August Winnig – Ein preußischer Sozialist

pdf der Druckfassung aus Sezession Sonderheft Spengler / Mai 2005

von Wiggo Mann

In August Winnigs wechselvoller Biographie (1878 – 1956) spiegeln sich die Widersprüche des 20. Jahrhunderts, das In- und Gegeneinander der Ideen in wohl exemplarischer Weise wider. Die innenpolitische Wende vom Herbst 1918 hatte den sozialdemokratischen Gewerkschaftsfunktionär zum „Generalbevollmächtigten des Reichs für die Baltischen Lande“ erhoben, wo er den Aufbau der Eisernen Division, den „Abwehrkampf gegen Polentum und Bolschewismus“ organisierte und den deutsch-lettischen Siedlungsvertrag aushandelte. Nach dem von der Reichsregierung erzwungenen Rückzug der Freiwilligenverbände wurde er 1919 Reichskommissar für Ost- und Westpreußen und sollte er, der Blankenburger Maurer, jenem „Oststaat“ vorstehen, der den Kampf gegen die Westmächte und den Versailler Frieden militärisch fortzuführen bestimmt war. Politische Rückendeckung erhielt er von dem preußischen Innenminister Wolfgang Heine, der ihn, nach dem endgültigen Scheitern der Oststaatspläne, im Januar 1920 zum Oberpräsidenten von Ostpreußen ernannte und dem er in seinen Erinnerungsbüchern Der weite Weg (1932) und Heimkehr (1935) ein ehrendes Andenken bewahrte.

Wolf­gang Hei­ne (1861 – 1944) hat­te sich als jun­ger Jurist, „gera­de durch Lass­alle, sei­nen Idea­lis­mus, sei­ne natio­na­le Gesin­nung ange­zo­gen“, der Sozi­al­de­mo­kra­tie ange­schlos­sen, der er, „im Gegen­satz zu den müden und lah­men Gesin­nun­gen im Bür­ger­tum, und nament­lich auch der Intel­li­genz“, die Potenz einer kraft­vol­len vater­län­di­schen Bewe­gung zuer­kann­te. Das „revi­sio­nis­ti­sche“ Expe­ri­ment einer Ver­söh­nung des natio­na­len und des sozia­len Gedan­kens, „eine natio­na­le Sozi­al-Demo­kra­tie“, war mit der poli­ti­schen Radi­ka­li­sie­rung in Fol­ge des Kapp-Lütt­witz-Put­sches, wie Hei­ne resi­gnie­rend an Win­nig schrieb, aber end­gül­tig geschei­tert und muß­te den alten Nega­ti­ons­stra­te­gien wei­chen: „Sie und ich haben uns nach bes­ten Kräf­ten jeder auf sei­nem Gebie­te bemüht, eine posi­ti­ve natio­na­le Poli­tik zu trei­ben. Wir sind bei den Par­tei­ge­nos­sen auf Unver­ständ­nis und Wider­stand gesto­ßen“, und so stel­le sich unwei­ger­lich die Fra­ge, „ob das, was wir uns vor­ge­nom­men hat­ten, nicht doch eine wohl­ge­mein­te Uto­pie“ gewe­sen sei. Im März 1920 nah­men Win­nig und Hei­ne, eben­so wie der preu­ßi­sche Finanz­mi­nis­ter Süde­kum und der Reichs­wehr­mi­nis­ter Noske, ihre Ent­las­sun­gen ent­ge­gen, und die Kor­re­spon­denz der bei­den Poli­ti­ker, die sich im Nach­laß Hei­nes fin­det, ist ein Zeug­nis des inne­ren Kamp­fes und der zuneh­men­den Ent­frem­dung Win­nigs nicht nur von der Sozi­al­de­mo­kra­tie und sei­nen poli­ti­schen Freun­den, son­dern von der bür­ger­li­chen Poli­tik über­haupt, wobei Oswald Speng­ler als heim­li­cher Ideen­ge­ber die­sem Pro­zeß die Rich­tung gibt.
