Berufsverbot für einen Lehrer – ein Protokoll

PDF der Druckfassung aus Sezession 107/ April 2022

Heino Bosselmann

Heino Bosselmann studierte in Leipzig Deutsch, Geschichte und Philosophie für das Lehramt an Gymnasien.

Ver­hin­dern, aus­schwei­gen, lügen. – Nicht allein, daß der Staat poli­tisch kri­ti­sche Men­schen als miß­li­e­big emp­fin­det und ihre Ein­stel­lung im öffent­li­chen Dienst so arro­gant wie ängst­lich ver­hin­dert; er ver­mei­det genau das, was er bestän­dig für sich in Anspruch nimmt, näm­lich demo­kra­tisch, ­offen, gar tole­rant den Dis­kurs zu füh­ren und jede Dis­kri­mi­nie­rung zu verhindern.

Das Gegen­teil wird prak­ti­ziert: Die Ver­hin­de­rungs­be­am­ten tref­fen Ent­schei­dun­gen auf der Grund­la­ge eige­ner Goog­le-Recher­chen, ver­ram­meln sich danach in ihren Büros und sind in ihrer ver­mi­cker­ten Klein­mü­tig­keit nie­man­dem zugäng­lich, beant­wor­ten nach­fra­gen­de und Begrün­dun­gen erbit­ten­de Post nicht und ver­fü­gen schon gar nicht über das Mini­mum an Mumm, sich in gera­der und frei­mü­ti­ger Wei­se einem Gespräch zu stel­len, der nach wie vor ein­zi­gen Mög­lich­keit, einen Kon­flikt so oder so zu klä­ren, indem man Wahr­neh­mun­gen aus­tauscht, um zu einem Ergeb­nis zu kommen.

Wenn ein Staat Beam­te rekru­tiert, denen es der­art an Hal­tung gebricht und die nicht in der Lage sind, gera­de zu ihren Ent­schei­dun­gen zu ste­hen, dann hat der Staat ein Pro­blem mit sei­nen Reprä­sen­tan­ten. Die wei­sen den von ihnen Ver­hin­der­ten höchs­tens in hämi­scher Absicht und vor­zugs­wei­se schrift­lich noch dar­auf hin, er kön­ne ja kla­gen; der Rechts­weg ste­he ihm doch offen – gewiß dar­in, daß ein Amt oder ein Minis­te­ri­um über jene uner­schöpf­li­chen Mit­tel aus Steu­er­gel­dern ver­fügt, mit denen sich Gerichts­ver­fah­ren über meh­re­re Instan­zen und also jah­re­lang durch­hal­ten las­sen, so lan­ge, daß der um sein Recht Strei­ten­de eher auf­ge­ben muß – finan­zi­ell, min­des­tens aber zeit­lich. Nicht das Amt ist in der Beweis­last, der Bür­ger ist es. Man lese Kaf­kas Para­bel »Vor dem Gesetz«.

Das Pein­lichs­te: Ist die Ver­hin­de­rung über den übli­chen Vor­wurf des Rechts­extre­mis­mus nicht begründ­bar, wird ersatz­wei­se dreist gelo­gen. Wäh­rend ich bei mei­nen Bewer­bun­gen um Leh­rer­stel­len anfangs vom Schul­amts­lei­ter noch unter dem wört­lich erho­be­nen Vor­wurf, rechts­extre­mis­tisch zu sein, abge­wie­sen wur­de, hieß es spä­ter, als das Amt kei­ne Begrün­dun­gen für das Ver­dikt fand, daß die Stel­len­aus­schrei­bung als sol­che »aus schul­or­ga­ni­sa­to­ri­schen Grün­den« ein­ge­stellt wor­den sei. Plötz­lich und uner­war­tet. Von einem Tag zum anderen.

