»Rome Medien«?, mag der ein oder andere einwenden, was soll das sein? Nun, dahinter verstecken sich reichweitenstarke Formate wie »Achtung, Reichelt!«, die der Namensgeber Julian Reichelt initiierte und mit einigem Erfolg zu promoten versteht – fast 300.000 Abonnenten bei YouTube sprechen Bände.
Reichelt, der viele Jahre lang zum harten Kern von Axel Springer und der Bild-Zeitung zählte, bevor er einem Sexismus-Skandal zum Opfer fiel, hat – einerlei, wie man ihn als Typen bewertet – eine mediale Powerbude aufgezogen, die in der nicht-mainstreamigen deutschen Medienwelt derzeit ihresgleichen sucht.
Mit der Reichweite wächst auch seine Redaktion, mit seiner Redaktion wächst die Angriffsfläche. Bei der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union sieht man die Kollegen denn auch überaus kritisch. Der DJU‑Landesgeschäftsführer für Berlin und Brandenburg, Jörg Reichel, fährt schwere Geschütze gegen seinen Fast-Namensvetter auf.
Die Rome Medien GmbH von Reichelt, ordne er, so schreibt Reichel bei Twitter, der »rechten Publizistik« zu. Hauptgrund seien die »zahlreichen rechtsoffenen, rassistischen Statements« der Rome-Journalisten Ralph Schuler, Jan A. Karon, Julius Böhm und Judith Sevinc Basad. Bei »turi2«, einem Blog, der sich als »Premium-Plattform der Kommunikationsbranche« versteht, faßt man die Angelegenheit zusammen:
Reichel sieht Rome Medien in einer Reihe mit der “Jungen Freiheit”, Tichys Einblick, “Cato” und “Cicero”.
Auch, wenn man die Einteilung als »rechte Publizistik« aus Sicht der rechten Publizistik ablehnen dürfte: Tatsächlich wird das Wachstum Reichelts nur auf Kosten der genannten Platzhirsche im liberalkonservativen Feld denkbar sein.
Reichelt ist für viele Medienkonsumenten durch seine Vor-Ort-Reporter »näher dran« als die Junge Freiheit, juvenil-forscher als Tichys Einblick und zweifellos politisch widerspenstiger als der behutsame Cicero, bei dem man populistische Aufbereitungen à la Reichelt naturgemäß vergeblich findet. (Von der distinguiert-biedermeierlichen Cato, einem Leitorgan der politischen Demobilisierung, ganz zu schweigen.)
Der Erfolg Reichelts gibt ihm einstweilen recht. Aber er ist nicht nur hausgemacht. Reichelt mußte nicht bei Null beginnen; er ist gut vernetzt. Der Medieninsider berichtet, es gebe eine
Verbindung zum inoffiziellen Finanzier und Milliardär Frank Gotthardt – und dann sind da noch eine ehemalige Springer-Vorständin und ein Ex-ProSieben-Chef.
In derlei Gesellschaft sind die politischen Stoßrichtungen meiner Ansicht nach klar umrissen: Hauptgegner sind die freiheitsfeindlichen Grünen und ihre Vorfeldstrukturen bis hinein ins Klimaextremistische, Nebengegner deren Ampel-Anhängsel SPD und eine vermeintlich linksgewendete FDP (nicht aber die FDP als solche).
Thematisiert wird in Reichelts Formaten Migrationschaos, linke Militanz und falsch gestellte Weichen durch gründominierte Politiken. Es gibt viel Platz für »konservative« Akteure innerhalb der CDU/CSU, ihre Sicht der Dinge auf die Ampel und deren Fehler darzulegen. Kein Platz gibt es bisher für eine kritische Aufarbeitung der Unionsverantwortlichkeit an den herrschenden Verhältnissen.
Man könnte es so herunter brechen: Reichelt macht mal direkte, mal indirekte Vorfeldarbeit für wert- und strukturkonservative Leute in der CDU/CSU, teils auch für gesellschaftspolitisch konservative Liberale aus der FDP. Obschon er mit seinen Inhalten (insbesondere hinsichtlich Islamismus, Grünenkritik usw.) eher bei der AfD-Wählerschaft steht, erhält deren Partei keinerlei Resonanzraum.
