Wählerstudie und Österreich-Akademie

Das Institut für Staatspolitik setzt seine Studienreihe mit einer Untersuchung des Wählerpotentials der AfD fort. Es geht um folgende Fragen:

Erik Lehnert

Erik Lehnert ist promovierter Philosoph.

Wer wählt rechts – und war­um? Rei­chen öko­no­mi­sche Erklä­run­gen aus? In wel­chen Lebens­wel­ten sind die Anhän­ger der AfD zu Hau­se? Ist es nur oder vor allem Ver­druß, der die AfD in man­chen Bun­des­län­dern zur stärks­ten Kraft macht?

Ver­fas­ser der Stu­die ist Dani­el Fiß, der sich nach sei­nem Stu­di­um als Ana­ly­ti­ker von Umfra­gen, Sta­tis­ti­ken, Milieu­stu­di­en und poli­ti­scher PR selb­stän­dig gemacht. Auf sezession.de schreibt er immer dann über Trends und gegen Bauch­ge­füh­le an, wenn Ent­schei­dun­gen bevor­ste­hen oder die Wäh­ler gespro­chen haben.

Nun hat er sei­ne Erkennt­nis­se gebün­delt. Die Ant­wort auf die Fra­ge, wer die AfD wählt, ist viel­schich­tig. Klar ist: Die öko­no­mi­schen Erklä­rungs­pa­ra­me­ter rei­chen nicht aus, um rech­tes Wahl­ver­hal­ten bestim­men zu kön­nen. Es sind eben­so indi­vi­du­el­le Geschich­ten, Kon­flik­te, emo­tio­na­le Bedin­gun­gen, Wert-ach­sen und spe­zi­fi­sche räum­li­che Bezü­ge, die zur Wahl­ent­schei­dung füh­ren. Die Rech­te muß also auch empa­thi­sche Zugän­ge in die Lebens­wel­ten ihrer Anhän­ger finden.

Die Wahl­er­fol­ge der bei­den bis­her größ­ten rechts­po­pu­lis­ti­schen Par­tei­en, der AfD und der Repu­bli­ka­ner, haben gezeigt, daß die­se kul­tu­rel­le Koor­di­na­te nicht nur über einen lee­ren Wert­kon­ser­va­tis­mus ver­mit­telt wird, son­dern durch eine wach­sen­de Unzu­frie­den­heit und den Ver­druß über den herr­schen­den Poli­tik­be­trieb befeu­ert wird. Das Ziel der AfD muß es sein, dar­aus ein sta­bi­les Wäh­ler­mi­lieu zu formen.

Denn durch die kata­stro­pha­le Poli­tik der Alt­par­tien ist das rech­te Wäh­ler­po­ten­ti­al heu­te nicht mehr bei einer macht­lo­sen Opti­on von sie­ben bis zehn Pro­zent gede­ckelt, son­dern stellt ins­be­son­de­re in Ost­deutsch­land bereits 25 bis 30 Pro­zent der wahl­be­rech­tig­ten Bevölkerung.

Die Ana­ly­sen von Dani­el Fiß rufen bei den Lesern von sezession.de gro­ßes Inter­es­se her­vor und wer­den auch inner­halb der AfD inten­siv bespro­chen. Hin­ter­grund ist, daß es der AfD bis heu­te nicht gelun­gen ist, eine eige­ne pro­fes­sio­nel­le Aus­wer­tung von Umfra­gen und Wahl­er­geb­nis­sen auf die Bei­ne zu stellen.

Umso wich­ti­ger sind Stu­di­en wie die von Fiß. Ihre Ergeb­nis­se kön­nen dazu bei­tra­gen, den alten Streit zu ent­schei­den, in wel­chem Bereich sich für AfD die meis­ten poten­ti­el­len Wäh­ler ver­ste­cken. Sind es die Nicht­wäh­ler, sind es die ent­täusch­ten CDU-Anhän­ger, ist es das Wider­stands­mi­lieu? Die AfD darf sich dar­über kei­ne Illu­sio­nen machen, weil sie es sich ange­sichts der Lage in unse­rem Land nicht erlau­ben kann, Poten­tia­le brach lie­gen zu lassen.

Pflicht­lek­tü­re für die AfD? Ja, gewiß! Die Stu­die hat 80 Sei­ten, ent­hält zahl­rei­che Gra­fi­ken, kos­tet 9 Euro und kann hier bestellt wer­den.

– – –

Wir haben der „Geo­po­li­tik“ die Win­ter­aka­de­mie im letz­ten Sep­tem­ber gewid­met und wer­den, dem anhal­ten­den Inter­es­se an die­sem The­ma fol­gend, die­se Ver­an­stal­tung vom 14. bis 16. April in Kärn­ten (Öster­reich) wiederholen.

