Ein Gespräch über Erhart Kästner

Erhart Kästner: Natürlich denkt die Hälfte jetzt an "Emil und die Detektive" und an "Pünktchen und Anton".

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

Die schlaus­ten Schlau­ber­ger schrei­ben zusätz­lich in die Kom­men­tar­spal­te, daß der Mann Erich hei­ße, nicht Erhart.

Bloß: alles falsch! Erhart Käst­ner heißt so, weil es ihn gab. Er wur­de 1904 gebo­ren und starb 1974. Er stu­dier­te Biblio­theks­we­sen, war vor dem Krieg in Dres­den an der Säch­si­schen Lan­des­bi­blio­thek (die am 13. Febru­ar 1945 zu Asche ver­brann­te, also fast zwei Mil­lio­nen Bän­de) und Sekre­tär bei Ger­hart Hauptmann.

Im Krieg selbst gab er kei­nen schar­fen Schuß ab, son­dern war auf dem grie­chi­schen Fest­land und spä­ter auf Kre­ta und Rho­dos mit dem Son­der­auf­trag unter­wegs, den deut­schen Besat­zungs­sol­da­ten in Büchern und Vor­trä­gen das Land näher­zu­brin­gen, das sie besiegt hatten.

Frucht die­ser Arbeit sind sei­ne Bücher Kre­ta. Auf­zeich­nun­gen aus dem Jahr 1943 sowie Ölber­ge, Wein­ber­ge.

Im Mai 1945 kas­sier­ten ihn die Bri­ten auf Rho­dos ein, und Käst­ner ver­brach­te die Jah­re bis 1947 als Kriegs­ge­fan­ge­ner in der Wüs­te Tumi­lat zwi­schen Kai­ro und dem Roten Meer. Dort erfuhr er von der Zer­stö­rung Dres­dens und sei­ner Hei­mat­stadt Augs­burg und vom Tode Hauptmanns.

Über die­se Jah­re in Kriegs­ge­fan­gen­schaft schrieb Käst­ner eines sei­ner stärks­ten Bücher: Das Zelt­buch von Tumi­lat.

Heim­kehr, Ord­nung der Ange­le­gen­hei­ten, Füh­ler aus­ge­streckt: Von 1950 bis 1968 beklei­de­te Käst­ner das Amt des Direk­tors der berühm­ten Her­zog August Biblio­thek zu Wol­fen­büt­tel, der Wir­kungs­stät­te von Leib­nitz und Les­sing. In die­sen Jah­ren erschien die Fül­le sei­ner eigen­stän­di­gen Werke.

Käst­ner unter­nahm vie­le Rei­sen nach Grie­chen­land (Zeug­nis sind die bei­den herr­li­chen Bücher Die Ler­chen­schu­le sowie – mein liebs­tes – Die Stun­den­trom­mel vom Hei­li­gen Berg Athos). Er hei­ra­te­te spät, kor­re­spon­dier­te episch (unter ande­rem mit Mar­tin Heid­eg­ger, für den er viel tat), sam­mel­te moder­ne Kunst, ver­starb über­ra­schend früh schon mit 69.

Sei­ne lei­der nicht mehr im Buch­han­del erhält­li­che “Phi­lo­so­phie” über den Auf­stand der Din­ge soll­te man sich anti­qua­risch sichern. Die Kul­tur­kri­tik dar­in wird fei­ner und dunk­ler vor­ge­tra­gen, lei­den­der und den­noch glück­li­cher als bei vie­len, die auch irgend­ei­ner Zeit nachtrauern.

Das alles ist jeden­falls Stoff genug für ein inter­es­san­tes Gespräch. Es lief gut: Schau­en Sie hier!

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

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Kommentare (17)

MARCEL

28. Februar 2023 11:31

In der "Stundentrommel" äußert sich Kästner nach meinem Empfinden ziemlich herablassend über die dort verbliebenen russischen Mönche, während er die Hellenen in den Himmel hebt. 
 

