Der prominenteste Spenglerianer in den USA ist Henry Kissinger. In seiner Stellung als nationaler Sicherheitsberater Richard Nixons und als Außenminister war er geradezu die Verkörperung des Spenglerschen Tatsachenmenschen. Er widmete Spengler in seiner voluminösen Abschlußarbeit Die Bedeutung der Geschichte ein eigenes Kapitel unter der Überschrift „Geschichte als Intuition“. Seine Betrachtung bewegt sich im Spannungsfeld zwischen dem Geschichtsdeterminismus Spenglers und dem Freiheitsbegriff von Immanuel Kant. Seine jugendliche Begeisterung für Kants politische Schriften hätte Kissinger vielleicht zu Wilsonschen Ansichten von Amerikas Mission und Interessen führen können, statt dessen wandte er sich den Fürsten Metternich und Bismarck zu – den beiden größten Praktikern der Machtpolitik. Daß Kissinger sich nicht zum Verfechter der idealistischen Position, wie sie heute vor allem von den neokonservativen Theoretikern vertreten wird, entwickelt hat, verdankt sich nicht zuletzt einer grundsätzlich pessimistischen Anthropologie, die für alle Vertreter der realistischen Schule kennzeichnend ist. Prof. Stanley Hoffmann, ein Bekannter aus Studententagen, wußte zu berichten: „Henry schien, in seiner Melancholie, stets mit dem Geist von Spengler an seiner Seite herumzulaufen“.
Auch andere einflußreiche politische Praktiker in den USA waren von Spengler fasziniert. George F. Kennan lernte Spenglers Schriften 1926 bei seinem Deutschlandaufenthalt in Berlin und Heidelberg kennen. Paul Nitze, der von 1963 bis 1967 an der Spitze des Marineministeriums gestanden und acht Präsidenten in verschiedenen Funktionen, zuletzt Ronald Reagan, gedient hatte, gab Ende der dreißiger Jahre seine Tätigkeit an der Wall Street auf und beschäftigte sich in Harvard intensiv mit dem Untergang des Abendlandes. Spengler machte großen Eindruck vor allem bei politischen Realisten und traditionellen Konservativen, die sich schon im Grundsätzlichen vom Optimismus und Moralismus der Neokonservativen unterscheiden. In einer kritischen Buchbesprechung des vom neokonservativen Vordenker Robert Kagan verfaßten Titels Paradise and Power im American Conservative empfahl der Rezensent dem amtierenden Präsidenten Bush, er solle nach dem Irakkrieg statt den essayistischen Schriften seiner neokonservativen Berater zu folgen, lieber zu den Schriften von Oswald Spengler greifen. Von Spengler könne der Präsident lernen, daß Imperialismus eine Folgeerscheinung der kulturellen Dekadenz sei und in seiner Konsequenz in die Barbarei führe. Daß man aus Spenglers Ausführungen auch lernen könnte, daß der neue Cäsarismus das zwangsläufige, und daher unabwendbare, Endstadium einer jeden Zivilisation darstellt, verschweigt der Autor allerdings.
Insgesamt kann der Pessimist Spengler kaum die Rolle des konservativen Vordenkers ausfüllen. Das zeigt auch das Pamphlet des rechtskonservativen mehrfachen Präsidentschaftskandidaten Patrick Buchanan. Buchanans Buch The Death of the West ist schon im Titel an Decline of the West angelehnt, die englische Übersetzung von Spenglers Untergang des Abendlandes. Anders als Spengler kennt Buchanans Abgesang auf den Westen, der sich durch Geburtenschwund und Masseneinwanderung selbst zugrunde richte, allerdings einen Schuldigen, nämlich die Frankfurter Schule und die aus ihr hervorgegangene Neue Linke, deren Protagonisten somit zu Akteuren von welthistorischem Format aufgeblasen werden. Nichts könnte dem Kulturpessimismus Spenglers, der für Intellektuelle nur Verachtung übrig hatte, ferner stehen. Den Niedergang als Fatum zu akzeptieren, kann verständlicherweise für die traditionelle christliche Rechte der USA kein attraktives ideologisches Fundament bieten. Somit beschränkt sich die Rezeption lediglich auf bestimmte Elemente der Spenglerschen Weltsicht, insbesondere auf die These von der kulturellen Degeneration des Westens.
