Geostrategie – ein Bücherschrank

von Ivor Claire, Erik Lehnert und Michael Wiesberg --

PDF der Druckfassung aus Sezession 110/ Oktober 2022

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Alfred T. Mahan: Der Ein­fluß der See­macht auf die Geschich­te (1890), hrsg. von Gus­tav-Adolf Wol­ter, Her­ford 1967

 

The Influence of Sea Power upon Histo­ry: 1660 – 1783, eine Geschich­te der See­krieg­füh­rung, die 1890 von dem US-ame­ri­ka­ni­schen Kon­ter­ad­mi­ral und His­to­ri­ker Alfred Thay­er Mahan (1840 – 1914) ver­öf­fent­licht wur­de, gilt heu­te als weg­be­rei­ten­de Arbeit geo­po­li­ti­schen Den­kens und trug sei­nem Autor aner­ken­nend die Bezeich­nung »Clau­se­witz zur See« ein.

Zum Erfolg sei­nes Buches tru­gen die strin­gen­te Gedan­ken­füh­rung, aber auch der tech­ni­sche Fort­schritt bei, sei es nun mit Blick auf den Antrieb, die Schiffs­ge­schüt­ze oder die Ent­wick­lung neu­er Schiffs­ty­pen. Mahans Werk, das zeit­nah auch in Euro­pa rezi­piert wur­de, wird als einer der Fak­to­ren dafür ange­se­hen, daß die Ver­ei­nig­ten Staa­ten zur Welt­macht aufstiegen.

Mahan, der der Auf­fas­sung war, daß die Durch­set­zung der Mon­roe-Dok­trin nur mit ent­spre­chend schlag­kräf­ti­gen See­streit­kräf­ten mög­lich sei, fokus­siert jene Fak­to­ren, die zu einer See­herr­schaft auf den Mee­ren führ­ten. Dabei ver­sucht er auf­zu­zei­gen, wie ins­be­son­de­re Groß­bri­tan­ni­en zu einer Qua­si-Domi­nanz auf den Mee­ren gelan­gen konnte.

Zu die­sen Fak­to­ren zählt er Geo­gra­phie, Bevöl­ke­rung und Regie­rung. Sei­ne Defi­ni­ti­on von See­macht erschöpft sich nicht in einer star­ken Mari­ne, son­dern er sieht auch in der Han­dels­flot­te einen wesent­li­chen Fak­tor mari­ti­mer Domi­nanz. Mahans Gedan­ken ent­fal­te­ten auch im Deut­schen Reich erheb­li­che Wir­kung. In der Kai­ser­li­chen Mari­ne wur­de sein Buch zunächst durch Admi­ral Lud­wig ­Bor­ken­ha­gen bekannt. Kai­ser Wil­helm II. emp­fahl sei­nen Mari­ne­of­fi­zie­ren, Mahan zu lesen. Nicht zuletzt Groß­ad­mi­ral Alfred von ­Tirpitz bezog sich auf Mahan, um ener­gisch ein ambi­tio­nier­tes Flot­ten­bau­pro­gramm vor­an­zu­trei­ben. (MW)

 

 

Hal­ford J. Mack­in­der: Demo­cra­tic Ide­als and Rea­li­ty. A Stu­dy in the Poli­tics of Recon­s­truc­tion, 1919

 

Der bri­ti­sche Zoo­lo­ge, Geo­graph und Poli­ti­ker Sir Hal­ford John Mack­in­der (1861 – 1947) war einer der Begrün­der geo­po­li­ti­schen Den­kens; er führ­te hier auch den Begriff »Man­power« ein. Haus­ho­fer wur­de durch Mack­in­der eben­so beein­flußt wie Carl Schmitt.

