wird, läßt sich bereits beobachten.

Befeu­ert durch das Instru­ment der Angst­po­li­tik, schafft die Aus­ru­fung des Kriegs­zu­stan­des nach innen und außen jene ersehn­te Einig­keit, die auf einer ande­ren, posi­ti­ve­ren Grund­la­ge schon nicht mehr denk­bar ist. Die Erfol­ge die­ser Stra­te­gie sind unbe­streit­bar – bis hin zu den Ris­sen, die das oppo­si­tio­nel­le Milieu in neue Lager spal­ten: für und wider die Imp­fung, für und wider den trans­at­lan­ti­schen Mili­ta­ris­mus. Die­se Ent­wick­lung erscheint um so erdrü­cken­der, als nicht weni­ge unter uns dar­auf gehofft hat­ten, daß die Stig­ma­ti­sie­rung immer wei­te­rer Bevöl­ke­rungs­tei­le den Bogen frü­her oder spä­ter über­span­nen und die Wir­kung ins Gegen­teil ver­keh­ren wür­de. Ein sol­ches Umschla­gen ist jedoch nicht in Sicht, im Gegenteil.

Manch einer reibt sich unter dem Ein­druck bel­li­zis­ti­scher Mobi­li­sie­rung noch über­rascht die Augen, ein­ge­denk der Träg­heit und des Des­in­ter­es­ses, das die bun­des­re­pu­bli­ka­ni­sche Mehr­heits­ge­sell­schaft ange­sichts der Aus­lands­ein­sät­ze der Bun­des­wehr an den Tag leg­te, sowie der über­wie­gen­den Lei­den­schafts­lo­sig­keit von Ver­tre­tern des polit­me­dia­len Kom­ple­xes, die die­se Ein­sät­ze einer auf Abrüs­tung und Ver­stän­di­gung gestimm­ten Öffent­lich­keit ver­mit­teln sollten.

Doch ist das Phleg­ma, die­ses spie­gel­bild­li­che Kenn­zei­chen der soge­nann­ten Spaß­ge­sell­schaft, inzwi­schen weit­ge­hend über­wun­den. Der Ein­tritt in eine Ära der Mas­sen­hys­te­rien ist voll­zo­gen, deren Kon­se­quen­zen so unauf­halt­sam und erd­rutsch­ar­tig über uns her­ein­bre­chen wie jene das Gegen­warts­ver­ständ­nis prä­gen­de Kata­stro­phe des Jah­res 2015. Die aktu­el­le Kriegs­hys­te­rie fügt sich ins Bild ein.

Was auf sämt­li­chen media­len Kanä­len in infla­tio­nä­rer Wei­se als Zäsur und Zei­ten­wen­de beschwo­ren wird, bedeu­tet für uns die wei­te­re Fes­ti­gung einer Herr­schafts­pra­xis, die sich von der Maxi­me der Siche­rung des Volks­wohls eben­so voll­stän­dig abge­kop­pelt hat wie von allen, die ihre Metho­den in Fra­ge zu stel­len wagen. Deut­li­cher denn je wur­de uns vor Augen geführt, mit welch schran­ken­lo­sem Oppor­tu­nis­mus die Akteu­re Posi­ti­ons­wech­sel zu voll­zie­hen imstan­de sind, solan­ge die­se dem Macht­er­halt und der als Trans­for­ma­ti­on ver­bräm­ten Zer­stö­rung dienst­bar gemacht wer­den kön­nen. Der Eifer und die Lüs­tern­heit, mit denen die Feind­schaft nach außen (unge­ach­tet aller Eska­la­ti­ons­wir­kun­gen und Kol­la­te­ral­schä­den) ver­kün­det und bekräf­tigt wur­de, lie­ßen auf die Akti­vie­rung ein­ge­üb­ter Ver­hal­tens­mus­ter schlie­ßen: Mit dem inne­ren Feind sprin­gen sie ja genau­so um.

Dabei macht nicht der Umstand der Feind­schaft als sol­cher, son­dern deren Ent­gren­zung jenen qua­li­ta­ti­ven Unter­schied aus, der hier her­vor­ge­ho­ben wer­den soll. Bei allen Ver­wün­schun­gen und Ver­un­glimp­fun­gen, die Donald Trump und des­sen Anhän­gern auch hier­zu­lan­de zuteil wur­den, ist der anti­rus­si­sche Haß, des­sen Schleu­sen nun­mehr geöff­net wur­den, ein seit den Höhe­punk­ten des Kal­ten Krie­ges wohl bei­spiel­lo­ses Phänomen.