Intensiver wurde Spengler allerdings im Lager der politisch kaum relevanten, extremen amerikanischen Rechten studiert. Für diesen Rezeptionsstrang steht wie kein zweiter der Name des Juristen Francis Parker Yockey, der sich selbst als legitimen Nachfolger Spenglers ansah. Sein kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs verfaßtes Hauptwerk Imperium – The Philosophy of History and Politics, das er Adolf Hitler widmete, folgt der Spenglerschen Theorie mitunter bis ins Detail und fordert folgerichtig ein großes europäisches Imperium als krönenden Abschluß der abendländischen Kulturentwicklung. Mit der „europäischen Revolution“ von 1933 sei ein erster Schritt in diese Richtung erfolgt. Ein mächtiges Hindernis auf diesem sehr spezifischen Weg zur europäischen Einheit sah der Antisemit Yockey vor allem im „Semitismus“ kleiner „kulturentstellender“ Gruppen Rußlands und Amerikas, wobei beide Länder ohne diese „Kulturverderber“ wohl durchaus zum abendländischen Imperium Yokkeys dazugehören könnten. Die große kulturpessimistische Verachtung der „Händler“ und des „Wuchers“ ließen Yockey dann auch aus dem Lager der streng antikommunistischen amerikanischen Rechten ausscheren und zu einer verhalten positiven Bewertung der Sowjetunion gelangen.
Die Übernahme der kulturellen Dekadenzthese ist nicht auf die amerikanische Rezeption beschränkt. Auch und gerade außerhalb des Westens wird ein spezifisches Phänomen heftig kritisiert, das jüngst unter dem Begriff „Okzidentalismus“ gefaßt wurde. Damit sind vor allem die klassischen kulturkonservativen Ressentiments gegenüber der materialistischen und ethnisch gemischten Großstadt, gegenüber der „Seelenlosigkeit“ von Aufklärung und Wissenschaft sowie gegenüber dem gesetzten Wirtschaftsbürgertum und der „Gottlosigkeit“ der Moderne gemeint. Es handelt sich bei diesen Verächtern des Westens überwiegend um urbane Intellektuelle, nicht etwa um traditionell lebende Bauern oder Krieger. Bin Laden hatte eine Bauingenieurausbildung genossen, bevor er zum Al Quaida-Chef aufstieg und bei den Attentätern des 11. September handelte es sich ebenfalls um gebildete junge Männer und nicht um arabische Ziegenhirten. Eines der bekanntesten Beispiele für diesen Typus ist sicher der islamistische Vordenker Said Qutb, der 1948 eine Weile in New York lebte, wo er sich besonders über die sexuelle Freizügigkeit und die Israelfreundlichkeit der Amerikaner erregte. Ihren Ursprung haben diese Ressentiments in ihrer intellektuellen Ausformung in Europa, und hier vor allem in Deutschland. Die Gegengifte der Aufklärung, die in Europa entstanden, wurden später in andere Teile der Welt exportiert. Dort treten sie dem Westen heute als vermeintlich fremdartige Phänomene entgegen.
Auch im Kontext des Islamismus spielen kulturkonservative deutsche Philosophen und Schriftsteller eine besonders bedeutsame Rolle. In dem traditionell mit Buchübersetzungen äußerst sparsamen arabischen Raum gab es immerhin schon in den zwanziger Jahren Übersetzungen von Ernst Jünger. Der Panarabismus der Baath-Partei war stark vom ethnischen Nationalismus deutscher Provenienz beeinflußt. Allerdings verlief die Spengler-Rezeption allgemein recht selektiv und oberflächlich. Meist wird die Dekadenzthese lediglich in bezug auf den Westen übernommen. Abdelhaq Layada etwa, ein algerischer Karosserieschlosser, dessen „Bewaffnete Islamische Gruppe“ (GIA) 1993 viele Algerier aus der Mittelund Oberschicht tötete, berief sich in einem Interview mit der Zeitung Al Schahada im März 1993 auf Spengler, da dieser den „Niedergang des Westens“ bestätigt habe. Bei näherer Betrachtung sind dagegen Spenglers Kulturrelativismus und die Doktrin des Islam kaum miteinander zu vereinbaren. Der Muslim glaubt, genau wie der Christ, an die Unvergänglichkeit der Handlungen und Errungenschaften des Menschen sowie ein festes Ziel des individuellen und kollektiven Geschichtsverlaufes, den Tag der Auferstehung und des Gerichtes mit all seinen geschichtsphilosophischen Implikationen. Spenglers am „Antichristen“ Nietzsche orientierte fatalistische Sicht des Geschichtsverlaufes könnte ein gläubiger Muslim niemals akzeptieren.