Früh schon hat­te Win­nig „die Leh­re des wis­sen­schaft­li­chen Sozia­lis­mus als dem Arbei­ter­we­sen fremd emp­fun­den“: „Ich muß­te mir Gewalt antun, um die­sen Erklä­run­gen fol­gen zu kön­nen.“ Aber erst nach sei­ner Tren­nung von der Sozi­al­de­mo­kra­ti­schen Par­tei stell­te sich ihm die Fra­ge nach einem meta­phy­si­schen Ersatz. Bereits in Riga hat­te er Speng­lers Unter­gang des Abend­lan­des gele­sen, und erklär­te, er „wüß­te wohl kein Buch zu nen­nen, das mich in mei­nen rei­fe­ren Jah­ren mehr beschäf­tigt und stär­ker beein­flußt hat als Oswald Speng­lers Haupt­werk … Von die­ser Zeit an fühl­te ich mich Oswald Speng­ler ver­pflich­tet und ver­bun­den.“ Im Herbst 1920 stell­te sich durch Paul Lensch – einen Sozi­al­de­mo­kra­ten, der eine ähn­li­che welt­an­schau­li­che Ent­wick­lung wie Win­nig genom­men hat­te – der per­sön­li­che Kon­takt zu Speng­ler her, des­sen phi­lo­so­phi­sche Grund­po­si­tio­nen, so schrieb er ihm am 27. August, er „so zu beherr­schen“ streb­te, daß er sie „zu einem lücken­lo­sen poli­ti­schen Sys­tem aus­bau­en könn­te. Zunächst habe ich den Wil­len dazu.“ Win­nigs Buch Früh­rot (1924) war dem „gro­ßen Hei­mat­ge­nos­sen“ (auch Speng­ler stamm­te aus Blan­ken­burg) gewid­met, und in sei­ner Schrift Der Glau­be an das Pro­le­ta­ri­at (1926) preist er ihn als den Über­win­der des Materialismus.

Wolf­gang Hei­ne, den Win­nig ver­ehr­te und von dem er sich ver­stan­den wis­sen woll­te, ver­folg­te die­se Ent­wick­lung mit wach­sen­dem Befrem­den, und in einem Brief an Julie Braun-Vogel­stein vom 18. Okto­ber 1927 brach­te er Win­nigs „Sys­tem“ auf fol­gen­den Nen­ner: „August Win­nig ist von Haus aus Arbei­ter und ein höchst begab­ter Mensch, der stär­ker als manch ande­re die Not­wen­dig­keit ein­ge­se­hen hat, daß der deut­sche Arbei­ter sich als Trä­ger des deut­schen Volks­tums und der deut­schen Repu­blik zu füh­len habe. Sei­ne Kri­tik an dem Ver­hal­ten der Sozi­al­de­mo­kra­tie seit dem Zusam­men­bruch ist nicht durch­weg unbe­grün­det, wenn auch sehr ein­sei­tig. Aber merk­wür­dig ist die Theo­rie, die er sich zurecht gemacht hat: der deut­sche Arbei­ter ist nach ihm von Natur ‚natio­nal‘ gesinnt. Nur die Aka­de­mi­ker haben ihn durch Ein­flö­ßung west­län­di­scher Ideen ver­dor­ben. Daß die­se Behaup­tung falsch ist, dar­über braucht man nicht viel zu sagen … Das Komi­sche ist nun, daß auch Win­nig die­se Erkennt­nis von dem schäd­li­chen Ein­fluß der Aka­de­mi­ker nicht als Arbei­ter gefun­den hat, son­dern auch eben erst, als er selbst Aka­de­mi­ker wur­de und zwar unter dem Ein­fluß von Spengler.“
