Wer wählt rechts – und warum? Reichen ökonomische Erklärungen aus? In welchen Lebenswelten sind die Anhänger der AfD zu Hause? Ist es nur oder vor allem Verdruß, der die AfD in manchen Bundesländern zur stärksten Kraft macht?
Verfasser der Studie ist Daniel Fiß, der sich nach seinem Studium als Analytiker von Umfragen, Statistiken, Milieustudien und politischer PR selbständig gemacht. Auf sezession.de schreibt er immer dann über Trends und gegen Bauchgefühle an, wenn Entscheidungen bevorstehen oder die Wähler gesprochen haben.
Nun hat er seine Erkenntnisse gebündelt. Die Antwort auf die Frage, wer die AfD wählt, ist vielschichtig. Klar ist: Die ökonomischen Erklärungsparameter reichen nicht aus, um rechtes Wahlverhalten bestimmen zu können. Es sind ebenso individuelle Geschichten, Konflikte, emotionale Bedingungen, Wert-achsen und spezifische räumliche Bezüge, die zur Wahlentscheidung führen. Die Rechte muß also auch empathische Zugänge in die Lebenswelten ihrer Anhänger finden.
Die Wahlerfolge der beiden bisher größten rechtspopulistischen Parteien, der AfD und der Republikaner, haben gezeigt, daß diese kulturelle Koordinate nicht nur über einen leeren Wertkonservatismus vermittelt wird, sondern durch eine wachsende Unzufriedenheit und den Verdruß über den herrschenden Politikbetrieb befeuert wird. Das Ziel der AfD muß es sein, daraus ein stabiles Wählermilieu zu formen.
Denn durch die katastrophale Politik der Altpartien ist das rechte Wählerpotential heute nicht mehr bei einer machtlosen Option von sieben bis zehn Prozent gedeckelt, sondern stellt insbesondere in Ostdeutschland bereits 25 bis 30 Prozent der wahlberechtigten Bevölkerung.
Die Analysen von Daniel Fiß rufen bei den Lesern von sezession.de großes Interesse hervor und werden auch innerhalb der AfD intensiv besprochen. Hintergrund ist, daß es der AfD bis heute nicht gelungen ist, eine eigene professionelle Auswertung von Umfragen und Wahlergebnissen auf die Beine zu stellen.
Umso wichtiger sind Studien wie die von Fiß. Ihre Ergebnisse können dazu beitragen, den alten Streit zu entscheiden, in welchem Bereich sich für AfD die meisten potentiellen Wähler verstecken. Sind es die Nichtwähler, sind es die enttäuschten CDU-Anhänger, ist es das Widerstandsmilieu? Die AfD darf sich darüber keine Illusionen machen, weil sie es sich angesichts der Lage in unserem Land nicht erlauben kann, Potentiale brach liegen zu lassen.
Pflichtlektüre für die AfD? Ja, gewiß! Die Studie hat 80 Seiten, enthält zahlreiche Grafiken, kostet 9 Euro und kann hier bestellt werden.
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Wir haben der „Geopolitik“ die Winterakademie im letzten September gewidmet und werden, dem anhaltenden Interesse an diesem Thema folgend, diese Veranstaltung vom 14. bis 16. April in Kärnten (Österreich) wiederholen.
Denn seit über einem Jahr steht in Europa die Geopolitik wieder auf der Tagesordnung. Der Krieg in der Ukraine hat den alten Fragen nach den Interessen der Großmächte neue Aktualität beschert und eine Denkschule wieder in die Öffentlichkeit gebracht, die von vielen Politikern als Relikt einer vergangenen Zeit angesehen wurde.
Daß „Geopolitik“ in Deutschland bis heute mit einem Tabu belegt ist, hat mit der Doppelgesichtigkeit der Geopolitik zu tun. Von der Wortbedeutung her, ist Geopolitik Bestandteil jeder politischen Analyse, weil die Beurteilung der Lage ohne die geographischen Faktoren unvollständig wäre.
In Kärnten werden nun neben einigen Vorträgen, die schon in Schnellroda zu hören waren, neue Themen geboten:
- Geschichte der Geopolitik
- Ist ein Globalismus von rechts möglich?
- Karl Haushofer – Mythos Geopolitik
- Multipolarität und Mitteleuropa
- Zur Lage in Südosteuropa
- Dugins Eurasien
- Chinas Griff nach der Macht
- Was ist der gegenwärtige Anruf der Geschichte?
Mit der Veranstaltung setzen wir unsere gemeinsam mit dem FAV in Österreich durchgeführten Akademien, die durch Corona einige Zeit nicht stattfinden konnten, endlich fort. Die Österreich-Akademien waren immer eine gute Gelegenheit für diejenigen, denen Schnellroda zu weit im Norden liegt, oder die unsere dort geltende Altersgrenze (in Österreich gibt es keine) überschritten, auch einmal ein einer Akademie teilzunehmen.
Wenn sich durch den Ukrainekrieg das Geopolitik-Tabu in der Wissenschaft etwas gelockert hat, hat es in der Politik weiterhin Bestand, weil sich hinter dem Wort Geopolitik noch etwas anderes, eine konkrete Ideologie der Zwischenkriegszeit, verbirgt, deren Hauptvertreter, Karl Haushofer, lange (und zu Unrecht) in dem Ruf stand, Hitlers Lebensraumidee und die daraus folgenden Konsequenzen vorbereitet und begründet zu haben.
Ein anderer Vertreter, Otto Maull, hat Geopolitik als „angewandte Politische Geographie“, als „Wissenschaft von der raumbezogenen Politik“ definiert, deren Aufgabe in der Zusammenfassung der politisch relevanten Erkenntnisse zu einer allgemeinen Staatswissenschaft, die sich des überragenden Einflusses der geographischen Gegebenheiten bewußt ist, liegt.
Bei den Großmächten spielte Geopolitik immer eine Rolle. Man denke nur an die Ausweitung des US-amerikanischen Hegemonialanspruch im postsowjetischen Europa oder in Nahen Osten. Die Russen haben ebenso klar ihre geopolitischen Ansprüche formuliert: eine möglich weit von Moskau entfernte Westgrenze und der ungehindert Zugang zu südlichen Gewässern. Der Krieg in der Ukraine ist eine lange vorhergesagte Folge dieser sich überschneidenden Interessensphären.
Grund genug also, sich weiterhin mit Geopolitik zu beschäftigen. Ich würde mich freuen, wenn ich am 14. April zahlreiche Sezessionsleser in Kärnten begrüßen kann.
Für die Anmeldung und nähere Informationen bitte an [email protected] schreiben! (Die Kosten für das Seminar samt Vollpension in einem feinen Hotel belaufen sich für Studenten auf 199 €. Für ältere Hörer, die – im Gegensatz zu den Akademien in Schnellroda – ebenfalls herzlich eingeladen sind, werden 249 € afgerufen.)
Ordoliberal
Was ist denn das "Widerstandsmilieu"? Ich etwa? Ich bin weder Nichtwähler, noch enttäuschter CDU-Anhänger. Und was ist mit den Sozialpatrioten? Sind die Widerstandsmilieu? Wenn ja, gegen was leisten sie Widerstand? Korruption? Sozialismus? Nationalmasochismus? Stakeholder-Kapitalismus? Wenn das so ist, wie unterscheiden sich die Sozialpatrioten dann von Libertären wie mir? Bitte mehr Präzision in den Begriffen. Das hat Daniel Fiß nicht verdient. Gerade mit sauberen Definitionen gibt er sich sehr viel Mühe.