Layadas Hinweis auf Spengler steht stellvertretend für Dutzende entsprechende Hinweise auf einschlägigen Websites, auch von gemäßigten Muslimen. Im populären Bewußtsein außerhalb Deutschlands und Europas scheinen Spengler und der Niedergang des Westens fast standardmäßig in einen wenngleich oberflächlichen Zusammenhang gebracht zu werden. In der renommierten Asia Times etwa schreibt ein Autor unter dem Pseudonym „Spengler“ schon seit Jahren seine ätzenden Betrachtungen zur Weltpolitik, und insbesondere zum demographischen Niedergang Europas nieder, ohne daß dies auf dem alten Kontinent ernsthaft rezipiert würde.
Daß eine unterschwellige, nicht klar quantifizierbare Rezeption der Spenglerschen Thesen auch bei einem breiteren amerikanischen Publikum existiert, wird schon anhand eines Blicks auf die amerikanische Presselandschaft deutlich. Am Rand der großen Debatten treten dort bestimmte Verweise, Diskussionen und direkte Bezüge auf Spengler sporadisch an die Oberfläche. Mit der Leserbriefüberschrift „Spengler was right“ reagierte im September 1996 ein Leser des Spectator auf eine gegen Spengler gerichtete Polemik mit einer genauen Darlegung und Richtigstellung der von Spengler vorgelegten Zeittafeln und ihrer Übereinstimmung mit der eingetretenen Entwicklung. In einem weiteren Leserbrief wurde die Ignoranz gegenüber dem Werk Spenglers angeprangert, der schon in den dreißiger Jahren die heutige Situation vorausgesagt habe. Spenglers Prophezeiung von der Allianz der Unterklassenanarchie und dem Aufstand der farbigen Völker sei eine exakte Vorwegnahme der gegenwärtigen Bewegung für eine antirassistische und multikulturelle Gesellschaft. In einem langen Artikel der Kansas City Post vom 4. Dezember 2004 wird die christliche Apokalypse, die im Ideengut der religiösen Rechten einen großen Stellenwert besitzt, in ein Verhältnis gesetzt mit der Gestalt der von Spengler beschriebenen Spätzivilisation. Der Autor sieht in der Gegenwart deutliche Zeichen für die Erfüllung der Spenglerschen Prophezeiung.
Der demographische Niedergang Europas und das Anwachsen muslimischer Minderheiten in Europa werden, Spengler folgend, in Analogie zur Entvölkerung und Neubesiedlung des römischen Territoriums in der Spätantike interpretiert. Nach dem 11. September konstatierte Oliver Bennett im New Statesman, der Pessimismus sei zur vorherrschenden geistigen Grundhaltung aufgestiegen und hätte die Progressionstheorien der Aufklärung endgültig abgelöst. Diese geistige Depression habe bereits in den sechziger Jahren eingesetzt und seine wichtigsten Vordenker seien Oswald Spengler und Sigmund Freud. Gerade in akademischen Kreisen blühe der intellektuelle Pessimismus in Form der postmodernen Wertekritik, der sich zu einer der mächtigsten Kräfte des herrschenden Zeitgeistes aufgeschwungen habe. Der intellektuelle Optimismus sei in die Defensive geraten. Francis Fukuyama sei mit seiner These vom Ende der Geschichte einer der letzten einflußreichen, gegen den Strom der Degenerationstheoretiker schwimmenden Denker.