Sein Auf­satz »The Geo­gra­phi­cal Pivot of Histo­ry« (1904) geht ange­sichts einer ver­netz­ten, zugleich poli­tisch auf­ge­teil­ten Welt davon aus, daß die­se nun ein »geschlos­se­nes poli­ti­sches Sys­tem« bil­de: »Jede Explo­si­on sozia­ler Kräf­te, statt in einem Umkreis unbe­kann­ter Aus­deh­nung und in bar­ba­ri­schem Cha­os zu ver­puf­fen, wird auf der ande­ren Sei­te des Glo­bus ein lau­tes Echo aus­lö­sen, und schwa­che Ele­men­te in der poli­ti­schen und wirt­schaft­li­chen Orga­ni­sa­ti­on der Welt wer­den in der Fol­ge­zeit zer­schmet­tert werden.«

In einer ver­kehrs­mä­ßig erschlos­se­nen eura­si­schen Land­mas­se, deren ost­wär­ti­gen Kern er das »Herz­land« nennt, erkennt er die poten­ti­el­le Welt­macht der Zukunft: Erlangt die­se Land­macht Kon­trol­le über wich­ti­ge Häfen, kann sie auch fer­ne See­mäch­te gefährden.

In sei­nem Buch Demo­cra­tic Ide­als and Rea­li­ty. A Stu­dy in the Poli­tics of Recon­s­truc­tion (1919) greift er dies nach dem Ers­ten Welt­krieg auf und for­dert eine »Rei­he unab­hän­gi­ger Staa­ten zwi­schen Deutsch­land und Ruß­land«, um den deut­schen Zugriff auf Ruß­land zu ver­bau­en, denn, so die spä­ter oft zitier­ten Leit­sät­ze die­ses Buches: »Wer über Ost­eu­ro­pa gebie­tet, beherrscht das Herz­land. Wer über das Herz­land gebie­tet, beherrscht die Welt­in­sel. Wer über die Welt­in­sel gebie­tet, beherrscht die Welt.« (IC)

 

 

Otto Maull: Das Wesen der Geo­po­li­tik (1936), Leip­zig 1941

 

Zwei grund­sätz­li­che Pro­ble­me der Geo­po­li­tik ver­sucht die klei­ne Schrift des Geo­gra­phen Otto Maull (1887 – 1957) zu behe­ben: zum einen ihr unkla­res Ver­hält­nis zur Poli­ti­schen Geo­gra­phie, zum ande­ren ihre man­geln­de theo­re­ti­sche Bestimmung.

Maull war zwi­schen 1925 und 1932 Mit­her­aus­ge­ber der von Karl Haus­ho­fer begrün­de­ten Zeit­schrift für Geo­po­li­tik und hat­te von 1929 bis 1945 den Lehr­stuhl für Phy­si­sche Geo­gra­phie in Graz inne. Maull fin­det bereits bei Hero­dot die Ein­sicht der Geo­po­li­tik for­mu­liert, daß es mög­lich ist, den Erfolg raum­be­zo­ge­ner Poli­tik auf­grund der geo­gra­phi­schen Mög­lich­kei­ten abzu­schät­zen. Er ver­folgt die­se Idee bis in sei­ne Gegen­wart und wür­digt dabei ins­be­son­de­re die Vor­ar­bei­ten, die das 19. Jahr­hun­dert zur Geo­po­li­tik geleis­tet hat.

Poli­ti­sche Geo­gra­phie ist für Maull die theo­re­ti­sche Grund­wis­sen­schaft, auf der die Geo­po­li­tik als »ange­wand­te Poli­ti­sche Geo­gra­phie«, als »Wis­sen­schaft von der raum­be­zo­ge­nen Poli­tik« auf­baut. Geo­po­li­tik wird also weni­ger durch ihren For­schungs­ge­gen­stand als durch ihre Auf­ga­be bestimmt, die dar­in liegt, das Deut­sche Reich zu hei­len wie ein Mediziner.

