Mexikos Cristero-Krieg

von Marcel Kehlberg -- PDF der Druckfassung aus Sezession 111/ Dezember 2022

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Aus­ge­rech­net dem Strea­ming-Por­tal Net­flix ist es zu ver­dan­ken, daß der Cris­te­ro-Krieg einem brei­te­ren inter­na­tio­na­len Publi­kum bekannt gemacht wor­den ist.

Der 2012 her­aus­ge­kom­me­ne Film Got­tes Gene­ral, im Ori­gi­nal For a Grea­ter Glo­ry, beschreibt mit Andy Gar­cia als Cris­te­ro-Gene­ral und Eva Lon­go­ria als des­sen Gat­tin (sowie einem uralten Peter O’Toole in einer Gast­rol­le) den grau­sa­men Bür­ger­krieg, der Mexi­ko von 1926 bis 1929 heimsuchte.

Neben die­ses kom­mer­zi­ell erfolg­lo­se Dra­ma kann noch ­Gra­ham Gree­nes Roman Die Kraft und die Herr­lich­keit von 1940 gestellt wer­den, der eben­falls die­sen blu­ti­gen Kon­flikt, wenn auch ver­frem­det, the­ma­ti­siert. Und last, not least berich­te­te damals ein jun­ger bel­gi­scher Jour­na­list namens Léon Degrel­le für eine rechts-katho­li­sche Zeit­schrift vom Ort des Geschehens.

Der Cris­te­ro-Krieg blieb weit­ge­hend unbe­kannt, obwohl er in die Ahnen­rei­he der moder­nen gegen­re­vo­lu­tio­nä­ren Volks­auf­stän­de seit der ­Ven­dée bis zu den Con­tras und dar­über hin­aus gehört. Mexi­ko war das ers­te Land der Neu­en Welt, in dem sich ein Ver­fas­sungs­kon­flikt zu einem ver­hee­ren­den Kul­tur­krieg aus­wuchs, der auch nach Ende der Kampf­hand­lun­gen wei­ter­schwel­te. Die Mobi­li­sie­rungs­en­er­gie der katho­li­schen Volks­fröm­mig­keit zwang den Staat zu einer behut­sa­me­ren Kirchenpolitik.

Gleich­zei­tig blieb die­ser drei­jäh­ri­ge, über­aus grau­sam geführ­te Bür­ger­krieg ein trau­ma­ti­scher Prä­ze­denz­fall, zu dem sich alle nach­fol­gen­den Erup­tio­nen im Land in ein Ver­hält­nis set­zen muß­ten, sei­en es die Zapa­tis­tas von Chia­pas mit ihrem legen­dä­ren, stets ver­mumm­ten Sub­co­man­dan­te Mar­cos, sei­en es in jüngs­ter Zeit die Auto­de­fen­sas, jene schwer­be­waff­ne­ten Bür­ger­mi­li­zen, die sich der Ter­ror­herr­schaft der Dro­gen­kar­tel­le mit­samt der kor­rum­pier­ten Poli­ti­ker­kas­te zu erweh­ren suchen.

Mexi­kos Staats­wer­dung ver­lief nach der Unab­hän­gig­keit von Spa­ni­en nicht gerad­li­nig. Nach Weg­fall des Mut­ter­lan­des geriet das Land in den Fokus aus­län­di­scher Inter­es­sen. Der Ein­fluß des vom Napo­leo­ni­schen Krieg geschwäch­ten Mut­ter­lan­des blieb zwar durch die hohe katho­li­sche Geist­lich­keit, die noch aus eth­ni­schen Spa­ni­ern bestand, weit­ge­hend gewahrt, doch das kurz­le­bi­ge, von fran­zö­si­schen Gna­den errich­te­te Kai­ser­tum ­Maxi­mi­li­ans von Habs­burg sowie die robus­te öko­no­misch-mili­tä­ri­sche Expan­si­on der benach­bar­ten USA mit­samt ihren Frei­kir­chen als Kultur­vehikel grif­fen an die Wur­zeln des Landes.