Fukuyama mag zunächst tatsächlich als liberaler Gegenpol zur spenglerschen Geschichtsbetrachtung erscheinen. Bei genauerer Betrachtung zeigen sich jedoch gerade in seinen neuesten Arbeiten Parallelen zu Spenglers zyklischer Geschichtsbetrachtung. Der Optimismus von Fukuyama ergibt sich nicht wie unterstellt aus einem einseitig linear-progressiven Geschichtsbild, sondern daraus, daß er von kürzeren Zyklen der kulturellen Degeneration und sittlichen Erneuerung ausgeht. Der Prozeß, der bei Spengler ein Millenium umfaßt, ist bei Fukuyama auf hundert bis hundertfünfzig Jahre verkürzt. In seinem 1999 erschienenen Buch Der Große Bruch beschreibt Fukuyama die Dekadenzerscheinungen der westlichen Gesellschaft, den Rückgang der Geburtenraten, den Anstieg der Kriminalität, den Verfall der Familie und den Verlust von Sozialkapital. Eine ähnliche Entwicklung habe sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vollzogen, die dann durch neue Formen der sozialen Disziplinierung in der Viktorianischen Ära überwunden worden sei. In den fünfziger Jahren habe der in den zwanziger Jahren erst nur in der Elite einsetzende moralische Bruch langsam die gesamte Gesellschaft erfaßt, die Gegentendenzen seien jedoch schon klar erkennbar und würden in der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts quasi zu einem neuen Viktorianischen Zeitalter führen, womit erneut ein kulturhistorischer Zyklus seinen Anfang nehme.
Ein von dem Fukuyamas abweichendes Zyklenmodell legte der Historiker Paul Kennedy in seinem Werk Aufstieg und Fall der großen Mächte dar. Kennedy sieht die Weltgeschichte als ewigen Prozeß des Auf- und Abstiegs von Großmächten, bedingt durch die Spannung zwischen der Begrenztheit ökonomischer Ressourcen und die Anforderungen hegemonialer Expansion. Der Niedergang eines Reiches kann durch geschickte Politik zwar hinausgezögert, jedoch langfristig nicht verhindert werden. Kennedys Argumenten kam in der Abrüstungsdebatte und der Diskussion über die Überforderung des US-Haushalts und der amerikanischen Wirtschaft besonders in der Clinton-Ära eine gewisse Bedeutung zu.
Neben Vorstellungen von kultureller Degeneration und der Popularität zyklischer Geschichtsbilder gewann noch ein drittes Element des spenglerschen Denkens seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs an Bedeutung. Der Kulturdeterminismus, also die Vorstellung, daß alle politischen, ökonomischen und ideologischen Entwicklungen durch einen kulturellen Rahmen mehr oder weniger vorgegeben sind, korrespondiert dabei mit dem Kulturrelativismus, der Idee nebeneinander existierender Wertesysteme, die nur aus sich selbst heraus verstanden werden dürfen und einen universellen Wertekonsens unmöglich machen. Für viele „Okzidentalisten“ ist der Kulturrelativismus anziehend, weil sich durch seine Brille die Dominanz des Westens und die Globalisierung als kulturell fremde Ausläufer der „abendländischen Kultur“ deuten lassen, denen die anderen Kulturen nicht dauerhaft unterliegen werden. Die reine Lehre der Spenglerschen Kulturkreistheorie bietet diesbezüglich aber wenig Erfreuliches. Arabische Nationalisten beispielsweise dürfte es wenig begeistern, daß nach dem Untergang des Abendlandes die „arabische Kultur“ bereits mit der Erfindung des Islam den Übergang zur Zivilisationsphase und damit zum Niedergang vollzogen und darüber hinaus lange Zeit lediglich eine sogenannte „Pseudomorphose“ durchgemacht habe. Die Kulturkreislehre stand vor dem Zweiten Weltkrieg in der deutschen Völkerkunde hoch im Kurs. Ihr großer Popularisierer war der Afrikaforscher Leo Frobenius, der Spengler nach dem Ersten Weltkrieg kennengelernt und das Institut für Kulturmorphologie gegründet hatte. In Frobenius’ Münchner Zeit bis 1925 kam es zu einer intensiven Zusammenarbeit der beiden Kulturtheoretiker. Über diesen Kanal beeinflußte das kulturmorphologische Denken frankophone Afrikaner und Afroamerikaner wie Senghor, Diop, Césaire, Damas und Maran, die in den dreißiger Jahren zu Begründern der philosophisch-literarischen Bewegung der Négritude wurden.
