Wie manches frühere lebt auch das heutige System von der Feindschaft. Es muß sie schüren und verstetigen, um über eigene Verfehlungen und drohenden Bankrott (nicht nur den wirtschaftlichen) hinwegzutäuschen: Zu offen liegen Korruption und Idiotie, zu nahe sind die Zahltage bereits gerückt.
Vor allem muß es sich, je größer der Druck ist, unter den es gerät, der Feindschaft bedienen, um eine wachsende, sich auffächernde und, wenigstens regional, der Mobilisierung fähige Opposition unschädlich zu machen. Zu diesem Zweck hat es – seit einiger Zeit schon – den inneren Feind wiederentdeckt. Dank dem Krieg in der Ukraine ist in diesem Frühjahr der äußere Feind hinzugetreten. Wie beides effektvoll miteinander verklammert wird, läßt sich bereits beobachten.
Befeuert durch das Instrument der Angstpolitik, schafft die Ausrufung des Kriegszustandes nach innen und außen jene ersehnte Einigkeit, die auf einer anderen, positiveren Grundlage schon nicht mehr denkbar ist. Die Erfolge dieser Strategie sind unbestreitbar – bis hin zu den Rissen, die das oppositionelle Milieu in neue Lager spalten: für und wider die Impfung, für und wider den transatlantischen Militarismus. Diese Entwicklung erscheint um so erdrückender, als nicht wenige unter uns darauf gehofft hatten, daß die Stigmatisierung immer weiterer Bevölkerungsteile den Bogen früher oder später überspannen und die Wirkung ins Gegenteil verkehren würde. Ein solches Umschlagen ist jedoch nicht in Sicht, im Gegenteil.
Manch einer reibt sich unter dem Eindruck bellizistischer Mobilisierung noch überrascht die Augen, eingedenk der Trägheit und des Desinteresses, das die bundesrepublikanische Mehrheitsgesellschaft angesichts der Auslandseinsätze der Bundeswehr an den Tag legte, sowie der überwiegenden Leidenschaftslosigkeit von Vertretern des politmedialen Komplexes, die diese Einsätze einer auf Abrüstung und Verständigung gestimmten Öffentlichkeit vermitteln sollten.
Doch ist das Phlegma, dieses spiegelbildliche Kennzeichen der sogenannten Spaßgesellschaft, inzwischen weitgehend überwunden. Der Eintritt in eine Ära der Massenhysterien ist vollzogen, deren Konsequenzen so unaufhaltsam und erdrutschartig über uns hereinbrechen wie jene das Gegenwartsverständnis prägende Katastrophe des Jahres 2015. Die aktuelle Kriegshysterie fügt sich ins Bild ein.
Was auf sämtlichen medialen Kanälen in inflationärer Weise als Zäsur und Zeitenwende beschworen wird, bedeutet für uns die weitere Festigung einer Herrschaftspraxis, die sich von der Maxime der Sicherung des Volkswohls ebenso vollständig abgekoppelt hat wie von allen, die ihre Methoden in Frage zu stellen wagen. Deutlicher denn je wurde uns vor Augen geführt, mit welch schrankenlosem Opportunismus die Akteure Positionswechsel zu vollziehen imstande sind, solange diese dem Machterhalt und der als Transformation verbrämten Zerstörung dienstbar gemacht werden können. Der Eifer und die Lüsternheit, mit denen die Feindschaft nach außen (ungeachtet aller Eskalationswirkungen und Kollateralschäden) verkündet und bekräftigt wurde, ließen auf die Aktivierung eingeübter Verhaltensmuster schließen: Mit dem inneren Feind springen sie ja genauso um.
Dabei macht nicht der Umstand der Feindschaft als solcher, sondern deren Entgrenzung jenen qualitativen Unterschied aus, der hier hervorgehoben werden soll. Bei allen Verwünschungen und Verunglimpfungen, die Donald Trump und dessen Anhängern auch hierzulande zuteil wurden, ist der antirussische Haß, dessen Schleusen nunmehr geöffnet wurden, ein seit den Höhepunkten des Kalten Krieges wohl beispielloses Phänomen.
