Stalingrad – 2. Februar 1943

Auf etwa 40 Kilometern Länge und einer Tiefe von zehn Kilometern erstreckt sich die Millionenstadt Wolgograd am westlichen Ufer des Flusses.

Sie liegt süd­lich des Wol­ga­knies, wo der Strom sei­nen Lauf Rich­tung Süd­os­ten, dem Kas­pi­schen Meer zu, ändert. Hier am Hoch­ufer liegt jene Stadt, die unter dem Namen Sta­lin­grad blu­ti­ge Geschich­te schrieb.

Dem heu­ti­gen Besu­cher ver­mit­telt Wol­go­grad, wie die Stadt seit 1961 heißt, den Ein­druck einer nor­ma­len (sowjet-)russischen Groß­stadt, in der es an Gedenk­stät­ten für den Gro­ßen Vater­län­di­schen Krieg, die an den ent­schlos­se­nen Abwehr­kampf der Hel­den­stadt Sta­lin­grad erin­nern, nicht mangelt.

Deren bekann­tes­te krönt die über­ra­gen­de Figur der schwert­be­wehr­ten »Mut­ter Hei­mat« (russ. »Rodi­na-Mat’«), die sich mit gut 70 Metern Höhe her­risch auf dem Mama­jew-Hügel in den Him­mel reckt. Sie gemahnt des Opfers und des Sie­ges, des­sen 70. Jah­res­tag Ruß­land im Janu­ar 2013 fei­er­lich beging. Ihr zu Füßen liegt eine Gedenk­stät­te, die in sowje­ti­scher Beton- Monu­men­ta­li­tät an die Kämp­fe der Jah­re 1942/43 erinnert.

Vom Mama­jew-Hügel, der »Höhe 102«, aus genießt der Besu­cher heu­te eine glän­zen­de Aus­sicht über die Kraft­wer­ke, Schlo­te, Brü­cken und Indus­trie­an­la­gen, die das Wol­ga­ufer säu­men. In jener Land­schaft aus Hoch­öfen und Fabri­ken, die nach Wes­ten hin in die baum- und strauch­lo­se Step­pe über­geht, ver­lor sich ab dem Sep­tem­ber 1942 die deut­sche 6. Armee, die mit dem Auf­trag am Don auf­ge­bro­chen war, die Metro­po­le an der Wol­ga »unter die Wir­kung unse­rer schwe­ren Waf­fen« (Wei­sung Nr. 41) zu brin­gen, um sie als Indus­trie­stand­ort und Ver­kehrs­kno­ten aus­zu­schal­ten und damit den Nach­schub über die Wol­ga abzu­schnü­ren. Befoh­len war die Ein­nah­me der Stadt nicht.

Wäh­rend die Wehr­macht im Som­mer 1941 mit drei kampf­kräf­ti­gen Hee­res­grup­pen (Nord, Mit­te und Süd) die Zie­le Lenin­grad, Mos­kau und die Don-Linie angriff, waren die Ver­lus­te des Win­ters 1941/42 der­art gra­vie­rend und uner­setz­lich gewe­sen, daß im Som­mer 1942 nur noch eine angriffs­fä­hi­ge Hee­res­grup­pe ins Feld zog.

Die­se Hee­res­grup­pe Süd unter Gene­ral­feld­mar­schall von Weichs soll­te den Kau­ka­sus errei­chen und die Ölfel­der am Kas­pi­schen Meer neh­men. Allein: Auf­trag und Mit­tel stan­den nicht in Ein­klang, zumal die Her­aus­for­de­run­gen des Rau­mes unzu­tref­fend beur­teilt wor­den waren. Erschwe­rend kam hin­zu, daß die Sowjets die Feh­ler des vor­an­ge­gan­ge­nen Som­mer­feld­zugs ver­mie­den, das heißt, sie ent­zo­gen sich der Umfas­sung in die Tie­fe des Rau­mes, so daß deut­scher­seits weder der rus­si­sche Wider­stand nach­hal­tig gebro­chen noch die vor­ge­ge­ben Zie­le erreicht wer­den konnten.

Wäh­rend ab dem Spät­som­mer 1942 nur ein dün­ner Schlei­er die über­dehn­te lin­ke Flan­ke der Hee­res­grup­pe Süd sicher­te, ver­biß sich die 6. Armee immer stär­ker im Kampf um die Ort­schaft Sta­lin­grad, der zwi­schen Walz­stra­ßen und Hoch­öfen, in den Miets­ka­ser­nen von Stock­werk zu Stock­werk und in der Kana­li­sa­ti­on erbit­tert tobte.

