Wohlstand und Endverbrauch

Im späten Jahr 1989 betrat ich in einer Gruppe so euphorisierter wie irritierter DDR-Landsleute einen West-Discounter, mit hundert D-Mark ausgestattet.

Heino Bosselmann

Heino Bosselmann studierte in Leipzig Deutsch, Geschichte und Philosophie für das Lehramt an Gymnasien.

Unmit­tel­bar erschloß sich mir, was das bedeu­te­te – „Super-Markt“: Prä­senz einer Über­fül­le an Waren, von Back­werk, Fleisch- und Wurst­ber­gen über alle Früch­te der Welt bis zu High­tech-Arti­keln, für uns unüber­schau­bar, aber offen­bar hier dau­er­ver­füg­bar vor­han­den, die Rega­le mor­gens so über­bor­dend gefüllt wie abends und wie jeden Tag in jedem Jahr, per­ma­nen­te preis­re­gu­lier­te All­ge­gen­wart von allem.

Dio­ge­nes: „Wie vie­le Din­ge gibt es doch, die ich nicht brau­che!“ Aber irgend­wer, vie­le, vie­le bedür­fen ihrer wohl und mei­nen das Zeug nötig zu haben.

Mag sein, daß der Mensch – der „Bun­des­bür­ger“ – sich das nur so wün­schen konn­te und daß wir Ost­ler es uns nun eben­so wün­schen woll­ten – als Höhe­punkt der Mensch­heits­ent­wick­lung vom dar­ben­den Jäger und Samm­ler über den um sein Brot rin­gen­den Bau­ern und durch die Jahr­zehn­te der pau­pe­ri­sier­ten Pro­le­ta­ri­er genau hier­her in die­ses grell aus­ge­leuch­te­te Schla­raf­fen­land mit sei­nen vaku­um­ver­schweiß­ten Schin­ken und all den ste­ri­li­sier­ten Joghurts und Pud­dings, noch dazu in unüber­schau­ba­rer Viel­falt der Sor­ten und Marken.

Und tat­säch­lich: Bei aller Reiz­über­flu­tung fühl­ten sich mei­ne DDR-Land­leu­te wie gesegnet.

Hat­te Niklas Luh­mann nicht so treff­lich den Sozia­lis­mus vom Kapi­ta­lis­mus unter­schie­den, indem er mein­te, hier stün­den Waren nach den Men­schen, dort aber die Men­schen nach den Waren an? Die Bun­des­re­pu­blik – ein West­pa­ket, das wir auf­rei­ßen konn­ten, wenn wir erst das Geld dazu hat­ten. Für vie­le ein irres Erlebnis.

Ja, wir kann­ten das aus der Wer­bung, und wir wuß­ten, daß die adi­pö­sen Ame­ri­ka­ner noch viel grö­ße­re Ein­kaufs­wa­gen ihre stra­ßen­lan­gen Super­markt-Rega­le ent­lang­scho­ben, um dort zent­ner­schwer aller Welt Waren zu laden, aber nun, als wir, hun­dert West­mark wohl­ver­wahrt in der Tasche, damit direkt kon­fron­tiert waren, erleb­ten wir nicht nur einen Kul­tur­schock, wie es so banal hieß, wir erkann­ten, ohne es zunächst auf den Begriff brin­gen zu kön­nen, sofort, was die­ses West­land zusam­men­hielt – mehr als Frei­heit, Demo­kra­tie und Men­schen­rech­te näm­lich der Kon­sum im Kingsize-Format.

Und sicher­lich war ich nicht der ein­zi­ge, der empfand:

Wenn das so läuft, wenn der Welt bzw. der Natur über einen sol­chen Ton­na­gen-Stoff­wech­sel die Res­sour­cen per­ma­nent abge­zapft und weg­ver­daut wer­den – Mal abge­se­hen vom dazu erfor­der­li­chen Welt­ver­kehr! – und wenn das nicht nur akzep­tiert, son­dern als selbst­ver­ständ­lich, ja als Glück, Heil und Segen emp­fun­den wird, dann kann das nicht gut­ge­hen, und zwar für den Men­schen nicht, der auf sei­ne Eigen­schaft als End­ver­brau­cher geschrumpft wird, erst recht aber nicht für die Boden­schät­ze, die Bio­sphä­re und die Mitgeschöpfe.

Vor einer sol­chen Lebens­art des Tur­bo-Ver­brau­chens warn­ten nicht nur die alten Reli­gio­nen, Mythen und Mär­chen und ein wesent­li­cher Teil der Phi­lo­so­phie, son­dern gleich­falls die ele­men­ta­re Erzie­hung der ein­fa­chen Leu­te kraft gesun­den Men­schen­ver­stan­des. Hier aber im Wes­ten schien das nor­mal: Pack den Wagen so voll wie nur mög­lich, nimm, was du kau­fen kannst. Im Osten galt man als unver­schämt gie­rig, wenn man an der Fleisch­the­ke mehr als drei, vier Kote­letts ver­lang­te; hier war man Traum­kun­de, wenn man gleich zwan­zig forderte.

Sicht­lich hin­gen in die­sem per­fek­tio­nier­ten Prin­zip West alle mit drin, die feis­ten Bür­ger eben­so wie ihre sich alter­na­tiv und öko­lo­gisch geben­de Nach­kom­men­schaft. Ultra­grü­ne sind heut eben nicht mit dem SUV, son­dern mit Las­ten­rä­dern unter­wegs, ihrem bevor­zug­ten Vehi­kel für Shop­ping-Tou­ren. Das hier war der Tem­pel, dem sie alle dien­ten und der sie sei­ner­seits zum Dienst zwang, der SUPER-MARKT. Welch tref­fen­der Begriff.

Zu dem, was in Rega­len zu sehen war und bil­lig-nut­tig um Auf­merk­sam­keit buhl­te, kam all das ande­re, das Jet­ten durch die Welt, die Pau­schal­rei­sen mit ihren All-inclu­si­ve-Freß­buf­fets in der Hotel­le­rie des Südens, üppig dank nied­ri­ger Per­so­nal­kos­ten, das Dik­tat des Auto­mo­bils als angeb­lich stärks­tes Sym­bol von Frei­heit und Sta­tus und nicht zuletzt die selbst im edlen Gewand prä­sen­te Dege­ne­riert­heit vie­ler Men­schen, die bei ober­fläch­li­chem Chic selbst aus­sa­hen wie straff in Kunst­darm gepreß­tes mür­bes Mortadella-Fleisch.

Die Demo­kra­tie und die Sozi­al- und Rechts­staat­lich­keit des Dis­coun­ter-Staa­tes wur­den als exzel­len­tes Ergeb­nis der Geschich­te betont. Man hört das über­sat­te Auf­sto­ßen dabei mit: Wohl­stand statt Sozia­lis­mus! Dar­in soll­te der immense Gewinn für uns, die all­zu schlan­ken Kin­der des Man­gels, lie­gen, genau danach soll­ten wir Ent­rech­te­ten und Bevor­mun­de­ten im Osten so wacker ver­langt haben.

Wir begrif­fen, daß Frei­heit, Recht und Demo­kra­tie, die als ethi­sche Voll­endung der Geschich­te geprie­sen wur­den, zual­ler­erst die poli­ti­schen Mecha­nis­men waren, die den XXL-Ver­brauch uti­li­ta­ris­tisch-öko­no­misch regel­ten. Demo­kra­tie also als „Herr­schaft der blo­ßen Zahl“, als „abs­trak­te Ega­li­tät“, als „Nivel­le­ment“, wie sie von Ernst Troeltsch auf­ge­faßt wurde.

Wür­de, Men­schen- und Frei­heits­rech­te waren die Eti­ket­ten, die von der Poli­tik auf den Wanst die­ser Ver­brauchs­ge­sell­schaft gepflas­tert wur­den, die sich im Kon­su­mie­ren selbst verbrauchte.

Daß sie dabei selbst­ge­recht und selbst­ge­fäl­lig war, hat­ten wir vor der soge­nann­ten Wen­de gewußt, inso­fern zu erle­ben war, wie der Wes­ten über den Osten sprach – nicht nur wegen der poli­ti­schen Dif­fe­renz der Sys­te­me, in der wir in den Augen der angeb­lich frei­en Welt eine poli­ti­sche unter­ent­wi­ckel­te Art von Nicht­de­mo­kra­ten dar­stell­ten, son­dern in Abschät­zig­keit auch gegen­über unse­rem ver­meint­lich mate­ri­ell so arm­se­li­gen Dasein als Kleinstverbraucher.

Wir waren ab 1990 Bei­tritts­ge­biet. Wir kamen als deut­sche Wirt­schafts­mi­gran­ten. Im Som­mer waren die West­bot­schaf­ten in Prag und War­schau unser Lam­pe­du­sa und Les­bos gewe­sen. Zum einen waren wir, zur Dank­bar­keit ver­pflich­tet, dem wirt­schaft­lich viel stär­ke­ren Teil des eins­ti­gen Vater­lan­des kraft Abstim­me­rei bei­getre­ten, zum ande­ren aber über­haupt erst­mals direkt in den Welt­markt mit ein­be­zo­gen. Mit allen Chan­cen und Risiken.

Und um den Preis, daß unser klei­ne­res, viel schwä­che­res Land mit dem, was es gera­de so noch zu bie­ten hat­te und was als ver­dammt wenig galt, unter den Ham­mer kam. Treu­hän­de­risch, wie es hieß. Wir hat­ten ein­zu­se­hen: Das war zwin­gend so und nur so nötig, wenn wir als Deut­sche jetzt nach west­deut­schem Wohl­stands­prin­zip mit­ma­chen wollten.

