Autorin Gunda Frey erwähnt das prominente Ansinnen aber nicht einmal, und der Untertitel ihres Buches bremst die Begeisterung gelinde aus. Sind unsere Kinder denn wirklich bereits »traumatisiert« und gar »versaut«? Soll hier mit dem Holzhammer den Übergriffigkeiten des Staates begegnet werden? Sachte.
Dieses Buch birgt viel Gutes für Leser, die sich erstmals damit befassen, was es eigentlich heißt, wenn man als Mutter oder als Eltern »von oben« entmachtet wird. Frau Frey hat ihr Buch in zwölf Kapitel gegliedert. Sie behandelt die Zeit von Schwangerschaft und Geburt über den Kindergarten hin zu den Zwängen in weiterführenden Schulen. Das ist teilweise verdienstvoll. Wann wurde je so vehement gegen den Wunsch- oder Zwangskaiserschnitt gestritten? Was hier über selbstbestimmte Geburt und die verschwiegenen Nachwirkungen einer Schnittentbindung geschrieben wird, ist so unerhört wie Gold wert. Darüber wird weithin geschwiegen. Frau Frey schildert glaubhaft die Auswirkungen dieses Trends.
Der Rest des Buches, inklusive des eigens beworbenen »Extra-Kapitel[s] zur Corona-Pandemie«, fällt hingegen ab. Es gibt in der zweiten Buchhälfte viele »Impulse zum Nachdenken«. Solche: »Sind Sie bereit, Verantwortung zu übernehmen?« »Wie sehen Sie Ihre Aufgabe im Projekt Haussanierung?« (Es geht natürlich ums ganze Land. Schön. Schön naiv.) Von Frau Frey gewinnen wir einen ersten Eindruck, indem wir ihre Homepage besuchen. Dort finden wir viele, zu viele schöne Fotos der Kinder‑, Jugendlichenpsycho- und Traumatherapeutin und einen zentralen Satz: »Es hat lange gedauert, bis ich mir eingestehen konnte, daß ich dadurch traumatisiert war, daß meine Bedürfnisse nicht gesehen wurden.«
Es ist nicht besonders vorteilhaft, wenn eine Therapeutin von eigenen kindlichen »Verletzungen« spricht, zumal diese Zurichtungen im Ungefähren bleiben. Frau Freys Arbeit am Traumabegriff (sie siedelt ein »Trauma« niedrigschwellig an, bereits geringfügige Kränkungen des Kinders könnten »traumatisierend« wirken) überzeugt nicht, wie auch Analyse und Sprache nicht überzeugen: »Anstatt an der Wurzel etwas zu ändern, wird an den Symptomen herumgedoktert mit immer fataleren Auswirkungen. Mich erinnert das sehr an ein Buch über Massentierhaltung, welches ich einmal gelesen habe.«
Hier schreibt eine (sicher im Kern höchst vernünftige) Frau im Bewußtsein darüber, daß sie durch irgendwelche Podcasts bereits eine Art Prominenten- und mithin Beraterstatus innehätte. Peinlich! Si tacuisses, etc. pp.!
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Gunda Frey: Das verstaatlichte Kind. Optimiert, reguliert, traumatisiert – wie unsere Gesellschaft ihre Kinder versaut, Kulmbach: Börsenmedien AG 2022. 207 S., 19,90 €
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