Jedoch war die ursprüng­lich pan­zer­star­ke Armee für die­se Form des Gefechts im bebau­ten Gelän­de weder aus­ge­rüs­tet noch im beson­de­ren Maße aus­ge­bil­det, so daß das Rin­gen um Sta­lin­grad die Kampf­kraft der Armee auf­zehr­te. Schon in den Som­mer­mo­na­ten zeig­te das deut­sche Mate­ri­al, wie wenig es den beson­de­ren Bean­spru­chun­gen des rus­si­schen Kli­mas wider­stand, weni­ger noch im herbst­li­chen Schlamm und im win­ter­li­chen Frost.

Zudem offen­bar­ten sich die Ver­bin­dungs­li­ni­en der 6. Armee als über­dehnt und zu schwach, um die aus­rei­chen­de Ver­sor­gung der Armee zu gewähr­leis­ten. Ent­spre­chend ging kei­ne aus­ge­ruh­te und nach Kriegs­stär­ke­nach­wei­sung umfas­send für die kal­te Jah­res­zeit aus­ge­rüs­te­te und ver­pfleg­te Trup­pe in den win­ter­li­chen Kampf um Sta­lin­grad, son­dern eine stra­pa­zier­te Armee, der es aber nicht an Moral und Kampf­geist mangelte.

Seit Janu­ar 1942 führ­te mit dem Gene­ral der Pan­zer­trup­pen Pau­lus ein Offi­zier den Ober­be­fehl, der sich zwar in Stabs­ver­wen­dun­gen und als Leh­rer an der Kriegs­schu­le bewährt hat­te, bis­her jedoch nicht als Truppenführer.

Wäh­rend Hit­ler (➞ Mün­chen: Feld­herrn­hal­le) schon im August wähn­te, Sta­lin­grad sei »qua­si« genom­men, erwies sich die­se Behaup­tung ange­sichts des hart­nä­cki­gen sowje­ti­schen Wider­stands, als halt­los. Viel­mehr absor­bier­te die Sta­lin­grad-Front zuneh­mend Kräfte.

Die Schlacht um Sta­lin­grad ist immer in den Kon­text der Ope­ra­tio­nen der Hee­res­grup­pe Süd (spä­ter A und B/Kaukasus) ein­ge­bet­tet zu betrach­ten, nur vor die­ser Folie fin­det man zumin­dest eine Ant­wort für den Ver­bleib der Armee im Raum Sta­lin­grad nach Beginn der sowje­ti­schen Offen­si­ve am 19. Novem­ber 1942: näm­lich um geg­ne­ri­sche Kräf­te zu binden.

Mit jener Offen­si­ve ziel­te die Rote Armee auf den unte­ren Don und die Stadt Ros­tow, um die rund 1,2 Mil­lio­nen Mann, die bis zum Kau­ka­sus zer­streut waren, abzu­schnei­den und zu ver­nich­ten. Die Ope­ra­ti­on gegen die 6. Armee ist nur ein Teil­aspekt die­ses gigan­ti­schen Rin­gens. Indem am 23. Novem­ber die Spit­zen der bei­den Stoß­ar­meen bei Kalatsch, etwa 100 Kilo­me­ter west­lich Sta­lin­grads zusam­men­tra­fen, war die 6. Armee eingeschlossen.

Den Antrag von 6. Armee und Hee­res­grup­pe, der ein­ge­kes­sel­ten Armee Hand­lungs­frei­heit zu gewäh­ren, um den Aus­bruch gege­be­nen­falls nach eige­ner Lage­be­ur­tei­lung durch­füh­ren zu kön­nen, beschied Hit­ler abschlä­gig, nach­dem Göring und die Luft­waf­fe beteu­ert hat­ten, daß die Luft­ver­sor­gung (der 6. Armee) mög­lich sei. Jedoch, die Luft­waf­fe ver­moch­te an kei­nem Tag das erfor­der­li­che Mini­mum an Ver­pfle­gung, Pfer­de­fut­ter, Betriebs­stof­fen und Muni­ti­on für die Ver­sor­gung von 250 000 Mann und zig­tau­send Pfer­den einzufliegen.

