Januar 1943: Geburt in Erfurt; der Vater fällt im Folgejahr.
1947 Adoption durch den Bad Sulzaer Textilfabrikanten Walter Maschke und dessen Frau Meta, 1949 Übersiedelung der Familie nach Trier in der damaligen französischen Besatzungszone.
»Revolution und Konterrevolution sind Themen seiner wissenschaftlichen Arbeiten geblieben – und der Weltbürgerkrieg, der seit zweihundert Jahren zwischen ihnen herrscht. […] Nun kann allerdings, wer im Januar 1943 zur Welt kam, die Welt nun einmal kaum anders denken denn als Kriegszustand.«
Lorenz Jäger: »Gelehrter ohne Amt. Kriegstheorie: Zum sechzigsten Geburtstag von Günter Maschke«, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung
vom 15. Januar 2003, S. 35.
1959 – 1962: Kaufmannslehre in der Trierer Filiale der Nürnberger Lebensversicherung gegenüber vom Karl-Marx-Haus.
1960: Eintritt in die DDR-finanzierte Deutsche Friedens-Union sowie in die illegale KPD. Maschke bewegt sich in alternativ-avantgardistischen Denkerkreisen rund um die »Stuttgarter Gruppe« des Philosophen Max Bense.
1964 / 65: Als Gasthörer der Universität Tübingen engagiert sich Maschke im SDS sowie beim Tübinger Ableger der »Subversiven Aktion«. Im Mai 1964 wird durch den Aufruf, revolutionsbereite Studenten mögen sich postalisch an die Privatadresse von Adorno wenden, sowie dessen darauffolgende Strafanzeige die Handlungsunwilligkeit des Kritischen Theoretikers angeprangert; für im September des Jahres anläßlich des Stuttgarter Katholikentags verklebte Plakate werden Maschke und der Publizist Frank Böckelmann festgenommen und zu 16.000 DM Schadenersatz verurteilt.
1965 – 1966: Nach abgelehnter Kriegsdienstverweigerung wird Maschke von Feldjägern der Truppe überstellt. Anläßlich einer Dienstfreistellung zwecks Zeugenaussage desertiert er über Paris und Zürich nach Wien, schreibt dort für die kommunistischen Zeitungen Volksstimme und Wiener Tagebuch.
»Mit dem Wortradikalismus in Wien hat man als aufrechter Piefke eben Probleme. Ein Österreicher ist ein Deutscher, zwar ohne dessen Mängel, aber auch ohne dessen Vorzüge. Das Wiener Talent zur kämpferischen Phrase, auf die man als Fremder erst einmal hereinfällt, hat Leo Trotzki […] großartig bloßgestellt.«
Günter Maschke: »Verräter schlafen nicht«, Kiel 2011, S. 31.
9. Oktober 1967: Nach Agitation auf einer Demonstration gegen den Vietnamkrieg kommt Maschke als »unerwünschter Ausländer« in Haft. Die drohende Abschiebung in die BRD verzögert sich – allerdings nicht aufgrund der Protestaktionen der linken Szene Wiens – um drei Wochen, dann bietet die kubanische Botschaft politisches Asyl an.
1968 / 69: Während in Europa die studentische »Revolte« offene Türen der bürgerlichen Politik einrennt, schlägt sich Maschke in Kuba als Deutschlehrer durch, verkehrt in Castro-skeptischen Literatenkreisen, wird zum Ärgernis für die Machthaber und zur Zuckerrohrernte abgestellt. Schließlich erfolgt die Abschiebung nach Spanien, von wo aus er in die BRD zurückreist und nach Grenzübertritt aus dem Zug heraus verhaftet wird.
Ende 1969 bis Ende 1970: Maschke sitzt wegen Fahnenflucht 13 Monate lang in Landsberg am Lech ein, näht im Rahmen der Häftlingsarbeit Lederfußbälle und versieht die Gefängnisbibliothek mit den Klassikern der Kritischen Theorie.
1971: Als 506. Band der edition suhrkamp erscheint, übersetzt und mit Nachwort von Günter Maschke, der Gedichtband seines kubanischen Freundes Heberto Padilla, Außerhalb des Spiels. Der in einem Stück verballhornte Jürgen Habermas droht Suhrkamp-Chef Siegfried Unseld mit Verlagsboykott, woraufhin dieser Nachdrucke untersagt, die Restauflage aber verramschen läßt und so für größtmögliche Verbreitung sorgt.