Wei­ter­hin lie­ge die Auf­ga­be der Geo­po­li­tik in der Zusam­men­fas­sung der poli­tisch rele­van­ten Erkennt­nis­se zu einer all­ge­mei­nen Staats­wis­sen­schaft, die sich des über­ra­gen­den Ein­flus­ses der geo­gra­phi­schen Gege­ben­hei­ten bewußt ist. Der »glü­hends­te Patrio­tis­mus« brin­ge nur »Gut und Blut in Gefahr«, wenn er die gege­be­nen Mög­lich­kei­ten miß­ach­te, heißt es pro­phe­tisch. Maull ver­folgt die­se Mög­lich­kei­ten, ohne in einen geo­po­li­ti­schen Deter­mi­nis­mus zu ver­fal­len (dabei die damals heik­le Fra­ge nach der Prio­ri­tät von Raum oder Ras­se geschickt umschif­fend), indem er der poli­ti­schen Idee und der umset­zen­den Per­sön­lich­keit eine ent­schei­den­de Rol­le zumißt. (EL)

 

 

Carl Schmitt: Land und Meer. Eine welt­geschichtliche Betrach­tung (1942), Stutt­gart 62008

 

Mit der Ver­öf­fent­li­chung die­ser »Betrach­tung« ver­läßt der Staats­recht­ler Carl Schmitt (1888 – 1985) sein natür­li­ches Habi­tat der wis­sen­schaft­li­chen Pro­sa, da es sich hier­bei um eine Geschich­te han­delt, die er sei­ner Toch­ter Ani­ma (1931 – 1983) gleich­sam als Gute-Nacht-Geschich­te erzählt hat.

Aller­dings soll­te man sich von der locke­ren Her­an­ge­hens­wei­se nicht täu­schen las­sen, Schmitt geht es um die Ursa­chen des Zwei­ten Welt­kriegs. Aus­ge­hend von der Dicho­to­mie von Land­tre­tern und Meer­schäu­mern (ein altes Wort für Pira­ten), unter­sucht Schmitt das wech­sel­vol­le Ver­hält­nis von Land und Meer, wobei er gleich zu Beginn den Deter­mi­nis­mus ablehnt, weil ein neu­es Raum­ge­fühl (eine »Raum­revolution«) sonst undenk­bar wäre. Aber um den Wech­sel der Struk­tur des Raum­be­grif­fes geht es Schmitt, weil an ihm die poli­ti­sche Grund­ord­nung, der Nomos, einer jeden Epo­che hängt.

Die letz­te, geschicht­lich voll­ende­te Raum­re­vo­lu­ti­on ist die des 16. und 17. Jahr­hun­derts, als die euro­päi­schen See­fah­rer den Rest der Welt in Besitz nah­men: das Zeit­al­ter der euro­päi­schen Land­nah­me, das durch die bri­ti­sche See­nah­me ergänzt und voll­endet wur­de. Letz­te­re führ­te zu einem Wan­del des Krie­ges, der auf See gegen den Han­del und damit auch Zivi­lis­ten bis zur Ver­nich­tung geführt wurde.

Mit der ver­kehrs­mä­ßi­gen Erschlie­ßung des Mee­res im Lau­fe des 19. Jahr­hun­dert ver­lo­ren die Bri­ten ihren Sta­tus als Meer­schäu­mer und wur­den »Maschi­nen­be­die­ner«. Des­halb haben die Bri­ten mit der im Ent­ste­hen begrif­fe­nen, neu­en Raum­ord­nung nichts zu tun, in der die Unter­schei­dung von Land und Meer auf­ge­ho­ben ist. In die­ser sich voll­zie­hen­den Raum­re­vo­lu­ti­on sah Schmitt eine Ergän­zung zur rus­si­schen Revo­lu­ti­on, dem Ende der bür­ger­li­chen Gesell­schaft. (EL)

 

 

Nicho­las John Spyk­man: The Geo­gra­phy of the Peace, 1944

 

Gebo­ren in Ams­ter­dam, seit 1928 US-Bür­ger, wirk­te Nicho­las John Spyk­man (1893 – 1943) zunächst in hol­län­di­schen Diens­ten unter ande­rem als Agent, pro­mo­vier­te dann in den USA über die Sozi­al­theo­rie Georg Sim­mels und lehr­te schließ­lich Inter­na­tio­na­le Poli­tik in Yale.