Wäh­rend nun die zer­nier­ten Trup­pen in den Trüm­mern der Stadt oder in der öden Step­pe um ihr Leben ran­gen, unter­nahm Feld­mar­schall von Man­stein einen Ent­satz­an­griff – Ope­ra­ti­on »Win­ter­ge­wit­ter« der nicht bis zu den Ein­ge­schlos­se­nen durch­drang und am 23. Dezem­ber abge­bro­chen wer­den muß­te. Dies besie­gel­te das Geschick der Trup­pen im Kes­sel. Seit­dem schritt die Aus­zeh­rung der Ein­ge­schlos­se­nen bei strengs­tem Frost und mini­ma­ler Ver­pfle­gung rasant fort. Unge­zähl­te Sol­da­ten erfro­ren oder star­ben an Ent­kräf­tung, Ver­wun­de­te ver­en­de­ten unbe­han­delt, unverpflegt.

Zum Aus­bruch war die Armee man­gels Betriebs­stoffs eben­so unfä­hig wie zum Durch­hal­ten. Dem­ge­mäß lag nach Weih­nach­ten 1942 die Fra­ge der Kapi­tu­la­ti­on auf der Hand, doch hat­te bis­her kein Groß­ver­band der deut­schen Wehr­macht jemals kapi­tu­liert – undenk­bar also.

Das Ende ist bekannt: Nach­dem schließ­lich im Janu­ar die Flug­plät­ze ver­lo­ren waren und kei­ne Ver­sor­gung mehr statt­fand, starb die Armee bis zur Kapi­tu­la­ti­on am 3. Febru­ar dahin. Feld­mar­schall Pau­lus ergab sich bereits per­sön­lich mit sei­nem Stab Tage zuvor am 31. Janu­ar im Kel­ler des Kauf­hau­ses »Uni­ver­mag«, wo heu­te ein Muse­um an das Ereig­nis erin­nert. Jenen, die ent­kräf­tet in die Gefan­gen­schaft mar­schier­ten, war ein här­te­res Los beschie­den als Pau­lus, nur weni­ge überlebten.

Rund 100 000 Namen gefal­le­ner deut­scher Sol­da­ten tra­gen die Stein­qua­der des deut­schen Sol­da­ten­fried­hofs von Rossosch­ka, 40 Kilo­me­ter west­lich Wol­go­grads. In unmit­tel­ba­rer Nähe ruhen die rus­si­schen Gefal­le­nen auf einem der weni­gen rus­si­schen Fried­hö­fe auf dem Ter­ri­to­ri­um der Rus­si­schen Föde­ra­ti­on, ließ doch Sta­lin alle Kriegs­grä­ber ein­ebe­nen, um die unge­heu­ren Ver­lus­te gegen­über der Bevöl­ke­rung zu ver­schlei­ern. Hier stößt der Besu­cher heu­te auf eine der Hin­ter­las­sen­schaf­ten der Schlacht um die Wol­ga­me­tro­po­le, die der 6. Armee zum Grab gewor­den war.

Wie vie­le Tote – Deut­sche und Sowjets – im Boden Sta­lin­grads ihre letz­te Ruhe fan­den, bleibt offen, oder eine Fra­ge der Berech­nung. Nimmt man die in Gefan­gen­schaft ver­stor­be­nen Kämp­fer der 6. Armee hin­zu, so mögen es 250 000 Mann blu­ti­ge Ver­lus­te gewe­sen sein. Eine enor­me Zahl, zumal sich hin­ter jedem Gefal­le­nen ein Schick­sal, Müt­ter, Ange­hö­ri­ge ver­ber­gen, und den­noch nur ein Bruch­teil jener Mil­lio­nen von Toten, die der Zwei­te Welt­krieg hinterließ.

Was macht Sta­lin­grad zu einem so bedeu­tungs­schwe­ren Ort? Gemein­hin gilt die Nie­der­la­ge an der Wol­ga als Wen­de­punkt des Krie­ges – weit gefehlt, denn den Kul­mi­na­ti­ons­punkt des Ost­feld­zugs mar­kiert jener 5. Dezem­ber 1941, als der deut­sche Angriffs­schwung nicht mehr aus­reich­te, um Mos­kau zu neh­men. Von Stund an schlug das Pen­del des Gesche­hens uner­bitt­lich zurück.

Und den­noch ver­folgt uns der mythi­sche Name Sta­lin­grads bis zum heu­ti­gen Tage. Zahl­lo­se Sach­bü­cher, Roma­ne – Hun­de, wollt ihr ewig Leben? (1957) – und Kino­fil­me, wie Vils­mai­ers Sta­lin­grad (1992) behan­deln das Sujet. Sta­lin­grad ist und bleibt damit der Schick­sals­ort der Ostfront.