»Wir sahen den Niedergang der Parlamente
und den geflickten Arsch des Liberalismus.«
Heberto Padilla: »Rede zum Ende des Jahr-
hunderts« (1968), in: ders.: Außerhalb des Spiels, Frankfurt a. M. 1971.
1973: Bei S. Fischer in Frankfurt erscheint Maschkes Abrechnung mit den auf der bundesrepublikanischen Linken verbreiteten Legenden über die kubanische Revolution, Kritik des Guerillero. Zur Theorie des Volkskriegs. Im selben Jahr beginnt eine kurzzeitige Autorentätigkeit für das Kulturressort des Hessischen Rundfunks sowie die »feste freie« Mitarbeit bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, die zwölf Jahre andauern wird.
1979: In der Wochenendausgabe vom 24. /
25. März der Süddeutschen Zeitung bespricht Maschke das im Vorjahr erschienene Buch Tendenzwende für Fortgeschrittene von »Armin Mohler […], der eigenwilligste und intellektuell überraschendste Sprecher der nationalkonservativen Rechten in der Bundesrepublik«, was die beiden einander zuvor ablehnend gegenüberstehenden Männer zusammenführt und Maschkes Weg nach rechts deutlich voranbringt.
»Ich wurde dann immer konservativer, habe schließlich eine theoretische Basis für meine Affekte
gesucht […]. Es gibt nun einmal Mentalitäten, welche ihre Theorien suchen, um ihre Erfahrungen interpretieren zu können.«
»›Ich war eigentlich von Jugend an immer ›dagegen‹ …‹ Gespräch mit Günter Maschke«, in:
Claus‑M. Wolfschlag (Hrsg.): Bye-bye ’68 …
Renegaten der Linken, APO-Abweichler und allerlei Querdenker berichten, Graz / Stuttgart 1998,
S. 29 – 48, hier S. 42.
1980: Als Ausgründung des Deutschen Ärzte-verlags in Köln entsteht der Hohenheim Verlag, dessen Programm zur Hälfte Günter Maschke im Rahmen seiner eigenen »Edition« anvertraut wird. Bereits Ende 1982, nach 19 Büchern, findet die Unternehmung ein Ende – die Neuherausgabe von Carl Schmitts Leviathan mit einem ausladenden Nachwort Maschkes hat die Nerven der Geldgeber überstrapaziert.
1985: Im Sammelband Inferiorität als Staatsräson erscheint erstmals Maschkes fulminanter und mehrmals nachgedruckter Aufsatz »Die Verschwörung der Flakhelfer«.
Schicksalhaft wird das Jahr allerdings vor allem aufgrund des Versterbens von Carl Schmitt: Maschkes Nachruf in der FAZ sorgt für einen kleinen publizistischen Skandal, und der oberste »Verfassungspatriot« Adolf Sternberger sieht sich zu einem Gegennachruf veranlaßt, woraufhin Maschke seine Arbeit für die Zeitung beendet.
1987: In der Debütausgabe der Buchzeitschrift Der Pfahl. Jahrbuch aus dem Niemandsland zwischen Kunst und Wissenschaft erscheint Maschkes Essay »Sterbender Konservativismus und Wiedergeburt der Nation« – ursprünglich geschrieben für die 100. Ausgabe von Criticón, doch von diesem bereits zunehmend betulich werdenden Hausblatt der konservativen Intelligenz letztlich als zu scharf abgelehnt.
Die römische Zeitschrift Behemoth veröffentlicht auf italienisch Maschkes Erledigung der Carl-Schmitt-Kritik Jürgen Habermas’, »Sankt Jürgen und der triumphierende Drache«. Parallel erscheint der Text beim Wiener Verlag Karolinger in Der Tod des Carl Schmitt. Apologie und Polemik (2., durchges. u. erw. Ausg. 2012). Der Band begründet die 35 Jahre währende Zusammenarbeit zwischen Autor und Verlag.
1989: Für den Weinheimer Verlag VCH gibt Maschke die Schriften von Juan Donoso Cortés heraus. Das wegweisende Buch wird seither in wechselnden Verlagen neu aufgelegt.