Aus Frank­reich waren die Frei­mau­rer­lo­gen in die dün­ne gesell­schaft­li­che Eli­te ein­ge­drun­gen, die zu gro­ßen Tei­len aus den nörd­li­chen, an die USA gren­zen­den Gebie­ten stamm­te, wäh­rend die katho­li­sche Kir­che in der Mas­se der Bevöl­ke­rung, im Zen­trum und im Süden, ver­an­kert blieb. Der Kult um die Jung­frau von Gua­d­a­lu­pe ver­band das his­pa­ni­sche Erbe auf kon­ge­nia­le Wei­se mit dem india­ni­schen Mut­ter­bo­den und soll­te zur lei­den­schaft­li­chen Mobi­li­sie­rung der Cris­te­ros wesent­lich bei­tra­gen. Die inter­nen Span­nun­gen, die aus die­sen hete­ro­ge­nen Ein­flüs­sen resul­tier­ten, ent­lu­den in der Fol­ge­zeit immer wie­der ihre inne­woh­nen­de Dynamik.

Schon Beni­to Juá­rez, ein Abkömm­ling von Urein­woh­nern, woll­te den Staat auf moder­ne Säu­len grün­den und begann die Kir­che, die er als Mexi­kos impor­tier­ten »Ersatz-Adel« betrach­te­te, juris­tisch wie insti­tu­tio­nell zurück­zu­drän­gen. Er such­te die Nähe der Frei­kir­chen und trug sich mit dem Gedan­ken einer eige­nen, von Rom ent­bun­de­nen mexi­ka­ni­schen Natio­nal­kir­che. Eine Idee, die erst nach ihm rück­sichts­los durch­ge­setzt wur­de. Der Staat soll­te in allem zum Motor der Moder­ni­sie­rung Mexi­kos werden.

Die­ses Reform­werk sorg­te immer wie­der für seis­mi­sche Erschüt­te­run­gen der in den Tra­di­tio­nen ver­har­ren­den Gesell­schaft. Aber ein auto­ri­tä­res Prä­si­di­al­re­gime unter Gene­ral Porf­irio Díaz sorg­te für eine Zeit rela­ti­ver Ruhe. Es war denn auch Díaz, der immer wie­der vor der Gefahr eines Reli­gi­ons­krie­ges in Mexi­ko warn­te und sein Regime als Boll­werk dage­gen kon­sti­tu­ier­te. Díaz regier­te mit einer kur­zen Unter­bre­chung von 1876 bis 1911.

Das, was spä­ter die Mexi­ka­ni­sche Revo­lu­ti­on genannt wer­den woll­te, waren Auf­stän­de gegen die­ses Regime, poli­tisch gelenkt von weni­gen bür­ger­li­chen Par­tei­gän­gern einer libe­ra­len Ver­fas­sung und mili­tä­risch ange­führt von legen­dä­ren Volks­tri­bu­nen wie Emi­lia­no Zapa­ta und Pancho Vil­la, die bei­de einem dif­fu­sen Früh­so­zia­lis­mus anhin­gen. Bei­de War­lords ach­te­ten in ihren Kam­pa­gnen jedoch das reli­giö­se Volks­emp­fin­den, ver­mie­den jeden Riß in ihrer Basis und hat­ten sogar Feld­geist­li­che in ihren Rei­hen. Ihre Ermor­dung mach­te sie für Gene­ra­tio­nen zu popu­lä­ren Mär­ty­rern, erspar­te ihnen aber auch eine kla­re Stel­lung­nah­me im fol­gen­den Ver­fas­sungs­kon­flikt und nahm der Volks­be­we­gung die Gali­ons- und Inte­gra­ti­ons­fi­gu­ren. Der bald aus­bre­chen­de Cris­te­ro-Krieg war denn auch in sei­ner ers­ten Pha­se führerlos.

Die Prä­si­den­ten des Lan­des ver­stan­den sich bald als Ver­wal­ter der Revo­lu­ti­on. In der Nach-Díaz-Ära gin­gen sie dar­an, das lang­ge­heg­te Ver­fas­sungs­pro­jekt zu voll­enden. Beson­ders ambi­tio­niert war ein Mann, der wie kein ande­rer gleich­sam Tabas­co-Öl ins mexi­ka­ni­sche Feu­er goß und den letz­ten Anlaß für den Cris­te­ro-Krieg lie­fer­te: Plut­ar­co Elí­as Cal­les. Er wur­de 1924 Prä­si­dent Mexi­kos. Der aus einer spa­ni­schen Ein­wan­de­rer­fa­mi­lie mit sephar­di­schen Wur­zeln stam­men­de ener­gi­sche Mann war nach­ein­an­der Leh­rer, Jour­na­list, Mili­tär und Minister.

