Der Wissenschaftshistoriker Marcel Lepper, Jahrgang 1977, habe sich, so der Stiftungsrat, Verfehlungen im Umgang mit den Mitarbeitern zuschulden kommen lassen. Diese Behauptung darf mit dem Urteil des Arbeitsgerichts von Anfang April nicht mehr verbreitet werden, Lepper erhält außerdem eine großzügige Abfindung. Aber ins Amt zurückkehren darf er nicht.
Im Grunde wären uns diese Streitigkeiten völlig egal. Aber: Lepper stellt sich nun, nachdem das Gericht auch die Schweigepflicht aufgehoben hat, als Opfer einer Altherrenrunde dar, die noch immer aus dem Geiste des ersten Geschäftsführers handele: Armin Mohler hatte die Stiftung von 1961 bis 1985 auf- und ausgebaut und sie in einem vorzüglichen Zustand an seinen Nachfolger Heinrich Meier übergeben, der sie wiederum bis 2021 führte und manchem Leser als Verfasser luzider Deutungen des Werks Carl Schmitts bekannt sein dürfte.
Marcel Lepper war also erst der dritte Geschäftsführer – außergewöhnlich griffsicher wählte die Stiftung bisher ihr Spitzenpersonal. Lepper – ein Fehlgriff, der korrigiert wurde. Er begann nämlich gleich mit dem, was er und seinesgleichen eben und vor allem können: das Wirken solcher Institutionen und ihre Anwesenheit und Vernetzung in der Gesellschaft ihrer Zeit nicht nur aus heutiger Sicht zu problematisieren, sondern mit rufschädigenden Etiketten zu behängen und Gelder für “Aufarbeitungen” zu erzwingen.
Überall Männerrunden, Nazi-Seilschaften, dunkle Geheimnisse – überall Aufklärungsaufgaben für Bergleute wie Lepper, die alte Schächte öffnen und Licht ins Dunkel bringen lassen.
Lepper sieht in Armin Mohlers Denken und Wirken etwas, das man hätte unterbinden müssen. Er sieht in noch nicht aufgearbeiteten Archiven Beweise für “neurechte” Netzwerke liegen (obwohl es diesen Begriff noch gar nicht gab, als Mohler antrat), sieht sich als denjenigen, der Pfuhl nach Pfuhl trockenzulegen habe und wirkte auf ähnliche Weise schon an früheren Arbeitsstellen.
Etikettierungsarbeit durch Leute, die sich anmaßen, für Säuberungsarbeiten geeignet zu sein: Lepper, “Transformationsmanager”, hat keine Ahnung. Er kennt die Freiheit nicht, mit der man aus rechter Sicht denken kann, lesen kann, einladen, diskutieren und Zusammenhängen auf den Grund gehen kann, eine geistige Freiheit und Offenheit, die Mohler auf eine Weise auszeichnete, die ihn wiederum dem ein oder anderen konservativen Betonkopf verdächtig machte, der nicht nach links blicken wollte.
Die Dekonstruktion ist Leppers Metier, das “Nazi-Eine” (Sloterdijk) ausfindig zu machen mittels Verbiegung und Vermengung. Daß dies stets in Verengungen führte, in Lesewarnungen, Scheren im Kopf und betreutes Denken, kann selbst einem Lepper nicht verborgen geblieben sein. Aber Lepper verkörpert unsere Zeit, seine ahistorische Selbstgefälligkeit kennzeichnet den Zug der Zeit.
Armin Mohler – die Vorbereitungen auf seinen achtzigsten Geburtstag gaben den Impuls für unseren Verlag, in Absprache zunächst mit ihm, dann mit seiner Witwe pflegten wir sein Werk, und nun weiß es der Sohn bei uns in guten Händen, und wir pflegen das Werk weiter. Aber das klingt schon wieder zu museal, zu sehr nach Grabstätte und “in Ehren halten”: Es bleibt ja wirkmächtig durch unsere Auseinandersetzung!