Und wie nach außen ver­hält es sich nach innen: Wenn auch unbe­strit­ten bleibt, daß die­je­ni­gen, die zur Ziel­schei­be des »Kamp­fes gegen rechts« wur­den, stets Grund hat­ten, sich vogel­frei zu füh­len, so stellt doch die Aus­wei­tung der Feind­schaft auf Kri­ti­ker der Seu­chen­be­kämp­fungs­maß­nah­men, ins­be­son­de­re aber auf Imp­f­un­wil­li­ge, einen Vor­gang dar, des­sen Trag­wei­te auch des­halb kaum über­schätzt wer­den kann, weil er sämt­li­che bis in die jün­ge­re Ver­gan­gen­heit für ver­bind­lich erklär­te Anstands­re­geln verletzte.

Wäh­rend das Kapi­tal­ver­bre­chen soge­nann­ter Quer­den­ker und Maß­nah­men­kri­ti­ker noch dar­in bestand, das Wahr­heits­mo­no­pol des Sys­tems öffent­lich in Fra­ge zu stel­len, konn­ten den Imp­f­un­wil­li­gen, soweit sie nicht bereits Gegen­wehr leis­te­ten, nur ihr Miß­trau­en, ihre Furcht oder ihre Zöger­lich­keit ange­las­tet wer­den, und die Tat­sa­che, daß sie eben (noch) nicht mit­mach­ten. Um sie als Fein­dat­trap­pe in Stel­lung brin­gen zu kön­nen, muß­te sie der polit­mediale Kom­plex zur poten­ti­ell töd­li­chen Bedro­hung für Leib und Leben ande­rer erklären.

Die­ser Aus­bruch obrig­keits­ge­för­der­ter, wenn nicht gesteu­er­ter Nie­der­tracht ver­an­schau­licht auch, daß es zu kei­nem Zeit­punkt die Oppo­si­ti­on war oder die Pro­test­be­we­gung, son­dern stets der polit­me­dia­le Kom­plex, der die Eska­la­ti­ons­spi­ra­le wei­ter­dreh­te. Er betrieb damit auf brei­tes­ter Front das, was er der Öffent­lich­keit als Hand­werk des Fein­des erschei­nen las­sen will – näm­lich die Ver­tie­fung des gesell­schaft­li­chen Ris­ses ent­lang der Dicho­to­mie von Gut und Böse, in Wahr­heit: von Hörig­keit und Unbot­mä­ßig­keit, von knech­ti­schem Gehor­sam und trot­zi­gem Selbstbehauptungswillen.

Unnö­tig zu beto­nen, daß es sich hier­bei um kein ori­gi­när deut­sches, son­dern um ein Phä­no­men der gleich­ge­tak­te­ten west­li­chen Plu­to­kra­tien han­delt, des­sen Aus­prä­gun­gen sich, seit die Coro­na-Agen­da zur Gegen­wehr nötigt, auf natio­na­ler Ebe­ne nur gering­fü­gig unter­schei­den. Ob das Sys­tem nun auf bun­des­deut­sche, ita­lie­ni­sche oder fran­zö­si­sche Maß­nah­men­kri­ti­ker, auf US-ame­ri­ka­ni­sche Trum­pis­ten oder kana­di­sche Last­wa­gen­fah­rer reagiert, macht hin­sicht­lich der Feind­kon­struk­ti­on kei­nen Unter­schied mehr. Es tritt ein eben­so alter wie wir­kungs­vol­ler Mecha­nis­mus in Kraft, der sei­ne Opfer mit dem Ziel ihrer Ent­bür­ger­li­chung, ihrer »hors-la-loi-Set­zung« zu Schäd­lin­gen, Umstürz­lern und Ver­schwö­rern erklärt.

Dabei gilt: Je schwe­rer zu erken­nen, je unsicht­ba­rer der inne­re Feind im öffent­li­chen Leben ist (man kann nie­man­dem anse­hen, ob er sich einer Gen­the­ra­pie unter­zo­gen hat oder nicht), um so bes­ser – zwingt dies doch jeden ein­zel­nen zur Wach­sam­keit im per­sön­li­chen Umgang, macht ihn miß­trau­isch sei­nen Arbeits­kol­le­gen und Nach­barn, ja sogar sei­nen nächs­ten Ver­wand­ten gegen­über. Jeder kann sich als dem inne­ren Feind zuge­hö­rig ent­pup­pen, nie­mand jedoch des­sen tat­säch­li­che Stär­ke abschät­zen, da er aus dem Dun­kel, der Ver­bor­gen­heit her­aus ope­riert, um die guten Absich­ten der ande­ren wir­kungs­voll zu durchkreuzen.