Und wie nach außen verhält es sich nach innen: Wenn auch unbestritten bleibt, daß diejenigen, die zur Zielscheibe des »Kampfes gegen rechts« wurden, stets Grund hatten, sich vogelfrei zu fühlen, so stellt doch die Ausweitung der Feindschaft auf Kritiker der Seuchenbekämpfungsmaßnahmen, insbesondere aber auf Impfunwillige, einen Vorgang dar, dessen Tragweite auch deshalb kaum überschätzt werden kann, weil er sämtliche bis in die jüngere Vergangenheit für verbindlich erklärte Anstandsregeln verletzte.
Während das Kapitalverbrechen sogenannter Querdenker und Maßnahmenkritiker noch darin bestand, das Wahrheitsmonopol des Systems öffentlich in Frage zu stellen, konnten den Impfunwilligen, soweit sie nicht bereits Gegenwehr leisteten, nur ihr Mißtrauen, ihre Furcht oder ihre Zögerlichkeit angelastet werden, und die Tatsache, daß sie eben (noch) nicht mitmachten. Um sie als Feindattrappe in Stellung bringen zu können, mußte sie der politmediale Komplex zur potentiell tödlichen Bedrohung für Leib und Leben anderer erklären.
Dieser Ausbruch obrigkeitsgeförderter, wenn nicht gesteuerter Niedertracht veranschaulicht auch, daß es zu keinem Zeitpunkt die Opposition war oder die Protestbewegung, sondern stets der politmediale Komplex, der die Eskalationsspirale weiterdrehte. Er betrieb damit auf breitester Front das, was er der Öffentlichkeit als Handwerk des Feindes erscheinen lassen will – nämlich die Vertiefung des gesellschaftlichen Risses entlang der Dichotomie von Gut und Böse, in Wahrheit: von Hörigkeit und Unbotmäßigkeit, von knechtischem Gehorsam und trotzigem Selbstbehauptungswillen.
Unnötig zu betonen, daß es sich hierbei um kein originär deutsches, sondern um ein Phänomen der gleichgetakteten westlichen Plutokratien handelt, dessen Ausprägungen sich, seit die Corona-Agenda zur Gegenwehr nötigt, auf nationaler Ebene nur geringfügig unterscheiden. Ob das System nun auf bundesdeutsche, italienische oder französische Maßnahmenkritiker, auf US-amerikanische Trumpisten oder kanadische Lastwagenfahrer reagiert, macht hinsichtlich der Feindkonstruktion keinen Unterschied mehr. Es tritt ein ebenso alter wie wirkungsvoller Mechanismus in Kraft, der seine Opfer mit dem Ziel ihrer Entbürgerlichung, ihrer »hors-la-loi-Setzung« zu Schädlingen, Umstürzlern und Verschwörern erklärt.
Dabei gilt: Je schwerer zu erkennen, je unsichtbarer der innere Feind im öffentlichen Leben ist (man kann niemandem ansehen, ob er sich einer Gentherapie unterzogen hat oder nicht), um so besser – zwingt dies doch jeden einzelnen zur Wachsamkeit im persönlichen Umgang, macht ihn mißtrauisch seinen Arbeitskollegen und Nachbarn, ja sogar seinen nächsten Verwandten gegenüber. Jeder kann sich als dem inneren Feind zugehörig entpuppen, niemand jedoch dessen tatsächliche Stärke abschätzen, da er aus dem Dunkel, der Verborgenheit heraus operiert, um die guten Absichten der anderen wirkungsvoll zu durchkreuzen.
So wird der Verschwörungswahn zum Motor immer neuer Säuberungen der Behörden und der Sicherheitsorgane, der Lehrerschaft, des Kulturlebens und so weiter, er nährt die Denunziationsbereitschaft, den Irrationalismus, die Bevormundungssucht und die mit dem Moralismus verwucherten Strafphantasien, potenziert also, kurz gesagt, sämtliche schlechten Eigenschaften unserer Mitmenschen.
Zugleich liefert er, im Sinne von Dolchstoß und Sabotage, eine Erklärung und einen Sündenbock für die Dysfunktionalität des Gemeinwesens: Aus diesem Grund war der innere Feind den kommunistischen Diktaturen des 20. Jahrhunderts unentbehrlich, und aus dem gleichen Grund wird er heute der westlichen Welt in dem Maße unentbehrlich, in dem sie ihr Heil in sozialem Zwang, im Ausnahmezustand und im Kollektivismus sucht. Zwar ist zutreffend, daß die Herrschaft der Lüge nichts mehr fürchtet als die Wahrheit, doch läßt sich jede Wahrheit erfolgreich unterdrücken, indem sie dem inneren Feind zugeschrieben wird.