Lieferbar von Mohler sind bei uns derzeit die Notizen aus dem Interregnum, der Essay Gegen die Liberalen und der physiognomische Epochenzugriff Der faschistische Stil. Außerdem hält ein umfangreicher Band Mohlers Briefe an Ernst Jünger bereit. Zuletzt fand in einer Aufsatzsammlung Georges Sorels Mohlers exzellenter Essay über diesen wichtigen Vordenker Aufnahme.
In unserem Verlag erschien auch die Mohler-Biographie aus der Feder Karlheinz Weißmanns. Sie ist lange vergriffen, aber um die Debatte um Lepper und seine Beschmutzungsversuche auf ein angemessenes Niveau zu heben, bringen wir nun einen Auszug aus dem 11. Kapitel dieser Biographie: “Die konservative Intelligenz organisieren”.
Weißmann beschreibt in diesem Kapitel die Bemühungen Mohlers, eine politisch schlagkräftige und auf der Höhe der Zeit operierende politische Rechte zu etablieren. Natürlich scheiterten diese Ansätze, obwohl Mohler für einige Jahre direkten Zugang zu Franz Josef Strauß hatte und ihn beschwor, eine nationale CSU über Bayern hinaus zur Wahl zu stellen und eine echte Demokratie gegen die Scheindemokratie des parlamentarischen Systems in Stellung zu bringen.
Diese Hoffnungen zerschlugen sich, Strauß zögerte, Mohler gab enttäuscht auf. An dieser Stelle setzt Weißmann wie folgt fort.
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Der Ausgleich, den es für Mohler gab, war der Auf- und Ausbau der Siemens-Stiftung. Auf Initiative von Ernst von Siemens durch die Siemens & Halske AG sowie die Siemens-Schuckertwerke AG gegründet, war ihre finanzielle Ausstattung anfangs eher bescheiden. Da sich das Haus nicht mit dem befaßte, was sonst viele Industriestiftungen taten – Forschungsprojekte, Ausschüttung von Stipendien, Vergabe von Druckkostenzuschüssen und so weiter -, sondern ausschließlich Vortragsveranstaltungen und Symposien organisierte und ihm das Unternehmen trotz einiger Vorbehalte relativ freie Hand ließ, konnte Mohler die Siemens-Stiftung allmählich zu einem Ort machen, an dem sich etwas von jener geistigen Freiheit erhielt, die in der Bundesrepublik bis zur linken Kulturrevolution eine Selbstverständlichkeit gewesen war.
Denn entgegen der wiederholten Behauptung, hier sei eine „Carl-Schmitt-Akademie“ entstanden, hat sich Mohler seit Beginn der öffentlichen Veranstaltungen immer um die Einladung von Referenten gekümmert, die fachlich ausgewiesen waren und eine klar umrissene Position vertraten. Selbstverständlich spielte auch seine Neigung zur Provokation eine Rolle, wenn er etwa den Historiker Hellmut Diwald ausgerechnet in der Hochphase der Neuen Ostpolitik einen Vortrag über Ernst Moritz Arndt halten ließ oder einen radikalen Kritiker der Industriegesellschaft, den Biologen Ivan Illich, in einer Industriestiftung zu sprechen bat oder den gerade von der katholischen Kirche mit Lehrverbot belegten Hans Küng einlud, seine Vorstellungen in der Stiftung zu präsentieren. Absagen mußte er kaum fürchten, dafür sorgten die Höhe der Honorare und der gediegene Rahmen des Kavaliershauses im Rondell vor Schloß Nymphenburg.
Mustert man die Vorträge nach Mohlers Amtsantritt 1961 durch, stellt man natürlich fest, daß er viele Wissenschaftler geholt hat, die ihm politisch nahestanden: die Soziologen Arnold Gehlen, Helmut Schelsky und Robert Hepp, den Ethnologen Wilhelm Mühlmann, die Psychologen Hans J. Eysenck und Peter Hofstätter, die Staatsrechtler Ernst Forsthoff, Ernst Rudolf Huber, Helmut Quaritsch und Josef Isensee, die Historiker Heinz Gollwitzer, Hans Erich Stier, Anton Mirko Koktanek, die Kunsthistoriker Hans Sedlmayr und Hubertus Schrade, die politischen Publizisten Gerhard Adler, Salcia Landmann, Paul Carell, Erik von Kuehnelt-Leddihn und Otto von Habsburg, die Schriftsteller Ernst Wilhelm Eschmann, Gerd Gaiser und Albert Paris Gütersloh, an dem ihm wegen der Verbindung zu Doderer besonders lag.