So wird der Ver­schwö­rungs­wahn zum Motor immer neu­er Säu­be­run­gen der Behör­den und der Sicher­heits­or­ga­ne, der Leh­rer­schaft, des Kul­tur­le­bens und so wei­ter, er nährt die Denun­zia­ti­ons­be­reit­schaft, den Irra­tio­na­lis­mus, die Bevor­mun­dungs­sucht und die mit dem Mora­lis­mus ver­wu­cher­ten Straf­phan­ta­sien, poten­ziert also, kurz gesagt, sämt­li­che schlech­ten Eigen­schaf­ten unse­rer Mitmenschen.

Zugleich lie­fert er, im Sin­ne von Dolch­stoß und Sabo­ta­ge, eine Erklä­rung und einen Sün­den­bock für die Dys­funk­tio­na­li­tät des Gemein­we­sens: Aus die­sem Grund war der inne­re Feind den kom­mu­nis­ti­schen Dik­ta­tu­ren des 20. Jahr­hun­derts unent­behr­lich, und aus dem glei­chen Grund wird er heu­te der west­li­chen Welt in dem Maße unent­behr­lich, in dem sie ihr Heil in sozia­lem Zwang, im Aus­nah­me­zu­stand und im Kol­lek­ti­vis­mus sucht. Zwar ist zutref­fend, daß die Herr­schaft der Lüge nichts mehr fürch­tet als die Wahr­heit, doch läßt sich jede Wahr­heit erfolg­reich unter­drü­cken, indem sie dem inne­ren Feind zuge­schrie­ben wird.

Es ver­steht sich von selbst, daß inne­rer und äuße­rer Feind nicht unab­hän­gig von­ein­an­der exis­tie­ren, son­dern zur Stei­ge­rung der Abwehr­an­stren­gun­gen mit­ein­an­der in eine kon­spi­ra­ti­ve Bezie­hung gesetzt wer­den müs­sen. Im güns­tigs­ten Fall gelingt es dem Sys­tem, den inne­ren mit dem äuße­ren Feind in Deckung zu brin­gen, ihn als Agen­ten oder fünf­te Kolon­ne des äuße­ren erschei­nen zu las­sen und sei­ne Ent­rech­tung auf die­se Wei­se zu legi­ti­mie­ren. Ansät­ze dafür sind zu erken­nen – hier sei nur auf ent­spre­chen­de Äuße­run­gen des nie­der­säch­si­schen Innen­mi­nis­ters Boris ­Pis­to­ri­us verwiesen.

Es ist an die­ser Stel­le und anders­wo viel dar­über nach­ge­dacht wor­den, inwie­weit der Wider­stand gegen das Sys­tem das­sel­be sta­bi­li­sie­re. Die­se Fra­ge ist einer­seits obso­let, da das Sys­tem sich gemäß der ein­mal in Kraft gesetz­ten Dyna­mik auch dann neue Feind­grup­pen schü­fe, wenn sich jed­we­de Oppo­si­ti­on von rechts in Luft auflöste.

Gemes­sen an den jüngst erziel­ten Wir­kun­gen, ist die Fra­ge ande­rer­seits nur zu berech­tigt, beob­ach­ten wir doch das stei­gen­de Maß an sozia­ler Kon­trol­le und Dis­zi­pli­nie­rung, aber auch blin­der Gefolg­schaft jener nicht klei­nen Bevöl­ke­rungs­grup­pe, die sich, sei es in der Fra­ge des Welt­kli­mas, der Zuwan­de­rung, des Mas­ken- und des Impf­zwangs, der Kriegs­po­li­tik und von sons­ti­gem, beden­ken­los auf die Sei­te des polit­me­dia­len Kom­ple­xes stellt und zu des­sen Zwe­cken, wie jüngs­te Pro-Ukrai­ne-Demos zei­gen, auch in gro­ßer Zahl mobi­li­sier­bar ist. Feind­schaft ent­fal­tet Bin­de­kraft, sie schweißt zusam­men; die­se anthro­po­lo­gi­sche Tat­sa­che erweist sich als mäch­ti­ger denn alle geschicht­li­chen und mora­li­schen Lek­tio­nen, die die Mas­se der Höri­gen wenigs­tens war­nen, wenigs­tens ver­un­si­chern müßten.

