Werner Oechslin: Werkbundzeit

»Im Deutschen Werkbund arbeiten Künstler mit Handwerkern und Fabrikanten zusammen und zwar gegen den Schund zugunsten der Qualitätsarbeit.«

Erik Lehnert

Erik Lehnert ist promovierter Philosoph.

Mit die­sen schlich­ten Wor­ten faß­te ­Her­mann Hes­se die Ziel­set­zung des 1907 in Mün­chen gegrün­de­ten Werk­bun­des zusam­men, des­sen Wir­kung für die Her­aus­bil­dung einer moder­nen Form­ge­stal­tung in Deutsch­land nicht zu unter­schät­zen ist. Die 24 Grün­dungs­mit­glie­der set­zen sich zu glei­chen Tei­len aus Künst­lern und Fir­men zusammen.

Unter den Künst­lern domi­nier­ten die Archi­tek­ten, u. a. Paul Schult­ze-Naum­burg und Peter Beh­rens, die oft auch als Hoch­schul­leh­rer und Gestal­ter tätig waren. Bei den Fir­men fin­den sich so bekann­te Namen wie der Diede­richs Ver­lag und die Deut­schen Werk­stät­ten aus Hel­ler­au. Zu den frü­hen Mit­glie­dern gehör­ten auch Poli­ti­ker wie Fried­rich Nau­mann und Schrift­stel­ler wie Har­ry Graf Kessler.

Theo­dor Heuss hat die Grün­dung des Werk­bun­des rück­bli­ckend als »eine der groß­ar­tigs­ten und frucht­bars­ten Leis­tun­gen der neu­en deut­schen Geis­tes­ge­schich­te« bezeich­net. Es ging dem Werk­bund bei sei­ner Arbeit um nicht weni­ger als einen ästhe­ti­schen Kon­sens, der erzie­he­risch auf den Men­schen wir­ken und sich in allen Gegen­stän­den des all­täg­li­chen Bedarfs nie­der­schla­gen sollte.

In den Wor­ten der dama­li­gen Zeit hieß das »Ver­ede­lung der gewerb­li­chen Arbeit im Zusam­men­wir­ken von Kunst, Indus­trie und Hand­werk, durch Erzie­hung, Pro­pa­gan­da und geschlos­se­ne Stel­lung­nah­me zu ein­schlä­gi­gen Fra­gen«. Erreicht wer­den soll­te die­ses Ziel durch Aus­stel­lun­gen und vor allem Publi­ka­tio­nen, mit denen die Ideen unters Volk gebracht wurden.

Daher ver­stand sich der Werk­bund vor allem als Insti­tu­ti­on der Ver­net­zung, als Inter­es­sen­ver­tre­tung und als Forum des Aus­tauschs. Über den ästhe­ti­schen Kon­sens wur­de, nicht zuletzt vor dem Hin­ter­grund his­to­ri­scher Ereig­nis­se, im Werk­bund leb­haft debat­tiert. Es galt dabei, Wider­sprü­che zwi­schen Kom­merz und Kul­tur, zwi­schen Schöp­fer­tum und Ratio­na­li­tät, zwi­schen Zweck und Form sowie zwi­schen Typen­bil­dung und Indi­vi­dua­li­tät aus­zu­glei­chen, was immer nur für den Moment gelin­gen konnte.

Die­se Debat­ten hat sich der Archi­tek­tur­his­to­ri­ker Wer­ner Oechs­lin (* 1944) in sei­nem Buch vor­ge­nom­men. Wer erwar­tet, dar­in etwas zur Geschich­te und den prak­ti­schen Fol­gen des Werk­bun­des zu erfah­ren, wird ent­täuscht sein. Oechs­lin setzt beim Leser die Kennt­nis die­ser Din­ge vor­aus. Sein Buch könn­te man daher mit viel Wohl­wol­len als eine »Ideen­ge­schich­te« des Werk­bun­des bezeich­nen, die sich nahe­zu aus­schließ­lich auf die zahl­rei­chen Streit­schrif­ten stützt, die sei­ner­zeit um das The­ma »moder­ne Form­ge­stal­tung« kreisten.

Erschwert wird die Lek­tü­re dadurch, daß Oechs­lin ein­lei­tend zwar rich­tig bemerkt, daß die Geschich­te die­ser Ideen »kraus« sei, es ihm aber auch nicht rich­tig gelin­gen will, in die­ses Durch­ein­an­der wenigs­tens eine the­sen­ar­ti­ge Ord­nung zu brin­gen. Offen­sicht­lich hat ihn das Bei­spiel Wal­ter Gro­pi­us, der rück­bli­ckend die Geschich­te des Werk­bun­des auf sich selbst zulau­fen ließ, so sehr ver­schreckt, daß er von jeg­li­chem linea­ren Ent­wick­lungs­sche­ma abge­rückt ist.

Wer sich für die Geis­tes­ge­schich­te des 20. Jahr­hun­derts inter­es­siert, wird trotz­dem eini­gen Gewinn aus dem Buch zie­hen, da Oechs­lin fast aus­schließ­lich aus den Quel­len schöpft.

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Wer­ner Oechs­lin: Werk­bund­zeit. Kunst, Poli­tik und Kom­merz im Wider­streit, Mün­chen: Carl Han­ser Ver­lag 2021. 335 S., 28 €

 

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Erik Lehnert

Erik Lehnert ist promovierter Philosoph.

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