Die Niederlande haben Gesetze beschlossen, die einem Drittel ihrer Bauern das Wirtschaften unmöglich machen könnten. Begründet wird diese Entscheidung mit einer für das Weltklima notwendigen Reduzierung der Emissionen, die aus den dichtgedrängten Viehbeständen der Fleisch-Export-Nation Holland aufsteigen.
Gase steigen aus Ställen auf, in denen massenhafte Vernutzung von Tierleben für den Massenkonsum so effektiv wie möglich organisiert ist. Tierfabrik, Massentransport, Großschlachtereien mit Kapazitäten von zehn‑, fünfzehn‑, zwanzigtausend Stück Vieh am Tag: Wenn sechs unter Klarsichtfolie verpackte Schnitzel das Fünftel einer Handwerkerstunde kosten, kann von Achtsamkeit, Sorgfalt, Würdigung, kurz: von Lebensmittel nicht mehr die Rede sein.
Das anonyme Stück Vieh, die Wegstrecke quer durch Länder, die Massenabfertigung im Schlachtvorgang, die Keulung ganzer Bestände bei Befall, die Verpackungsindustrie und die Distribution – das alles ist ebenso eingepreist wie die wortwörtlich mit Gewürzen übertünchte Geschmacklosigkeit des Fleisches und die Tatsache, daß von diesen Produkten über ein Viertel nicht verzehrt, sondern als überflüssiger Konsum mit üppiger Geste entsorgt wird.
Wir sollten das Argument, hier müsse die CO2-Bilanz verbessert werden, als Teil eines großen Verblendungszusammenhanges verwerfen: Es gibt einen grünen Kapitalismus, ein grünes Klientelinvestment in nur vermeintlich »saubere« Prozesse, einen grünen Massenkonsum, der nur aufgrund einer grünen Propagandamaschinerie schon beim Einkauf das gute Gefühl von Nachhaltigkeit, globaler Verantwortung, Reife, eben von Wokeness, von kritischer Aufmerksamkeit vermittelt.
Die grüne Massenproduktion benötigt den grünen Massenkonsum, die Verschwendung, die Kurzlebigkeit der Ware, die Notwendigkeit des Ersatzes, die Wegwerfmentalität, das Peingefühl beim Anblick in die Jahre gekommener Güter. Dies alles soll ja so bleiben, bloß wird es mit dem guten Gewissen aufgeladen, daß es sich doch um etwas ganz anderes handele, um eine Form des Konsums nämlich, die die drohende Katastrophe im Blick hat.
Fleisch kaufend die Pflanzung eines Bäumchens am Ufer des Amazonas fördern – das soll es sein.
Weiß jemand, wie viele »Dänische Lastenfahrräder« in Großstadtkellern vor sich hin rosten, weil ihr Einsatz als Autoersatz doch nicht das hielt, was er versprach? Wie viele mit gigantischem Energieeinsatz zusammengeschraubte E‑Autos rollen, weil jemand die Kaufprämie einstrich und dafür seinen bloß ein paar Jahre zuvor mit ebenso gigantischem Energieaufwand hergestellten Diesel abstieß? Ist nicht jedes Auto, das zwei Jahrzehnte läuft, ökologischer als jeder grün angepriesene Ersatz, jedes im Dorf gemästete, geschlachtete und in seine Därme gestopfte Schwein ein Energiespender, jedes industriell hergestellte, vegane Stück “Fleisch” eine Energiesenke?
Es gibt kaum etwas Verlogeneres als die Umweltbilanz der grünen Industrie und wohl kaum etwas Professionelleres als die PR-Maschine, die eine solches Lügengebäude unsichtbar zu machen versteht.
Wir sollten einerseits diese Lügen Lügen nennen, ohne uns andererseits zu denen zu gesellen, die von der menschengemachten Zerstörung organischer Gleichgewichte und Balancen nichts wissen wollen und die Verteidigung ihrer Freiheit am Grill, beim Buchen billiger Fernreisen und im jährlichen Austausch ihrer Garderobe für eine Widerstandsleistung halten.
Diese so oft so unbescheidenen Menschen sind ebenso unachtsam wie der große Komplex, der ihnen ermöglicht, was sie jahrzehntelang sollten und nun nicht mehr auf dieselbe Weise sollen, also doch weiterhin, bloß anders.
Die Bauern auf den Straßen Hollands: Wir haben sie wahrgenommen und ihren Antrieb, ihre Existenzangst, ihre Empörung verstanden. Wir verwerfen ihren widerständigen Furor nicht, wenn sie Straßen blockieren und Engpässe herbeiführen. Es kann jetzt nicht einfach so weitergehen, lautet die Botschaft.
Ihr Treiben ist uns näher als das radikalökologischer Aktivisten, die ihre Handflächen auf Straßenkreuzungen kleben und SUV-Reifen aufstechen, um den Verkehr zum Stillstand zu bringen – das nämlich ist abgesicherter Mut, profitierend von den Transferleistungen der hart arbeitenden Mittelschicht, die auch den Versorgungsapparat radikaler Teile der linksgrünen Blase mitzufinanzieren hat.
Ambivalenzen: die Landwirte verstehen, aber ihre Wirtschaftsform ablehnen, ihren Hilferuf vernehmen, aber ihre fundamentale Unfreiheit als Teilstück in Vernutzungsketten wahrnehmen, Lagesympathie empfinden, mehr nicht.
Es muß dritte Wege geben, es muß.