Wäh­rend die Ver­lus­te des ers­ten Ruß­land­win­ters nur in das Bewußt­sein der ver­ant­wort­li­chen Mili­tärs dran­gen, sti­li­sier­te der NS-Staat den Opfer­tod der 6. Armee mit unend­li­chem Pathos. Erst­mals war nicht mehr von Front­ver­kür­zun­gen oder der­glei­chen die Rede, son­dern vom Unter­gang einer gan­zen Armee, die aller­dings, ihrem Eid getreu, bis zul etzt hel­den­haft gekämpft hatte.

Ähn­lich wie der Name Ver­duns für den Ers­ten Welt­krieg, gewann der Name Sta­lin­grads für den Zwei­ten eine Wir­kungs­macht, die über die tat­säch­li­che Bedeu­tung des mili­tä­ri­schen Gesche­hens weit hin­aus­geht. Sta­lin­grad wur­de in der Memo­ria zum Syn­onym für die deut­sche Nie­der­la­ge im Osten und damit den Wen­de­punkt des Krieges.

Schick­sal aller­dings war die­se Nie­der­la­ge nicht, viel­mehr stellt sie das Ergeb­nis zahl­rei­cher Lage­fehl­be­ur­tei­lun­gen und gra­vie­ren­der Füh­rungs­feh­ler dar.

– – –

Die­ser Bei­trag ist dem Staats­po­li­ti­schen Hand­buch ent­nom­men, und zwar dem Band Deut­sche Ortehier ein­se­hen und erwer­ben.

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Kommentare (30)

RMH

2. Februar 2023 19:52

Trotz der hohen Verluste bei den eigentlichen Kämpfen ging in Stalingrad eine sehr große Zahl an deutschen Soldaten in Gefangenschaft. Wie viele davon sollen wiedergekommen sein? Man sagt, nur etwa 6tsd und auch davon viele erst sehr spät, da man sie oft als sog. "Kriegsverbrecher" behandelte. Man spricht von einer "Verlustquote" von 95% der in Stalingrad gefangenen deutschen Soldaten. An der 6. Armee hat Stalin ein echtes Exempel statuiert.

Mitleser2

2. Februar 2023 19:58

Ein Dokument schlimmer Fehleinschätzungen. Kann man daraus etwas für den Ukraine Krieg lernen? Russland hatte wahrscheinlich (?) am Anfang auch eine überdehnte Front. Scheint aber rechtzeitig etwas daraus gelernt zu haben. Ausgang noch offen. 

Gotlandfahrer

2. Februar 2023 22:16

Der Schmerz angesichts des umfassenden Leidens und der Verluste an Leben, Glück und Zivilisation verbietet es im Grunde, der angemessen nüchternen Rückschau oben irgendetwas hinzuzufügen. Ein hilfloser Versuch, weil man doch nicht einfach nichts sagen kann: Herr, ich will aufrichtig versuchen, Deiner Gnade auch dadurch gerecht zu werden, dass ich weder das Leid der anderen noch das derer, die ich liebe, zu verleugnen. 

Adler und Drache

3. Februar 2023 09:45

@Gotlandfahrer: Amen. 

Majestyk

3. Februar 2023 12:36

Die deutsche Niederlage begann am 1. September 1939, damals wie heute konnte Deutschland vor lauter Hybris kaum laufen. Dünkirchen, die verlorene Luftschlacht um England, das Scheitern am unnötigen Schauplatz Nordafrika und die Kriegserklärung an die USA waren dann weitere Schritte Richtung Untergang. Ab Stalingrad wurde das Reiseziel für jeden halbwegs denkenden Menschen offensichtlich, ein weitsichtiges nicht verblendetes Führungspersonal hätte sich auf diese Art von Abenteuer nie eingelassen. Aber Geostrategie war ja noch nie eine deutsche Kernkompetenz.

Gustav

3. Februar 2023 12:54

@ Gotlandfahrer
Amen!

RMH

3. Februar 2023 16:30

Die Sezession hat mit diesem unprätentiösen, sachlichen Artikel dem Gedenktag unaufgeregt und würdig Rechnung getragen. Wenn ich heute aber bei der jungen Freiheit online nachsehe, dort den Kommentar zur Kranzniederlegung von T. Chrupalla am Mahnmal Seelow und insbesondere die Kommentare darunter lese, dann verstärkt sich bei mir der Eindruck , dass es die AfD bald zerlegen wird. Nach all den Zerreißproben, ist es mehr als Schade, dass ausgerechnet Leute, die sich Patrioten nennen, am Ost-West Gegensatz, an Pro- Russland versus Transatlantiker-Vorwurf scheitern. Und das bei den aktuellen, positiven Umfragewerten.
R.I.P. AfD. Du hattest meine Stimme.