Anfangs wur­de ich gegen­über Schul­lei­tun­gen, die mich ein­stel­len woll­ten, noch offen als »Rechts­extre­mist« ange­zinkt. Dafür reich­ten dem Amts­lei­ter Goog­le-Ergeb­nis­se zu mei­nen Bei­trä­gen in der Jun­gen Frei­heit und der Sezes­si­on aus. Allein die Publi­ka­ti­ons­or­te. Die Inhal­te mei­ner Ver­öf­fent­li­chun­gen lie­ßen sich aller­dings nicht als rechts­extre­mis­tisch iden­ti­fi­zie­ren. So fehl­te dem pau­scha­len Vor­wurf jede Recht­fer­ti­gung, daher muß­ten die Aus­schrei­bun­gen selbst ver­schwin­den. Damit fiel dann tech­nisch-sach­lich der Grund für mei­ne Bewer­bun­gen weg. Bes­ser so, mein­te das Amt, als den Nazi noch wei­ter Fra­gen stel­len zu las­sen. Soll­te die Stel­le doch unbe­setzt blei­ben und die Schu­le mit der Lücke leben.

Die­ser Staat ver­fährt prin­zi­pi­ell eben­so dezi­sio­nis­tisch, eben­so hob­be­sia­nisch, eben­so macht­ar­ro­gant wie ein früh­neu­zeit­li­cher Staat, einer­lei, wie frei und offen er sich dar­stellt. Nein, er ist in sich her­me­tisch und bekämpft Men­schen, die er als Geg­ner iden­ti­fi­ziert, ähn­lich wie eine Dik­ta­tur. Sicher, es gibt weder Fol­ter noch Lager, aber alles, was an exe­ku­ti­ven Mit­teln auf­zu­bie­ten ist, das De-fac­to-Berufs­ver­bot und die Exis­tenz­ver­nich­tung etwa, wird voll zum Ein­satz gebracht. Ver­mut­lich wür­de Bru­ta­le­res auch gern genutzt, wäre es denn legal.

Die Kader in den Ämtern sind teil­wei­se genau jene Kre­tins, die sich für alles rekru­tie­ren lie­ßen, wür­den sie nur satt dafür bezahlt und könn­ten mit ihrem Ein­satz Kar­rie­re machen. Die Lüge instru­men­ta­li­sie­ren sie bereits ganz unbe­fan­gen. Und vor allem hilft ihnen eines: Sie schwei­gen einen aus. Sie ant­wor­ten nicht. Aus­schwei­gen ist Macht. Soll der miß­li­e­bi­ge Typ sich doch plei­te kla­gen, die Ämter war­ten das gedul­dig ab. Ohne gerichts­be­währ­tes Urteil, ohne offi­zi­el­le Anfor­de­rung von vor­ge­setz­ter Stel­le kann man lan­ge auf die begehr­te Ant­wort war­ten, oder es gibt sie gar nicht. Von oben her­ab sieht man über das Anlie­gen des Bür­gers hin­weg. Wenn er als Rech­ter erweis­lich ist, dann erst recht und nach Auf­fas­sung des Amtes mit vol­lem Recht. Das hält man sogar für Zivilcourage.

Als ich mich letz­ten Som­mer als Leh­rer an einer Gra­bower Schu­le bewarb, schrieb mir deren Leiterin:

 

Nach Rück­spra­che mit dem Staat­li­chen Schul­amt Schwe­rin tei­le ich Ihnen mit, daß Sie für den Schul­dienst in Meck­len­burg-Vor­pom­mern nicht geeig­net sind. Auf­grund Ihrer Schrif­ten und rechts­extre­mis­ti­schen Stel­lung­nah­men ist davon aus­zu­ge­hen, daß Sie Ihre Auf­ga­ben an unse­ren Schu­len nicht wert­frei aus­üben kön­nen und den Anfor­de­run­gen des Dienst­herrn damit nicht ent­spre­chen. Unse­ren ver­ein­bar­ten Gesprächs­ter­min am 30. 08. 2021 sage ich in die­sem Zusam­men­hang ab.