In den USA wurde die kulturalistische Sichtweise in jüngster Zeit am populärsten durch den politischen Bestseller Kampf der Kulturen von Samuel Huntington vertreten, der ebenfalls dem Lager der politischen Realisten um die Zeitschrift Foreign Affairs zuzurechnen ist. Bei Huntington ist die Spenglerrezeption explizit und klar formuliert, allerdings verzichtet er auf zyklische Modelle und fatalistische Niedergangsszenarien. Wie bei Spengler bilden Kulturkreise bei Huntington die primären Größen der Identitätsbildung, woraus folgt, daß auch die globalen Konfliktgrenzen im wesentlichen kulturell bestimmt sind. Er identifiziert einen konfuzianischen, einen islamischen, einen hinduistischen und einen slawisch-orthodoxen Kulturkreis und einen westlichen, der durch das jüdisch-christliche Erbe gekennzeichnet ist. An den geographischen und politischen Grenzen, an denen diese kulturellen Großräume aufeinandertreffen, entstehen sogenannte „Bruchlinienkonflikte“. Diese Konflikte werden wegen ihres kulturellen Kerns besonders blutig und grausam ausgetragen. Kritiker warfen Huntington vor, ein Ersatzmodell für das Freund-Feind-Schema des Kalten Krieges entwickeln zu wollen, in dem Muslime und Hindus die Rolle der Kommunisten, die Kulturkreise die Funktion von kompakten politischen Bündnissystemen übernehmen und die Bruchlinien eine Art kulturellen „Eisernen Vorhang“ bilden, orientiert an dem Diktum Spenglers, daß Kulturen keine Fenster besäßen.
Huntingtons kulturalistische Sichtweise steht in den USA in einem sehr breiten politischen und wissenschaftlichen Kontext. Über Franz Boas, den Vater der amerikanischen Kulturanthropologie, fanden die deutsche Philosophie des 19. Jahrhunderts und vor allem der deutsche Kulturbegriff breiten Einzug in den intellektuellen Diskurs Amerikas. „Es gibt so viele Moralen, als es Kulturen gibt, nicht mehr und nicht weniger.“ Dieses Spenglersche Diktum hatte Boas schon vor dem Erscheinen des Untergangs herausgearbeitet. Nach dem Zweiten Weltkrieg trat der Kulturrelativismus, verbreitet durch Boas’ zahlreiche Schüler, seinen Siegeszug durch die amerikanischen Universitäten an. Boas Schülerin Ruth Benedict, die während des Krieges Studien über den japanischen Nationalcharakter betrieben hatte, legte ihrem ethnologischen Klassiker Patterns of Culture Spenglers Unterscheidung von faustischen und apollinischen Kulturen zugrunde. Das Buch wurde ein Riesenerfolg, in 24 Sprachen übersetzt und über zwei Millionen Mal verkauft.
Clifford Geertz erklärte, es sei der richtige Text zur richtigen Zeit gewesen. Geertz selbst trug mit seiner „dichten Beschreibung“ und seiner Symboltheorie viel zur Weiterentwicklung der Kulturtheorie bei. Nach dieser Theorie leiden die Staaten der Dritten Welt darunter, daß ihnen neue westliche Konzepte übergestülpt worden seien, die mit den alten traditionellen Kulturen in einem Spannungsfeld stünden, man könnte vielleicht in Spenglerscher Terminologie sagen, daß sie eine „Pseudomorphose“ durchmachen. Geertz wurde somit zum Vater des modernen kulturellen Essentialismus. Kritiker haben diesen Denkstil als „kognitive Apartheid“, „kognitive Anarchie“ oder auch als „kulturellen Fundamentalismus“ bezeichnet, da ökonomische, politische und gesellschaftliche Konflikte einseitig auf kulturelle, ethnische und religiöse Differenz zurückgeführt würden.
Man muß konstatieren, daß es weder in den Vereinigten Staaten noch anderswo eine wirkliche Akzeptanz des Spenglerschen Gesamtentwurfes gegeben hat. Dafür scheint sein Geschichtsbild zu monolithisch, sein Pessimismus zu wenig konstruktiv. Aber über viele Rinnsale haben Elemente seines Weltentwurfes Einzug in verschiedene zum Teil gegensätzliche Diskurse gefunden, vom politischen Realismus bis zur Postmoderne, vom weißen Suprematismus bis zum Mulitkulturalismus, von der christlichen Rechten bis zum Islamismus. Diese, zum Teil stark verzerrten und fragmentierten Spiegelbilder der Spenglerschen Kulturtheorie außerhalb Europas im einzelnen nachzuweisen und herauszuarbeiten, wäre eine lohnende Aufgabe für die deutsche Kulturwissenschaft.