Damit haben seit 2010 insgesamt 127 Autoren ihr Mammutwerk vollbracht und in 209 Artikeln NS-Belastete aus allen Regionen des Landes einschlägig untersucht«.
Eine reife Leistung, fürwahr. Nur für wen oder was? 209 »NS-Belastete« sind inzwischen unter das Fallbeil Proskes geraten, wofür der Prosekutor 2014 eigens den Kugelberg Verlag gründete. Der 1954 geborene Wahlschwabe, der optisch an eine Melange aus Rudolf Virchow und Roger Witthaker erinnert, wird der Öffentlichkeit als Historiker und Schulleiter vorgestellt.
Seine ihm hier zuarbeitende Korona besteht aus einem Heer an No-Name-»Wissenschaftlern«, meist tätig als subalterne Mitarbeiter obskurer »sozialwissenschaftlicher« Institute, oft mit Antifa-Background. Sämtliche ihrer exekutorischen Beiträge folgen dem immer gleichen, ermüdenden Aufbau, wie etwa am Beispiel des ehemaligen HJ-Obergebietsführers der Kurmark, Luftwaffenpiloten und späteren Fraktionsvorsitzenden der Nationaldemokratischen Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg, Werner Kuhnt, als Blaupause für sämtliche der ins Visier Geratenen, erkennbar wird.
1962 kam dieser ins oberschwäbische Biberach an der Riß und war, so Autor Christoph Kopke, »in zwei gesellschaftlichen Systemen bruchlos überzeugter Rechtsextremist, Bindeglied zwischen dem ›Dritten Reich‹ und dem Neonazismus im demokratischen Staat«. Um Kuhnt geht es hier nur am Rande. Es finden sich quälende Reihen mit Wahlstatistiken und Zitaten aus Zeitungen der 1960er Jahre oder dürftige Exzerpte aus teils über 50 Jahre alter Sekundärliteratur.
Kuhnts Herkunft, politische Sozialisierung, weltanschauliche Genese, idealistische Motivationen, persönliche Brüche oder auch Zweifel am Regime sind im Drehbuch Proskes und seiner »Jünger*innen« weder existent noch gewünscht. Wozu auch, war doch Kuhnt – wie all die anderen 209 – in der Lesart Proskes schlicht »schuldig« – basta. Schuldig auch dann, wenn sich stichhaltige Beweise hierfür nicht erbringen lassen. Eigene Recherche? Fehlanzeige. Als Quelle dienen zumeist die einschlägige Antifa-Literatur oder Informanten vom Schlage des erwiesenen Stasi-Spitzels Kurt Hirsch, bekannt auch als »IM Helm«.
Auf der Website des Kugelberg Verlages, einer virtuellen Spruchkammer, findet sich neben einem ausufernden »Täter«- und Ortsregister, nebst ausführlichen »Nachträgen«, eine dilettantische »Skala der NS-Belastung«, die offensichtlich von Proske selbst in mühevollster Puzzlearbeit erstellt wurde und die den Charme jener zerknitterten Folien aufweist, die man im Schulunterricht auf schon damals antiquierte »Overheadprojektoren« legte. Schnell wird dem Leser klar, daß der Hauptvorwurf des beinahe 70jährigen an alle von ihm post mortem Gerichteten ist, daß sie das Jahr 1945 überlebt haben; mithin eine gefahrlose Herabwürdigung Verstorbener.
Mit den Auswahlkriterien nimmt man es in Gerstetten nicht allzu genau. Schon die konfuse Aneinanderreihung der Dargestellten irritiert, denn in illustrer Galerie, gemeinsam mit schlichten Dorfpolizisten, einflußlosen Kreisgesundheitsräten, kommunalen Stadtbeamten, völlig unbekannten Ortsbürgermeistern oder Studienräten und nicht zuletzt sadistischen KZ-Schergen und skrupellosen SS-Lagerärzten, finden sich die Namen von Hugo Boss, Dornier, Kiesinger, Maier-Dorn, Noelle-Neumann, Rommel, Schleyer, Sieburg, Six und Wirsing.
Zu Martin Heidegger heißt es bei dem »Lehrer, Koch und Kulturmanager« Eggert Blum lapidar: Seine »Philosophie beruhte […] auf einer chauvinistischen, vernunft- und wissenschaftsfeindlichen und die Demokratie elitär verachtenden Weltsicht. Entsprechend nahe lag seine Wendung hin zum Nationalsozialismus […]. Als Rektor der Universität Freiburg sorgte er ergeben für Berufsverbote seiner jüdischen Kollegen«. In kaum je gesehener Chuzpe und Arroganz und mit der blasierten Selbstgerechtigkeit der Spätgeborenen versuchte hier eine Armada von 127 (!) Zuträgern eine großangelegte Denunziation ins Werk zu setzen, doch ist dieser Plan gründlich mißlungen. Es fallen auf: die unwissenschaftliche Diktion, der mafiöse Ton. In bemerkenswertem Dilettantismus werden von den berufsmäßigen Anbräunern zusammengestoppelte Wortfetzen aneinandergereiht oder wird wie besessen vom eigenen Furor nach braunem Staub gesucht, als ob es Goldkörner wären.
Proske selbst sieht sich zu keiner Zeit in der Lage, seine apodiktischen Titulierungen anhand einer wissenschaftlichen Definition des Faschismusbegriffes zu belegen, noch nicht einmal in dessen vulgärster Auslegung. Die Zuschreibungskategorie »Faschist« steht als Synonym für jeden und alles, was nicht in den sorgfältig abgesteckten Meinungskonsens der Jetztzeit paßt und aus diesem Grunde verdächtigt, denunziert und verfolgt werden darf. Ein agitatorischer Kampfbegriff also, der dann freilich nicht in eine Buchreihe gehört, die sich wissenschaftlich geriert.
Auch die Bayern dürfen sich freuen, denn die kommen als nächstes unter die Guillotine Proskes und seiner Satrapen; eine auf 20 Bände angelegte Buchreihe ist bereits konzipiert. Proske erhielt im vergangenen Jahr »für besondere Verdienste um das Land Baden-Württemberg« eine Medaille aus der Hand des Ministerpräsidenten Kretschmann.
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Wolfgang Proske (Hrsg.): Täter. Helfer. Trittbrettfahrer. NS-Belastete aus Baden-Württemberg, 10 Bde., Gerstetten: Kugelberg 2010 – 2021, je 316 S., je 23,99 €
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