 

Offen­bar war die Dame also instru­iert, so daß ich ver­such­te, im Schul­amt Schwe­rin Klar­heit dar­über zu erlan­gen, mit wel­cher Begrün­dung ich dort als »rechts­extre­mis­tisch« ein­ge­stuft wur­de. Ich frag­te nach höf­li­cher Anre­de und Einleitung:

 

  1. Wer genau trifft inner­halb des Schul­am­tes die Ein­schät­zung, davon aus­ge­hen zu müs­sen, ich wür­de schu­li­sche Auf­ga­ben nicht wert­frei aus­üben und so den Anfor­de­run­gen des Dienst­herrn nicht ent­spre­chen? Mit wel­cher genau­en Begründung?
  2. Wie wird ins­be­son­de­re die Zuschrei­bung bzw. Ein­schät­zung begrün­det, ich selbst wäre bzw. mei­ne Stel­lung­nah­men wären »rechts­extre­mis­tisch«?
  3. Inwie­fern soll­te ich nach Qua­li­fi­ka­ti­on und Erfah­rung – dezi­diert aus­ge­wie­sen u. a. in Arbeits­zeug­nis­sen staat­li­cher und kirch­li­cher Stel­len – den »Anfor­de­run­gen des Dienst­her­ren nicht ent­spre­chen«, ins­be­son­de­re vor dem Hin­ter­grund mei­ner kla­ren Ein­stel­lung, im Unter­richt nie und nir­gends Inhal­te poli­tisch zu kon­no­tie­ren oder zu bewer­ten, ganz abge­se­hen davon, daß ich in allem, was ich schu­lisch, unter­richt­lich und erzie­he­risch ver­trat, stets gemäß Grund­ge­setz und im Sin­ne der demo­kra­tisch-frei­heit­li­chen Grund­ord­nung han­del­te, so daß es bis­her weder von Schul­lei­tun­gen noch Ämtern Kla­gen oder auch nur Kri­tik an mei­ner Arbeits­wei­se gab, schon gar nicht dar­an, ich wür­de mit irgend­ei­ner Wei­se poli­tisch ten­den­zi­ös oder gar mani­pu­la­tiv wirksam?

 

Die lako­ni­sche Ant­wort des Amts­lei­ters, bei der es seit­dem bleib, also sei­ne ein­zi­ge Äuße­rung mir gegen­über überhaupt:

 

Auf­grund Ihrer doku­men­tier­ten rechts­extre­mis­ti­schen Gesin­nung sind Sie lei­der zutref­fen­der Wei­se vom Bewer­bungs­ver­fah­ren aus­ge­schlos­sen, da eben Zwei­fel an Ihrer per­sön­li­chen Eig­nung bestehen.

 

Obrig­keits­ges­tus. Wich­tig erscheint vor allem der Par­ti­kel »eben«. Es bestün­den »eben« Zwei­fel, so daß man das Ver­dikt gar nicht zu begrün­den brauch­te; es dürf­te sich doch wohl von selbst ver­ste­hen, also soll­te ich bes­ser Ruhe geben und nicht noch dreist nach­fra­gen. Eben! Da ich davon aus­ging, daß sich das Urteil des Amts­lei­ters auf mei­ne seit den 2000er Jah­ren in der Jun­gen Frei­heit und der Sezes­si­on ver­öf­fent­lich­ten Bei­trä­ge und deren Reso­nan­zen im Netz bezog, frag­te ich noch­mals höf­lich nach:

 