Aber von den etwa 500 Abendveranstaltungen, für die Mohler verantwortlich war, machten deren Auftritte keine zehn Prozent aus. Häufig lud er Referenten ein, weil ihm deren Fachgebiet fremd war, aber interessierte. Das galt vor allem für die Naturwissenschaftler, die seit dem Beginn der siebziger Jahre in wachsender Zahl zu Gast waren. Aufs Ganze gesehen erscheint Mohlers Arbeit für die Stiftung außerordentlich erfolgreich, im Jahresdurchschnitt kamen sieben- bis achttausend Personen. Ihm lag diese Tätigkeit als „Kulturmanager“ durchaus, obwohl er das „gesellschaftliche Klimbim“ als Zeitvergeudung empfand.
Wenn man überhaupt einen deutlicheren politischen Akzent nachweisen will, dann ist das nur in bezug auf die Symposien möglich, die seit 1966 stattfanden, das erste zum Thema „Oswald Spenglers fortwirkende Gedanken“, dann die Sondervortragsreihen, die jedoch erst in den siebziger Jahren begannen und deren Texte anfangs als dtv-Taschenbücher, dann in einer eigenen Reihe bei Oldenbourg und zuletzt bei Ullstein-Propyläen erschienen. Ohne Zweifel waren Themen wie „Der Ernstfall“ – demonstrativ abgehalten an Schmitts 80. Geburtstag -, „Die deutsche Neurose“, „Wirklichkeit als Tabu“ dem geschuldet, was Mohler als politisch relevant betrachtete, und das „Kursbuch der Weltanschauungen“, das als Ergebnis eines internen Arbeitskreises von Experten entstand, war verständlicherweise sein Lieblingsprojekt und übrigens der einzige Fall, in dem Mohler sich direkt beteiligte. Aber auch da gab es keine Abstriche in Qualitätsfragen zu Gunsten von Parteilichkeit. Vielmehr gewinnt man im Hinblick auf die Publikationen der Siemens-Stiftung bis 1985 ein imponierendes Bild, sobald man Zahl und Güte der Texte prüft.
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Was sagen Lepper? Egal. Über ihn wird keine Biographie geschrieben werden.
RMH
Vorab:
Ich kenne den Fall Lepper jetzt nur aus diesem Artikel. Wenn ich dort lese:
"sieht sich als denjenigen, der Pfuhl nach Pfuhl trockenzulegen habe und wirkte auf ähnliche Weise schon an früheren Arbeitsstellen."
dann darf man schon davon ausgehen, dass genau das, also die Selbstgeißelung und "Aufarbeitung" von Stiftungsvorstand und - Beirat bestellt wurde. Nur scheint der Herr wohl tatsächlich bei manchem angeeckt oder sonst was die Atmosphäre Störendes gemacht zu haben, aber sein Ziel als "Wühler" die Stiftung jetzt "fit for future" zu machen, war mit großer Wahrscheinlichkeit sicher nicht der Grund, warum es zur Trennung kam. Ein neuer Geschäftsführer wird rein inhaltlich vermutlich nichts anders machen und OMG- Mohler (!), ein fast SS-Freiwilliger (!), das kann man dann doch so schön regebogenbunt mit Aufstellern, Ausstellungen Vorträgen und "Wir stellen uns" etc. aufarbeiten. Und das wird der/die/das "Neue" sicher machen - da braucht der "Alte" jetzt nicht mit dem Oberlehrer-Zeigefinger auf Vorstand und Beirat zu zeigen.