Sein Buch America’s Stra­tegy in World Poli­tics (1942) steht am Anfang der »rea­lis­ti­schen« Schu­le der US-Poli­to­lo­gie. Auf­grund gründ­li­cher, geo­gra­phisch fun­dier­ter Ana­ly­se der Lage der USA in »kon­ti­nen­ta­ler Inter­de­pen­denz« plä­diert er gegen Iso­la­tio­nis­mus und für eine Gleich­ge­wichts­po­li­tik, ging von einer auch künf­tig in regio­na­le Räu­men geord­ne­ten Welt aus, in der eini­ge Groß­mäch­te über Kon­ti­nen­te hin­weg agieren.

Das von Kol­le­gen nach sei­nem Tod kom­pi­lier­te Buch The Geo­gra­phy of the Peace (1944) gilt als Mani­fest der spä­te­ren Poli­tik der »Ein­däm­mung« gegen die UdSSR. In Aus­ein­an­der­set­zung mit Mack­in­ders »Heartland«-Theorie gewich­tet es die Rand­re­gio­nen jener Welt­in­sel, das »Rim­land«, als ent­schei­dend: »Who con­trols the rim­land rules Eura­sia, who rules Eura­sia con­trols the desti­nies of the world.«

Es wider­spricht jedoch geo­po­li­ti­schem Deter­mi­nis­mus: ­»Außer der Geo­gra­phie« beding­ten Bevöl­ke­rungs­dich­te, öko­no­mi­sche Struk­tur, eth­ni­sche Zusam­men­set­zung, Regie­rungs­form, »Kom­ple­xe und Lieb­lings­vor­ur­tei­le der Außen­mi­nis­ter« sowie Idea­le und Wer­te der Bevöl­ke­rung die Poli­tik eines Lan­des. Abseits der bis­he­ri­gen Fixie­rung auf das »Rimland«-Konzept ist das Den­ken von Spyk­man indes neu zu ent­de­cken, zeig­te Oli­vi­er Zajec in sei­ner Bio­gra­phie (2016). (IC)

 

 

Samu­el P. Hun­ting­ton: Kampf der Kul­tu­ren. Die Neu­ge­stal­tung der Welt­po­li­tik im 21. Jahr­hun­dert (1996), Mün­chen 1998

 

Der US-ame­ri­ka­ni­sche Poli­tik­wis­sen­schaft­ler ­Samu­el P. Hun­ting­ton (1927 – 2008) wur­de im deutsch­spra­chi­gen Raum durch sei­ne kon­tro­vers dis­ku­tier­te The­se bekannt, daß künf­tig Kon­flik­te nicht zwi­schen Län­dern, son­dern zwi­schen Kultur­räumen ent­ste­hen und aus­ge­tra­gen wer­den. Die­se The­se stell­te er erst­mals 1992 in einem Vor­trag auf und kon­kre­ti­sier­te sie 1993 in einem Arti­kel in der Zeit­schrift For­eign Affairs unter dem Titel »The Clash of Civilizations?«

Sein Bei­trag ver­stand sich als Reak­ti­on auf das 1992 erschie­ne­ne Buch The End of Histo­ry and the Last Man sei­nes ehe­ma­li­gen Stu­den­ten Fran­cis Fuku­ya­ma. Hun­ting­ton bau­te sei­ne The­se eini­ge Jah­re spä­ter in sei­nem 1996 publi­zier­ten Buch The Clash of Civi­liza­ti­ons and the ­Rema­king of World ­Order aus.