links ist wo der daumen rechts ist

28. Februar 2023 13:10

„Guter Stil hat mit Nächstenliebe zu tun.“
 
Auf die Sendung freue ich mich ohne Einschränkungen.
Kästners „Aufstand der Dinge. Byzantinische Aufzeichnungen“ (mit der „Lerchenschule“ als Vorläufer) ist fürwahr ein Meisterwerk: alltägliche Beobachtungen, tiefe Einsichten in das Verhältnis von Macht und Glauben, Selbstzweifel und Zuversicht. Hier hat er sich tatsächlich – auch von früheren Stilisierungen – freigeschrieben, darin vergleichbar Benns „Parlando“-Gedichten oder gar der Gelassenheit des alten Heidegger. Jüngers Stil hingegen blieb für mich immer ein Gottesdienst in kalten Kirchen, er selber zeitlebens ein konservativer Bürgerschreck, keine Spur von den von Kästner beschriebenen Bodenmosaiken in einer kleinen griechisch-orthodoxen Kirche, die sich dem vom Wandern erschöpften Fuß anschmiegen…
Ganz unbescheiden darf ich hier auf einen längeren Kommentar von mir verweisen:
https://sezession.de/61495/zweierlei-spektakel#sez-comments

links ist wo der daumen rechts ist

28. Februar 2023 13:34

„Guter Stil hat mit Nächstenliebe zu tun“ 2
 
Kurzer Nachtrag:
Guter Stil findet das Gleichmaß aus Einsicht und Abschweifung, gedanklicher Tiefe und Lebensfreude, Zuversicht und Zweifel.
Kurz: eine Stimme von Gewicht ist nie laut. Auch ein tastender Schritt kann ein sicherer sein.
In diesem Sinne einmal uneingeschränktes Lob für den Kommentariatskollegen @ Adler und Drache. Man lese seine beiden Kommentare hier
https://sezession.de/67194/zum-tod-von-clemens-arvay-1980-2023#sez-comments
-  und wird wissen, was ich meine.

Adler und Drache

28. Februar 2023 15:06

Huch! Vielen Dank!

Adler und Drache

28. Februar 2023 16:40

Seit "Finis Germania" bin ich froh, dass ich nicht jede Schlaubergerei in die Kommentarspalten schreibe, und sage mir, die wern schon wissen, was se machen. 

Kurativ

28. Februar 2023 19:06

Ich kannte Erhart Kästner nicht. Daraufhin schaut man mit der Feuerzange behändet also im Wikipedia nach. Und man wird auch fündig. Aber zunächst wird man bei dem US-Unternehmen Gugel mit dem ersten Sucheintrag auf den anderen Kästner in die falsche Richtung geleitet.
Beim Artikel von Erhart Kästner auf Wikipedia wird dann jeder brave Unwissende vom links-transatlantischen Kollektiv fündig: Wichtig sind dann natürlich die üblichen Reliquien des US-gesteuerten Schult-Kultes gegenüber Deutschland und den Deutschen, wie die NSDAP Parteinummer 7.836.345. Sauber mit Tausendertrennzeichen aufgeführt, um salopp gesagt den Massenmord aller Deutschen aller Zeiten bis in aller Ewigkeit eindrücklich vor Augen zu führen (wie man einen elenden Hund mit der Nase auf seine falsch platzierte Notdurft drückt und verprügelt).

Franz Bettinger

1. März 2023 01:24

Weiß nicht, ob die Anekdote passt. Ich versuche's mal: Vor kurzem traf ich einen ehemaligen Freund, den ich lange nicht gesehen hatte, an einem Kaffee-Stand wieder. Kees sagte, nach dem üblichen "How are you...": „Wenn nur der Verrückte in Moskau nicht wäre!“ Ich überlegte kurz, dann gab ich zu bedenken: „Was glaubst du, wieso Millionen Russen Putin unterstützen, und anscheinend auch Millionen Inder & Chinesen?“ Der Holländer schien überlegen zu wollen, also fuhr ich fort: „Na ist doch klar, Kees. Die sind alle hirngewaschen. Diesen Chinesen, Inder und Russen - denen hat die Moskauer Propaganda eingeredet, Putin's Sache sei eine gerechte.“ Kees überlegte weiter. Ich fuhr fort: „Die haben gar eine Zeitung, die sich 'Pravda' nennt, die Wahrheit. Wie peinlich!“ Kees bekam Furchen auf der Stirn; ich fuhr fort: „Pravda, ha, das klingt fast wie Jacinda Ardern's Wahrheits-Ministerium; oder: Fakten-Checker. Ah, wie gut dass wir, also der Westen, diese wertvollen Institutionen haben.“ Kees vertiefte sich schlürfend in seinen Kaffee und schwieg.

Nemo Obligatur

1. März 2023 09:16

Dieser Kästner sagt mir nichts. Ich werde daher heute Abend auf jeden Fall zuschauen, um eine Bildungslücke zu schließen. Sein Lebenslauf klingt schon mal interessant. Wobei - gab es einen Menschen aus jener Zeit, der keinen bewegten Lebenslauf hatte? 

Dieter Rose

1. März 2023 12:03

Lesen Sie "diesen" Kästner, dann wird er zu "Ihrem" Kästner, hoffe ich wenigstens. Und wenn Sie nur griechische Kultur und Sonne für sich aufnehmen.