Er gehör­te wie die gesam­te clan-arti­ge Ober­schicht einer Frei­mau­rer­lo­ge an und nahm sich Mus­so­li­ni zum Vor­bild. Schaut man sich sein Reform­werk genau­er an, drängt sich eher der Ver­gleich mit Ata­türk auf, der bereits einen uner­bitt­li­chen Kul­tur­kampf in sei­nem Land aus­focht, als sich Cal­les das­sel­be für Mexi­ko vor­nahm. Neben groß­an­ge­leg­ten (durch­aus erfolg­rei­chen) Infra­struk­tur­pro­jek­ten stand eine mexi­ka­ni­sche Art des social engi­nee­ring auf sei­ner Agenda.

1926 wur­de das soge­nann­te Gesetz Cal­les (Ley Cal­les) öffent­lich ver­kün­det. Es ord­ne­te die Kir­che dem Staat in allen Berei­chen unter und stell­te sie mit ande­ren Kul­ten gleich. Die katho­li­sche Kir­che ver­lor ihre Vor­zugs­stel­lung. Orden, katho­li­sche Pri­vat­schu­len sowie das öffent­li­che Tra­gen von Sou­ta­ne und reli­giö­sen Sym­bo­len wur­den unter­sagt. Alle Geist­li­chen muß­ten sich staat­lich regis­trie­ren las­sen. Ihre Anzahl soll­te begrenzt ­wer­den. Mit die­sem Gesetz wur­de der Lai­zis­mus-Arti­kel 130 der »libe­ra­len« Ver­fas­sung von 1917 bra­chi­al in den All­tag über­tra­gen. Mexi­kos föde­ra­le Struk­tur erlaub­te es den Bun­des­staa­ten dar­über hin­aus, die­ses Gesetz in Nach­bes­se­run­gen noch ein­mal zu radi­ka­li­sie­ren. Jalis­co, Michoacán, Yuca­tán und ande­re Regio­nen mach­ten davon Gebrauch, und es waren beson­ders jene Staa­ten, in denen die Cris­te­ro-Bewe­gung mit beson­de­rer Vehe­menz reagierte.

Die Reak­tio­nen der katho­li­schen Kir­che auf die Offen­si­ve des Staa­tes erfolg­ten auf meh­re­ren Ebe­nen und brach­ten (vor­erst) Hier­ar­chie und Kir­chen­volk dazu, an einem Strang zu zie­hen. Die ers­te fol­gen­schwe­re Maß­nah­me, zu der sich das mexi­ka­ni­sche Epi­sko­pat durch­rang, war die lan­des­wei­te Ein­stel­lung öffent­li­cher Got­tes­diens­te. Für das per­sön­li­che Gebet woll­te man die Kir­chen hin­ge­gen geöff­net las­sen. Gleich­zei­tig ver­si­cher­te man von sei­ten der Kir­chen­lei­tung der Regie­rung grund­sätz­li­che Dia­log­be­reit­schaft. Ers­te Ver­hand­lun­gen schei­ter­ten an der unnach­gie­bi­gen Hal­tung der Regie­rung, vor allem des Innen­mi­nis­ters, Oberst Teje­da, eines erklär­ten Fein­des der Kirche.

Unter­stüt­zung erhiel­ten die Bischö­fe aus Rom, von wo aus Papst Pius XI. Epi­sko­pat und Gläu­bi­ge auf­rief, die Kir­che tief in Mexi­kos Gesell­schaft zu ver­an­kern und beson­ders auf sozia­ler Ebe­ne die christ­li­che Bot­schaft gegen die Staats­ge­walt auf­zu­rich­ten. Zur Beson­der­heit der Situa­ti­on der Kir­che in Mexi­ko gehör­ten ihre frü­he Beschäf­ti­gung mit der sozia­len Fra­ge und die Popu­la­ri­tät der katho­li­schen Sozi­al­leh­re auf der Basis der Enzy­kli­ka Rer­um Novarum von Papst Leo XIII. Die Kir­che unter­hielt im Land vom Staat unab­hän­gi­ge Gewerk­schaf­ten und zahl­rei­che kari­ta­ti­ve Ein­rich­tun­gen. Von hohem sym­bo­li­schen Wert war dar­über hin­aus, daß Mexi­ko Chris­tus, dem König, geweiht wur­de, was die Bischö­fe des Lan­des schon im Jahr 1914 unter reger Betei­li­gung der Bevöl­ke­rung vor­ge­nom­men hatten.