Hun­ting­ton, der unter ande­rem von dem pes­si­mis­ti­schen Kul­tur­theo­re­ti­ker Oswald Speng­ler beein­flußt war, kon­sta­tier­te Anfang der 1990er Jah­re zwar das Ende des Zeit­al­ters der Ideo­lo­gien, war aber der Auf­fas­sung, die Welt sei nur in eine Art Nor­mal­zu­stand zurück­ge­kehrt, der künf­tig durch kul­tu­rel­le Kon­flik­te geprägt sei. Hier­bei geht er von einer Rei­he von Kul­tur­räu­men aus, die von einem Kern­staat domi­niert werden.

Als »Bruch­li­ni­en­kon­flik­te« bezeich­net ­Hun­ting­ton Aus­ein­an­der­set­zun­gen zwi­schen Gemein­schaf­ten oder Staa­ten, die unter­schied­li­chen Kul­tur­räu­men ange­hö­ren. Aus ihnen kön­nen sich »Bruch­li­ni­en­krie­ge« ent­wi­ckeln. Ging es in der Ver­gan­gen­heit haupt­säch­lich um Kämp­fe zwi­schen Mon­ar­chen, Natio­nen oder Ideo­lo­gien, wie sie inner­halb der west­li­chen Zivi­li­sa­ti­on zu beob­ach­ten waren, tre­te die Welt­po­li­tik mit dem Ende des Kal­ten Krie­ges in eine neue Pha­se ein, in der sich die nicht­west­li­chen Zivi­li­sa­tio­nen von der west­li­chen Zivi­li­sa­ti­on eman­zi­pier­ten und zu eigen­stän­di­gen Akteu­ren her­an­wüch­sen, die die Welt­ge­schich­te beeinflussen.

Kri­ti­ker Hun­ting­tons mach­ten unter ande­rem gel­tend, daß sich Kul­tu­ren nicht bekämpf­ten, son­dern inein­an­der­flös­sen. (MW)

 

 

Tim Mar­shall: Die Macht der Geo­gra­phie. Wie sich Welt­po­li­tik anhand von 10 Kar­ten erklä­ren läßt (2015), Mün­chen 2016

 

Der bri­ti­sche Jour­na­list Tim Mar­shall, der unter ande­rem für die BBC und Sky News als Exper­te für Außen­po­li­tik tätig war, kon­zen­triert sich in dem Buch The Power of Geo­gra­phy. Ten Maps that Reve­al the Future of Our World (2021), dem Nach­fol­ge­buch zu Pri­soners of Geo­gra­phy. Ten Maps that Reve­al the Future of Our World (2015), erneut auf zehn Gebie­te, die er auf­grund ihrer geo­gra­phi­schen Lage als poten­ti­el­le Kri­sen­her­de der Zukunft betrach­tet, und zwar aus Grün­den des Kli­ma­wan­dels, wegen eth­ni­scher Kon­flik­te oder des Wett­be­werbs um Res­sour­cen. Dabei han­delt es sich um Aus­tra­li­en, Iran, Sau­di-Ara­bi­en, das Ver­ei­nig­te König­reich, Grie­chen­land und die Tür­kei, die Sahel­zo­ne, Äthio­pi­en, Spa­ni­en und den Weltraum.

Mar­shalls geo­gra­phi­sche Eng­füh­run­gen, die an Wer­ke aus der Zeit der klas­si­schen Geo­po­li­tik erin­nern, haben teil­wei­se für ent­schie­de­nen Wider­spruch gesorgt. Der Ber­li­ner Geo­graph Hans-Diet­rich Schultz bei­spiels­wei­se attes­tier­te ­Mar­shall bereits mit Blick auf des­sen Stu­die Pri­soners of Geo­gra­phy popu­lär­wis­sen­schaft­li­ches Niveau; Mar­shall rei­che ein Blick auf zehn Kar­ten, um die Welt­po­li­tik zu erklä­ren. In »pro­vo­kan­ter Rhe­to­rik« prä­sen­tie­re er die »Geo­gra­phie« als Letzt­be­grün­dung geschicht­li­cher Vorgänge.