»Auch vierzig Jahre der Repression haben nicht genügt, solche Ideen zum Verschwinden zu bringen. Bei Ideen hilft nicht verbieten, sondern nur widerlegen.«
Peter Glotz: Die deutsche Rechte. Eine Streit-
schrift, Stuttgart 1989, S. 39.
1990: Maschke nimmt für eine zweijährige Lehrtätigkeit als Dozent für Kriegsgeschichte den Ruf an die Hochschule der peruanischen Marine in La Punta an.
1993: In der legendären Festschrift Politische Lageanalyse zum 70. Geburtstag des Politikwissenschaftlers Hans-Joachim Arndt erscheint Maschkes historisch-strategische Studie »Das bewaffnete Wort« über die peruanische Guerillagruppe »Sendero Luminoso«.
1995: Bei Carl Schmitts langjährigem »Hausverlag« Duncker & Humblot in Berlin erscheint Maschkes erster Sammelband thematisch geordneter und akribisch kommentierter Schmitt-Schriften, Staat, Großraum, Nomos. Arbeiten aus den Jahren 1916 – 1969. Zehn Jahre später folgt ihm Frieden oder Pazifismus? Arbeiten zum Völkerrecht und zur internationalen Politik 1924 – 1978.
1997: Bei Karolinger erscheint Maschkes – neben Der Tod des Carl Schmitt – einzige Werkschau: Das bewaffnete Wort. Aufsätze aus den Jahren 1973 – 93.
1998: Zum Jahresende wird im Namen der Ex-SDS-Angehörigen Horst Mahler, Reinhold Oberlercher und Günter Maschke eine »Kanonische Erklärung zur Bewegung von 1968« veröffentlicht, die in Anknüpfung an einen Streit in neulinken wie ‑rechten Kreisen die westdeutsche Studentenbewegung in eine nationalrevolutionäre Tradition einzureihen versucht. Späteren Aussagen Maschkes zufolge war die »Erklärung« einzig Oberlerchers Werk; sein Name sei ungefragt hinzugefügt worden.
»Die 68er Bewegung steht nicht für die Amerikanisierung der Welt, nicht für die Zerstörung der Völker und der Familien durch Kommerzialisierung von allem und jedem, nicht für die Ausbreitung von Job-Mentalität, schlechter Musik, Pornographie, Rauschgift, Kapital, Verbrechen und Kapitalverbrechen – sie steht für das Gegenteil.«
Horst Mahler, Günter Maschke, Reinhold Oberlercher: »Kanonische Erklärung zur Bewegung von 1968«, in: Staatsbriefe 1 / 1999, S. 16.
November 2008: Nicht etwa in Deutschland, sondern im spanischen Murcia erscheint als Sonderausgabe des politikwissenschaftlichen Periodikums Empresas Políticas, an dem Maschke mitarbeitet, eine Festschrift zu dessen 65. Geburtstag. Freunde und Weggefährten – vom Schmitt-Vertrauten Gerd Giesler über den Kulturjournalisten Stefan Dornuf bis hin zum Historiker Ernst Nolte – zelebrieren auf mehr als 350 Seiten das Werk des Jubilars.
»Aufgrund seines Interesses für spanische politische Denker wie Álamos de Barrientos, Saavedra Fajardo, Donoso Cortés, Conde und Fueyo ist Maschke in Spanien zu einer Referenzperson geworden.«
Fabian Altemöller: Die spanische extreme Rechte
zwischen Metapolitik und Politik. Eine Analyse der
Situierung der Nueva Derecha und der Adaption der Nouvelle Droite, Berlin u. Münster 2017, S. 282.
2011: Im Kieler Regin-Verlag erscheint ein Langinterview mit Maschke als vorzeitige Lebensbilanz, »Verräter schlafen nicht«, sowie bei Duncker & Humblot der von Maschke herausgegebene und kommentierte Schmitt-Aufsatz Staatsgefüge und Zusammenbruch des zweiten Reiches. Der Sieg des Bürgers über den Soldaten.
7. Februar 2022: Drei Wochen nach seinem 79. Geburtstag stirbt Günter Maschke in Frankfurt am Main. Eine in der FAZ geschaltete Traueranzeige mit Unterzeichnern von Alain de Benoist über Erik Lehnert und Frank Böckelmann bis Martin Mosebach sorgt bei der Süddeutschen Zeitung für Panik vor »alten und neuen Netzwerken, in Trauer vereint«.