Wenn Sie sich auf Ver­öf­fent­li­chun­gen von mir beru­fen, so müß­te doch zu bezeich­nen sein, wel­chen publi­zier­ten Text oder Gedan­ken Sie als »rechts­extrem«, ja »rechts­extre­mis­tisch« iden­ti­fi­zie­ren – eben mit der von Ihnen abge­lei­te­ten Kon­se­quenz, es fehl­te mir die – poli­ti­sche! – Eig­nung zum Beruf, weil ich als »rechts­extre­mis­tisch doku­men­tiert« wäre. Bei­des wäre also begrün­det zu erwei­sen, sowohl mei­ne ver­meint­lich »rechts­extre­mis­ti­sche« Gesin­nung, die ich rei­nen Gewis­sens ver­nei­nen kann, als auch mei­ne mir von Ihnen attes­tier­te beruf­li­che Nicht­eig­nung, gegen die mein Lebens­lauf und die Ein­schät­zun­gen sämt­li­cher Arbeits­zeug­nis­se von staat­li­chen und pri­va­ten Schu­len sprechen.

 

Aber erwar­tungs­ge­mäß erhielt ich gar kei­ne Ant­wort. Viel­mehr erga­ben sich kurio­se Ver­läu­fe: Wo es das Schul­amt künf­tig ver­paß­te, einen Vor­stel­lungs­ter­min an Schu­len zu blo­ckie­ren, erhielt ich nach dem Gespräch mit der jewei­li­gen Lei­tung und dem Per­so­nal­rat prompt stets eine Stel­len­zu­sa­ge, jüngst drei­mal hin­ter­ein­an­der. Ich ver­fü­ge über eine drei­ßig­jäh­ri­ge Pra­xis­er­fah­rung an ver­schie­de­nen Schul­ar­ten und konn­te zu mei­nen ange­stamm­ten Fächern Deutsch, Geschich­te und Phi­lo­so­phie im letz­ten Jahr­zehnt ande­re mit Erfolg fach­fremd unter­rich­ten, so Mathe­ma­tik, Geo­gra­phie und Sport. Durch­weg wur­den sehr gute, ja aus­ge­zeich­ne­te Arbeits­zeug­nis­se aus­ge­stellt. Daher hat­ten mei­nen Bewer­bun­gen an sich Erfolg, zumal das Land Leh­rer suchte.

An einem gym­na­sia­len Schul­zen­trum etwa war man nach dem Vor­stel­lungs­ge­spräch sehr erfreut, in mir einen geeig­ne­ten Kol­le­gen gefun­den zu haben, man gra­tu­lier­te zur erfolg­reich absol­vier­ten Bewer­bung und ging wegen des aku­ten Leh­rer­man­gels abso­lut davon aus, die Unter­zeich­nung des Arbeits­ver­tra­ges durch das Schul­amt wäre nur eine zügig zu erle­di­gen­de For­ma­lie. Aber der Amts­lei­ter wies das Ansin­nen der Schu­le ganz erwar­tungs­ge­mäß sofort zurück und ver­an­laß­te die zer­knirsch­te Schul­lei­tung, mir sofort eine neu­tra­le Absa­ge zu sen­den. So ver­fuhr er danach mehrfach.

Weil die Begrün­dung, ich sei »rechts­extre­mis­tisch«, jetzt offen­bar ver­mie­den wer­den soll­te, da sie anfecht­bar wäre, sah sich die Schul­lei­tung wegen ihres Ver­spre­chens mir gegen­über in der Bre­douil­le. Der Direk­tor teil­te am Tele­fon ver­druckst mit, es tue ihm leid, sei­ne Zusa­ge sei lei­der doch zu eilig erfolgt, es sei­en nun uner­war­tet plötz­lich zwei Refe­ren­da­re auf­ge­taucht, die er mit den für mich vor­ge­se­hen Unter­richts­stun­den zu ver­sor­gen habe. Bedau­er­lich, ja, aber nicht zu ändern …