Es versteht sich von selbst, daß innerer und äußerer Feind nicht unabhängig voneinander existieren, sondern zur Steigerung der Abwehranstrengungen miteinander in eine konspirative Beziehung gesetzt werden müssen. Im günstigsten Fall gelingt es dem System, den inneren mit dem äußeren Feind in Deckung zu bringen, ihn als Agenten oder fünfte Kolonne des äußeren erscheinen zu lassen und seine Entrechtung auf diese Weise zu legitimieren. Ansätze dafür sind zu erkennen – hier sei nur auf entsprechende Äußerungen des niedersächsischen Innenministers Boris Pistorius verwiesen.
Es ist an dieser Stelle und anderswo viel darüber nachgedacht worden, inwieweit der Widerstand gegen das System dasselbe stabilisiere. Diese Frage ist einerseits obsolet, da das System sich gemäß der einmal in Kraft gesetzten Dynamik auch dann neue Feindgruppen schüfe, wenn sich jedwede Opposition von rechts in Luft auflöste.
Gemessen an den jüngst erzielten Wirkungen, ist die Frage andererseits nur zu berechtigt, beobachten wir doch das steigende Maß an sozialer Kontrolle und Disziplinierung, aber auch blinder Gefolgschaft jener nicht kleinen Bevölkerungsgruppe, die sich, sei es in der Frage des Weltklimas, der Zuwanderung, des Masken- und des Impfzwangs, der Kriegspolitik und von sonstigem, bedenkenlos auf die Seite des politmedialen Komplexes stellt und zu dessen Zwecken, wie jüngste Pro-Ukraine-Demos zeigen, auch in großer Zahl mobilisierbar ist. Feindschaft entfaltet Bindekraft, sie schweißt zusammen; diese anthropologische Tatsache erweist sich als mächtiger denn alle geschichtlichen und moralischen Lektionen, die die Masse der Hörigen wenigstens warnen, wenigstens verunsichern müßten.
Wie kann auf diese Lage reagiert werden? Sechs Vorschläge:
1. |
sind eine klare Einordnung und eine klare Verurteilung vonnöten. Die Feinderklärungen nach innen und außen unterstreichen den verbrecherischen Charakter des Systems. Teile des eigenen Volkes zum Feind zu erklären ist per se verbrecherisch, wenn diese den staatlichen Maßnahmen schutzlos ausgeliefert sind. Nicht minder verbrecherisch ist es jedoch, äußere Feindschaften auszurufen, ohne in der Lage zu sein, sein Volk vor daraus resultierenden militärischen Konsequenzen wirksam zu schützen.
2. |
besteht die einzig denkbare Antwort auf den totalitären Kollektivismus darin, dem System, wo immer möglich, die Gefolgschaft zu versagen, das heißt, in vorletzter Konsequenz, zivilen Ungehorsam zu üben. Wesentlich erscheint mir aber auch die aktive Verpanzerung sowohl gegen Beeinflussungs- und Ängstigungsversuche wie auch gegen Lockangebote des Systems (etwa, das könnte kommen, mit Heldenromantik oder straffer Ordnung).
Was immer diese Obrigkeit verlangt, wofür auch immer sie wirbt, ist rundweg abzulehnen, und wenn ihre Vertreter das Vaterland beschwören, so ist es richtig, kein Vaterland zu kennen. Ein Beispiel: Hundert Milliarden Euro für die Ertüchtigung der Bundeswehr ergeben schlimmstenfalls einen funktionierenden militärischen Apparat in ihren Händen, den sie zu unserem Verderben oder gar gegen uns einsetzen könnten. Wer im oppositionellen Lager sollte daran ein Interesse haben?
3. |
muß auf die Feinderklärung nach innen und außen der einzige uns zu Gebote stehende, vergleichbar wirkungsvolle Mechanismus angetrieben werden, nämlich die Elitenfeindschaft, die, pauschal gegen die gesamte Nomenklatura eines Systems gerichtet, die Vorgeschichte mancher gelungenen Revolution kennzeichnete. Sagen wir: Wenn jedweder Protest durch das System delegitimiert wird, so müssen umgekehrt auch sämtliche Akteure des Systems durch den Protest delegitimiert werden.