Wie kann auf die­se Lage reagiert wer­den? Sechs Vorschläge:

 

1.

sind eine kla­re Ein­ord­nung und eine kla­re Ver­ur­tei­lung von­nö­ten. Die Feind­er­klä­run­gen nach innen und außen unter­strei­chen den ver­bre­che­ri­schen Cha­rak­ter des Sys­tems. Tei­le des eige­nen Vol­kes zum Feind zu erklä­ren ist per se ver­bre­che­risch, wenn die­se den staat­li­chen Maß­nah­men schutz­los aus­ge­lie­fert sind. Nicht min­der ver­bre­che­risch ist es jedoch, äuße­re Feind­schaf­ten aus­zu­ru­fen, ohne in der Lage zu sein, sein Volk vor dar­aus resul­tie­ren­den mili­tä­ri­schen Kon­se­quen­zen wirk­sam zu schützen.

 

2.

besteht die ein­zig denk­ba­re Ant­wort auf den tota­li­tä­ren Kol­lek­ti­vis­mus dar­in, dem Sys­tem, wo immer mög­lich, die Gefolg­schaft zu ver­sa­gen, das heißt, in vor­letz­ter Kon­se­quenz, zivi­len Unge­hor­sam zu üben. Wesent­lich erscheint mir aber auch die akti­ve Ver­pan­ze­rung sowohl gegen Beein­flus­sungs- und Ängs­ti­gungs­ver­su­che wie auch gegen Lock­an­ge­bo­te des Sys­tems (etwa, das könn­te kom­men, mit Hel­den­ro­man­tik oder straf­fer Ordnung).

Was immer die­se Obrig­keit ver­langt, wofür auch immer sie wirbt, ist rund­weg abzu­leh­nen, und wenn ihre Ver­tre­ter das Vater­land beschwö­ren, so ist es rich­tig, kein Vater­land zu ken­nen. Ein Bei­spiel: Hun­dert Mil­li­ar­den Euro für die Ertüch­ti­gung der Bun­des­wehr erge­ben schlimms­ten­falls einen funk­tio­nie­ren­den mili­tä­ri­schen Appa­rat in ihren Hän­den, den sie zu unse­rem Ver­der­ben oder gar gegen uns ein­set­zen könn­ten. Wer im oppo­si­tio­nel­len Lager soll­te dar­an ein Inter­es­se haben?

 

3.

muß auf die Feind­er­klä­rung nach innen und außen der ein­zi­ge uns zu Gebo­te ste­hen­de, ver­gleich­bar wir­kungs­vol­le Mecha­nis­mus ange­trie­ben wer­den, näm­lich die Eli­ten­feind­schaft, die, pau­schal gegen die gesam­te Nomen­kla­tu­ra eines Sys­tems gerich­tet, die Vor­ge­schich­te man­cher gelun­ge­nen Revo­lu­ti­on kenn­zeich­ne­te. Sagen wir: Wenn jed­we­der Pro­test durch das Sys­tem dele­gi­ti­miert wird, so müs­sen umge­kehrt auch sämt­li­che Akteu­re des Sys­tems durch den Pro­test dele­gi­ti­miert werden.

Pri­mä­res Ziel soll­te sein, die Ableh­nung und die Ver­ach­tung, die bis­lang vor allem ein Netz-Phä­no­men sind, durch mas­sen­haf­te Mani­fes­ta­tio­nen in die wirk­li­che Welt zu über­tra­gen – wobei (die­se Anmer­kung darf nicht feh­len) kei­nes­falls Belei­di­gun­gen oder gar Gewalt­an­dro­hun­gen gebo­ten sind, son­dern ein­zig und allein eine ent­lar­ven­de Wir­kung ange­strebt wer­den muß: näm­lich die Ent­lar­vung von Tor­hei­ten und Lügen, von Bestech­lich­keit, Gier und Bru­ta­li­tät. Der not­wen­di­gen Per­so­na­li­sie­rung zum Trotz darf dabei nicht aus dem Blick gera­ten, daß der Kampf nie­mals dem ein­zel­nen Funk­ti­ons­trä­ger gilt, der belie­big aus­tausch­bar ist, son­dern der Kas­te, die die­ser ver­kör­pert; die indi­vi­du­el­le Ver­feh­lung muß als exem­pla­risch für die Ver­feh­lun­gen des Sys­tems gelten.