Da ich die­sen Schul­lei­ter wäh­rend des Vor­stel­lungs­ge­sprä­ches als auf­ge­schlos­sen, zuge­wandt, ja herz­lich ken­nen­ge­lernt hat­te, bat ich ihn in einer Mail um eine gera­de Ant­wort dar­auf, ob das Schul­amt ihn nicht doch eher ver­an­laßt habe, mich nach sei­ner zuvor gege­be­nen Stel­len­zu­sa­ge zu blo­cken. In dem Fall wür­den mich die vom Amt mit­ge­teil­ten Grün­de inter­es­sie­ren, an die Geschich­te mit den Refe­ren­da­ren kön­ne ich nach mei­nen jüngs­ten Erfah­run­gen mit dem Amt nicht so recht glau­ben. Dar­auf­hin erhielt einen kurz­ge­faß­ten Brief: Ver­ant­wort­lich für die Absa­ge nach der erfolg­ten Zusa­ge sei­en ein­fach »schul­in­ter­ne Gründe«.

Ein letz­tes Mal ant­wor­te­te ich:

 

Ich habe davon aus­zu­ge­hen, daß es sich so ver­hält, ver­mu­te aber, Sie beu­gen sich einer Anord­nung des Schul­am­tes, das mei­ne Anstel­lung an Ihrer Schu­le enga­giert ver­hin­dern möch­te und Sie dafür einspannt.

Soll­te dem so sein, hät­te ich eine kla­re und unver­stell­te Infor­ma­ti­on dar­über sehr hono­rig und vor allem cou­ra­giert in der Hal­tung gefun­den, obwohl wir bei­de die Maß­ga­be des Schul­am­tes zunächst hät­ten hin­neh­men müssen.

Sie wer­den nach dem bis­he­ri­gen Ver­lauf von Gespräch und Kor­re­spon­denz die von mir geheg­ten Zwei­fel ver­ste­hen, min­des­tens wohl, daß ich die Wort­hül­se »schul­in­ter­ne Grün­de« in der Wei­se ver­ste­he: Sie haben – ob mit oder ob gegen Ihren eige­nen Wil­len – eine Anord­nung des Schul­am­tes zu exe­ku­tie­ren, ohne die eigent­li­chen Grün­de nen­nen zu dür­fen, die eben nicht im »Schul­in­ter­nen«, son­dern viel­mehr in einer Dienst­an­wei­sung des Schul­am­tes lie­gen, das eben sein Ver­dikt bis zum Stand heu­te mir gegen­über ent­we­der nicht begrün­den kann oder will.

Ich habe Sie als einen immens sym­pa­thi­schen und zuge­wand­ten Schul­leiter ken­nen­ge­lernt. Alle Ach­tung. An die­sem siche­ren Ein­druck gibt es für mich nichts zu revi­die­ren. Viel­mehr bedaue­re ich, daß selbst ein Mann Ihres For­mats nicht anders han­deln kann, als Maß­ga­ben durch­zu­schal­ten, denen gegen­über er selbst sei­ne Vor­be­hal­te haben mag – wenn viel­leicht nicht zuerst dem Inhalt, dann aber sicher der vom Schul­amt so frag­wür­dig gehand­hab­ten Ver­fah­rens­wei­se nach.

Letzt­lich han­delt es sich wohl um ein poli­ti­sches Lehr­stück, in dem wir uns bei­de ken­nen­ge­lernt haben. Sie wis­sen: Lega­li­tät ist nicht gleich Moralität.

 

Das war’s. Ich hör­te und las nichts mehr. Zwei­er­lei schob ich an: Zum einen stell­te ich dem Bil­dungs­mi­nis­te­ri­um eine Dienst­auf­sichts­be­schwer­de gegen­über dem Schul­amt zu, in der ich aller­dings beton­te, mir lie­ge an einer güt­li­chen Eini­gung, vor allem an einem kla­ren Wort, also einer Begrün­dung des Vor­wur­fes, ich sei »rechts­extre­mis­tisch«. Zum ande­ren frag­te ich beim Ver­fas­sungs­schutz des Lan­des Meck­len­burg-Vor­pom­mern nach, ob Daten oder Infor­ma­tio­nen über mich gespei­chert wären, die mich als rechts­extre­mis­tisch erschei­nen lie­ßen. Der Dienst ant­wor­te­te im Gegen­satz zum Minis­te­ri­um post­wen­dend und bün­dig: Nein, man habe nichts über mich.