Und das woll­ten wir ja wohl. Anders: Der geschicht­li­che Ver­lie­rer hat sich nun mal aus­zu­lie­fern und vor allem nicht so zim­per­lich anzu­stel­len. Wir hat­ten ja erlebt: Was in der DDR und im Ost­block – aus wel­chen his­to­ri­schen Ursa­chen her­aus auch immer – so ver­sucht wor­den war, das lief nun mal nicht, das war viel­mehr mit Unrecht, Sta­si, Mau­er und Sta­chel­draht und Hun­dert­tau­sen­den Rus­sen im Land ver­bun­den; aber hier im Wes­ten lief es beein­dru­ckend, und der Erfolg gab dem Prin­zip doch augen­fäl­lig recht. Und statt trau­ri­ger Rus­sen gab’s ver­dammt coo­le Ame­ri­ka­ner, Bri­ten, Fran­zo­sen und Kana­di­er im Land.

Wir wur­den über­nom­men, unse­re zer­fal­len­den Innen­städ­te ret­te­te das Kapi­tal der Immo­bi­li­en­wirt­schaft, der Lebens­stan­dard glich sich an, der Hori­zont wur­de glo­bal gewei­tet. Fast gleich­zei­tig began­nen der mas­sen­haf­te Ein­satz der Per­so­nal­com­pu­ter und dann deren Ver­net­zung, die schließ­lich die gan­ze Welt ein­fing. Ist schon ein Sozia­lis­mus mit Inter­net kaum vor­stell­bar, so erst recht kei­ner mit Ama­zon und Zalando.

Kol­la­te­ral­schä­den:

Die Gebur­ten­ra­te in Ost­deutsch­land brach sofort ein, das Leben in unse­ren irgend­wie kib­buz-ähn­li­chen LPG-Dör­fern erstarb in weni­gen Jah­ren, es ent­völ­ker­ten sich gan­ze Land­stri­che, und vor allem brach die für die Frei­heit not­wen­di­ge Indi­vi­dua­li­sie­rung einst bewähr­te Bin­dun­gen auf, so daß wir in zehn Jah­ren nahe­zu voll­stän­dig ver­ein­zelt und ent­so­li­da­ri­siert leb­ten, uns aber um so mehr auf die Ver­sach­li­chun­gen und Ver­recht­li­chun­gen im „stäh­ler­nen Gehäu­se“ (Max Weber) des Ratio­na­len ver­las­sen mußten.

Die Plat­ten­bau­ge­bie­te, in denen die jun­gen DDR-Fami­li­en gewohnt hat­ten, wan­del­ten sich zu Alters- und Migran­ten­be­zir­ken, und außer­halb der Städ­te wur­de es ganz still im Osten, denn das Leben auf dem Lan­de erstarb. Aber wir sug­ge­rier­ten uns, daß es letzt­lich allen bes­ser ging. Mate­ri­ell. Wie Hel­mut Kohl ver­spro­chen hat­te. Nur war mit den blü­hen­den Land­schaf­ten so ein kal­tes Schwei­gen ein­ge­zo­gen, und jeder leb­te in sei­nem mit Bau­markt-Mate­ri­al auf­ge­bes­ser­ten Domi­zil für sich.

Nach den Insek­ten star­ben in den Mono­kul­tu­ren und aus­ge­putz­ten Land­schaf­ten die Sing­vö­gel weg. Öko­lo­gisch sah es tat­säch­lich nach dem Ende der Geschich­te aus. Frü­her, im ande­ren Vater­land, kam es noch ganz wesent­lich auf die Ergeb­nis­se der Ern­ten an; jetzt war dank Welt­markt immer alles vor­han­den. Mehr als genug! Den viel­fäl­ti­gen Arten- und Sor­ten­reich­tum hat­te Bio­mas­se abge­löst. Über­haupt galt: Quan­ti­tät stets vor Qualität.

Zum Phi­lo­so­phie­ren blieb kei­ne Zeit; wir hin­gen mit drin: Mit­ge­fan­gen, mit­ge­han­gen! Die SED-Fol­ge­par­tei PDS ver­wal­te­te noch polit­folk­lo­ris­tisch den demo­gra­fi­schen DDR-Rest­be­stand, der poin­tie­ren­de Schwät­zer Gre­gor Gysi wur­de dabei zum klei­nen Volks­tri­bun der klei­nen Ost­ler und strei­chel­te deren See­le, bis er mit ihnen weg­al­ter­te. Ein sym­pa­thisch wir­ken­der geist­rei­cher Maul­held. Als er ein ein­zi­ges Mal ech­te Ver­ant­wor­tung zu über­neh­men hat­te, als Ber­li­ner Wirt­schafts­se­na­tor, bemerk­te er, daß das nichts für ihn war und kor­ri­gier­te die­sen Feh­ler sogleich, um wie­der frei lamen­tie­ren und iro­ni­sie­ren zu kön­nen. Vorbei.

Eigen­ar­tig nur, wie die West­ge­sell­schaft drei­ßig Jah­re nach dem Zuge­winn des Ostens selbst von einer Art poli­ti­schen Depres­si­on erfaßt wur­de und die Grund­la­gen der eige­nen wirt­schaft­li­chen und Sozi­al­er­fol­ge beargwöhnte.

Plötz­lich galt die Leis­tungs­ge­sell­schaft, in die sich vor­her jeder mit Mumm hin­ein­zu­zwin­gen hat­te („Lehr­jah­re sind kei­ne Her­ren­jah­re!“), als nicht mehr zumut­bar und zu selek­tiv, das Zurück­blei­ben der Schwä­che­ren als Dis­kri­mi­nie­rung und die Aus­beu­tung der Welt­res­sour­cen als ethisch ver­werf­lich. Immer weni­ger ging es um die kapi­ta­lis­ti­sche Basis, son­dern um deren Kom­pen­sa­ti­on durch einen qua­si­so­zia­lis­ti­schen Über­bau und eine umver­tei­len­de Transfer-Gesellschaft.

Der kun­ter­bun­te Waren­fe­ti­schis­mus wur­de ver­däch­tig, das Auto, ja sogar die frü­her lebens­er­hal­ten­de Kuh avan­cier­ten zu gefähr­li­chen Kli­ma­kil­lern, der auf fos­si­ler oder gar ato­ma­rer Grund­la­ge pro­du­zie­ren­de Ener­gie­sek­tor galt als schlim­mes Teu­fels­werk. Und mit der Umwer­tung all die­ser Wer­te wur­den gleich­zei­tig die gesam­te Geschich­te und das ver­trau­te Selbst­ver­ständ­nis umge­wor­fen wie miß­li­e­big gewor­de­ne Denk­ma­le. Den Reich­tum aber woll­te man behal­ten; man woll­te nur bes­ser nicht mehr wis­sen, woher er rührte.

Was ihn im Wes­ten ganz ent­schei­dend begrün­det hat­te, der har­te leis­tungs­ori­en­tier­te Kapi­ta­lis­mus der tat­sa­chen­ori­en­tier­ten Unter­neh­mer, der Natur­wis­sen­schaft­ler von Welt­ruf und der fin­di­gen Inge­nieu­re, erst recht der Kolo­nia­lis­mus, der damit angeb­lich ver­bun­de­ne Ras­sis­mus, die Aus­beu­tung der Arbeit und der Kahl­schlag der Bio­sphä­re, jahr­zehn­te­lang mit stol­zen Sym­bo­len ver­klärt, gal­ten nun als his­to­ri­sche Ver­bre­chen, und es soll­te mit „Fair Trade“, „Mehr Bio!“, Vega­nis­mus und vor allem all­um­fas­sen­der Gerech­tig­keit und Inklu­si­on gegen­ge­steu­ert wer­den, mög­lichst inno­va­tiv und mit der gan­zen end­lich gesun­den­den Welt im „Team“.

So welt­vor­bild­lich sich der Wes­ten etwa sech­zig Jah­re lang dar­ge­stellt hat­te, so schul­dig soll­te er sich jetzt fühlen.

Ver­ges­sen schien, wel­che Auf­stiegs­mög­lich­kei­ten es einst für den leis­tungs­wil­li­gen Selbst­über­win­der gab, gera­de wenn er als bis­lang Unter­pri­vi­le­gier­ter sich von der Dyna­mik ange­spornt fühl­te. Nein, man soll­te sich nichts mehr erst ver­die­nen müs­sen, son­dern per se das Not­wen­di­ge zuge­reicht bekom­men, weil es einem, so die poli­ti­sche Kon­struk­ti­on, von vorn­her­ein doch zustand. Trans­fer­ge­sell­schaft. Es reich­te neu­er­dings, „Bedar­fe“ anzu­mel­den, selbst wenn man nichts leis­ten konn­te oder woll­te. Jedem kam Wür­de zu, gera­de dem Faulpelz.

Der „Wokeis­mus“ betrieb die­se ver­meint­li­che Revo­lu­ti­on mit sek­ten­ar­ti­gem Fana­tis­mus, über­form­te Kul­tur und Spra­che mit sei­ner Ideo­lo­gie, und sogleich schlos­sen sich die Welt­re­gie­run­gen ihm an. Über­all schien ein schlech­tes Gewis­sen auf­ge­bro­chen wie eine jahr­hun­der­tal­te Lebens­lü­ge. Nicht allein der deut­sche Natio­nal­so­zia­lis­mus galt jetzt als staats­ter­ro­ris­tisch, er lei­te­te sich eher her als per­ver­se Fol­ge eines Prin­zips, das neu­er­dings als schon viel lang­fris­ti­ger und grund­sätz­lich als ver­werf­lich iden­ti­fi­ziert wur­de, schon von der Indus­tria­li­sie­rung und der Herr­schaft des wei­ßen Man­nes her.

Nur noch wer far­big war oder aus dem geschun­de­nen Süden kam, konn­te als genu­in gut gel­ten und durf­te sich daher alle For­de­run­gen an uns Schul­di­ge erlauben.