Primäres Ziel sollte sein, die Ablehnung und die Verachtung, die bislang vor allem ein Netz-Phänomen sind, durch massenhafte Manifestationen in die wirkliche Welt zu übertragen – wobei (diese Anmerkung darf nicht fehlen) keinesfalls Beleidigungen oder gar Gewaltandrohungen geboten sind, sondern einzig und allein eine entlarvende Wirkung angestrebt werden muß: nämlich die Entlarvung von Torheiten und Lügen, von Bestechlichkeit, Gier und Brutalität. Der notwendigen Personalisierung zum Trotz darf dabei nicht aus dem Blick geraten, daß der Kampf niemals dem einzelnen Funktionsträger gilt, der beliebig austauschbar ist, sondern der Kaste, die dieser verkörpert; die individuelle Verfehlung muß als exemplarisch für die Verfehlungen des Systems gelten.
4. |
sollte in jede Partei, die sich als parlamentarische Vertretung des oppositionellen Milieus begreift, die Erkenntnis einsinken, daß eine Kollaboration mit den Systemparteien nicht in Frage kommt – denn wer mit Verbrechern paktiert, macht sich mitschuldig. Dies gilt auch für die, und sei es nur rhetorische, Unterstützung der Bundesregierung. Für die AfD heißt das, daß sie entweder zum Sammelbecken der Fundamentalopposition wird, was Querfrontbestrebungen mit enttäuschten und verzweifelten Linken selbstredend einschließt, oder sich als bürgerlicher Paria und Prügelknabe so lange weiter schikanieren läßt, bis ihren Mitgliedern und ihr auch die letzte Selbstachtung ausgetrieben ist. Die staatstragende und bürgerliche Rechte muß endlich in die Schranken verwiesen werden.
5. |
ist rettungslos verloren, wer noch auf die Heilungskräfte der Institutionen hofft. Es führt kein Weg daran vorbei, endlich offen die Systemfrage zu stellen. Das oppositionelle Spektrum bedarf eines jenseits von Denkverboten geführten Ideenstreits, der Konkurrenz von Programmen und Verfassungsentwürfen sowie der Klärung der Frage: Was ist erhaltenswert und was nicht?
Einer solchen Debatte ist alles dienlich, was zur weltanschaulichen Schärfung, Sammlung und Ausdifferenzierung beiträgt, wissen wir doch, daß die Dinge, wenn sie erst einmal in Bewegung kommen, mit großer Geschwindigkeit abrollen. Kein Milieu, kein Stammtischverein, sondern nur eine weltanschaulich gefestigte und in ihren zentralen Zielvorstellungen geeinte Bewegung wird in der Lage sein, die Gunst einer tatsächlichen historischen Stunde zu nutzen.
6. |
ist um jene Gruppe der noch Unentschiedenen, noch nicht ausreichend Politisierten zu werben, die ein berechtigtes Unbehagen darüber empfinden, in die Kontroll- und Repressionsmaschinerie des Systems eingebunden zu werden. Es gibt ihrer viele, denn noch ist der Zwang nicht Gewohnheit geworden. Auf diese Gruppe, die eines Tages den Ausschlag geben könnte, muß eingewirkt, ihr Dilemma ernst genommen werden. Zur Mittäterschaft gezwungen, sind sie ihrerseits zu den Geschädigten zu rechnen – und scharf abzugrenzen gegen die Willfährigen, die Einpeitscher und die Bösartigen.
Inwieweit das oppositionelle Milieu allerdings überhaupt Gelegenheit zu planvollem Handeln erhält, hängt in erster Linie von der Geschwindigkeit und der Dynamik dessen ab, was uns derzeit aufgezwungen wird. Wohin wir im Westen auch blicken: Vieles trägt die Züge einer Flucht nach vorn. Getrieben vom kollektiven Unterbewußtsein, das Erlösung in der Auflösung sucht, steuert eine Clique von Narren und Hasardeuren unser Schiff in einen siedenden Strudel hinein.
Wir, ihre Geiseln, haben es versäumt, rechtzeitig das Steuer zu übernehmen. Nun bleibt nur übrig, uns an die Planken zu krallen – und, sollten wir überleben, niemals zu vergessen, niemals zu vergeben.