Der “Diskurs” darüber vollzieht sich in drei Argumentationsmustern, die ineinander übergehen und zum Teil gleichzeitig bespielt werden:
Auf Stufe 1 ist der “große Austausch” eine “rechtsextreme Verschwörungstheorie”, die von pathologischen Rassisten halluziniert wird. Auf Stufe 2 wird eingeräumt, daß so etwas wie ein “demographischer Wandel” existiert, dies sei aber nicht weiter schlimm, weil wir alle nur Menschen sind und die Einwanderer zu grundgesetztreuen Bürgern einer “bunten” Republik “integriert” werden. Auf Stufe 3 schließlich wird in die Offensive gegangen: Ja, der “Große Austausch” findet statt, und ihr habt es nicht anders verdient.
Khani agitiert unverhohlen auf Stufe drei:
Vielleicht sollten wir einsehen, dass, wenn man für die Idee rassischer Reinheit einen Weltkrieg anzettelt, man sich nach dessen Niederlage gezwungen sehen könnte, ein Einwanderungsland zu werden. Immerhin teilten auch die Siegermächte unser Misstrauen dieser Gesellschaft gegenüber. Und vielleicht sollten wir an der Stelle auch mal überlegen, wer hier wem was schuldet. Wer hier mit wem wie redet. (…)
Was er hier sagt, ist im sachlichen Kern völlig richtig, abgesehen vom Phantasma des “arischen Albtraums”, das der Rechtfertigung der Übernahme dient:
Was sicher ist: Wir sind hier. Nicht nur für Ihre Rentenkassen, sondern weil wir dafür sorgen, dass der arische Albtraum in diesem Land niemals Realität wird. Dafür, dass diese Realität so weit entfernt liegt, dass selbst Nazis sie offenbar aufgegeben haben, so, wie wir alle die Idee dieses sozialdemokratischen Gesamtschul- und Mittelschicht-Miteinanders aufgegeben haben. Ohne extreme Gewalt, die jene Hitlerdeutschlands in den Schatten stellt, wird jener Albtraum sich nicht erfüllen. Dieser Zahn ist endgültig gezogen.
Was bliebe, wären nur noch kleine Rückzugsscharmützel, “die niedere Gemeinheit des Einzelnen, die immer wieder ihren Weg findet, sich immer wieder Bahnen bricht und dabei den Unwillen der Deutschen bloßlegt.” Beispiele dafür seien “faschistische Chats der Polizei”, “NSU-Taten” oder die “1000 registrierten, fremdenfeindlichen Anschlägen just in dem Jahr, wo man sich parallel Orden der sogenannten Willkommenskultur an die Brust heftete.” Letzteres ist eine ziemlich unaufrichtige Klage, wenn zugleich das Ausmaß der Migrantengewalt – und kriminalität verschwiegen wird, die immerhin auch Gegenstand seines eigenen Romans ist.
Khani wähnt sich in einem Land, in dem ein deutscher “Innenminister bundesweit Plakate aufhängen lässt, auf denen wir in unseren Muttersprachen dazu angehalten werden sollen, gegen Bezahlung dahin zurückzugehen, wo wir hergekommen sind” (schön wär’s, aber das ist nur verzerrte Berliner Blasenrezeption). Er echauffiert sich über die “hunderttausendfach verkauften Ausgaben von Thilo Sarrazins Büchern” und seinen “ekelhaft stumpfen Bauchgefühlrassismus”, ganz so, als hätte Sarrazin keinerlei rationale Argumente geliefert.
Es passieren einfach merkwürdige Dinge, wenn man Millionen Menschen aus fremden Kulturkreisen in einem historisch sehr kurzen Zeitraum in einem Land mit hoher Bevölkerungsdichte ansiedelt, das seinen Selbstbehauptungswillen weitgehend verloren hat und von einer post- und antinationalen Elite regiert wird.
