Martin Grosch: Geopolitische Machtspiele

Der Blick über den Tellerrand ist für bundesrepublikanische Deutsche noch immer ein Blick in den Abgrund, den man gewohnheitsmäßig lieber scheut.

Erik Lehnert

Erik Lehnert ist promovierter Philosoph.

Gegen die­se Gewohn­heit hat Grosch (geb. 1969), der lan­ge als Leh­rer arbei­te­te und jetzt beim hes­si­schen Kul­tus­mi­nis­te­ri­um tätig ist, ein Buch geschrie­ben, das den päd­ago­gi­schen Anspruch nicht ver­hehlt. Nach einer kur­zen Ein­füh­rung zur Geschich­te der Geo­po­li­tik wer­den die geo­po­li­ti­schen Fak­to­ren durch­de­kli­niert: von der Lage, über deren Bedeu­tung am Bei­spiel der Ukrai­ne eini­ges zu ler­nen ist, über die Boden­schät­ze und das Was­ser bis hin zu den demo­gra­phi­schen Pro­ble­men, die auch bei der raum­ori­en­tier­ten Ana­ly­se eine ent­schei­den­de Rol­le spie­len. Dar­auf auf­bau­end, macht Grosch geo­po­li­ti­sche Kon­flik­te der Gegen­wart aus: Kampf um Was­ser und frucht­ba­re Anbau­flä­chen, Siche­rung der Ener­gie­ver­sor­gung, Zugang zu Roh­stof­fen, Migra­ti­on als Waf­fe und Frei­heit der See- und Handelswege.

Nach einem wenig ergie­bi­gen Exkurs über die Jugo­sla­wi­en­krie­ge wagt Grosch aktu­el­le exem­pla­ri­sche Ana­ly­sen ver­schie­de­ner Staa­ten und Regio­nen, mit deut­li­chem Schwer­punkt auf nicht­west­li­chen Staa­ten. Die­se Ana­ly­sen sind eine Mischung aus Geschichts­er­zäh­lung und geo­gra­phi­scher Lage­be­schrei­bung, aus denen er ver­sucht, ein Resü­mee für das zukünf­tig zu erwar­ten­de Han­deln abzuleiten.

Es ist dabei erstaun­lich, wie oft Was­ser nicht eine abs­trak­te Res­sour­ce, son­dern Grund und Ursa­che von geo­po­li­ti­schen Ent­schei­dun­gen ist. Tibet ist der »Was­ser­turm Chi­nas«, der israe­li­sche »Was­ser­krieg« mit den Ara­bern ist für Isra­el exis­ten­ti­ell, und Äthio­pi­ens Ent­schei­dung, den Nil auf­zu­stau­en, stellt die tau­send­jäh­ri­ge Gewiß­heit der Ägyp­ter in Fra­ge, daß der Nil »ihr« Fluß ist.

Auch Ruß­lands Lage und Stra­te­gie wer­den nüch­tern erör­tert und in den Kon­text der ame­ri­ka­ni­schen Hege­mo­ni­al­be­mü­hun­gen gestellt. Die­se sieht Grosch als gege­ben an, auch wenn man nicht gern dar­über spricht. Die rund 1000 Mili­tär­stütz­punk­te welt­weit, die sechs stra­te­gisch glo­bal aus­ge­rich­te­ten Kom­man­do­be­rei­che und die Tat­sa­che, daß die USA als Schutz­macht für zahl­rei­che Staa­ten auf­tre­ten, spre­chen eine ein­deu­ti­ge Sprache.

Die EU und Deutsch­land sind dem­ge­gen­über als geo­po­li­ti­sche Akteu­re »fak­tisch und prak­tisch inexis­tent«, was Grosch dadurch erklärt, daß hier­zu­lan­de der Krieg nicht ein­mal mehr als gedank­li­che Mög­lich­keit ­exis­tie­re. Die Ahnungs­lo­sig­keit der bun­des­re­pu­bli­ka­ni­schen Eli­ten gegen­über den geo­po­li­ti­schen Her­aus­for­de­run­gen wird (unfrei­wil­lig?) durch ein Inter­view mit dem ehe­ma­li­gen Ver­tei­di­gungs­mi­nis­ter Jung erhellt, das Grosch in sein Buch auf­ge­nom­men hat.

Es ist zu hof­fen, daß sein Buch auch dort gele­sen wird, wo Ent­schei­dun­gen fal­len, denn es bie­tet eine soli­de Ein­füh­rung in eben­die­se Herausforderungen.

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Mar­tin Grosch: Geo­po­li­ti­sche Macht­spie­le. Wie Chi­na, Ruß­land und die USA sich in Stel­lung brin­gen und Euro­pa immer stär­ker ins Abseits gerät, Rein­bek: Lau Ver­lag 2022. 339 S., 28 €

 

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Erik Lehnert

Erik Lehnert ist promovierter Philosoph.

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