Im Sep­tem­ber letz­ten Jah­res lud mich eine Schwe­ri­ner Schu­le, der ich eine Initia­tiv­be­wer­bung gesandt hat­te, zum Vor­stel­lungs­ge­spräch ein, ohne vor­her eigens beim Amt nach­zu­fra­gen. Als ich danach wie­der mal beglück­wünscht wur­de, weil man mich gern ein­stel­len woll­te und die Unter­zeich­nung des Arbeits­ver­tra­ges durch das Amt erfah­rungs­ge­mäß nur eine For­ma­lie wäre, hielt ich es für gebo­ten, den Schul­lei­ter dar­über zu infor­mie­ren, daß der Schul­amts­lei­ter den Arbeits­ver­trag nicht unter­schrei­ben, son­dern unwei­ger­lich zurück­wei­sen wer­de – mit der dann erfol­gen­den Maß­ga­be an den Schul­lei­ter, er sol­le mich infor­mie­ren, daß mei­ner Anstel­lung »schul­in­ter­ne Grün­de« entgegenstünden.

So ja mei­ne Erfah­rung. Die tat­säch­li­chen Grün­de wür­de das Amt ver­schwei­gen. Sie lägen dar­in, daß es mich als »rechts­extre­mis­tisch« anse­he, es neu­er­dings aber bes­ser ver­mei­de, dies auch so zu kom­mu­ni­zie­ren, weil es die Behaup­tung nicht bele­gen kön­ne und sich, so es sich über­haupt äuße­re, allen­falls auf die ihm ver­däch­tig erschei­nen­den Publi­ka­ti­ons­or­te, nicht aber auf die Inhal­te mei­ner Bei­trä­ge bezie­he, in denen sich, da sei ich sicher, nicht eine Zei­le rechts­extre­mis­tisch ver­ste­hen lasse.

Als alles so ein­trat, der Amts­lei­ter also wegen mei­nes Namens auch die­sen, ihm von der Schu­le vor­ge­schla­ge­nen Arbeits­ver­trag vom Tisch wisch­te und den Schul­lei­ter wie­der zu der Absa­ge aus schul­in­ter­nen Grün­den brin­gen woll­te, tat der, was er nicht hät­te tun müs­sen, er bestell­te mich kur­zer­hand noch ein­mal ein, zu einem infor­mel­len Gespräch. Wir waren zu zweit, also allein, als er mir offen­her­zig mit­teil­te, wie kon­ster­niert er sei, daß mei­ne Pro­gno­se sich als genau zutref­fend erwie­sen hat­te. Als man ihn anwies, mir mit­zu­tei­len, »schul­in­ter­ne Grün­de« stün­den einer Anstel­lung ent­ge­gen, habe er im Amt nach­ge­fragt, wel­che genau­en Grün­de das denn bit­te sein soll­ten, denn er wol­le mich unbe­dingt als Leh­rer ein­set­zen, ich sei der rich­ti­ge Mann für ihn, teil­te das Amt sibyl­li­nisch mit: Für die Ableh­nung des Herrn Bos­sel­mann gebe es eben Grün­de. Eben. – Mehr nicht. Das soll­te so ja gefäl­ligst genügen.

Ich bedank­te mich aus­drück­lich für die Offen­heit und mach­te dem Schul­lei­ter ein Kom­pli­ment für sei­nen Mumm und sei­ne Red­lich­keit mir gegen­über; genau das ver­miß­te ich von Amt und Minis­te­ri­um. Drin­gend riet mir der Mann, ich sol­le unbe­dingt kla­gen, er wer­de ver­su­chen, mir die Stel­le frei­zu­hal­ten. Zwar wer­de er mir die Absa­ge, so wie vom Amt for­mu­liert, zukom­men las­sen, kön­ne dann aber abwar­ten, denn es gebe kei­nen zwei­ten geeig­ne­ten Bewerber.

