Einer schrieb: »Seit der Flüchtlingskrise 2015 zähle ich zu den Abonnenten Ihrer Zeitschrift. Heute, Ende 2022, befindet sich das politische System der BRD und damit unser Vaterland in einer noch nie dagewesenen Krise.
Den Mächtigen des Landes gelingt nicht mehr viel, sie stehen mit dem Rücken zur Wand. Steinmeiers Rede vom 28. Oktober ist eine Kapitulationserklärung, sie ist das Eingeständnis, daß man am Ende ist. In dieser Situation ist für alle alternativen Kräfte Orientierung gefragt. Diese Erwartung richtet sich nicht zuletzt, sondern vor allem auch an Ihre Zeitschrift. Es geht um die Vermittlung von Klarheit im Machbaren. Wo bleibt der Ausblick? Sind wir nur stark auf Nebenkriegsschauplätzen? Wer geht aufs Ganze? Was kann und was muß getan werden, und zwar jetzt? Versuchen Sie bitte, darauf eine Antwort zu geben«.
Und nun? Erst mal: Dieser Leser schrieb zu Recht, er erwartet zu Recht etwas von uns – eine klare Stimme, eine Lagedurchdringung, ein paar in den Boden (den Morast) geklopfte Wegweiser, jedenfalls mehr als bloß Empörung. Die Eckpunkte sind ja klar: Souveränität, Grenzen, Normalität, Sicherheit – »das Wohl des deutschen Volkes«.
Aber: Mit der Vermittlung von Klarheit im Machbaren ist das so eine Sache. Das Machbare, die Umsetzung – ist es die Aufgabe einer ums Grundsätzliche kreisenden Zeitschrift, dies zu formulieren, oder doch eher die einer Partei? Bemühen wir das Bild vom »rechten Mosaik« (wobei dieses Bild ein Sich-Ergänzen, ein Gesamtgefüge unterstellt, wo solches gar nicht gegeben ist): In diesem »Mosaik« waren im Wandel die Plätze der Sezession über die Jahre folgende:
Die gewagte Neugründung einer Zeitschrift 2003 mitten in den bleiernen Jahren, konzipiert als Nachfolgerin des verblühten Criticón; die Selbstvergewisserung einer jungen Generation von Publizisten, die sich rechte Theorie aneigneten, Entdeckungen machten, ihren Ton fanden und den Schnellroda-Sound prägten; ab 2011 strotzendes Selbstbewußtsein, an einem sich abzeichnenden rechtskonservativen Aufbruch als Stichwortgeber beteiligt zu sein; 2014 und 2015 Beteiligung an einer notwendigen Palastrevolte innerhalb der AfD, die sonst nicht wäre, was sie ist: eine Alternative; seit 2015 prägendes Projekt in einem Kulturkampf, der das Feuilleton aufmischte und die Anwesenheit rechter Intelligenz schockartig im Bewußtsein des selbstgefälligen, mit sich selbst zufriedenen politisch-medialen Komplexes verankerte; Gründungs- und Aufbauhelfer für ein halbes Dutzend Verlage, Projekte, Bewegungen, die sich dadurch entwickeln und emanzipieren konnten; parallel dazu Teil jener ersten Reihe, die einen Großteil der Denunziation und der Kriminalisierung durch Medien und Behörden abzufangen hatte; bis heute Abnutzungskämpfe vor Gericht, auf Buchmessen, in den Vertriebsstrukturen des Buchmarktes und im Internet.
Man notiert so etwas, um eine Antwort auf die oben gestellten Fragen vorzubereiten. Sie schält sich heraus und kann als Gegenfrage gegeben werden: War es je unsere Aufgabe, unseren Lesern zu sagen und vorzuschlagen, was im einzelnen gegen die Zerstörung unseres Landes zu machen sei? Nein, das war und ist unsere Aufgabe nicht. Unsere Aufgabe ist schon immer die gewesen, möglichst unverstellt wahrzunehmen und dafür zu sorgen, daß sich die politische und die metapolitische Opposition von rechts nichts, aber auch gar nichts über die Kräfteverhältnisse im Land vormacht.
Wenn überhaupt jemand die Lehre verinnerlicht hat, die der Katzentisch für uns bereithielt, dann wir. Einer denkenden, grundsätzlichen und ernsthaften Rechten eine Stimme zu geben, die sich weder wie ein Jammerton anhört noch wie ein Geschäftsmodell und auch nicht wie abgesicherter Bierfaschismus – das hatte und hat ordnende Wirkung. Diese ordnende Wirkung ist notwendiger denn je, jetzt, da sich das alternative Lager in den für die Opposition vorgesehenen Beteiligungsstrukturen einzurichten beginnt und jener Widerstandston, der vor zehn Jahren so neu klang, Gefahr läuft, zum Jargon zu verkommen.
Kann der Leser, der oben fragte, mit dieser Antwort zufrieden sein? Er kann zufrieden sein, wenn er begreift, welche Rolle wir spielen. Für alles andere (für die tägliche Empörung, für die Aufdeckung des nächsten Skandals, für die Tonleiter aus der Hoffnungstuba) sind andere zuständig.