Die Bot­schaft der Erweck­ten: Von Anfang an hat­ten Mensch und Mensch­heit in ihren Grund­ori­en­tie­run­gen auf Leis­tung, Über­win­dung von Geg­nern und Kon­kur­ren­ten und den damit ver­bun­de­nen Unter­schei­dun­gen, als „Dis­kri­mi­nie­run­gen“, falsch gele­gen, und genau das galt es jetzt kon­se­quent und final zu kor­ri­gie­ren. Rich­te­te man dem Men­schen nur men­schen­wür­di­ge Umstän­de ein, wür­de er end­lich gut.

Zur Hei­lung soll­te die Welt nur­mehr als Eine-Welt, als bun­te, viel­fäl­ti­ge und diver­se Welt gel­ten, ja, es soll­te künf­tig immer bun­ter, viel­fäl­ti­ger, diver­ser, also immer welt­of­fe­ner und damit end­lich, end­lich und immer­dar gerech­ter und sowie­so noch demo­kra­ti­scher wer­den, wes­halb es die Poli­tik eben um der Gerech­tig­keit wil­len ange­zeigt fand, die Geschun­de­nen und Benach­tei­lig­ten des „glo­ba­len Südens“ zur Teil­ha­be ein­zu­la­den, sie als wert­vol­le Fach­kräf­te auf­zu­fas­sen oder min­des­tens her­an­zu­bil­den, war doch für ihre Not und das Ver­sa­gen ihrer Staa­ten ein­deu­tig der jahr­hun­der­te­lan­ge euro­päi­sche Irr­weg im Sin­ne einer nicht anders als durch selbst­lo­se Flücht­lings­hil­fe aus­zu­glei­chen­den Schuld verantwortlich.

Kei­ne Moh­ren-Apo­the­ken oder gar Neger­küs­se mehr zulas­sen, und die Ben­in-Bron­zen umge­hend nach Afri­ka zurück, auch wenn es sich dabei um das Blut­me­tall afri­ka­ni­scher Skla­ven­händ­ler han­del­te, was Baer­bock und Roth so nicht gleich zu über­bli­cken vermochten.

Mehr noch, die Migran­ten, denen man auf dem Mit­tel­meer qua­si ret­tungs­schwim­mend ent­ge­gen­kom­men soll­te und denen die Gren­zen offen­ste­hen muß­ten, berei­cher­ten unse­re Kul­tur ent­schei­dend mit ihrer viel­fäl­ti­gen Iden­ti­tät, wäh­rend wir uns der unse­ren gefäl­ligst zu schä­men hat­ten und Süh­ne – Mea cul­pa, mea cul­pa, mea maxi­ma cul­pa! – so dring­lich wie ver­spä­tet gebo­ten war, indem wir es ver­mie­den, Deutsch­land als Nati­on zu verstehen.

Noch mehr als der gesam­te Wes­ten war Deutsch­land, so die ein­dring­li­che Dau­er­pro­pa­gan­da, durch Schuld, Schuld, Schuld erle­digt. Wer die­sem dümm­li­chen Pau­schal­ur­teil wider­sprach und Dif­fe­ren­zie­run­gen for­der­te, war ein Ewig­gest­ri­ger und such­te nach einer Hei­mat, die es bes­ser nicht mehr geben soll­te, weil sie sich als schäd­lich, ja furcht­bar erwie­sen hatte.

Aber:

Die Rega­le sind trotz Umwelt­be­wußt­sein und neu­er Ganz­heit­lich­keit, trotz Bio-Sie­geln und Kreis­lauf­wirt­schaft, trotz Lie­fer­ket­ten­ge­setz und ethi­scher Läu­te­run­gen noch üppi­ger bestückt, die Tech­nik ist noch fas­zi­nie­ren­der, die Ent­frem­dung wuchs im Infor­ma­ti­ons­zeit­al­ter, das jeden mit jedem ver­netzt und alles Welt­wis­sen „teilt“, ins Uner­meß­li­che, und letzt­lich wur­de im vol­lem Bewußt­sein, mit dem Kli­ma die Welt ret­ten zu müs­sen, 2022 glatt noch mehr Koh­le ver­brannt als je zuvor.

Ver­brau­cher­zu­wäch­se: Die afri­ka­ni­sche Bevöl­ke­rung wird von der­zeit 1,4 Mil­li­ar­den auf 2,5 Mil­li­ar­den im Jahr 2050 wach­sen; bis 2100 wer­den 4,7 Mil­li­ar­den in Afri­ka leben. Nur wie und mit wel­chen Fol­gen, wenn allein der kar­ge Wüs­ten­staat Niger, der Mit­te des 20. Jahr­hun­derts nur 2,5 Mil­lio­nen Men­schen zähl­te, jetzt 25 Mil­lio­nen Ein­woh­ner hat und bis zum Ende des Jahr­hun­derts mini­mal 165 Mil­lio­nen? Der Staat Niger jeden­falls wird sie nicht ernähren.

Gemein­sam mit uns schie­ben jetzt bereits Mil­lio­nen migran­ti­scher Mit­bür­ger die Ein­kaufs­wa­gen die lan­gen Super­markt­re­ga­le ent­lang, zwangs­be­glückt zudem von Demo­kra­tie, Recht und Frei­heit, die ihnen wenig bedeu­ten, solan­ge nur die Zutei­lun­gen stimmen.

Nein, die Welt wird nicht zu ret­ten sein, die Natur, so wie wir sie vor drei­ßig, vier­zig Jah­ren noch kann­ten, schon gar nicht. Im Gegen­teil. Auch grü­ne Inno­va­tio­nen grei­fen tief in Res­sour­cen, Natur und Umwelt ein. Eine tat­säch­li­che Wen­de wäre nur denk­bar über Ver­zicht, Demut und Redu­zie­run­gen. Die aber sind nicht nur den grün-woken Hedo­nis­ten so unmög­lich wie den sozi­al­de­mo­kra­ti­schen Pro­fi­shop­pern, son­dern gene­rell eine anthro­po­lo­gi­sche Unmög­lich­keit, die nur in Zei­ten von Not und Man­gel über­wun­den wur­de. Zudem ste­hen Beschrän­kun­gen der Wachs­tums­lo­gik von Markt und Finanz­wirt­schaft entgegen.

Alain de Benoist wen­det ein:

„Wir müs­sen erken­nen, daß wir nicht aus der aktu­el­len Kri­se her­aus­kom­men, indem wir uns allein auf tech­no­lo­gi­sche Inno­va­tio­nen ver­las­sen. (…) Der Vor­herr­schaft der Wirt­schaft ein Ende zu set­zen, bedeu­tet, der Vor­stel­lung ein Ende zu set­zen, daß man alles kau­fen und ver­kau­fen kann. Es bedeu­tet, der Pro­fit­lo­gik, der Kapi­tal­ak­ku­mu­la­ti­on, dem Wahn­sinn der Ren­di­te, dem Kult der Effi­zi­enz um jeden Preis, dem Waren­fe­ti­schis­mus und der Zins­axio­ma­tik ein Ende zu set­zen. (…) Nie­mand kann dau­er­haft auf Kre­dit von nicht erneu­er­ba­rem Kapi­tal leben.“

Und die unter­ge­gan­ge­ne DDR, aus der wir damals mit unse­ren Stoff­beu­teln in der Hand schüch­tern den Markt der Dis­coun­ter bei­tra­ten? Hät­te genau­so gehan­delt wie der Wes­ten, hät­te eben­so ver­braucht und ver­schlis­sen, wür­de ihr nur das gro­ße Besteck dafür zur Ver­fü­gung gestan­den haben.

Daß sie dar­über nicht ver­füg­te, sicher­te uns das ver­ges­se­ne Erleb­nis von Maß und Beschrän­kung, das uns als letz­te Gene­ra­ti­on glück­li­cher­wei­se präg­te. Der Kal­te Krieg hat­te einen eigen­wil­li­gen Sta­gna­ti­ons­raum gebo­ten, eine vor­über­ge­hen­de Reser­va­ti­on für das ein­fa­che Leben.

Heino Bosselmann

Heino Bosselmann studierte in Leipzig Deutsch, Geschichte und Philosophie für das Lehramt an Gymnasien.

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Kommentare (50)

Ein gebuertiger Hesse

6. März 2023 17:24

Möchte man von Osten her mal wieder etwas reintreten in den "wohlstandsverwöhnten" und "abgefüllten" Supermarkt-Bauch des alten BRD-Westens? Ist man denn immer noch so NACHTRAGEND, weil es nur drüben all das Zeugs gab, das man nun (in der uns alle aktuell langsam einfangenden Not) als allzu überflüssig, fett machend und von den GÄNZLICH falschen Besatzern reingeleitet betrachten mag? Warum möchte ich, wenn ich derartige Klagen lese, mir am liebsten ein Snickers einpfeifen, was ich ansonsten niemals täte?
Leute, mehr als 30 Jahre leben wir nun Land an Land, aber offenbar müssen wir nochmal (oder ein erstes Mal überhaupt, gründlich) reden.
Ein gebürtiger Hesse, glücklich in Brandenburg hausend

RMH

6. März 2023 17:30

Ja, es ist Fastenzeit. Eine Bußpredigt also erlaubt. Aber ich kann mich bei meinen Reisen in den 80ern in die DDR und anno 1990 nicht daran erinnern, auf ein Volk von Unterernährten und Schlanken, wie man sie bis tief in die 50er Jahre hinein bei Aufzeichnungen aus Fußball Stadien zu sehen bekommen hat, gestoßen zu sein. Ein gemütliches Bierbäuchlein war allenthalben zu sehen. Das 1990 es allen bewusst war, was die adipösen Amis vor sich her schieben, halte ich für eine zeitliche Projektion, aber Gemach. Das wir heute wieder zum Teil leere Regale in Supermärkten haben und manche Produkte nicht zu bekommen sind - gab's den Portugalow-Plan wohl wirklich?
PS: Die Treuhand wurde noch von der Regierung Modrow gegründet. Die selbe Regierung sorgte auch dafür, dass viele auf dem Land und in den Städten ihr Häuschen günstig in die neue Zeit retten konnten oder eine Immobilie erwerben konnten (welche Kreise haben damals davon profitiert?). Deren Erben profitieren jedenfalls heute. 