Von 1922 bis 1924 hat­te Win­nig, der Auto­di­dakt, in Ber­lin Geschich­te, Volks­wirt­schaft und öffent­li­ches Recht stu­diert und dabei nach eige­nem Bekun­den „Gesichts­punk­te auf­ge­nom­men und durch­ge­ar­bei­tet, die mir bis dahin fremd waren und die auch inner­halb der sozia­lis­ti­schen Lite­ra­tur unbe­kannt sind. Ich muß geste­hen, daß ich hier­durch zu einer Auf­fas­sung gekom­men bin, in wel­cher der Sozia­lis­mus (in sei­ner heu­ti­gen Form) eine ganz ande­re Bedeu­tung hat, als ich ihm bis dahin bei­maß“. In die­sen Jah­ren wid­me­te er sich der mühe­vol­len Lek­tü­re der Speng­ler­schen Schrif­ten, die er, der „Geschich­te nur vom Stand­punk­te des Arbei­ters den­ken“ konn­te, mit sei­ner pro­le­ta­ri­schen Iden­ti­tät in Ein­klang zu brin­gen such­te. Im Juli 1924 sand­te er Hei­ne Speng­lers Neu­bau des deut­schen Rei­ches zu, wovon sich die­ser jedoch „auf das tiefs­te ent­täuscht“ zeig­te: „Die rich­ti­gen und guten Gedan­ken, an denen es dar­in nicht fehlt, sind nicht von Speng­ler, son­dern sind gera­de von denen aus­ge­spro­chen wor­den, die er am hef­tigs­ten bekämpft. Sei­ne Kri­tik an gewis­sen Sei­ten des Kapi­ta­lis­mus steht eben­so bei Marx, sei­ne Aus­füh­run­gen über die Not­wen­dig­keit, Füh­rer aus­zu­bil­den, bei Walt[h]er Rathen­au, über die Vor­zü­ge und Schwä­chen der alten Büro­kra­tie habe ich mich schon lan­ge vor dem Krie­ge, es kann 1910 gewe­sen sein, fast wört­lich eben­so im ‚März‘ aus­ge­spro­chen. Was er über die Schul­re­form sagt, haben libe­ra­le und sozia­lis­ti­sche Schul­re­for­mer schon seit 30 Jah­ren gesagt und teil­wei­se zum Bei­spiel in den frei­en Schul­ge­mein­den durch­ge­führt. Ich sage das nicht aus Prio­ri­täts­schmerz, denn es han­delt sich um all­ge­mei­ne Wahr­hei­ten der Zeit, die jeder zu fin­den das Recht hat, aber wider­wär­tig ist es, wenn einer Strö­me des gif­tigs­ten Has­ses und der Ver­leum­dung auf die aus­gießt, die in der Sache das gesagt haben, wes­we­gen er sich als Füh­rer der Zeit rüh­men läßt. Daß ein gebil­de­ter Mann den Haken­kreuz­rum­mel und die Ras­sen­über­trei­bung ablehnt, ist schließ­lich kein sol­cher Ver­dienst, daß man ihn des­we­gen fei­ern müß­te, wie es vor­schnell ein Teil der libe­ra­len Pres­se bereits tut. Nament­lich ist es kein Ver­dienst, wenn der­sel­be Mann, den sei­ne Bil­dung davor schüt­zen soll­te, sol­chen Wahn­sinn dru­cken läßt, wie die Behaup­tung, sozi­al­de­mo­kra­ti­sche Minis­ter hät­ten aus Freu­de über die Ernied­ri­gung Deutsch­lands ein Fest mit Nackt­tän­ze­rin­nen gefei­ert, oder, sie wären fähig, für eini­ge Mil­lio­nen Pfund heim­lich Deutsch­land an Eng­land zu ver­kau­fen, usw. Män­nern wie mir macht er zum Vor­wurf, daß wir nach dem Aus­tritt aus dem Minis­te­ri­um unse­ren bür­ger­li­chen Beruf wie­der ergrif­fen hät­ten, was ihn aber nicht hin­dert, über die turm­ho­hen