Denn seit über einem Jahr steht in Euro­pa die Geo­po­li­tik wie­der auf der Tages­ord­nung. Der Krieg in der Ukrai­ne hat den alten Fra­gen nach den Inter­es­sen der Groß­mäch­te neue Aktua­li­tät beschert und eine Denk­schu­le wie­der in die Öffent­lich­keit gebracht, die von vie­len Poli­ti­kern als Relikt einer ver­gan­ge­nen Zeit ange­se­hen wurde.

Daß „Geo­po­li­tik“ in Deutsch­land bis heu­te mit einem Tabu belegt ist, hat mit der Dop­pel­ge­sich­tig­keit der Geo­po­li­tik zu tun. Von der Wort­be­deu­tung her, ist Geo­po­li­tik Bestand­teil jeder poli­ti­schen Ana­ly­se, weil die Beur­tei­lung der Lage ohne die geo­gra­phi­schen Fak­to­ren unvoll­stän­dig wäre.

In Kärn­ten wer­den nun neben eini­gen Vor­trä­gen, die schon in Schnell­ro­da zu hören waren, neue The­men geboten:

  • Geschich­te der Geopolitik
  • Ist ein Glo­ba­lis­mus von rechts möglich?
  • Karl Haus­ho­fer – Mythos Geopolitik
  • Mul­ti­po­la­ri­tät und Mitteleuropa
  • Zur Lage in Südosteuropa
  • Dug­ins Eurasien
  • Chi­nas Griff nach der Macht
  • Was ist der gegen­wär­ti­ge Anruf der Geschichte?

Mit der Ver­an­stal­tung set­zen wir unse­re gemein­sam mit dem FAV in Öster­reich durch­ge­führ­ten Aka­de­mien, die durch Coro­na eini­ge Zeit nicht statt­fin­den konn­ten, end­lich fort. Die Öster­reich-Aka­de­mien waren immer eine gute Gele­gen­heit für die­je­ni­gen, denen Schnell­ro­da zu weit im Nor­den liegt, oder die unse­re dort gel­ten­de Alters­gren­ze (in Öster­reich gibt es kei­ne) über­schrit­ten, auch ein­mal ein einer Aka­de­mie teilzunehmen.

Wenn sich durch den Ukrai­ne­krieg das Geo­po­li­tik-Tabu in der Wis­sen­schaft etwas gelo­ckert hat, hat es in der Poli­tik wei­ter­hin Bestand, weil sich hin­ter dem Wort Geo­po­li­tik noch etwas ande­res, eine kon­kre­te Ideo­lo­gie der Zwi­schen­kriegs­zeit, ver­birgt, deren Haupt­ver­tre­ter, Karl Haus­ho­fer, lan­ge (und zu Unrecht) in dem Ruf stand, Hit­lers Lebens­raum­idee und die dar­aus fol­gen­den Kon­se­quen­zen vor­be­rei­tet und begrün­det zu haben.

Ein ande­rer Ver­tre­ter, Otto Maull, hat Geo­po­li­tik als „ange­wand­te Poli­ti­sche Geo­gra­phie“, als „Wis­sen­schaft von der raum­be­zo­ge­nen Poli­tik“ defi­niert, deren Auf­ga­be in der Zusam­men­fas­sung der poli­tisch rele­van­ten Erkennt­nis­se zu einer all­ge­mei­nen Staats­wis­sen­schaft, die sich des über­ra­gen­den Ein­flus­ses der geo­gra­phi­schen Gege­ben­hei­ten bewußt ist, liegt.

Bei den Groß­mäch­ten spiel­te Geo­po­li­tik immer eine Rol­le. Man den­ke nur an die Aus­wei­tung des US-ame­ri­ka­ni­schen Hege­mo­ni­al­an­spruch im post­so­wje­ti­schen Euro­pa oder in Nahen Osten. Die Rus­sen haben eben­so klar ihre geo­po­li­ti­schen Ansprü­che for­mu­liert: eine mög­lich weit von Mos­kau ent­fern­te West­gren­ze und der unge­hin­dert Zugang zu süd­li­chen Gewäs­sern. Der Krieg in der Ukrai­ne ist eine lan­ge vor­her­ge­sag­te Fol­ge die­ser sich über­schnei­den­den Interessensphären.

Grund genug also, sich wei­ter­hin mit Geo­po­li­tik zu beschäf­ti­gen. Ich wür­de mich freu­en, wenn ich am 14. April zahl­rei­che Sezes­si­ons­le­ser in Kärn­ten begrü­ßen kann.