Laurenz

6. März 2023 17:51

(1) Das sind 2 Artikel in einem. Warum haben Sie, HB, den nicht 2geteilt? Sie haben auch nur die halbe DDR-Wahrheit präsentiert. Zumindest der urbane DDR-Bürger lebte wesentlich freizügiger, als der prüde Wessi. Vor allem Sex-Shops zogen den abenteuerverwöhnten, amourösen DDR-Bürger an. Prüderie hat vor allem mit dem Wert der Frau im Kapitalismus & ihrer Wertlosigkeit im Sozialismus zu tun. Die DDR hatte sich, wie der gesamte Ostblock, über Werbung oder TV-Krimis vertraut gemacht. Diese Scheinwelt ist bis heute in Osteuropa noch nicht wirklich überwunden, wie man am Ukraine-Krieg festmachen kann. Jedem normalen Erwachsenen im Westen war der Schein offensichtlich. Der DDR-Politiker hatte sich nicht! mit den wesentlichen Werten des Westens auseinandergesetzt. Die DDR hätte wesentlich mehr verlangen können, aber man hielt sich nicht an Lenin. Man verkaufte den Kapitalisten nicht den Strick, an dem man sie einst aufhängen wollte. Man ließ sich mit der Deutschmark kaufen, endlich mal Geld für Arbeit, welches auch einen Wert verbrieft.

Joerg

6. März 2023 17:53

Ich habe meist das Gefühl im Kommentarbereich von SiN falsch zu sein. Da scheinen nur Salon-Rechte und Foren-Platzhirsche sich gegenseitig zu beharken, unabhängig vom jeweiligen Thema. (Manchmal bekommt der Autor des zugrundeliegenden Textes auch noch eins mit der Besserwisser-Keule der persönlichen anekdotischen "Evidenz" übergebraten.)
Dennoch möchte ich diese Möglichkeit nutzen, um zu schreiben, dass ich mich ûber jeden Text von Heino Bosselmann freue. Vor allem die mit biographischem Hintergrund sind sehr schön.

Laurenz

6. März 2023 18:05

(2) Nicht in der Abwicklung der Treuhand, an dem man selbst Mitschuld trug (man hätte das vorab anders verhandeln können, aber man hatte eben keine Ahnung, dazu gehören auch alle Ihre preußischen Tugenden, welche der DDR-Bürger verhökerte), machte den Großen Verrat offensichtlich, sondern die Abwicklung der Deutschmark wirkte sich aus, wie ein verlorener Krieg mit sofortiger Kapitulation vor den Siegermächten in Europa. Ihre Beschwerde über die Wokeness, quasi die informelle Einführung des real existierenden Sozialismus 2.0 im gesamten Westen, war doch seit langem abzusehen. Die USA haben nur ein Interesse am Kapitalismus, solange der Warschauer Pakt existierte. Sobald der Warschauer Pakt Geschichte war, ist der Neo-Bolschewismus mit Lastenfahrrädern der Grünen Khmer das ultimative politische System in einer unipolaren Weltordnung. Nur diesmal gibt es keine kapitalistische BRD, die den Karren aus dem Dreck zieht, wenn die Woken ihn in die Scheiße gefahren haben. Unsere Frauen, vor allem unsere Feministinnen haben noch nicht wirklich begriffen, daß sie den größten Preis von allen zahlen werden.

tearjerker

6. März 2023 18:50

Da hat man mehrere Sorten Joghurt im Regal und schon ist man Warenfetischist.

RMH

6. März 2023 21:26

@Joerg,
Die Besserwisser-Keule ist doch die, die sie mit ihrem Beitrag schwingen, in dem sie jeden Einwand mit dem Non-Argument Besserwisser abtun. Es ist wie bei Monthy Python "Don't mention the war", niemals Etwas ansprechen, was dem Opfernarrativ nicht entspricht. Im Übrigen: Die DDR hat Waren und Lebensmittel von hoher Qualität produziert. diese wurden aber gegen Devisen exportiert. Ebenso hat die UdSSR die DDR wie den Rest des Ostblocks ausgesaugt. Für die eigene Bevölkerung hat man im wesentlichen Schund übrig gelassen. Landbewohner wussten sich mit Kleinwirtschaft zu helfen, was aber nichts daran ändert, dass die DDR Führung die eigenen Arbeiter ausgebeutet hat und alles versilbert oder an die UdSSR zu billig abgegeben hat, was möglich war. 

hinzundkunz

6. März 2023 21:39

Wo ist sie hin, die Erreichbarkeit der unendlichen billig-nuttigen Waren und das Jetten um die Welt- für einen Großteil der Exproprierten, nachdem das Kapital kein Konkurrenzmodell mehr zu fürchten hat?
Nicht einmal die Daseinsvorsorge bei Wohnen, Energie, Grundnahrungsmitteln und Mobilität ist für Viele noch bezahlbar.
Im grunde wendet der Autor (ungewollt) den alternativen Blick auf die nicht zu verachtenden Vorteile seiner verlorenen Heimat mit spottbilliger und hochsubventionierter Grundversorgung, Angstfreiheit vor existenzvernichtender Arbeitslosigkeit und ohne Obdachlosigkeit und Milliardäre- bei von ihm gewünschten ressourcenschonendem Teil-Verzicht auf teure, nicht existentiell notwendige Luxuswaren. Sicherlich bei dem gegenüberstehenden gravierenden  Nachteilen wie fehlender Meinungsfreiheit, Überwachung und Mauer.
Etliche Ex-DDR-Bürger wollten bessere, bunte Waren, hohe Löhne und Freiheiten. Bekommen haben Viele Arbeitslosigkeit, prekäre Arbeitsverhältnisse, Arm-Reich-Spaltung und neue Überwachung sowie Einschränkung der Meinungsfreiheit.  Freiheiten, die Geld kosten,  wurden halt pekuniär obsolet.
Guter und massenhafter Protest im "Osten"- aber man hätte die Entwicklungen vorhersehen können- bei der intensiven Schulung in politischer Ökonomie. Es fehlte wohl der Glaube.
 

Zauberer von Oz

6. März 2023 21:57

Der Deutsche, so scheint es, hat es gerne kollektiv. Das Individuelle ist ihm ein Graus. Zwei Diktaturen konnten den Michel nicht belehren. Die Verzweiflung ist dem Historiker Bosselmann zwischen den Zeilen anzumerken. Die sich durchsetzende und damit tröstliche Realität wird den Dummen Mores lehren. Auf einen failed state mehr oder weniger kommt es gar nicht an....

Gracchus

6. März 2023 23:37

Da hat HB mal wieder einen rausgehauen. Richtig: Der Wohlstand bildet(e) den Kitt. Ich glaube, an Rechtsstaat, Demokratie usw. hat der deutsche Norm(al)bürger auch kein so Rieseninteresse. Ich frage mich sowieso, ob Demokratie für Deutsche die richtige Regierungsform ist, jedenfalls wird sie nicht so richtig verstanden.
Dann scheint mir der Artikel wieder etwas pauschal. Mag daran liegen, dass ich auf dem Dorf grossgeworden bin, aber ich habe es so erlebt, dass der "Konsumismus" erst Mitte der 90er so richtig geblüht hat. Also nach der Wende. Im Rausch des kapitalistischen Sieges sozusagen. Konsumkritik gab es schon, bevor es überhaupt losging, ein schlechtes Gewissen gab es auch schon "immer", wohl preußisch-protestantisches Erbe. 
 

Laurenz

7. März 2023 03:00

@Gracchus  ...... Der Wohlstand bildet(e) den Kitt..... Mitnichten, das ist nur für die Blöden so. Entscheidend war & ist auch noch das Geld. Der von Adolf Hitler explizit benannte Erwerbstrieb, wie der individuelle Sexualtrieb des Mannes für eine bestimmte Frau der Größte zu sein, den Castaneda so formulierte, läßt Männer Großes erschaffen, Opern schreiben, Weltkonzerne gründen, das beste Bier zu brauen oder der coolste (rechte) Verleger zu werden. Im Sozialismus kostete Sex nichts & Leistung war nicht nötig, gut in Interviews mit den Rammstein-Buben zu erfahren, die im Prinzip nichts anderes aussagen, als HB hier schreibt. Die meisten DDR-Bürger gingen von einer DDR mit besserem Geld aus. Die wenigsten, wie Rammstein, schafften es, umzuschalten, und Geld dazu zu nutzen, wozu es dienen soll, gespeichterte Arbeit als ökonomisches Instrument zu nutzen. Wer hätte 1989 jemals gedacht, daß 6 Ossi-Punks einst in Madison-Square-Garden spielen werden. https://youtu.be/-erkpVmNtG8?list=PL5nliX5wLMao_8pvvXXr8nZjyPVpTHt8j Dagegen ist doch die Vereidigung eines US-Präsidenten ein Kindergeburtstag. Rammstein exportierten den Reichsparteitag in alle Welt.