Ähn­lich argu­men­tier­te der Geo­graph ­Hel­mut ­Schnei­der, der Mar­shall für sei­nen »kru­den Geo­de­ter­mi­nis­mus« kri­ti­sier­te. Ein Vor­wurf, der, neben der Kri­tik, die in Mar­shalls Büchern prä­sen­tier­ten zehn Kar­ten sei­en unter­kom­plex, nicht von der Hand zu wei­sen ist. 2015 hat Mar­shall in sei­nem bereits im Titel unmiß­ver­ständ­li­chen Buch Pri­soners of Geo­gra­phy – die deut­sche Aus­ga­be titel­te deut­lich defen­si­ver: Die Macht der Geo­gra­phie – apo­dik­tisch aus­ge­führt: Die Geo­gra­phie fun­gie­re immer auch als eine Art »Gefäng­nis«, das defi­nie­re, was ein Staat »ist oder sein kann«. (MW)

 

 

Pedro Baños: So beherrscht man die Welt. Die gehei­men Geo­stra­te­gien der Welt­po­li­tik (2017), Mün­chen 2019

 

Das Buch des spa­ni­schen Sicher­heits­exper­ten stand in sei­ner Hei­mat lan­ge auf den Best­sel­ler­lis­ten. In Deutsch­land wur­de es kurz nach dem Erschei­nen wie­der vom Markt genom­men. Der Ver­lag reagier­te damit auf eine hys­te­ri­sche Bespre­chung des Buches durch Alan Pose­ner, der in dem Buch anti­se­mi­ti­sche Aus­sa­gen gefun­den haben woll­te. Das Buch gibt es seit­dem nur noch anti­qua­risch zu ent­spre­chen­den Preisen.

Das Buch ent­puppt sich, abge­se­hen vom rei­ße­ri­schen Unter­ti­tel, als grund­so­li­de Ein­füh­rung in die Geo­po­li­tik bzw. Geo­stra­te­gie. Baños geht von der nüch­ter­nen Ein­sicht aus, daß die inter­na­tio­na­le Poli­tik nach bestimm­ten Regeln funk­tio­nie­re, die unab­hän­gig von der dahin­ter­ste­hen­den Moral sei­en, da die Geo­po­li­tik nur den Maß­stab des zeit­wei­lig zu errei­chen­den Vor- bzw. Nach­teils ken­ne. Der Autor nennt geo­po­li­ti­sche Prin­zi­pi­en (u. a. das Pri­mat der Wirt­schaft) und stellt 22 geo­stra­te­gi­sche Regeln auf, die von den bekann­ten der Abschre­ckung und der Ein­krei­sung über die indi­rek­te Herr­schaft und die Mög­lich­kei­ten der Pro­pa­gan­da bis hin zu den Mani­pu­la­tio­nen rei­chen, die nötig sind, um jeman­den mit den fal­schen Grün­den in den Krieg zu schicken.

Hier denkt Baños nicht zuletzt an die Vasal­len, die sich für den Hege­mon in nutz­lo­se Krie­ge am Ende der Welt ver­wi­ckeln las­sen, um ihm zu gefal­len. Unter den geo­po­li­ti­schen Feh­lern wer­den nicht nur die Miß­ach­tung natio­na­ler Eigen­hei­ten und reli­giö­ser Gefüh­le genannt, son­dern auch der Trug­schluß vom schnel­len Sieg ohne eige­ne Ver­lus­te. Der Cha­rak­ter eines Lehr­buchs wird durch die zahl­rei­chen Bei­spie­le verstärkt.

Und: Wenn man nicht schon die Nen­nung eines jüdi­schen Namens in die­sem Zusam­men­hang für anti­se­mi­tisch hält, wird man bei Baños auch kei­nen Anti­se­mi­tis­mus fin­den. (EL)

 

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