Zwei­mal frag­te ich beim Minis­te­ri­um nach, wie es sich mit der Ant­wort auf mei­ne vor bald zwei Mona­ten erho­be­ne Dienst­auf­sichts­be­schwer­de ver­hal­te. Ins­be­son­de­re sei ich dar­an inter­es­siert, daß der Vor­wurf, ich sei »rechts­extre­mis­tisch«, begrün­det wer­de. End­lich, nach einer kla­ren Frist­set­zung, erhielt ich ein Schrei­ben. Eine Abtei­lungs­lei­te­rin des Minis­te­ri­ums zitier­te zunächst umfas­send eine Ver­ord­nung, wie in Bewer­bungs- bzw. Per­so­nal­an­ge­le­gen­hei­ten zu ver­fah­ren sei, und kam dann zum Kern ihrer Auslegung:

 

Auch hin­sicht­lich der kon­kre­ten Beur­tei­lung sind kei­ne Feh­ler zu erken­nen, die zur Unrecht­mä­ßig­keit und Unzweck­mä­ßig­keit des Han­delns des Staat­li­chen Schul­am­tes füh­ren. Im Rah­men der Eig­nungs­be­ur­tei­lung ist eine Eig­nungs­pro­gno­se vor­zu­neh­men, das heißt eine Pro­gno­se über das vor­aus­sicht­li­che zukünf­ti­ge Ver­hal­ten, ins­be­son­de­re im Hin­blick auf die künf­ti­ge Ver­fas­sungs­treue. Bei der Anwen­dung von Arti­kel 33 Absatz 2 Grund­ge­setz steht dem öffent­li­chen Arbeit­ge­ber ein von der Ver­fas­sung gewähr­leis­te­ter Beur­tei­lungs­spiel­raum zu. Hin­rei­chen­de Feh­ler bei der Aus­übung des Beur­tei­lungs­spiel­raums sind vor­lie­gend nicht ersichtlich.

Daß Ihnen kei­ne wei­te­re Begrün­dung dar­ge­legt wur­de, ist nicht feh­ler­haft. Ein Anspruch auf eine aus­führ­li­che Begrün­dung besteht im vor­lie­gen­den Fall nicht. Bereits die oben genann­te Ver­wal­tungs­vor­schrift macht kei­ne zwin­gen­den Form­vor­ga­ben für die Ableh­nung des Bewer­bers. Auch im übri­gen besteht kei­ne all­ge­mei­ne recht­li­che Pflicht, den Grund für den Aus­schluß aus dem Bewer­bungs­ver­fah­ren gegen­über dem abge­lehn­ten Bewer­ber darzulegen.

 

Den sich wie­der­ho­len­den Ver­lauf ertrug ich letzt­lich als ein lehr­rei­ches Dra­mo­lett in prag­ma­ti­scher Absicht: Mag ja sein, der Amts­schim­mel ruh­te gera­de. Und ich stün­de dann wie­der vor der Tafel. Mich dann ver­spä­tet, also qua­si vor ver­sam­mel­ter Klas­se, aus dem Haus zu wei­sen und als Nazi vom Hof zu jagen, das wäre auf­wen­di­ger und schwie­ri­ger. Ins­be­son­de­re weil Kol­le­gen und Schü­ler dann fra­gen wür­den: Was, der? Die­ser Bos­sel­mann soll ein Rechts­extre­mist sein?