Minis­ter­pen­sio­nen zu zetern, die in Wahr­heit gar nicht exis­tie­ren, wes­halb man eben gezwun­gen ist, sich bür­ger­li­chem Erwerb zuzu­wen­den. Vie­les ist tat­säch­lich ein­fach falsch, Speng­ler hät­te nur den Geschichts­ka­len­der auf­zu­schla­gen brau­chen, um das zu sehen. Die Aus­füh­run­gen über das römi­sche Recht sind bis zur Kind­lich­keit dilet­tan­tisch. Das schlim­me ist, daß die­ser Mann, der so gewis­sen­los mit der Wahr­heit umgeht, der geis­ti­ge Füh­rer gera­de des bes­ten Teils der her­an­wach­sen­den Jugend gewor­den ist. Böse Aus­sich­ten für die Zukunft Deutschlands!“

Wolf­gang Hei­ne, der aus der Par­tei­ge­schich­te die läh­men­de Wir­kung einer rein ideo­lo­gisch fixier­ten Poli­tik­auf­fas­sung, den „unheil­vol­len Ein­fluß ganz- oder halb­stu­dier­ter Dem­ago­gen und unaus­ge­go­re­ner Theo­rien“ kann­te, der sich als Prag­ma­ti­ker und Patri­ot ver­stand, konn­te in Speng­lers Kon­zep­ten nur einen gefähr­li­chen Roman­ti­zis­mus erbli­cken, und in sei­nen Brie­fen an Win­nig warn­te er die­sen unauf­hör­lich vor den Ein­flüs­te­run­gen der „Pro­fes­so­ren“. Speng­lers Preu­ßen­tum und Sozia­lis­mus fand er sogar „noch wesent­lich wert­lo­ser als die Auf­bau­bro­schü­re“, und er ver­tei­dig­te Karl Marx gegen den Vor­wurf eines undif­fe­ren­zier­ten Revo­lu­ti­ons­be­griffs: „Wie kann man Marx ledig­lich nach dem Kom­mu­nis­ti­schen Mani­fest beur­tei­len! Speng­ler kennt von Marx anschei­nend wei­ter nichts. Die Ein­sei­tig­kei­ten des Mar­xis­mus, das kon­stru­ier­te und abs­trak­te in sei­nem Begriff der Klas­se, des Vol­kes und der Abhän­gig­keit des Geis­ti­gen vom Öko­no­mi­schen sind mir sehr klar, und ich habe mich schon vor 25 Jah­ren dar­über aus­ge­spro­chen, aber es sind in Marx Wahr­hei­ten oder Anläu­fe zu Wahr­hei­ten, die nicht ein­fach weg­ge­schüt­tet wer­den dür­fen, weil kurz­sich­ti­ge Pro­fes­so­ren die­se Juwe­len nicht erken­nen.“ Dage­gen sah Win­nig wie Speng­ler in Marx das Ver­häng­nis des Sozia­lis­mus: Als bür­ger­li­cher Außen­sei­ter hät­te er die Arbei­ter­be­we­gung unter die Herr­schaft bür­ger­li­cher Mus­ter gezwun­gen und „von ihrer eige­nen Lebens­li­nie abge­drängt“: „Es voll­zog sich hier, was die Natur­wis­sen­schaft eine Pseu­do­mor­pho­se nennt: ein neu­es Leben muß­te sich im Wach­sen einer alten Hül­le anpas­sen.“ Aus dem Mate­ria­lis­mus sei der Klas­sen­kampf, aus dem Ratio­na­lis­mus die Gott­lo­sig­keit und aus dem Welt­bür­ger­tum eine vater­lands­lo­se Inter­na­tio­na­li­tät gebo­ren; und so gehe Speng­ler in sei­ner Kapi­ta­lis­mus­kri­tik doch weit über Marx hin­aus, indem er das Ende des bür­ger­li­chen Zeit­al­ters pro­phe­zeie und dem Arbei­ter sei­ne geschicht­li­che Mis­si­on zuweise.