Man mag das begründen mit logischen Verhaltensweisen eines Noch-nicht-ganz-Geschaßten. Man kann das verstehen wollen als Vorsichtsmaßnahme, um das schnelle Wachstum nicht zu gefährden.
Ich denke, daß man die Begründung hierfür auch darin suchen sollte, daß Reichelt und sein Team eben schlicht und ergreifend nicht »rechts« sind, wie Kritiker insinuieren, sondern ein liberalkonservatives Konglomerat etablierter Journalisten, die von anderen etablierten Journalisten im Rahmen des alltäglich neu verhandelten Kampfes um Hegemonie an den Rand des Establishments gedrängt wurden und dort nun ihre Stellung bezogen haben.
Anlehnend an meine Thesen aus der 106. Sezession (Februar 2022) über Kippfiguren, Selbstvermarkter und Brückenbauer, sehe ich die Funktion der Reichelt-Gruppe derzeit in einer Mischung aus Selbstvermarkter und Brückenbauer. Eine potentielle Kippfigur, also jemand, der aus bewußter Entscheidung und weltanschaulicher Konsequenz heraus das Establishment verläßt, ist in deren Team nicht zu finden.
Sehr wohl werden aber Brücken insofern gebaut, als daß die Reichweite für migrationskritische und grünengegnerische Standpunkte mit der Reichweite Reichelts wächst – die Gefahr besteht aber, daß das anwachsende Protestpotential auf einzelne Erscheinungen, Übertreibungen und Teilbereiche gelenkt wird, ohne systemische Verbindungslinien wahrnehmen zu wollen.
So lenkt man den Blick ab von integralen Kritikansätzen und alternativen Politikvorstellungen und lenkt die Proteststimmung, die wächst und gärt, zurück in Bahnen, die dem falschen Ganzen ungefährlich bleiben, weil die zu Wortführern der Unzufriedenen gewordenen Randfiguren des Mainstreams ihre symptomorientierte Spielwiese gefunden haben.
Es verhält sich demnach so, daß Reichelts Mannschaft die Herrschenden gekonnt angreift, die Kritik aber – bisher – populistisch zugespitzt und verkürzt darbietet, ja Zusammenhänge bewußt oder unbewußt ausblendet. Dem angefixten Medienkonsumenten der Formate Reichelts bleibt verschlossen, daß diese einzelnen Verfallserscheinungen der Gesellschaft auf einem gemeinsamen Fundament beruhen und daß dieses Fundament als solches – und nicht lediglich wegen seiner krassesten Folgewirkungen (wie den Silvesterkrawallen oder Lützerath-Happenings) – zu durchdringen und bloßzustellen ist.
Bei Reichelts Medien bleibt zudem völlig ausgeblendet, daß die Union Hauptverantwortung an diesen Mißverhältnissen trägt, wohingegen Unionspolitiker frank und frei in den Talkformaten ihre Sicht der Dinge darlegen können, Kritiker der Union – etwa aus der AfD – freilich nicht.
Skeptisch in bezug auf Reichelt und Co. könnte man also schließen, daß er ein klassischer Verprellter und Selbstvermarkter ist. Seine zweifellos bemerkenswerte Schaffenskraft und Dynamik stellt er in den Dienst gegen den Machtfaktor Linksliberalismus; so kann er die relativ »rechte« Flanke der Mitte wieder besetzen.
Zu befürchten ist aber die immanente Sehnsucht jedes Verprellten, der eben gerade keine Kippfigur sein möchte: Ein solcher Verprellter strebt danach, wieder eingebaut, das heißt als Persönlichkeit mit Ausstrahlung akzeptiert und geduldet zu werden – wie anno dazumal, vor der Skandalisierung der Verhaltensweisen zu Mitarbeiterinnen.
So schürt Reichelt konstant Unmut seiner Leser ob des Linksdrifts des Mainstreams, befähigt und ermutigt sie aber nicht, selbst politisch handelnd in Erscheinung zu treten oder sich politisch in der authentischen Opposition zu organisieren.