All dies verlinkt Khani geopolitisch mit “der Unterstützung der amerikanischen Kriege gegen unsere Länder”, der sich die Deutschen ebenfalls schuldig gemacht hätten. “Unsere” Länder sagt er, und berauscht sich dabei an der Vorstellung, daß unser Land bald auch das Land seiner Leute sein wird. Sollte es soweit kommen, und ich darf es erleben, wäre ich gespannt, ob die verschiedenen Migrantengruppen dann in einem friedvollen Multikultiparadies koexistieren oder sich nicht doch eher in neue ethnokulturell akzentuierte Verteilungskämpfe stürzen werden.
An seiner eigenen Person und seinem eigenen Tonfall scheint Khani keinerlei “niedere Gemeinheit” wahrzunehmen. In süffisantem Tonfall feiert er das “Absterben” der Deutschen und den Triumph seiner eigenen demographischen Schicht, mit einer beinah genozidal anmutenden Schadenfreude. “Völkersterben von seiner schönsten Seite”, wie der ähnlich gewickelte Denis Yücel schon 2011 schrieb.
Wen wundert es, wenn Deutsche auf dergleichen mit “Unwillen” reagieren?
Unseren Autor offenbar, der in seiner eigenen ethnozentrischen Perspektive befangen ist, dabei jedoch objektiv gesehen wenig Grund zur Klage hat. Gemessen an alten bundesrepublikanischen Maßstäben ist er hervorragend “integriert”. Er konnte in Deutschland das Gymnasium besuchen, einem Studium nachgehen, eine Bar in der Hauptstadt eröffnen, wurde dazu eingeladen, auf dem Wettbewerb um den Ingeborg-Bachmann-Preis zu lesen. Dem Vernehmen nach hat er ein “großartiges” literarisches Talent, und vermutlich beherrscht er das Deutsche besser als ein großer Teil der Deutschen.
Und dennoch geht aus seiner Polemik ganz klar hervor, daß er auch nach beinahe vierzig Jahren in Deutschland eine ethnische Identität hat, die deutlich zwischen “Ihr” und “Wir” unterscheidet, die sich nicht nur scharf von den “Biodeutschen” abgrenzt, sondern ihrer Existenz und Identität feindselig und unempathisch gegenübersteht.
Man kann Khanis ganze Argumentation im Grunde auf die Rechtfertigung seiner ethnokulturellen Interessen reduzieren. Keine Waffe funktioniert in Deutschland besser als das Bespielen des Schuldkomplexes. Damit bringt man die Almans zuverlässig zum Kuschen. Sie dient, wie überall anders auch (denn wir haben es nicht nur mit einem deutschen, sondern einem gesamtwestlichen Problem zu tun), der Durchsetzung von Machtansprüchen.
Auch Khani benutzt sie zur Beschämung, Erniedrigung, Einschüchterung, in einer hemmungslosen und nuancenbefreiten Art, die mich zweifeln ließ, ob wir es hier mit einer Parodie oder einer bewußten Übertreibung zu tun haben.
Ich denke jedoch, daß man dem Autor zuviel der Ehre erweist, wenn man hier einen subtileren Hintersinn vermutet. Wahrscheinlicher ist, daß er diese grobschlächtige und verzerrende Erzählung von der deutschen Schuld auch tatsächlich glaubt. Sie verstellt seinen Blick auf die Realität, verschafft ihm jedoch ein gutes Gewissen und stärkt seine persönliche Agenda und Identität.
Und auch hier erweist er sich ironischerweise als hervorragend integriert. Denn die Doktrin von der einzigartigen deutschen Schuld, die nur durch die Preisgabe des eigenen Landes, des eigenen Volkes, der eigenen Kultur gesühnt wird, lernt man nicht Teheran, sondern ist eine durch und durch bundesdeutsche Ideologie, politisch erwachsen aus dem Saatgut der Umerziehung und psychologisch aus dem Umschlag des Nationalchauvinismus in den Nationalmasochismus durch das Trauma des Krieges..