Wie „der Adel sei­ne gro­ße Auf­ga­be in der Orga­ni­sa­ti­on des Volks zur geschicht­lich han­deln­den Nati­on“, wie „das Bür­ger­tum sei­ne gro­ße Auf­ga­be in der Schaf­fung der gro­ßen Wirt­schaft“ wahr­ge­nom­men hät­ten, so sei auch das „Arbei­ter­tum“ beru­fen, „das natio­na­le Leben durch ein gro­ßes Werk zu erhö­hen. Wäre es nicht beru­fen, so wäre sei­ne gan­ze Bewe­gung eine sub­ver­si­ve Emeu­te, so wäre sie ohne geschicht­li­ches Recht. Dann wäre es ein Fluch, Arbei­ter zu sein. Ich müß­te auf­hö­ren, poli­tisch zu den­ken, zu stre­ben, wenn ich nicht die Gewiß­heit die­ses gro­ßen Beru­fen­seins der Arbei­ter hät­te.“ Die­se his­to­ri­sche Mis­si­on lei­te­te Win­nig von Speng­ler her, des­sen Geschichts­mo­dell er sich mitt­ler­wei­le umfas­send „zu eigen gemacht“ hat­te, und für die er die Arbei­ter, „Gefäß eines neu­en geschicht­li­chen Form­wil­lens, eines noch jun­gen und unver­brauch­ten Blu­tes“, zu rüs­ten streb­te. So also leb­te er „in dem Gedan­ken an die Arbei­ter­be­we­gung der Zukunft. Dabei habe ich die Hoff­nung auf­ge­ge­ben, daß die­se Bewe­gung aus der Sozi­al­de­mo­kra­tie her­vor­ge­hen könn­te. Auf die­sem Boden kann nichts mehr gedei­hen.… Ich den­ke mir eine Arbei­ter­be­we­gung, deren Losung nicht Frie­de, Frei­heit, Brot!, son­dern Kampf, Gehor­sam, Ent­beh­rung! lau­tet. Eine Arbei­ter­be­we­gung also, die nicht ihr Recht zur Füh­rung for­dert, son­dern die sich dies Recht nimmt, indem sie es sich ver­dient. Wäre eine sol­che Bewe­gung vor­han­den und wäre ich ihr Füh­rer, so wür­de ich in ihrem Namen die Arbeits­zeit der Vor­kriegs­jah­re dekre­tie­ren. Ich wür­de das Par­la­ment zwin­gen, durch Gesetz ein Arbeits­pflicht­jahr ein­zu­füh­ren. Ich wür­de die­se Bewe­gung sieg­reich machen durch die mora­li­schen Erobe­run­gen, durch das Vor­bild, das sie der Nati­on durch ihren Gehor­sam, durch Pflicht­geist und Hin­ga­be an das Gan­ze gibt. Eine sol­che Bewe­gung brauch­te nicht mehr um die Füh­rung zu kämp­fen, sie hät­te sie kraft ihres Geis­tes und ihrer Taten.“

Win­nigs poli­ti­sches Pro­gramm, so schrieb er 1937, war „speng­le­risch“; und im Früh­jahr 1926 erschie­nen in rascher Fol­ge sei­ne zwei pro­gram­ma­ti­schen Schrif­ten Befrei­ung und Der Glau­be an das Pro­le­ta­ri­at, die er als „das Ergeb­nis einer lan­gen Aus­ein­an­der­set­zung mit Speng­lers Gedan­ken“ bezeich­ne­te und in denen er die natio­na­le Erhe­bung gegen Repu­blik und Kapi­tal, den mili­tä­ri­schen Kampf gegen die Ver­sailler Frie­dens­mäch­te pro­kla­mier­te. Die deut­sche Arbei­ter­be­we­gung müs­se sich der „geis­ti­gen Füh­rung bür­ger­li­chen Über­läu­fer­tums“ end­lich ent­win­den und die „Füh­rung der Volk­heit“ im natio­na­len Befrei­ungs­kampf über­neh­men. Sol­chen Hara­ki­ri­kurs woll­te Hei­ne nicht