Niekisch

3. Februar 2023 17:39

Verwundete verendeten unbehandelt, unverpflegt.
Da mein Onkel Willi in Stalingrad vermißt ist und vielleicht als Verwundeter verstorben oder wie so viele andere Verwundete durch Soldaten der Roten Armee in einem Keller durch Flammenwerfer verbrannt wurde, verwahre ich mich gegen den Ausdruck "verendeten". 
Und jetzt etwas Positives: Auf einem Flohmarkt fand ich ein Aquarell "Dorf bei Orel", signiert und datiert 1943. Ich machte den Maler ausfindig, ein bekannter Vertreter des "jungen Westen" und schenkte das Bild seiner Tochter, in deren privatem Museum es heute hängt. Der Maler sollte auch nach Stalingrad zum Einsatz, erkrankte auf dem Marsch, kam in ein Lazarett in Orel, wo 1943 die Schlacht um den "Kursker Bogen" stattfand, der er ebenfalls entkam. Er hatte Glück, mein Onkel nicht. 
Wenn es auf "Stalingrad" kommt, dann sehe ich ganz automatisch Bilder vor mir, als wäre ich dabeigewesen.

Waldgaenger aus Schwaben

3. Februar 2023 18:12

Ähnlich wie der Name Verduns für den Ersten Weltkrieg, gewann der Name Stalingrads für den Zweiten eine Wirkungsmacht, die über die tatsächliche Bedeutung des militärischen Geschehens weit hinausgeht.
 
Und so wie der Mythos Verdun die Franzosen im Zweiten Weltkrieg ins Verderben führte (Maginot-Linie), führt jetzt der Mythos Stalingrad die Russen ins Verderben. 
Die Toten ziehen mit ihren Knochenhände die lebenden Soldaten ins Grab.

Le Chasseur

3. Februar 2023 19:50

@Mitleser2
"Kann man daraus etwas für den Ukraine Krieg lernen? Russland hatte wahrscheinlich (?) am Anfang auch eine überdehnte Front. Scheint aber rechtzeitig etwas daraus gelernt zu haben."
Ja. Reize den russischen Bären nicht. Es dauert etwas, bis er ins Rollen kommt, aber dann wird's ziemlich ungemütlich.
"Ausgang noch offen."
Also dass die Ukraine den Krieg verloren hat, steht schon fest. Die einzigen Fragen sind, ob die Ukraine als Staat den Krieg überleben wird und -falls ja- wieviel vom ehemaligen ukrainischen Staatsgebiet dann noch übrig ist.

Volksdeutscher

4. Februar 2023 06:26

1. Es ist deutscherseits noch nicht einmal ein halbwegs wirksames Mittel gefunden worden, das nationale Trauma 2. Weltkrieg zu bewältigen, "Stalingrad" ist dabei nur eines unter anderen, aber bei weitem nicht das heikelste. Quasireligiöse Floskeln, Verdrängung oder der jahrzehntelang praktizierte Weg der masochistischen Selbstkasteiung führten im Zuge der Geschichtsfälschung zur Schwächung, ja zur Auflösung der nationalen Identität: Um nicht ständig unter den Anklagen zu leiden flüchteten breite Massen der Deutschen in den Selbsthaß oder Schuldstolz oder die Anhimmelung alles Fremden. Auf die Auflösung der Identität scheint zwangsläufig die physische Auflösung zu folgen: Lieber nicht sein, als Deutscher zu sein. Ob das von den Siegern von vorneherein so geplant war oder nicht: Im Interesse des Überlebens müssen positive Wege der Bewältigung gefunden werden. 

Volksdeutscher

4. Februar 2023 06:44

2. Sollte man die positive Lösung dafür gefunden haben und in großem Stile in die Geschichtsschreibung und Staatsrhetorik einfließen lassen, wird man damit rechnen müssen, daß das sowohl im Inland als auch im Ausland an vehementen Widerstand stoßen wird. In der Geschichtsschreibung dürfen Lügen jedoch kein Gewohnheitsrecht genießen. Da schon einige Generationen mit der Propaganda der Sieger aufgewachsen sind und die negative Einstellung zum eigenen Land und Volk verinnerlicht haben, ist die Möglichkeit der positiven Revision der Selbstwahrnehmung enorm erschwert. Der beste Weg den Gordius-Knoten zu lösen, ist, indem man ihn mit einem Schlag durchtrennt, ohne Rücksicht darauf, was andere Völker dazu meinen. Rücksicht ist kein Kriterium der Geschichtsschreibung, wohl aber Wahrheit und Redlichkeit. Man schreibe und korrigiere selber seine Geschichte, lasse jedoch nicht zu, daß andere Völker sich das alleinige Recht zu ihrer Erforschung anmaßen, sie verfälschen und ihre Erforschung unter Androhung strafrechtlicher Konsequenzen verbieten, was gegenwärtig der Fall ist. 