Kurativ

1. März 2023 19:54

Schade, dass man das Video nicht in Echzeit bei Youtube kommentieren kann

Kositza: Woran scheitert´s? Eigentlich sollte das doch funktionieren?

Nachtspeicher

1. März 2023 21:18

Sorry, schnell ist eben nicht schlau. Bei Erhart Kästner habe ich neu dazu gelernt und bin ein bisschen schlauer. Besten Dank. :)

RMH

2. März 2023 09:56

Danke für die Sendung gestern! Das war wieder wirklich sehr gut.
Für die nächste Saison im kommenden Herbst/ Winter fände ich es spannend, wenn das literarische Duo auch einen noch lebenden Autor mit in das Programm aufnimmt.

Nemo Obligatur

2. März 2023 10:59

Danke für die Sendung. Ich konnte dazulernen.
Am meisten vielleicht an unerwarteter Stelle. Dass sich GK mit Uwe Johnsons "Mutmaßungen über Jakob" schwergetan hat, ist nachvollziehbar. Ein faszinierendes, doch mühsam zu lesendes Buch. Tellkamp hält dagegen auf Johnsons Jahrestage große Stücke. 
Dieses nie endende, faszinierende Gespräch über Literatur - das ist das Wesentliche. Sozusagen der Sinn unseres Lebens, bevor es im Alter dann wieder Richtung Kindheit, Herkunft, Religion geht. Aber ich komme ins Schwafeln ... :-)

Pferdefuss

2. März 2023 14:58

Nicht nur Schneisen und Lichtungen, sondern auch Sackgassen, Um- und Irrwege, führen mich immer wieder überraschend zu jemandem, dem ich nur als Randerscheinung begegnet bin, der aber überraschend ein wichtiger Weggefährte wird und - bleibt. 
So auch Erhart Kästner. Über Kreuzungen Dresden, Landesbibliothek Sachsen, Wolfenbüttel, Gerhard Hauptmann, Erich Kästner (Fehlalarm), Arthos (Frauenverbot). 
Das rein männliche Gespann Lehnert/Kubitschek ('Anstoßen') ist zum Markenzeichen geworden, uns vergangene, vergessene, zumeist zeitlose Werke und Persönlichkeiten anzutragen. Das gelingt ganz vorzüglich. Prost! 
Wäre für Antaios/Sezession/Schnellroda vielleicht auch eine Art erweitertes Antiquariat vernachlässigter Lektüre durch Tausch, Kauf, Verkauf, Schenkung -  eine Option, konservative Werte Wiederentdecken, Lesen, Forschen, Vertiefen, Sammeln, Vererben zu fördern? 

Heinrich der Seefahrer

2. März 2023 18:16

Danke auch für diese Sendung. Ich kannte Kästner nur über seine Literatur oder auch Dichtkunst. Eine feine, bis in den letzten Satz ausformulierte Literatur. Einfach schön in Sprache und Inhalt. Was für mich neu war ist sein Hang für die moderne Kunst bis hinein in die beschrieben Ausgestaltung seines Hauses. Diesen Widerspruch konnten auch die geschätzten Moderatoren nicht klären.

Hesperiolus

3. März 2023 10:17

Sehr gelungenes Literaturgespräch. - Zum Saharischen der modernen Malerei, dem Bogen von Tumilat zu Klee, sei nebenbei in dem vorgewiesenen Reiseessay Gerhard Nebels „Die Reise nach Tuggurt“ auf S. 147 f. hingewiesen, „Auseinanderschlagung“ der überlieferten Dingwelt, „Abbau“ jener „Dingseligkeit der letzten Jahrhunderte“. „Malen heißt heute nicht mehr Welt schaffen, sondern Male der Weltlosigkeit errichten“. Heideggers „saharisches Denken“ - ? Überhaupt das gedankenreiche „Schwermut“-Kapitel. Zu Klee sowieso der andere Gesprächspartner Kästners, Heidegger. - Annäherung an Klee gelingt m.E.n. kaum über Wiedergaben und Abbildungen, sondern wohl nur in unmittelbarer Werkbegegnung. Ohnehin, Begegnungen mit Kunst repetitiv-lebensräumlich, nicht museal-minutenweise. - Zu Kästners“Nachsommerhaus“ in Staufen die, erinnere hier kurz erwähnte, Schrift von Arnold Stadler. Pirmin Meier fehlt! 

Franz Bettinger

5. März 2023 22:39

@Hesperiolus. Da Sie nachfragten: Maiordomus ist wohlauf, aber sehr beschäftigt mit seinem nächsten Buch „Berghumanisten“. Ciao.