Poli­tisch wirk­sam und für den Staat bedroh­lich wur­de die Kir­che erst durch die Grün­dung poli­ti­scher Platt­for­men, wie bei­spiels­wei­se der katho­li­schen Par­tei PCN (Part­ido Nacio­nal Cató­li­co). Geist­li­cher Vater des poli­ti­schen Katho­li­zis­mus in Mexi­ko war ein bel­gi­scher Jesu­it, P. Ber­nard ­Ber­göend SJ, ein Bewun­de­rer von Charles Maur­ras und beseel­ter Sozi­al­ar­bei­ter. Bereits 1913 hat­te er die Jugend­be­we­gung ACJM (Acción Cató­li­ca de la Juventud Mexi­ca­na) ins Leben geru­fen, wel­che spä­ter in die katho­li­sche Ver­tei­di­gungs­li­ga mit Namen LNDR (Liga Nacio­nal de Defen­sa por la Libert­ad Reli­gio­sa) ein­ge­hen soll­te. Vor allem die­se Orga­ni­sa­ti­on spiel­te eine ent­schei­den­de Rol­le als poli­ti­sche Brü­cke zu den Cristeros.

  1. Ber­göend betrieb sei­ne poli­ti­schen Akti­vi­tä­ten weit­ge­hend unter dem Radar sei­ner Kir­chen­obe­ren, die jede nur mög­li­che Eska­la­ti­on fürch­te­ten. Er lie­fer­te den empör­ten Mas­sen der Gläu­bi­gen einen genu­in mexi­ka­ni­schen Grün­dungs­my­thos, der den säku­la­ren Staat in letz­ter Kon­se­quenz dele­gi­ti­mie­ren soll­te. Alles dreh­te sich dabei um die Jung­frau von Gua­d­a­lu­pe, die 1531 dem Indio Juan Die­go erschie­nen und bald zur Schutz­pa­tro­nin Mexi­kos erho­ben wor­den war. Für P. Ber­göend ver­ein­te die Got­tes­mut­ter Indi­os, Mes­ti­zen und Spa­ni­er unter ihrem Man­tel und wur­de so zur eigent­li­chen, gleich­sam über­na­tür­li­chen Grün­de­rin Mexi­kos. Die­se Grün­dungs­mys­tik ver­sorg­te den Wider­stand mit der nöti­gen Anschub­energie, führ­te aber auch zu einem immer grö­ßer wer­den­den Kon­troll­ver­lust: Bewaff­net mit die­sem Glau­ben, wider­setz­te sich eine jun­ge Gene­ra­ti­on von Liga-Füh­rern der staat­li­chen (und bald auch kirch­li­chen) Ein­schüch­te­rung immer offe­ner. Zu Ostern 1926 kam es vor allem in Jalis­co zu hef­ti­gen Unru­hen, es gab Tote, und die Liga rief dazu auf, freie Kom­mu­nen zu wäh­len und dem Staat die staats­bür­ger­li­che Gefolg­schaft zu verweigern.

Die Eska­la­ti­on war ein­ge­tre­ten und bald mach­ten in ver­schie­de­nen Gegen­den bewaff­ne­te Grup­pen von sich reden, die sich die unter­schied­lichs­ten Bezeich­nun­gen zuleg­ten: Defen­so­res (Ver­tei­di­ger), Libert­ado­res (Befrei­er) und schließ­lich Cris­tos Reyes (etwa Christ­kö­nigs-Krie­ger). Die letz­te Bezeich­nung setz­te sich als Ver­ball­hor­nung all­ge­mein durch: Cristeros.

Im Som­mer des Jah­res 1927 waren es bereits 20 000 Gue­ril­le­ros, die spon­tan, ohne Zen­tral­kom­man­do oder mili­tä­ri­sche Struk­tur ihrem Zorn gewalt­sam Aus­druck ver­lie­hen und dabei über die Strän­ge schlu­gen. Der Ruf der Cris­te­ros blieb wäh­rend des Krie­ges nicht »unbe­fleckt«, dar­an änder­te auch die Anwe­sen­heit von zumeist ein­fa­chen Geist­li­chen in ihren For­ma­tio­nen nichts. Es gab unter ihnen ech­te Glau­bens­zeu­gen und Mär­ty­rer, doch man­che ver­ga­ßen auf den Feld­zü­gen ihre Wür­de. Viel an gewöhn­li­chem Ban­di­ten­tum hat­te sich unter die Cris­te­ros gemischt, was die Liga schon bald zum Ein­schrei­ten nötigte.