mit­tra­gen, und der „Ver­eh­rung einer Gewalt, die wir dem Aus­lan­de gegen­über nicht haben und die im Inlan­de nur Unheil stif­ten wür­de“, hielt er den ein­zig gang­ba­ren Weg einer ziel­kla­ren Revi­si­ons- und Erfül­lungs­po­li­tik ent­ge­gen. Mit „Gefüh­len und Wor­ten“ sei die deut­sche Knecht­schaft nicht abzu­tun, und so sei Win­nig, „mein lie­ber Freund und eins­ti­ger Kampf­ge­nos­se“, auch nur ein „Opfer ‚bür­ger­li­cher‘ Theo­rien und Schlag­wor­te, näm­lich derer von heut, die, aus den Wirr­nis­sen von Krieg und Nie­der­la­ge gebo­ren“, vor allem in Speng­ler ihren Pro­phe­ten und in dem „Arbei­ter“ ihr Werk­zeug sähen: „Der deut­sche Arbei­ter aber, von dem Sie die Befrei­ung und natio­na­le Erneue­rung Deutsch­lands erwar­ten, besteht bis­her nur in Ihrer Kon­struk­ti­on und Phan­ta­sie. … Ich habe nicht das gerings­te dage­gen, daß Sie ein sol­ches Ide­al­bild des Arbei­ters, wie er sein soll­te, für die Zukunft auf­stel­len und will gern zuge­ben, daß sol­che Phan­ta­sien sitt­li­chen Wert haben kön­nen. Nur habe ich noch nie gefun­den, daß im prak­ti­schen Leben Täu­schung über das, was ist, för­der­lich gewe­sen wäre.“
Der Weg August Win­nigs vom Sozi­al­de­mo­kra­ten zum jung­kon­ser­va­ti­ven Publi­zis­ten und Pro­gram­ma­ti­ker, der ohne Speng­ler nicht zu ver­ste­hen wäre, hat­te sich damit erfüllt. Der „natio­na­le Sozia­lis­mus“ war von einem Pro­jekt der Lin­ken zu einem Pro­jekt der Rech­ten gewor­den, und wäh­rend Hei­ne, Süde­kum und Noske auf das Schei­tern des „revi­sio­nis­ti­schen“ Expe­ri­ments mit Ver­bit­te­rung und par­tei­po­li­ti­schem Ver­zicht reagier­ten, such­ten jün­ge­re Sozi­al­de­mo­kra­ten mit ande­ren Kräf­ten das gro­ße Pro­jekt doch noch zu ver­wirk­li­chen. Im Som­mer 1927 wur­de August Win­nig durch Ernst Nie­kisch, auch er ein sozia­lis­ti­scher Rene­gat, für die Alt­so­zia­lis­ti­sche Par­tei (ASP) gewon­nen, eine Rechts­ab­spal­tung der säch­si­schen Sozi­al­de­mo­kra­tie, deren natio­nal­re­pu­bli­ka­ni­sches Pro­gramm auch Wolf­gang Hei­ne begrüß­te. Anders als Nie­kisch bemüh­te sich Win­nig aber um die Anbin­dung der ASP an die natio­na­len Kampf­bün­de, an Jung­deut­schen Orden und „Stahl­helm“. Damit war ein Weg beschrit­ten, der Win­nig – nach dem spä­te­ren Bruch mit Nie­kisch – sehr weit führ­te: über die Volks­kon­ser­va­ti­ven zu den Natio­nal­so­zia­lis­ten zurück in den Schoß des evan­ge­li­schen Chris­ten­tums und auf die Sei­te des kon­ser­va­ti­ven Wider­stands. Immer fühl­te er sich dabei Oswald Speng­ler, dem „gro­ßen Ver­füh­rer und See­len­fän­ger“ (Ernst Nie­kisch), ver­pflich­tet. Für die deut­sche Lin­ke war Win­nig ver­lo­ren, aber, so schrieb Hei­ne an einen Freund: „es ist scha­de um Winnig“.

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