Diese Doktrin hat eine sehr unterschiedliche, ja gegensätzliche Wirkung auf Autochthone und Einwanderer gezeitigt, und das über Generationen hinweg. Nationalkonservative haben früher gerne das Argument vertreten, daß es völlig verständlich sei, wenn sich ausländische Jugendliche nicht in ein Land integrieren (gemeint war: assimilieren) wollen, das keinen Stolz (außer den “Schuldstolz”), kein Selbstwertgefühl und keine Identität mehr kennt. Das war nicht verkehrt, aber sie haben übersehen, daß Migranten aus dieser Doktrin auch einen gewissen Vorteil ziehen können.
Ein Deutscher ist, wer deutsche Schuld fühlt. Das ist ein Kriterium, beinahe so handfest wie die leibliche Abstammung. Deutsche werden durch die Schuld-Doktrin beschämt und demoralisiert, Migranten werden durch sie ermutigt, ihre Interessen umso unverschämter gegenüber ihrem geknickten Wirtsvolk durchzusetzen.
Die Entwicklung der letzten Jahrzehnte hat gezeigt, daß die Migranten umso aggressiver und narzisstischer wurden, je bunter, weltoffener, toleranter und unterwürfiger die Deutschen sich gaben. Es ist schlicht und einfach irre, das “Scheitern” des “Zusammenlebens” immer noch den letzteren in die Schuhe schieben zu wollen, wie es auch Khani allen Ernstes tut:
Überall sagt Deutschland uns, dass es mit uns nicht leben will, aber an dem Scheitern nicht die Schuld tragen möchte.
“Deutschland” sagt den Migranten unaufhörlich, daß es mit ihnen “leben” will, und den “Biodeutschen”, daß es mit ihnen leben muß, ohne Alternative. So jedenfalls, wenn man unter “Deutschland” den deutschen Staat, das deutsche Politikerkartell, die deutschen Medien, die deutschen Institutionen, die deutschen Behörden und die deutschen Kirchen versteht. Wer “verweigert” sich denn hier wirklich “der Verantwortung”? Was für eine Art von Projektion, um sich selbst zu entlasten, betreibt Khani hier?
In der Tat wagen die Deutschen kaum noch, die Dinge beim Namen zu nennen und der Realität ins Gesicht zu sehen. Obwohl es eigentlich eher makaber als komisch ist, haben wir alle herzlich gelacht über den RBB-Journalisten, der sich um Kopf und Kragen redete, als er sich genötigt sah, die Frage nach den “Tätern” der Silvesterkrawalle zu beantworten.
Moderatorin: Wer sind denn die Täter, was weiß man denn dazu zur Stunde?
Thomas Rostek: Von den Tätern zu sprechen, ist in solchen Kontexten immer ein bißchen schwierig. Tatsächlich ist es so, daß, ähm, die Gewerkschaft der Polizei sich dazu bereits geäußert hat, und gesagt hat, es seien “gruppendynamische Prozesse”, also ein gesamtgesellschaftlicher großer Druck, der geherrscht haben soll, anläßlich jetzt nach zwei Jahren Pandemie, daß man da eben versucht, ähm, ähm, genau, daß man an Pyrotechnik eben auch leicht ankommt, und daß dort eben, äh, das zu großen Problemen geführt habe.
Das ist repräsentativ für das Deutschland, in dem Khani lebt und Karriere machen konnte, und kein fiktives Immer-noch-Nazi-Land, in dem hartnäckige Schuldabwehr herrscht, die Innenminister aktive Remigrationskampagnen betreiben und rassistisch unterdrückte Migranten schuldlos in die Rolle von Sündenböcken gedrängt werden.
Khani selbst sitzt in diesem Deutschland obenauf, was er auch weiß, wenn er sich genüßlich auf der Seite der moralischen, politischen und demographischen Sieger der Geschichte präsentiert. Wenn aber “der Zahn endgültig gezogen” ist, dann tritt man nur mehr nach unten, tritt man nur mehr das, was ohnehin schon am Boden liegt. Aber da liegt doch nur der ewige Nazi mit Arierwahn, der Gaskammermörder, der Gastarbeiterausbeuter, der singuläre biodeutsche Verbrecher, der Kolonialist, egal, wie viele Generationen er zu spät geboren ist! Den kann man getrost bespucken und verhöhnen und verenden lassen.