RMH

7. März 2023 07:37

"bei der intensiven Schulung in politischer Ökonomie."
@hinzundkunz,
1.
die aber die Fakten der unpolitischen Ökonomie offenbar ausblendete. Die DDR hing am Devisentropf von Exporten in Länder, die solche einbringen und wurde gleichzeitig von der UdSSR, die in einem viel größeren Maße auch Demontagen in ihrer "SBZ" durchgeführt hat, als andere Besatzungsmächte in deren eigenen Zonen, bis zum Schluss ausgelaugt. @Gustav Grambauer, jetzt Wwb, hat einmal auf den Hafen Mukran auf Rügen hingewiesen, der genau diese Ader Richtung UdSSR bedienen sollte (an den in den 80ern unsicher gewordenen Polen vorbei).  

RMH

7. März 2023 07:41

2. 
Am Ende war der Ofen schlicht aus - und Ostalgie ist nett, um sich an Früher zu erinnern, hilft in der aktuellen Situation aber auch nicht weiter. Als Beispiel sittlich-maßvollen Verhaltens taugt die DDR jedenfalls genauso wenig, wie die marktwirtschaftlichen Länder des sog. Westens (Deutschland ist aber die Mitte - nicht Ost und nicht West). Überhaupt sollte man einmal hinterfragen, woher dieser Hang zum Verzicht und zur Bescheidenheit kommt und was solche Einstellungen bewirken oder erzielen sollen. Aktuell dienen sie jedenfalls dazu, den Menschen - unter Verweis auf Klimaschutz, niedrigere Blutfettwerte etc. - ihr erarbeitetes und angespartes Vermögen zu nehmen. Sozialismus eben - und der bedeutet am Ende: Hauptsache es geht - bis auf den überall vorkommenden Bonzen oder Oligarchen - allen materiell gleich schlecht, wenn man schon "es geht allen gleich gut" als Planziel ad infinitum jeweils um 5 Jahre in die Zukunft verschiebt. Das sich Einreden, dass Platte mit Fernheizung "gut" sei, gehört zu den Lebenslügen dazu. Wer sich damit abspeisen lässt, der darf sich nicht beschweren, wenn man ihm in seinen WBS 70 Block in aller Bescheidenheit eben noch ein paar Personen mit dazu reinsetzt. Ein bisschen Zusammenrücken darf man "in aller Bescheidenheit" doch erwarten, oder?

dojon86

7. März 2023 07:54

@Gracchus: Völlig richtig, der deutsche Normalbürger hat an Demokratie kein Interesse. Aber vor allem kennt er sie nicht. Ich kenne sie auch nicht, da ich mein bisheriges Leben in einer liberalen Oligarchie (sogenannten Repräsentativdemokratie) verbracht habe. Diese war und ist relativ liberal, weil sie ökonomisch erfolgreich ist. Die DDR war nicht erfolgreich, daher mußte sie illiberal sein. Aber um Kern war sie genau wie die BRD eine Oligarchie.

RMH

7. März 2023 09:22

@dojon86,
Sie haben Recht. Das bisschen individuelle Freiheiten wurde so lange gewährt, so lange sie nützlich waren und die Sklaven zu besserer Arbeit motivierten, da konnte man dann ein bisschen was gönnen, so lange es zweckmäßig war. Wie schnell es mit Grundrechten und Ähnlichem vorbei ist, haben wir während Corona erlebt. Diesen Lackmustest hat die sich selbst vergottende FDGO nicht bestanden. Und jetzt, wo es an den großen Umbau geht, geht's den letzte Resten und insbesondere dem Eigentum an den Kragen. Die ewigen Ost-West Vergleiche helfen in dieser Situation nicht weiter, insbesondere nicht, wenn man sie unter der speigelfechtenden Prämisse, was war einmal besser führt. Etwas Schlechtes wird nicht besser, wenn es sich mit etwas graduell anders Schlechtem vergleicht. Das gegenseitige Ausspielen ist zu beenden.

Franz Bettinger

7. März 2023 09:47

"Wenn der Welt die Ressourcen dauernd abgezapft werden, mal abgesehen vom Weltverkehr, und wenn das als Segen empfunden wird, dann kann das nicht gutgehen, für den Menschen nicht, und nicht für die Bodenschätze und die Biosphäre.“ Da ist sie wieder, die Sünde, die Schuld - in Wahrheit aber: der Irrtum. Der Irrtum von der Begrenzheit des grünen Waldes an Tannennadeln. Ameisen sind klüger. 

MARCEL

7. März 2023 09:50

Ein beeindruckend-berührender Parcours!
Mentalitätsgeschichte als Spiegel (nicht jeder schaut da gerne rein)
Der Sozialismus klassischer Prägung wollte die Menschen vor den Niederungen der reinen Konsumgesellschaft bewahren und musste ihn dafür dauer-maßregeln und Teile seiner anthropologischen Struktur massiv unterdrücken (daher z.B. Lenins Hass auf die Gewerkschaften und ihre zu bürgerlichen Forderungen).
Der heutige Spätkapitalismus verwandelt Konsumenten mittlerweile in triebhaft Süchtige. 
Der woke-grüne Sozialismus geht hier ein Joint Venture mit dem Big-Tech-Pharma-Kapitalismus ein, um die o.g. anthropolgischen Strukturen ganz auszulöschen.
Archetypische Haltungen der Ehre, des Stolzes, der Ritterlichkeit (geschweige denn des Heroischen), aber auch der Demut sind dort absolute Fremdwerte, die dem allem im Wege stehen.
 
 
 

Adler und Drache

7. März 2023 09:53

1
Der ungewöhnlich starke und ungewöhnlich einhellige Widerspruch gibt mir zu denken. 
Ich vermute, Herr Bosselmann hat einen "wunden Punkt" getroffen. Es wäre ja schön, wenn mit dem totalitären Klimatismus auch das ökologische Dilemma als Farce entlarvt und vom Tableau gefegt werden könnte, aber wir wissen, dass dem nicht so ist. Auch kann ich ihm nur Recht geben, dass der Konsumismus und die damit verbundene Zurichtung des Menschen zum "Verbraucher" etwas Entwürdigendes hat. Irgendein tief verschüttetes Gefühl sperrt sich dagegen, und die Erinnerung daran, dass man in der DDR das Leben ärmer, aber würdevoller bestritt, ist zwar nicht richtig, aber auch nicht komplett falsch. Dieses über die kurze Zeit der Wende erlebte Rutschen von einer Form des Menschseins in die andere ("Form" nicht nur politisch, umfassend-lebensweltlich) und das seltsam bohrende, aber nicht wirklich greifbare Gefühl "Hier stimmt doch was nicht!" kann ich bestätigen, wenngleich ich viel jünger als Herr Bosselmann bin. Zuletzt mag sich auch ein tief verankertes, evtl. intuitives Wissen regen, das einen unmissverständlich darauf hinweist, dass das Immermehrwollen immer zum bösen Ende führt, wie im Märchen vom "Fischer und seiner Frau". 
Das sind ein paar Aspekte, die mir bislang eingefallen sind, aber dass hier ein wunder Punkt besteht, in den Herr Bosselmann den Finger legt, scheint mir evident.  

Adler und Drache

7. März 2023 10:12

2
Der Widerspruch, der auch bei mir vorhanden ist, rührt daher, dass ich nicht an eine Besserung durch politische Verordnung glaube. Das führt unweigerlich zu Zwang und Freiheitsverlust, aber auch das ist nur die Oberfläche. Darunter führt es zu Wahrheitsverlust, und das wiegt viel schwerer als das Ungemach, das ein Regime bereiten kann. In Orwells Fabel von der "Farm der Tiere" ist das Wesentliche dazu gesagt. 
Die Verzichtsleistung ist seit Menschengedenken eine erstrebenswerte Tugend, sie hat etwas mit Maß und Form und Vertikalspannung zu tun. Nur war das früher eine Sache der Erziehung, die außerhalb der Familie durch Philosophenschulen oder die Kirche vorgenommen wurde, und auch der Selbsterziehung und Selbstführung - Tugend kann nicht verordnet, sondern nur in persönlicher Freiheit realisiert werden. 
Die gegenwärtige Krise ist meiner Ansicht nach nicht nur eine politische, sondern auch eine menschliche. Das Menschliche kann aber nicht politisch gelöst werden (egal, durch welche Politik), der Versuch kann nur schiefgehen. Wichtiger als Veränderungen in der Politik ist in meinen Augen die Wiedergewinnung eines Tugendsystems, aber davon sind wir weit entfernt.   

Franz Bettinger

7. März 2023 10:29

Dieser Satz von den "begrenzten und deshalb zu schützenden Ressourcen" und deshalb den enger und immer "enger zu schnallenden Gürteln", dieser verlogene Satz könnte auch von Klaus Schwab oder einem Grünen stammen. Diese notorischen Lügner haben das Dogma von den begrenzten Ressourcen als Rahmen für uns abgesteckt; und wir fallen drauf rein. Oh ja, auch viele Rechte glauben an das Dogma. Ich habe nichts gegen eng geschnallte Gürtel (lebe selbst recht schlank, aber nicht um irgendwelche Ressourcen zu schonen!