Eine Wei­le erwog ich tat­säch­lich zu kla­gen. Ich nahm Kon­takt zu einem erfah­re­nen Rechts­an­walt auf, des­sen Argu­men­ta­ti­on mich dann von einem Rechts­streit abse­hen ließ. Er teil­te mir mit, daß ein Ver­fah­ren kei­nen Sinn habe. Sol­che Fäl­le wür­den so gut wie nie erst­in­stanz­lich ent­schie­den. Die Gegen­sei­te, also Amt und Minis­te­ri­um, hät­ten das Geld, aus­dau­ernd Pro­zes­se durch alle Instan­zen zu füh­ren; ich hät­te die­ses Geld nicht. Zudem wäre ich ver­mut­lich Rent­ner, wenn die Sache so oder so ent­schie­den wäre.

Sein Rat lau­te anders: Ich sol­le ver­su­chen, wie­der an einer pri­va­ten Schu­le zu arbei­ten. Aber auch dort müß­te mich das Schul­amt als geeig­ne­ten Leh­rer bestä­ti­gen, inso­fern freie Trä­ger der staat­li­chen Aner­ken­nung bedür­fen, nicht zuletzt mit Blick auf die dort beschäf­tig­ten Leh­rer. Also wäre dies für mich nur etwas weni­ger aus­sichts­los. Fer­ner müß­te ich, so der Anwalt, ver­su­chen, irgend jeman­den im Sys­tem zu fin­den, der sich für mich ver­wen­den wür­de, der mich also irgend­wie zu pro­te­gie­ren wüß­te. Min­des­tens sol­le ich mich an den Bür­ger­be­auf­trag­ten des Lan­des wenden.

Das tat ich tat­säch­lich. Die zustän­di­ge Stel­le nahm mein Anlie­gen und das Pro­to­koll der Ver­hin­de­rung zur Kennt­nis. Nach wochen­lan­gem Schwei­gen beschloß ich, es soll­te sich um der eige­nen Selbst­ach­tung wil­len mit der Bitt­stel­le­rei haben. Sich jeman­den im Sys­tem zu suchen, der einem aus frei­en Stü­cken hilft, kommt ja – bei ohne­hin nur mini­ma­len Chan­cen – einem ganz und gar obrig­keits­hö­ri­gen Ver­fah­ren gleich. Man wen­det sich an einen Fürs­ten­knecht, der in des­sen Gunst steht und bereit ist, sich für einen zu ver­wen­den, sobald ihm der Mon­arch sein Ohr leiht. Wie man sich für einen gefal­le­nen Sün­der, einen Delin­quen­ten, einen Kri­mi­nel­len ver­wen­det, der, weil man ihm noch mal trau­en möch­te, dann in den Zustand huld­vol­ler Gna­de geho­ben wird und danach um so mehr zu ser­vi­ler Dank­bar­keit ver­pflich­te wäre.

Aber der Bür­ger­be­auf­trag­te mel­de­te sich, tele­fo­nisch. Ja, er habe nach­ge­fragt, erhal­te aber selbst seit Wochen kei­ne Ant­wort vom Minis­te­ri­um. Er wür­de jetzt ent­schie­den nach­drü­cken. Recht­lich schei­ne die Art, wie Amt und Minis­te­ri­um ver­fah­ren, so nicht halt­bar, der Vor­gang sei, nun ja, außer­ge­wöhn­lich, denn es soll­ten von der Regie­rung die genau­en Grün­de benannt und dar­ge­legt wer­den. Und vor allem dürf­ten die Schu­len nicht beschä­digt wer­den, indem man kur­zer­hand deren Stel­len­aus­schrei­bun­gen schließt, nur weil mein Name fällt. Ich bedank­te mich. Und wer­de gemein­sam mit dem zuge­wand­ten Herrn abwar­ten, was die Exe­ku­ti­ve zu ant­wor­ten geruht.

 

Heino Bosselmann

Heino Bosselmann studierte in Leipzig Deutsch, Geschichte und Philosophie für das Lehramt an Gymnasien.

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