Das zumindest behauptet Bjørn Lomborg in seinem vor zwei Jahren erschienenen und hier in wunderbar flüssiger Übersetzung endlich auf deutsch vorliegenden Buch. In seiner Muttersprache nennt man Typen wie Lomborg »tryllemand«, das sind Menschen, die scheinbar zaubern können, die bezaubern und bannen. Atemlos folgt man seinem Wortstrom.
Dabei ist seine Rede Augenöffner und Ärgernis zugleich. Mit seinem strikt rationalistischen, alles quantifizierenden, in Dollar verrechnenden, auf reinen Kosten-Nutzen-Analysen basierenden Denken vaporisiert er traditionelle Klimapolitik und weist sie als unsinnig, zumindest aber als hochgradig ineffizient nach. Sie sei von Angst getrieben und von ideologischen Scheuklappen geleitet, verbrauche selbst Unmengen an Ressourcen, um ein vergleichsweise mageres Ergebnis zu zeitigen.
Lomborg wird nicht müde, uns immer wieder vorzurechnen, daß alle Klimaschutzmaßnahmen, die auf Verzicht beruhen, die Erwärmung des Klimas kaum aufhalten können und auch das nur zu hohen Humankosten. So steht er zwischen den beiden Lagern. Fakt 1: Die menschengemachte Klimaerwärmung ist Realität und muß gemeistert werden. Fakt 2: Bisher haben wir das kaum hinbekommen, der bisherige Weg ist ein Irrweg.
Ärgernis ist das Buch vor allem, weil es ohne irgendeinen Natur-Begriff auskommt und vollkommen anthropozentrisch argumentiert. Einen An-sich-Wert des Natürlichen und des Bestehenden scheint es für Lomborg nicht zu geben, und auch ein komplexeres Verständnis für das Klimasystem spielt keine Rolle, alles auf dieser Welt läßt sich monetarisieren. Besonders ärgerlich, daß er damit den begründeten Eindruck erwecken kann, tatsächlich einen Königsweg aus dieser und aus allen globalen Krisen weisen zu können.
Das erste Problem, so Lomborg, sei die Angst, medien‑, wissenschafts- und ideologiegeneriert, die uns vollkommen falsche apokalyptische Visionen beschere und das kühlende Denken verunmögliche. Das zweite seien die falschen Kostenberechnungen, das dritte die bereits eingefahrenen und verfestigten Lösungsstrategien – unter Auslassung der Anpassungsfähigkeit des Menschen –, die nichts lösen würden, und das vierte schließlich die Verhinderung dessen, was getan werden müßte – eines ergibt sich aus dem anderen.
Die Lösung – und das ist die kognitive Dissonanz, die man überwinden muß – liegt laut Lomborg just im Wachstum und im Wohlstand. Wir müssen wachsen, so stark wie möglich, so intelligent wie möglich, um überhaupt die Voraussetzungen schaffen zu können, vielfältige geistige und technische Lösungen aus der Misere finden zu können. Hier argumentiert Lomborg äußerst stringent.
Mit diesem Vermögen sollte dann ein Mix aus Marktlösung (CO2-Steuer), massiv staatlich geförderter technischer Innovation, effektiver technischer und logistischer Anpassung an Wetterextreme und graduelle Veränderungen sowie sensibel vorbereitetem Geo-Engineering »die Welt besser machen« – wie gesagt, die Menschenwelt. Man kann sich in Lomborgs Welt hervorragend vor Hitzewellen schützen: durch Klimaanlagen.
Tief in die bisherigen Argumentationen – für oder wider – verstrickt, verlangt der Däne dem Leser viel Resistenz ab, aber die Historie scheint ihm recht und Grünen und »Leugnern« unrecht zu geben.
An diesem Buch kann man irre werden – und das ist die beste Empfehlung, die man geben kann! Muß man kennen, egal, wo man steht! Muß man diskutieren! Muß man vor allem jedem Politiker aufs Auge drücken!
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Bjørn Lomborg: Klimapanik. Warum uns eine falsche Klimapolitik Billionen kostet und den Planeten nicht retten wird, München: Finanzbuch Verlag 2022. 320 S., 22 €
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