Niekisch

7. März 2023 10:47

"Ich habe meist das Gefühl im Kommentarbereich von SiN falsch zu sein."
@ Joerg 6.3. 17:53: Es geht mir ebenso. Woran das liegen mag? Weil des öfteren der intellektuelle Überbau schräg auf dem Fundament sitzt? Weil der Gaul ständig in den Galopp getrieben wird? Weil es an einer inneren Kameradschaft fehlt, die zwar Meinungsdifferenzen erlaubt, aber immer das gemeinsame Schicksal vor Augen hat? Weil die Hauptkampflinie nicht in den Köpfen, sondern im täglichen Dreck verläuft, den wegzuräumen jetzt immer dringlicher wird: 
https://blog.beliebte-vornamen.de/2011/08/neuer-vorname-nach-einbuergerung/

Hartwig aus LG8

7. März 2023 10:58

@ HB
Man könnte Ihren Aufsatz auch ganz anders schreiben: Auch in der DDR war immer und für jeden genug zu essen da! Nahrhafter, fettiger, süßer ... die Bock- und Bratwurst, die allgegenwärtige Jagdwurst; das tägliche Brot, die keimenden Kartoffeln, die fleckigen Äpfel, der Broiler, Lutschbonbons, chemische Limo, die meist nicht mehr frische Frischmilch, das eingetrübte Bier, der fuselige Schnaps ... alles floss in Strömen ... Produkte einer Landwirtschaft, die das Land überstrapazierte. Quantität statt Qualität. Alles war auf Kante genäht, nirgends eine Reserve. Mit Fliegern versprühte Pestizide. Überall Melioration. Es gab riesige Schweine- und Hühner-KZs.  Und in den angrenzenden Gewässern gab es kein Leben mehr. Alles für das oftmals besinnungslose Mampfen und Saufen.
"das Erlebnis von Maß und Beschränkung" ??, das "einfache Leben" ?? - Ich weiss nicht, Herr Bosselmann, meine (N)ostalgie hält sich in Grenzen.
 

Beobachter

7. März 2023 11:20

Beiden Systemen dürfte wohl das Leben weit über die selbst erwitschaften Verhältnisse gemein sein. Daraus folgt zwingend der zu beobachtetende Raubbau an den natürlichen Ressourcen - sowohl hier als auch im sog. globalen Süden .
Gerade die frappanten Umweltschäden in der DDR bildeten eine wesentliche Urasche der dortigen Bürgerrechtsbewegung.
 Der Unterschied liegt in erster Linie darin begründet, dass der Westen (noch) kreditwürdig ist, die DDR seinerzeit allerdings nicht mehr.
Nachdem  allerdings unsere Gläubiger ebenfalls bis über die Ohren verschuldet sind, besteht derzeit kein Interesse an einem globalen Kassensturz. Der Teufelskreis dreht sich also weiter. 

Adler und Drache

7. März 2023 11:24

Randbemerkung: Die Jäger und Sammler darbten wohl weit weniger, als wir gemeinhin denken. Die neuere Forschung geht davon aus, dass die urzeitliche Gesellschaft eine Überflussgesellschaft war und das Darben erst mit der neolithischen Revolution begann. Vgl. dazu Jüngers hochinteressante Erwägungen in der "Zeitmauer", Kapitel 60 - 84. 

Andreas Walter

7. März 2023 11:42

@Herr Bosselmann
Keine Sorge. Die roten und die grünen Sozialisten sorgen gerade im Eiltempo dafür, dass alles wieder so wird wie früher. Allerdings auch unzählige Transatlantiker aller anderen Couleur und Fahnen sorgen derzeit in ganz Natostan dafür, im Grunde aber schon seit 1945, dass auch Deutschland dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten nicht über den Kopf wächst.
Die Sehnsucht nach Sozialismus, egal welcher Art, scheint den Deutschen im engen Europa irgendwie im Blut zu liegen.
Denn einen europäischen Unabhängigkeitskrieg, wie einstmals der der neuen Kolonien in Amerika (1775 bis 1783), als nämlich Großbritannien noch am Drücker war, wird es vorerst hier nicht geben. Schon gar nicht übrigens, wenn schon bald halb Europa von der Energie existentiell abhängig ist, die nämlich bald nur noch von dort kommt:
https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/fluessiggas-deal-der-eu-mit-den-usa-als-folge-des-ukraine-krieges-17908858.html#void
 

Gimli

7. März 2023 11:44

War ich anfangs von HBs Schreibe (stilistisch) beeindruckt, so enttäuscht bin ich über den depressiven Ton, die unsachlichen  Schuldzuweisungen, die miesen Andeutungen und die früher-war-alles-besser-Haltung. HB meint auch, dass die Welt durch den Kapitalismus ausgebeutet wird, dass Untergang droht und empfiehlt Genügsamkeit und Demut. Haut aber nur auf Grüne und Sozen ein und klar muss auch das Lastenfahrrad genannt werden. Und Afrika wächst (ich habe schon wieder Höckes üblen r-/k-Strategen-Vergleich im Ohr und habe das Migrationsproblem der Rechten vor Augen). Und - Dogwhistling! - "N...küsse" zu sagen und sich larmoyant als Sündenbock wegheulen, das ist so inakzeptabel wie peinlich. Der ganze Beitrag HBs ist für mich eine einzige Denkverzerrung. 

Laurenz

7. März 2023 12:29

@RMH @Dojon86
Repräsentative Oligarchie .... Das haben Sie Beide gut formuliert. Aber auch Dank erfahrerener Haudegen, wie RMH & Niekisch, wissen wir, daß wir die Aufgabe der Direktwahl den Amis nach dem Kriege zu verdanken haben & das System automatisch den Listen-Apparatschik kreiert, der heute dem Arbeitsleben völlig entsagt, unsere Geschicke bestimmt. Auch der Nichtvollzug des GG Artikels 20 (2), Abstimmungen, kann ob verfassungsrechtlicher Interpretationen nach über 70 Jahren nur noch als Lächerlichmachung & Mißachtung unserer Ersatzverfassung durch Verfassungsrechtler selbst angesehen werden. @Niekisch liegt tatsächlich falsch in Seiner Einschätzung auf unserem Forum, aber die Schuld daran trägt nicht das Forum, sondern Niekisch Selbst. Das Volk hier entspricht nicht Seinen Erwartungen, obwohl es fast dasselbe Volk, wie vor 2k Jahren ist. Vielleicht gehört Niekisch zum Regime, dem das Volk auch nicht paßt & es austauschen will? Unser Volk ist nur eine Volksgemeinschaft, wenn es ihm dreckig geht, wie in der DDR. Der Wille des Menschen sei sein Himmelreich. Der gesamte Planet will den Wohlstand der einstigen BRD & interessiert sich einen Scheiß' für preußische Tugenden & woke Geisteskranke.

Dieter Rose

7. März 2023 12:41

@Adler und Drache "... aber dazu ist schon viel gesagt." Dazu lesen Sie alle doch mal die Ausführungen bei danisch.de von heute, wie eine Baer in das Amt eines der höchsten Bundesrichter gehievt worden ist. Dann ist klar: von diesem Staatswesen ist nichts mehr zu erwarten. Das Myzel ist schon viel zu tief eingedrungen. (Gerne lasse ich mich eines Besseren belehren, etwas, das Hoffnung macht auf die alten Tage!)

Umlautkombinat

7. März 2023 12:53

> "N...küsse" zu sagen und sich larmoyant als Sündenbock wegheulen
 
Hier sind Sie wohl mal wieder in ihrem eigenen Koordinatensystem gefangen. Wer Negerkuss sagt, ist eine derart offensichtliche Taeterpersoenlichkeit, dass auch und gerade Wegheulen in keiner Form in Betracht kommen kann. Unverzeihbar frech, der Bosselmann!
 
Oder wie?
 
Ja, schlaegt ganz schoene Wellen hier. Mit der Wuerde konnte es uebrigens sehr verschieden aussehen. Allein aus dem Grund war es mir damals zu bloed, die 100 DM in die Tasche gesteckt zu bekommen. Das habe ich gelassen.

Volksdeutscher

7. März 2023 12:53

Wenn ich mit ehemaligen DDR-Bürgern ins Gespräch komme und sie anfangen über die alten Zeiten zu reden, erwähnen viele von ihnen, wie gerne sie nach Ungarn kamen. Immer wieder höre ich dann: "Ungarn war für uns wie der Westen." Ich, vertaut mit Lebensverhältnissen des kommunistischen Ungarns, fragte ich mich manchmal: "Wenn Ungarn ihnen wie der Westen vorkam: Wie und worin haben sie wohl gelebt?" Jahre später im deutschen "Osten" angekommen, bekam ich detaillierte Erzählungen auf meine Frage. Man erzählte mir von Lebensmitteln minderer Qualität, dem Rühren des Buschtrommels, wenn Negerküsse oder Bananen in die Geschäfte kamen und dem stundenlangen Anstehen, das zu absolvieren galt, um etwas davon mitnehmen zu können. Solche Szenen kenne ich nicht aus meiner Kindheit. Es gab Orangen, Bananen und riesige Pfirsiche auch ohne Anstehen. Sie kamen aus Kuba, dem Jemen und Griechenland. Dabei war der Kommunismus in Ungarn nicht menschlicher als in der DDR. Einer der wesentlichen Unterschiede dabei wird wohl gewesen sein, daß die Kommunisten die Lehre aus 1956 gezogen zu haben schienen: Hat das Volk genug zu essen und erfolgen keine offensichtlichen Repressalien, wird es schon den Mund halten.

brueckenbauer

7. März 2023 13:05

Was mich bei HB irritiert: Die Kerngedanken habe ich immer schon bei konservativen Autoren von vor 60/70 Jahren gelesen. Sie haben mich damals nicht überzeugt und HB fügt auch gar keine neuen Argumente hinzu. Ein sehr schlichtes, aber m.E.  triftiges Gegenargument ist Maslows Bedürfnishierarchie: Der Mensch will überhaupt nicht immer mehr konsumieren, sondern wenn die "niedrigen" materiellen Bedürfnisse einmal abgedeckt sind, verschiebt sich sein Interesse auf andere "höhere", aber weniger drängende Bedürfnisse. Will sagen: Auch wer im Westen 20 Koteletts auf einmal kaufte, aß höchstens eins pro Tag. Das Mehr-Geld im Westen ging auch damals schon in andere, fortgeschrittenere  Bereiche. Und was ist daran schlimm?