dojon86

4. Februar 2023 09:15

@Waldgänger aus Schwaben 03.02.2023 18:12 Der Mythos Verdun bewog die Franzosen dazu, sich 1940 zu weigern den Angelsachsen die Kastanien aus dem Feuer zu holen. Resultat, die Franzosen hatten nur geringe Kriegsverluste, die französischen Städte überlebten mit Ausnahme der Normandie den Krieg fast unzerstört. Man könnte also sagen, sie zogen die richtigen Schlüsse aus Verdun. 
 

Nemo Obligatur

4. Februar 2023 09:17

@ Niekisch
"Wenn es auf "Stalingrad" kommt, dann sehe ich ganz automatisch Bilder vor mir, als wäre ich dabeigewesen."
Nicht so nah dran, aber mit den Familiengeschichten geht es mir ebenso. 
Der Großvater, damals als kleiner Kraftfahrer bei der Luftwaffe, war in Pitomnik stationiert. Irgendwann Anfang November sah ein gnädiger Vorgesetzter im Soldbuch, dass er seit über einem Jahr keinen Heimaturlaub hatte, also überfällig war, und stellte ihm die betreffenden Papiere aus. Mangels Alternativen flog er behelfsmäßig im Frachtraum einer Ju-52 mit. Die Ladung waren Bomben oder Granaten. Auch hatte das Flugzeug ein großes Loch im Boden der Außenhülle, durch das er in die schwindelnde Tiefe sehen konnte. Irgendwie ging alles gut und er kam heim. Kurz danach wurde der Kessel geschlossen. Er wurde dann noch sehr alt. Von dem Flug hat er sein ganzes langes Leben immer wieder mal erzählt. Glück? Verdienst? Schicksal?

Mitleser2

4. Februar 2023 10:19

@RMH: "R.I.P. AfD. Du hattest meine Stimme."
Werden Sie dann zum Nichtwähler? Oder kehren Sie zu Merz zurück? Oder gar zu Meuthens Zentrumspartei?

Noch ein Hesse

4. Februar 2023 10:22

@Majestyk: Nehmen Sie es mir nicht übel, aber dass für das Hosten Ihres Kommentars Energie verbraucht wird, ist wirklich ein Jammer. Diese Mischung aus völliger Ahnungslosigkeit und Selbsthass findet man doch eigentlich eher auf der anderen Seite des politischen Spektrums?

Laurenz

4. Februar 2023 10:46

Natürlich kann man Entscheidungen der Vergangeheit kritisieren, mache ich auch. Aber ich halte nichts von pauschalen Urteilen querbeet, wie zB die von
@Majestyk.
Als ob eine Reichsregierung es im 20. Jahrhundert in der Hand gehabt hätte, über Krieg oder Frieden zu entscheiden. Eine dämlichere Einschätzung hat es nie gegeben. Kriege lassen sich nur vermeiden, wenn man auf sie vorbereitet ist. Das waren Deutschland &/oder Österreich nie im letzten Jahrhundert, erst recht nicht heute.
Bei Debatten sollte man immer ins Detail gehen. Stalingrad ist natürlich ein Thema, aber @Niekisch erwähnte den Kursker Bogen, der militärisch wesentlich entscheidender war, als Stalingrad.
@RMH
Ja, es ist richtig, Herr Chrupalla hätte, gemeinam mit dem Russischen Botschafter, Ehrenmale für Deutsche & Sowjetische Gefallene besuchen müssen. Darauf ließ sich wohl der Russischen Botschafter nicht ein. Herr Chrupalla ist Malermeister & kein Staatsmann. Was man Ihm vorwerfen kann, ist, sehr schlecht beraten zu sein. Aber Ihren totalen Erwartungen, RMH, kann keiner gerecht werden. Jeder Mensch macht Fehler, Chrupalla, Sie & ich auch.