 

4.

soll­te in jede Par­tei, die sich als par­la­men­ta­ri­sche Ver­tre­tung des oppo­si­tio­nel­len Milieus begreift, die Erkennt­nis ein­sin­ken, daß eine Kol­la­bo­ra­ti­on mit den Sys­tem­par­tei­en nicht in Fra­ge kommt – denn wer mit Ver­bre­chern pak­tiert, macht sich mit­schul­dig. Dies gilt auch für die, und sei es nur rhe­to­ri­sche, Unter­stüt­zung der Bun­des­re­gie­rung. Für die AfD heißt das, daß sie ent­we­der zum Sam­mel­be­cken der Fun­da­men­tal­op­po­si­ti­on wird, was Quer­front­be­stre­bun­gen mit ent­täusch­ten und ver­zwei­fel­ten Lin­ken selbst­re­dend ein­schließt, oder sich als bür­ger­li­cher Paria und Prü­gel­kna­be so lan­ge wei­ter schi­ka­nie­ren läßt, bis ihren Mit­glie­dern und ihr auch die letz­te Selbst­ach­tung aus­ge­trie­ben ist. Die staats­tra­gen­de und bür­ger­li­che Rech­te muß end­lich in die Schran­ken ver­wie­sen werden.

 

5.

ist ret­tungs­los ver­lo­ren, wer noch auf die Hei­lungs­kräf­te der Insti­tu­tio­nen hofft. Es führt kein Weg dar­an vor­bei, end­lich offen die Sys­tem­fra­ge zu stel­len. Das oppo­si­tio­nel­le Spek­trum bedarf eines jen­seits von Denk­ver­bo­ten geführ­ten Ideen­streits, der Kon­kur­renz von Pro­gram­men und Ver­fas­sungs­ent­wür­fen sowie der Klä­rung der Fra­ge: Was ist erhal­tens­wert und was nicht?

Einer sol­chen Debat­te ist alles dien­lich, was zur welt­an­schau­li­chen Schär­fung, Samm­lung und Aus­dif­fe­ren­zie­rung bei­trägt, wis­sen wir doch, daß die Din­ge, wenn sie erst ein­mal in Bewe­gung kom­men, mit gro­ßer Geschwin­dig­keit abrol­len. Kein Milieu, kein Stamm­tisch­ver­ein, son­dern nur eine welt­an­schau­lich gefes­tig­te und in ihren zen­tra­len Ziel­vor­stel­lun­gen geein­te Bewe­gung wird in der Lage sein, die Gunst einer tat­säch­li­chen his­to­ri­schen Stun­de zu nutzen.

 

6.

ist um jene Grup­pe der noch Unent­schie­de­nen, noch nicht aus­rei­chend Poli­ti­sier­ten zu wer­ben, die ein berech­tig­tes Unbe­ha­gen dar­über emp­fin­den, in die Kon­troll- und Repres­si­ons­ma­schi­ne­rie des Sys­tems ein­ge­bun­den zu wer­den. Es gibt ihrer vie­le, denn noch ist der Zwang nicht Gewohn­heit gewor­den. Auf die­se Grup­pe, die eines Tages den Aus­schlag geben könn­te, muß ein­ge­wirkt, ihr Dilem­ma ernst genom­men wer­den. Zur Mit­tä­ter­schaft gezwun­gen, sind sie ihrer­seits zu den Geschä­dig­ten zu rech­nen – und scharf abzu­gren­zen gegen die Will­fäh­ri­gen, die Ein­peit­scher und die Bösartigen.

 

Inwie­weit das oppo­si­tio­nel­le Milieu aller­dings über­haupt Gele­gen­heit zu plan­vol­lem Han­deln erhält, hängt in ers­ter Linie von der Geschwin­dig­keit und der Dyna­mik des­sen ab, was uns der­zeit auf­ge­zwun­gen wird. Wohin wir im Wes­ten auch bli­cken: Vie­les trägt die Züge einer Flucht nach vorn. Getrie­ben vom kol­lek­ti­ven Unter­be­wußt­sein, das Erlö­sung in der Auf­lö­sung sucht, steu­ert eine Cli­que von Nar­ren und Hasar­deu­ren unser Schiff in einen sie­den­den Stru­del hinein.

Wir, ihre Gei­seln, haben es ver­säumt, recht­zei­tig das Steu­er zu über­neh­men. Nun bleibt nur übrig, uns an die Plan­ken zu kral­len – und, soll­ten wir über­le­ben, nie­mals zu ver­ges­sen, nie­mals zu vergeben.

 

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