Nachdem er seine Schuld- und Beschuldigungskanone leergeballert hat, beteuert der Autor:
Verstehen Sie mich nicht falsch. Das alles rechtfertigt nichts. Nicht unsere Rohheit, die den stumpfen Gewaltexzessen unserer Kinder ein Nährboden geworden ist. Nicht die Obszönität unserer Ablehnung. Nicht unsere Ideenlosigkeit, unsere Perspektivlosigkeit, Lustlosigkeit, unsere Teilnahmslosigkeit. Nicht unser geducktes Knurren und nicht die geballten Fäuste in unseren Hosentaschen. Aber vielleicht hilft es, unser gesundes Misstrauen und unseren fehlenden Respekt vor dem Staat und seinen Repräsentanten zu begreifen.
Nun, wenn er nichts rechtfertigen will, warum trägt er dann so dick und gehässig auf? Die ansatzweise Selbstkritik wirkt wie ein Alibi, und er ist erneut unaufrichtig, wenn er die Klientel, die er verteidigt, als ungerecht behandelte Marginalisierte zeichnet, die “geduckt” ihren Zorn in sich hineinfressen und ihre Fäuste in den Hosentaschen verstecken. Das ist offensichtlicher Quatsch, und ich nehme dem Autor nicht ab, daß er das selber glaubt. Die Wahrheit ist, daß sie diesem Staat frech auf der Nase herumtanzen und aufs Maul hauen, und das ist nicht erst seit gestern.
Es gibt in diesem Land indes eine ganze Menge anderer Menschen, die ebenfalls “gesundes Misstrauen” und berechtigten Groll gegenüber dem “Staat und seinen Repräsentanten” entwickelt haben, und die viel übler und konsequenter rangenommen werden als Migranten in diversen Silvesternächten. Da wäre ich gespannt, ob Khani bereit wäre, sich die Mühe zu machen, zu begreifen, was die Gründe dafür sind.
RMH
Was Khani, wie ich im Beitrag zuvor schon schrieb, vermutlich als großen Rant inszeniert hat, offenbart letztlich doch wieder mehr Klischees über Ausländer, als ihm evtl. recht sein mag. Alleine dieser ewige unsachliche und aufgeregte Echauffierungsmodus verbunden mit notorischem argumentativen unter die Gürtellinie schlagen. Kennt ja jeder schon aus banalsten Alltagssituationen, bspw. wenn es mal auf irgendeinem Parkplatz zu nem kleinen, alltäglichen Rempler an einem der Benzen der Goldstücke kommt. Ruckzuck stehen ein halbes dutzend Mihigurs um das arme Schwein von Verursacher und beschimpfen ihn, beim ersten Wiederwort kommt natürlich: Nazi! Jeder normale Mensch tauscht bei sowas Adressen aus und sagt sich noch einen guten Tag. Aber bei diesen Drama-Queens ... Diese Rituale der bunten Republik langeweilen langsam und die gespielte politische Aufregung über Ereignisse wie Silvester reihen sich in diese Rituale ein, denn den Eindruck einer echten Betroffenheit habe ich bei keinem der Politdarsteller erkennen können, man spulte eben das erwartbare Programm ab, damit Rentner Silberlocke nicht auf den Gedanken kommen könnte, evtl. mal was anderes als üblich zu wählen. Interessant wird es, wenn MiHiGrus unterschiedlicher Provinienz untereinander in Streit geraten. Die Polizei kommt bei sowas in aller Regel erst gar nicht. Konnte ich schon mehrfach beobachten. Leider hatte ich nie einen Campingstuhl nebst einem Eimer Popcorn dabei.