Volksdeutscher

7. März 2023 14:22

2. Ein anderer wesentlicher Unterschied zu DDR war, daß das bürgerliche Element, zwar zerschlagen, eingeschüchtert und in den Untergrund getrieben, im privatem Bereich zum Teil dennoch überleben konnte, vor allem in den Erziehungsnormen und der historischen Erinnerungskultur. Im Bewußtsein der Bürger der DDR spielte 1953 keine so große Rolle, wie 1956 für die Ungarn, die sich nie mit der russischen Besatzung und dem Kommunismus abfanden - trotz guter Versorgung mit Lebensmitteln. Die Gründe hierfür dürften im Mentalitätsunterschied zu suchen sein. Und dennoch denke ich nicht wie viele andere hier, daß Heino Bosselmann Ostalgie betreibt und Klagelieder verfaßt. Er reflektiert über das Deutsche, das in der DDR überlebt hat, und stellt es als Gleichwertiges neben das Deutsche der BRD in einem zeitgeschichtlichen Kontext dar. Wie ärmlich und bescheiden die Lebensumstände in der DDR auch waren: 1989 hatte gezeigt, daß in dem Deutschtum der DDR eine Kraft innewohnte (und bis zum heutigen Tage innewohnt), die fähig war, eine Bewegung auf die Beine zu stellen und zum Sieg zu führen (was man durch den Hinweis auf die Tätigkeit der KGB immer wieder zu schmälern versucht).

Volksdeutscher

7. März 2023 14:25

3. Eine Gymnasiallehrerin in einer schwäbischen Kleinstadt sagte zu mir in der Zeit der sog. "politischen Wende": "Wir wußten gar nicht, daß Rumänisch eine romanische Sprache ist." Ja, was wußten sie schon, die Gymnasiallehrer von Europa? Nahm man in jenen Zeiten ein kunstgeschichtliches Buch mit dem Titel Europäische Kunst in die Hand, dann handelte es nur von Kunstgeschichte, Kunstwerken und Künstlern Westeuropas. Es wurde ihnen auch erzählt, daß die Menschen im Ostblock hinter dem Eisernen Vorhang, während sie im freien Westen lebten. Ihre Intelligenz hatte jedoch zu keiner Zeit ausgereicht, der Tatsache bewußt zu werden, daß ein Vorhang zwei Seiten hat und daß sie bloß auf dessen anderer Seite lebten. Die nicht zu rechfertigende Überheblichkeit westlicher "Mitdeutschen", die Heino Bosselmann in milden Worten der Barmherzigkeit beschreibt, dürfte nicht zuletzt hierin ihren Grund haben. Ihm Mimimi vorzuwerfen ist ungerecht und geschieht in völliger Verkennung seiner Ambitionen. Man lese Charles Baudelaires geistreiches Pamphlet Pauvre Belgique oder Karl-Heinz Bohrers Provinzialismus, in dem er sich über die "fettprangenden Provinzen" der BRD ausläßt. Dagegen sind Bosselmanns Erzählungen wirklich leise, sehr leise Töne der Erkenntnis auf Taubenfüßen.

Gustav

7. März 2023 15:20

@ Gimli
Er schon wieder, die Karikatur eines Diederich Heßlings der neuen Normalität. Sind Sie eigentlich ein ehemaliger Schüler von Herrn Bosselmann? Hat er Ihnen Unrecht getan? Sind sie dehalb jetzt so ein strebsamer Untertan? Nie wieder etwas falsch machen?

Hesperiolus

7. März 2023 15:25

Der mit einer die Texte des Verfassers wohl grundierenden Verlusterfahrung sinnlicher Authentie jenes vormalig einfacher erfahrenen Lebens einhergehende Gegenwartsekel ist nachvollziehbar: (mir) weniger jedoch die etwas schmallippig um eine  leerbleibende Mitte der Vorstellung vom guten Leben kreisende Wohlstandsschelte, die zwar treffend zu pointieren weiss, gelungen bissig, zuweilen aber verbissen erscheint. Im Grimmschen Wörterbuch finde ich nach Johann Georg Krünitz : „ wohlstand ist die anwesenheit aller zur äuszeren glückseligkeit und ruhe nothwendigen umstände“. Wogegen doch nichts zu sagen, im Gegenteil. Das „grell ausgeleuchtete Schlaraffenland“, das „Baumarkt-Material“, der „oberflächliche Chic“ der Massen und „die Pauschalreisen mit ihren All-inclusive-Freßbuffets in der Hotellerie des Südens“ ist nun aber infernalischer Schein-Wohlstand, gar kein echter Wohlstand. In welchem Supermarkt finden Sie denn genießbares Brot? „Konsumismus als Massenbetrug“, dieser Titel gefiele besser. „Quantität stets vor Qualität“ trifft es wiederum entscheidend.

Hesperiolus

7. März 2023 15:26

II.
 Dieser weitest nicht mehr als Ramschwohlstand des größten Bevölkerungsteils widert an – ich verstehe den Autor! Dann muskelschwellende Rede von einer „Leistungsgesellschaft, in die sich vorher jeder mit Mumm hineinzuzwingen hatte („Lehrjahre sind keine Herrenjahre!“)“ oder vom harte(n) leistungsorientierte(n) Kapitalismus der tatsachenorientierten Unternehmer, der Naturwissenschaftler von Weltruf und der findigen Ingenieure“, Geisteswissenschaftler dixit, nicht unähnlich dem Zorn gewisser Spenglerstellen, aber semantisch unterlegt von (sit venia verbo) neoliberal ge-think-tank-ter Phraseologie, Leistung- vs. Transfergesellschaft. Von der Industrialisierung selbst als weltgeschichtlicher Teufelei steht Verfasser ja auch nicht ab. Dem Aufruf zu Maß stimme ich zu, allerdings im Sinne erst zu schaffenden und zu verteidigenden Wohlstands, zu erzogenem, echtem Wohlstand, von Entmassung des wiederzugewinnenden Volkes. Kurz, mir fehlt hier das ästhetische Gegenbild, wie wir leben könnten. Ein stiftersches Maß. Vielleicht lese ich die Bosselmannschen Miniaturen ja zu einseitig, voreingenommen, als sehr norddeutsch protestantischen Aufruf zu kleineleutehafter Genügsamkeit, ja Dürftigkeit, inverses Ressentiment sogar. Nicht oberflächliche, aber oberflächige Massengeisselung der Deplorablen, wo immer das diese Massen hervorgebrachthabende und – bringende System anzugehen wäre. 

Hesperiolus

7. März 2023 15:27

III.
- Der „Pauperismus der Moderne“, von dem Erhart Kästner bereits 1950 in einem Rundfunkgespräch sprach: „…. Wir sehen ja, daß wir immer ärmer werden statt reicher. „Wenn wir eine Schilderung aus der Lutherzeit lesen, scheint die ganze Welt gegen die unsere reich. Man hat alles reichlich. Wein und Korn und Äpfel und Zeit. Auch Raum. Niemals hört man die Klage, daß viele Familien nur einen einzigen Raum gehabt hätten, unbekannt sind die Klagen über Mangel an Zeit. Das ist der Pauperismus unserer Tage. Der Komfort wächst, die D-Züge rollen, die (von findigen Ingenieuren konstruierten) Flugzeuge fliegen und der Mensch wird immer ärmer und ärmer.“ - Und zum Schluß die salonrechte Besserwisserei: „Wie viele Dinge gibt es doch, die ich nicht brauche!“ legt Diogenes Laertios, der alte Ironiker (?), seinem Sokrates in den Mund. - @ Bettinger: Es freut mich aufrichtig von Ihnen zu hören, daß es Maiordomus wohlergeht!

Gustav

7. März 2023 15:29

Wie ich höre, haben sich viele von Ihnen wahrscheinlich große Sorgen um den Status des Öls gemacht, das bei der Krönung Karls III. verwendet werden soll. Karl geht nicht in den Penny.
Es wurde in Olivenhainen in Jerusalem geerntet, mit Jasmin und Bernstein parfümiert und in der Grabeskirche vom Patriarchen von Jerusalem persönlich geweiht. Nun ist das Öl bereit, nach Großbritannien geflogen zu werden und auf die Stirn von Charles und Camilla gesprüht zu werden.
Einige von Ihnen werden sich vielleicht über die Heuchelei eines erklärtermaßen menschenfeindlichen Monarchen empören, der behauptet, eine Verbindung zu Jesus Christus oder den wahren Werten des Christentums zu haben.
Noch mehr von Ihnen werden sich fragen, wie ein Mann, der uns so entschlossen auffordert, „der Wissenschaft zu vertrauen“, überhaupt rechtfertigen kann, zu behaupten, König zu sein, weil Gott ihn mit Hilfe des heiligen Olivenöls erwählt habe.
Und schließlich mag ein guter Teil von Ihnen darüber schmunzeln, dass seine königliche Hoheit, der Klimakrieger, die Zahl der Kinder und die Anzahl der Autofahrten einschränken will, es aber in Ordnung findet, einen Platz in einem Privatjet für magisches Salatdressing zu kaufen, mit dem er sich die Stirn einreiben kann …
Aber ihr seid alle ekelhafte Zyniker. Schämt euch.