Im Gegenteil: Weil die Logik und oftmals auch die Sprache des falschen Ganzen weitergetragen werden und man nur wohl nur an oberflächlichen Teilkorrekturen gegen die Ampel festhält, sorgt man als vorgesehene Oppositionsplattform sogar potenziell für mehr Stabilität des medialen Mainstreams und liefert Resonanzräume für eine vermeintliche Post-Merkel-Union. (Interessant wäre die Entwicklung der Reichelt-Formate, würde die CDU/CSU plötzlich mit der FDP koalieren. Bliebe dann noch viel übrig vom Angriff auf die Herrschenden?)
Aus nonkonformer Sicht scheinen mir die Reichelt-Medien demzufolge von einem Doppelcharakter gekennzeichnet zu sein. Einerseits erweitert man den Rahmen des Sagbaren und berichtet auf unkonventionelle, offensive Weise (und das oft vor Ort). Andererseits agiert man – bewußt oder unbewußt – als dynamisches Vorfeldmedium eines Teils der Christdemokratie im Kampf gegen den Linksdrift der Ampel.
Aufgrund dieses streitbaren Doppelcharakters, der sich angesichts der Ergebnisoffenheit der momentanen Lage in verschiedene Richtungen weiterentwickeln kann, stelle ich abschließend sieben Punkte zur Diskussion und bitte um Beteiligung:
1. Es ist zu begrüßen, wenn die Gegenöffentlichkeit wächst. Das Team Reichelt ist modern, berichtet vor Ort und vor allem schnell.
2. Themen werden offensiv populistisch aufbereitet und erreichen damit mehr Menschen als bisherige sog. alternative und Szene-Medien.
3. Man muß sich gleichwohl über die objektive Funktion der Reichelt-Medien als Auffangstellung eines abgespaltenen und unzufriedenen Teils des Establishments bewußt sein. Protest wird genährt, aber in seiner Tragweite zugleich potentiell entschärft und in unionsnahen Blasen konserviert.
4. Die Tendenz der bisherigen Berichterstattung kann vor allem Merz-affinen Law-and-Order-Christdemokraten helfen, sich als Gegenspieler zur grün dominierten Ampel zu inszenieren. Auffangstellung hieße dann ganz konkret: Der Protest soll nicht weiter nach rechts gleiten, sondern wird eingehegt.
5. Reichelt-Medien haben als (ehemaliges) Fleisch vom Fleische der Springer-Medien die bessere Startvoraussetzung: Sie werden von Finanziers gepusht, sind nicht gesperrt auf Plattformen, ihre Reichweite wird nicht gedrosselt usw. Auch hier zehren sie von der persönlichen und inhaltlichen Anbindung an liberalkonservative und christdemokratische Milieus.
6. Das Wachstum der Reichelt-Medien läßt Spielraum für unterschiedliche Entwicklungen; man sollte als marginalisierte Kraft nicht voreilig und arrogant den Daumen senken. Auch bestimmte Themen und Begriffe unserer Kreise finden größere Verbreitung und schaffen damit Anknüpfungspunkte für die authentische Opposition.
7. Bei aller Fairneß in der Beobachtung und Bewertung dieser neuen Formate der Reichelt- bzw. Rome-Medien gilt es jedoch, bei Verprellten des Mainstreams (zumal mit transatlantischem Background) gebührend skeptisch-realistisch zu bleiben. Es gibt keinen Grund für eine überzogene Erwartungshaltung. Reichelt ist ein beherzter, eloquenter und findiger Geschäftsmann mit einem feinem Sensorium für das, was geht, aber kein Volkstribun, kein Retter der Opposition. Das muß er aber auch nicht sein.
Mitleser2
Ich bin zutiefst überzeugt, dass Die Grünen immer und überall bekämpft werden müssen. In Politik, Kultur, Medien. Auch in diesem Blog. Rational argumentativ, ironisch, satirisch. Die Grünen arbeiten still und beharrlich an der Zersetzung Deutschlands, hinter der Maske des Gutmenschen. Da ist die Esken-Faeser-Antifa-SPD fast harmlos plump, da weiß man sofort, was das Ziel ist.
Dass stattdessen der Liberalismus (und traditionelle Konservative) die Hauptfeinde der Rechten seien, halte ich als libertärer Rechter für einen Irrweg. Da bin ich mehr bei Max Otte. (Ich weiß, dass das Benedikt Kaiser et al. und die Mehrheit des Kommentariats das völlig anders sehen).