Für die Anmel­dung und nähe­re Infor­ma­tio­nen bit­te an [email protected] schrei­ben! (Die Kos­ten für das Semi­nar samt Voll­pen­si­on in einem fei­nen Hotel belau­fen sich für Stu­den­ten auf 199 €. Für älte­re Hörer, die  – im Gegen­satz zu den Aka­de­mien in Schnell­ro­da – eben­falls herz­lich ein­ge­la­den sind, wer­den 249 € afgerufen.)

Erik Lehnert

Erik Lehnert ist promovierter Philosoph.

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Kommentare (8)

Ordoliberal

23. März 2023 20:01

Was ist denn das "Widerstandsmilieu"? Ich etwa? Ich bin weder Nichtwähler, noch enttäuschter CDU-Anhänger. Und was ist mit den Sozialpatrioten? Sind die Widerstandsmilieu? Wenn ja, gegen was leisten sie Widerstand? Korruption? Sozialismus? Nationalmasochismus? Stakeholder-Kapitalismus? Wenn das so ist, wie unterscheiden sich die Sozialpatrioten dann von Libertären wie mir? Bitte mehr Präzision in den Begriffen. Das hat Daniel Fiß nicht verdient. Gerade mit sauberen Definitionen gibt er sich sehr viel Mühe.

RMH

23. März 2023 21:24

Was nützt das schönste Wählerpotential, wenn dann bei der AfD sowas wie aktuell in Bremen passiert. Gut, dann drücke ich eben den BiW - Bündnis Deutschland die Daumen für die dortige Wahl.
Wenn den Damen und Herren in Österreich bei aller Geopolitik wieder klar ins Bewußtsein kommt, dass sie DEUTSCHE sind, dann wäre das ein echter Gewinn.

Adler und Drache

23. März 2023 21:42

Hintergrund ist, daß es der AfD bis heute nicht gelungen ist, eine eigene professionelle Auswertung von Umfragen und Wahlergebnissen auf die Beine zu stellen.
 
Was soll man dazu noch sagen?

FraAimerich

24. März 2023 10:40

Wann hat das eigentlich angefangen, unter der Fahne der Metapolitik Politikasterei und "Stimmenfang" sowie die Auseinandersetzung mit fast beliebig manipulierbaren Umfrageergebnissen und Wähleranalysen so hoch zu hängen?
Gilt eigentlich noch, was Götz Kubitschek hier vor etwa acht Jahren - klug und vorausschauend - zur Aufgabe und (absehbaren) Entwicklung der AfD ausgeführt hat? Erinnert sich daran überhaupt noch jemand?

dojon86

24. März 2023 10:54

@RMH Wir sind Deutsche. Keine Frage. Und zum größten Teil Bayern. 

FraAimerich

24. März 2023 12:00

Aber Sellner zum Parteichef und Hoffnungträger der neuen SPÖ wählen dürfen nur Österreicher!

Laurenz

24. März 2023 12:45

@OrdoliberalWenn das so ist, wie unterscheiden sich die Sozialpatrioten dann von Libertären wie mir? ....  Die Antwort steht andeutungsweise im Artikel. Wer all die SiN-Wahl-Analyse-Artikel von DF & früher von BK gelesen hat, die sich genau mit dem von Ihnen erfragten Unterschied lange beschäftigen mußten, weiß bescheid. Der Unterschied findet sich nur bedingt in inhaltlichen Aspekten, die Sie benennen. Der Unterschied besteht fundamental, ja fast epochal darin, daß Sozialpatrioten gewählt werden, Libertäre nicht. Die Liberalen in der AfD hatten sich lange genug an den von Sozialpatrioten erkämpften Mandaten, quasi an den nicht von Liberalen erarbeiteten Futtertrögen breit gemacht. Die verbliebenen Liberalen, wie von Storch oder Boehringer, scheinen sich konstruktiv arrangiert & den genannten Sachverhalt verstanden zu haben, zumindest steht das zu hoffen. Offensichtlich gibt es für den Mainstream aktuell wenig über interne AfD-Querelen zu vermelden, was die von mir gezogene Schußfolgerung zuläßt. Diejenigen, welche die Sozialpatrioten mißbraucht haben, wie Meuthen & Cotar sind glücklicherweise weg. Das waren Parteizerstörer, wie Wissler oder Kipping.

Gotlandfahrer

24. März 2023 13:03

Sezession: Abtrennung, Loslösung.
Parlament: Parler, sprechen.
Sie werden um Rat fragen und kommen in ihrer Verzweiflung. Solange der Rat angeboten wird, erscheint es ihnen, als ob sie noch die Wahl hätten.

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