Herr K aus O

7. März 2023 20:33

Ich, Wessi, habe in meinem Leben nie mehr als 4 Koteletts gekauft, betrachte Wokeness als gekonntes Vehikel eines globalen Ultra-Kapitalismus fand - auch als ewiger Pleitestudent - die DDR immer vor allem nicht nur als grau, sondern vor allem unfrei. Eine wirklich miese, unterdrückte Atmosphäre in Berlin, Hauptstadt der DDR. Und wie froh war ich, wenn ich wieder zurück in meiner versifften Bude in Moabit war und mir beim Türken um die Ecke noch ein Sixpack Schultheiss holen konnte. Berlin-West war frei, Berlin-Ost war unfrei. Und das hat man mit jedem Atemzug gespürt. Deswegen tut das jetzige Deutschland so weh. Bei den letzten Urlauben - ganz harmlos, nicht in Übersee sondern im umliegenden kapitalistischen Ausland - hatte ich bei der Wiedereinreise in die Republik so ein beklemmendes Gefühl, Mist! wieder im Land von Merkel & Co

Wuwwerboezer

7. März 2023 20:55

Bei uns, Leninplatz, zwei Ecken weiter war das Backwarenkombinat Berlin, kurz BAKO, im Dreischichtsystem Brot backend. In die Richtung des späteren Heinsohn-Sagers "Um Brot wird gebettelt, getötet wird für Status und Macht" hat die SED nicht gedacht: die Schichten waren vierfach abgesichert, d. h. falls die ganze Belegschaft und noch die ganze Reservebelegschaft und auch noch die ganze Reserve-Reservebelegschaft z. B. wg. Streik oder Epidemie ausgefallen wären, wären per Telefonkette Kampfgruppeneinheiten anderer Betriebe an die Teigknettröge kommandiert worden - wie ebenso:
- in den Schnapsfabriken und Bierbrauereien,- beim Zigarettenvertrieb,- in den Zeitungsdruckereien sowie den Fernseh- und Hörfunksendern, und zwar gerade auch in den U-Redaktionen.
Panem ... gerade auch dort!
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Verstehe nicht, was man gegen Lastenfahrräder haben kann, gute Sache, sollte man haben, hab seit 20 Jahren eins im Keller / Abteilung Prepper in petto!
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>> ... kraft gesunden Menschenverstandes:
Hier die Formel mit Weisheitsformat meines verstorbenen Onkels, Fleischermeister aus Gotha ("dieefsde Broviinz"):
"Liborr raäsch ün gsunt olls orrm ün grongh, gäh!"
---> Lieber reich und gesund als arm und krank!
- W.

Carsten Lucke

7. März 2023 22:22

Es gab einen Geruch in der DDR, der wohl keinem anderen je gleichkommen  und  wohl immer einzigartig bleiben wird : Der Geruch schon bei der Näherung an einen "Intershop" - erst gar nach dem Eintritt hinein.
Daß wir Ossis diesem Gespür wie jedes Raubtier, das noch bei Troste ist, gefolgt sind, spricht für uns.
Freilich : Die Verheißung war großartig. Doch sie wurde ja diesbezüglich auch erfüllt. Also : Nicht jammern !
Aber diesen Geruch hätte ich gern noch einmal ...
 

JungspundF

8. März 2023 00:07

Dieses überall beobachtbare vorwerfen von Veräumnissen der politischen Gegner, bei dem bspw. wie hier im Text den Grünen vorgeworfen wird, dass sie mehr statt weniger Kohle verbrauchen, aufhören? Ich kritisiere hierbei das zu beobachtende Prinzip.
Ein weiteres Beispiel am Beispiel von Annalena Baerbock: Sie sei eine so unfähige Frau, sie bringe Krieg statt feministische Außenpolitik, wie vorher beworben.
Letztlich sieht man nun, dass diese Frau, oh Wunder, da Forderungen auch populär in der eigenen Blase, sich diesem Vorwurf annimmt, und die ohnehin auf "Gendergerechtigkeit" ausgerichteten Kriterien noch weiter verstärkt. 
Ich bin kein Vertreter der Industriealisierung und dessen Fortschreiten, nur es ist offensichtlich im Interesse des BRD-Boomer-Klientels, dass der Konsum, auch wie im Artikel aufgezeigt, weiter geführt wird. Seit Monaten gehen Konträristen auf die Straße, welche faktisch für ungestörten Konsum wie eh und je protestieren. Nimmt man sie nun mit ihren Forderungen beim Wort, wird das auf Kosten ihrer Interessen geschehen, und doch wird genau das im verbohrten Wahn gefordert.
PS: Der Autor solle auch mal nicht so tun, dass in der DDR Qualität über Quantität stand. Auch der Marx.-Leninismus war eine Wachstumsideologie. 

Laurenz

8. März 2023 04:15

@JungspundF .... Bärbock......  Tim Kellner macht sich einen Spaß daraus, ganze Reden von Bärbock nachzusprechen. Die kriegt keinen normalen Satz sauber raus. Sie hat auch keine Kontrolle über die Wortwahl, was besagt, daß ihr Denken völlig unkontrolliert stattfindet. Das würde mit großer Wahrscheinlichkeit nicht mal für Aldi an der Kasse reichen...... Konsum.....die Grünen arbeiten nur mit Verboten & Überteuerungen für andere, nicht mit kreativen Ideen oder Technik. Unter Schröder/Fischer bekam man nicht einmal den Dosenpfand hin. Man könnte den Online-Handel radikal besteuern, weil der den Verpackungsmüll verdoppelte. Man könnte auf alle Lebensmittel & sonstige umsatzträchtige Güter standartisierten Verpackungspfand einführen. In HBs DDR gab es keine Obsoleszenzen, die verbaut wurden, könnte man verbieten, höhere Lebenslaufzeiten verordnen. Man könnte KFZ-Steuer nach Gewicht erheben, nicht nach Hubraum & weniger Vebrauch pro KG beim KFZ günstiger besteuern. Man könnte den Güterverkehr sozialisieren & den Personenverkehr individualisieren. Es passiert umgekehrt, selten dämlich, vielmehr bescheuert. So gibt es noch viele Ideen. Bei den Grünen hat man davon noch nie was gehört. Die Grünen sind Bolschewisten, keine Ökologen.

Dieter Rose

8. März 2023 08:32

@Gustav ... und die "Kirche" macht dabei mit, die nutzen jede Gelegenheit sich ad absurdum zu führen
@Herr K aus O ... es reicht schon aus der Schweiz einzureisen und die begrünten Straßenkandeln allüberall zu sehen - und die versifften Wände und Mauern und den Unrat in vielen Ecken. Von der verfehlten Politik abgesehen, die man quasi körperlich zu spüren meint.

Adler und Drache

8. März 2023 09:14

@ Carsten Lucke: Ins Schwarze getroffen! Es war wie der Eintritt in eine andere Welt ... irgendein magisches Feenreich. 

anatol broder

8. März 2023 12:26

eine rechnung von heute erinnert mich daran, dass in deutschland schnittblumen und schokolade zu dem ermässigten steuersatz (7%) verkauft werden. sie zählen also zum grundbedarf.

Laurenz

8. März 2023 15:11

@Anatol BroderEine Rechnung von heute erinnert mich daran, dass in Deutschland Schnittblumen & Schokolade zu dem ermäßigten Steuersatz (7%) verkauft werden. Sie zählen also zum Grundbedarf.......oder die niederländische Gärtnerlobby & eidgenössischen Chocolatiers schmieren gut.

H. M. Richter

8. März 2023 15:29

@Wuwwerboezer
Als ich in Ihrem Beitrag, verehrter Grambauer a.D., noch in der ersten Zeile das Wort Backwarenkombinat las, mußte ich unwillkürlich daran denken, wie ich einst, lange nach der Schulzeit, den einstigen Mitschüler *** traf, der auf meine Frage, was er denn jetzt so mache, zu meiner vollkommenen Überraschung antwortete, er sei jetzt „oben angekommen“ und zwar bei „Bhagwan“. Nun war besagter Mitschüler religiösen Neigungen gänzlich unverdächtig, er war der Sohn eines „Clubvorsitzenden“ einer DDR-Fußball-Oberliga-Mannschaft, die zwar von manchen in der Stadt gemocht, von weitaus mehr aber gehaßt wurde, und galt wie sein Vater als ausgesprochen linientreu. So war er auch nicht bei „Bhagwan“ gelandet, wie sich schnell herausstellte, er hatte lediglich obersächsisch nuschelnd von „Backwaren“ gesprochen und meinte den hiesigen VEB.

Wuwwerboezer

8. März 2023 17:21

Oft in der kleinen Armutspatriotismuswelt gehört: unser Wartburg ist eigentlich besser als der Porsche, unser Röstfein-Rondo besser als ein italienischer Espresso, unser Saale-Unstrut-Wein besser als jeder französische Premier Grand Cru und unsere "edle" Spezichron besser als eine Jaeger-LeCoultre. Der Fuchs und die Trauben. Kindlicher Trotz in Pittoreske.
Neulich erzählt mir jemand von der bedarfsorientierten Ernährungsform nach Tönnies, beinahe so armselig, zwanghaft und eigenbrötlerisch wie die Makrobiotik - wo man u. a. stolz ist, sich ohne Zwischenmahlzeit über Vormittag und Nachmittag zu retten. Dort gilt exotisches Obst als "extrem gesundheitsschädlich", ich vermute: es wird geschmäht, weil es wohl dem Erbärmlichkeitskult entgegensteht. Ab 11:02.
- W.

wbs47

8. März 2023 18:21

HB: "Wir begriffen, daß Freiheit, Recht und Demokratie, die als ethische Vollendung der Geschichte gepriesen wurden, zuallererst die politischen Mechanismen waren, die den XXL-Verbrauch utilitaristisch-ökonomisch regelten."
Man sollte bei solchen Sätzen vor dem Niederschreiben  - wie übrigens auch sonst im Leben - immer mal prüfen, ob das da so sicher Festgestellte nicht vielleicht ein wenig simpel gedacht ist!
Ich habe den "Kulturschock" gewollt ein paar Jahre vor dem unrühmlichen Ende des "wissenschaftlichen Sozialismus" - noch dazu nach vier Jahren Haft - eher als Beispiel (und Beleg) dafür erlebt, welche Kraft und Effizienz einigermaßen freiheitliche Bedingungen zu erzeugen vermögen. Und auch darum nähern wir uns gerade wieder exponentiell einer DDR 2.0 !
Im Übrigen bin ich in diesem Kommentarstrang erstmals mit RMH`s Beiträgen absolut d’accord!

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