Majestyk

4. Februar 2023 15:24

Das Problem an reflektierten Text über den Krieg ist, daß nur jene diese lesen, die aus der Geschichte etwas gelernt haben und jene die aus der Geschichte eh nichts lernen wollen, nie auf die Idee kommen würden solche Texte zu lesen. Man sät also auf bereits bepflanztem Boden, während der Wind verhindert, daß das Saatgut den brach liegenden Acker erreicht.

eike

4. Februar 2023 17:35

Die Bedeutung von Stalingrad kann man kaum kürzer fassen als einer der bedeutendsten Französischen Schrifsteller:
« ... dans quelques générations, la France sera métissée complètement, et nos mots ne voudront plus rien dire… que ça plaise ou pas, l’homme blanc est mort à Stalingrad. »
- Celine
 

Sandstein

4. Februar 2023 20:41

Hab ja schon an anderer Stelle erwähnt, dass mein Urgroßvater mit der 71. Infanterie Division in Stalingrad in Gefangenschaft ging und überlebt hat. Und ja RMH, die Verluste nach Gefangennahme waren dramatisch. Aber auch die Kämpfe waren schon grausam. Und nicht alle Gefangenen waren so entkräftet, dass die nur knapp 6.000 Rückkehrer damit erklärt werden könnten. Möchte aber auch nicht aus dem hier und jetzt die Russen verurteilen, beide Seiten haben schreckliches erlebt und mein Urgroßvater wurde verhältnismäßig anständig behandelt.
Guter Artikel, völlig nüchtern ist das für mich trotzdem nicht zu betrachten. Stalingrad ist ein Mythos und wird es immer bleiben. Ich bin stolz auf meinen Urgroßvater. 

FraAimerich

5. Februar 2023 11:15

@RMH: "R.I.P. AfD. Du hattest meine Stimme."
Viel wichtiger als für die AfD ist doch, daß Ihre Stimme uns Putin-Trollen hier erhalten bleibt!

Kurativ

5. Februar 2023 12:42

Man kann Stalingrad schon als Symbol sehen. Immerhin haben sich dort sehr viele Menschen auf Ansitiftung und Anweisung ihrer Führungen gegenseitig umgebracht. Solange sich die Völker auf der Eurasischen Großinsel gegenseitig bedrohen und zerstören, haben die USA mit jeden dieser selbstschädigenden Schritte einen Vorteil für die Zukunft. Kein einziger US-Soldat musste in Stalingrad sein Leben opfern. Und die USA haben sich genüsslich Zeit gelassen, um die Russen durch eine weitere Front zu entlasten. In der großen Übersicht scheint auch heute wieder Polen der Schlüssel des GB/US-Systems zu sein. Nachdem die Ukrainer möglicherweise scheitern, kommen die unglaublich hochgerüsteten Polen. Man fragt sich, was die mit den ganzen Waffen machen wollen. Auch Deutschland ist bedroht (.. so wie damals Frankreich durch Deutschland)

anatol broder

5. Februar 2023 13:09

@ rmh 16:30
danke für den hinweis auf den artikel nicht auf augenhöhe. das ist ein ausgezeichnetes beispiel für den hass auf russen. der autor vollradt entblödet sich nicht,
(1) den russischen botschafter netschajew nie beim namen zu nennen; (2) chrupalla anzulasten, was netschajew nicht gemacht hat; (3) chrupalla anzulasten, wie netschajew das treffen hinterher bewertet hat.
so wird kontaktschuld aufgebaut. ich habe die kommentare drunter nicht gelesen.
was bedeutet «du [afd] hattest meine stimme»? zurück zur cdu?

Lumi

6. Februar 2023 12:54

@Volksdeutscher vorgestern um 06:44
"Der beste Weg den Gordius-Knoten zu lösen, ist, indem man ihn mit einem Schlag durchtrennt, ohne Rücksicht darauf, was andere Völker dazu meinen. Rücksicht ist kein Kriterium der Geschichtsschreibung, wohl aber Wahrheit und Redlichkeit."
Ich stimme voll zu und verhalte mich auch selber so. Früher war es schwierig. Ich habe einige Zeit gebraucht, die richtige innere Haltung und Gelassenheit zur Sache zu finden. Am meisten verhetzt in dieser Sache sind natürlich unsere Landsleute und nicht die Ausländer.
Es ist verrückt, wenn man bedenkt, wie einfach sich von der Spitze des Staates und des Propaganda Apparates aus alles revidieren ließe. Schauen wir doch mal, wie es mit Corona funktioniert hat. Mehr oder weniger von heute auf morgen glauben die Leute den größten Blödsinn, der ihrer gesamten Lebenserfahrung radikal widerspricht. Warum sollten sie nicht auch die Wahrheit glauben?
Freilich stellt sich damit auch die Frage, was der Glaube dieser Leute eigentlich wert ist.

RMH

6. Februar 2023 14:42

Da es von einigen angesprochen wurde:
Mein "Du hattest meine Stimme" im obigen Beitrag hatte ich so gemeint, dass ich davon ausgehe, dass es die AfD über das gesamte Ost/ West Thema, Standpunkt zum Krieg in der Ukraine und zu Russland zerlegen wird, sie also untergeht. Das war im ersten Anschwung nach der Kenntnisnahme der harten  Debatte gesxhrieben und evtl. übertrieben. Aber dazu Zeug dazu haben diese Themen recht eindeutig. Aber deswegen werde ich (noch) kein Nichtwähler. Solange die AfD in meinem Bundesland mit einer Programmatik, wie aktuell, antritt, werde ich sie wählen. Sollten aus der AfD diesesmal ernsthaft zwei oder mehr Parteien werden, schaut es anders aus, da muss man dann erst einmal die Situation neu einordnen.

Valjean72

6. Februar 2023 15:48

@eike:
Vielen Dank für das Zitat von Louis-Ferdinand Céline, es war mir nicht bekannt.

Majestyk

6. Februar 2023 18:42

@RMH
Wer ein Zeichen der Versöhnung, welches Gefallenen des einstigen Gegners gilt und nicht einem aktuellen Politiker, als Makel empfindet hat nicht viel aus der Geschichte gelernt.
Würde es die angebliche politische Prominenz des offziellen Deutschlands mit dem "nie wieder Ernst meinen", dann würden wir ganz offiziell mit den Russen gemeinsam gedenken. Stattdessen hält man es aber für richtig wenn deutsche Panzer wieder auf Russen schießen. Und ich muß mich in meinem Umfeld als Nazi beschimpfen lassen und Tino Chrupalla darf von einem transatlantischem Schreiberling öffentlich diskreditiert werden, das in einem Blatt, welches zwar Freiheit im Namen trägt, das aber fast drei Jahre lang bei allem staatlichen Zwang gelangweilt geschwiegen hat. Aber die echten Rechten und die Linken waren sich in einem Punkt ja schon immer einig, der Staat hat stark zu sein und der Bürger schwach. 
Mit freiheitlichem Denken hat das alles nichts zu tun, übrigens auch nicht mit dem Gründungsgedanken der USA.
 

Volksdeutscher

6. Februar 2023 21:44

@Lumi - "Freilich stellt sich damit auch die Frage, was der Glaube dieser Leute eigentlich wert ist."
Ja, diese Frage ist durchaus berechtigt, ich weiß leider keine zufriedenstellende Antwort darauf. Wessen Glaube einfach umzukrempeln ist, der ist vermutlich unzuverlässig und beliebig manipulierbar. Sein neuer Glaube ist womöglich nicht mehr wert, als sein alter, man kann dabei nur hoffen, daß er nicht bei sich stehen bleibt, sondern sich zur Erkenntnis erweitern läßt. Mit Aufklärung, d.h. mit Apellieren an den Verstand anstatt an das Gefühl, kann man Einiges bewirken und erreichen, kostet freilich viel Kraft.

Majestyk

7. Februar 2023 15:47

@ Noch ein Hesse:
Wer also nicht bei allem mitklatscht leidet unter Selbsthaß? Seltsame Sichtweise und es ist erstaunlich zu welchen Ferndiagnosen Sie fähig zu sein scheinen. Aber Sie sind sich schon sicher, daß Sie debattieren und anderen Menschen selbstständiges Denken gestatten wollen? Ich eigne mich nicht zu dogmatischen Sichtweisen. Wenn das ein Fehler ist, dann bin ich schuldig im Sinne der Anklage.

Majestyk

7. Februar 2023 15:58

@Laurenz:
Ich würde mal einen Orthopäden aufsuchen, wenn man sich zu fest selber auf die Schulter klopft, kann das Haltungsschäden verursachen. Wer nicht Täter ist, der ist auch nicht Opfer. Ich würde mal reflektieren, was es bedeutet sich als Opfer hinzustellen und eine Opferrolle anzunehmen. 
Selbst wenn ich Ihren Gedankengang mal aufgreife. Nicht vorbereitet zu sein heißt ja nichts anderes als die eigenen Hausaufgaben nicht gemacht zu haben. Und die Stärke des Gegners kann ich dem ja nicht ankreiden, sondern muß ergründen, warum ich selber schwächer bin.
Wie Sie das handhaben weiß ich nicht, ich versuche beim Denken nicht ein vorgegebenes Ergebnis zu bestätigen, sondern zu neuen Erkenntnissen zu gelangen. 

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