Gesucht wur­de ein fähi­ger Berufs­mi­li­tär, der den Cris­te­ros Dis­zi­plin, Struk­tur und eine mili­tä­ri­sche Stra­te­gie zu geben ver­moch­te. In Gene­ral Enri­que Goros­tie­ta (Held des ein­gangs erwähn­ten Films), einem Sproß bas­ki­scher Ein­wan­de­rer, fand die Liga den Mann mit der benö­tig­ten Exper­ti­se. Er hat­te als Kar­rie­re­sol­dat auf sei­ten der Regie­rung gegen Zapa­ta gekämpft und war zum jüngs­ten Gene­ral der Regie­rung auf­ge­stie­gen. Sein mili­tä­ri­sches Talent, das selbst den US-Bot­schaf­ter mit Bewun­de­rung erfül­len soll­te (»a for­mi­da­ble figh­ter«), mach­te den ver­meint­li­chen Man­gel an Glaubens­treue wett, der ihm stets nach­ge­sagt wurde.

Sein von der Liga bewil­lig­ter, exor­bi­tant hoher Sold soll­te zudem Gerüch­te um sei­ne Per­son wei­ter anhei­zen. Die per­sön­li­chen Beweg­grün­de, sich der Cris­te­ro-Bewe­gung anzu­schlie­ßen, sie zu for­men, sie zu uner­war­te­ten Erfol­gen zu füh­ren und letzt­lich für sie das Leben zu opfern, blei­ben im dun­keln. Fest steht, daß es Goros­tie­ta gelang, weit­ge­hend Dis­zi­plin in die hete­ro­ge­nen Hau­fen zu brin­gen: Goros­tie­ta war ein Meis­ter der Gue­ril­la und poch­te in sei­nen regel­mä­ßi­gen Send­schrei­ben an sei­ne Unter­füh­rer dar­auf, den Kampf nur bei kla­rer Sieg­chan­ce zu begin­nen und die Orts- und Kräf­te­ver­hält­nis­se nicht aus den Augen zu verlieren.

Der Krieg wur­de mit unbe­schreib­li­cher Grau­sam­keit aus­ge­tra­gen. Die USA unter­stütz­ten Cal­les zwar mit Aus­rüs­tung, doch die föde­ra­le Armee des Staa­tes bestand zum gro­ßen Teil aus zwangs­re­kru­tier­ten, unmo­ti­vier­ten Sol­da­ten, dem Alko­hol oder dem Mari­hua­na ver­fal­len. Vie­le deser­tier­ten und maro­dier­ten. Vie­le Cris­te­ros stan­den dem in nichts zurück, vor allem, je län­ger der Krieg dau­er­te. Für die Zivil­be­völ­ke­rung waren bei­de Par­tei­en oft von Wege­la­ge­rern nicht mehr zu unterscheiden.

Wäh­rend der Krieg wüte­te, wur­de hin­ter dem Rücken der Cris­te­ros (und der Liga) ver­han­delt. Der Kir­chen­staat setz­te nun auf eine ver­mit­teln­de Rol­le der USA, maß­geb­lich mit ange­sto­ßen von Bot­schaf­ter Dwight Mor­row. In den USA hat­te ein ame­ri­ka­ni­scher Jesu­it, P. Wil­frid Par­sons SJ, die­sen Krieg als einen Krieg gegen den christ­li­chen Glau­ben beschrie­ben und in der US-ame­ri­ka­ni­schen Öffent­lich­keit bekannt­ge­macht, die nun eine wei­te­re Unter­stüt­zung für Cal­les ablehnte.

Bei­de Sei­ten kamen in Geheim­ge­sprä­chen über­ein, jeweils die Radi­ka­len bei den anste­hen­den Ver­hand­lun­gen außen vor zu las­sen. Der Krieg wur­de bei­gelegt, als Prä­si­dent Cal­les 1929 zurück­trat. Die Ver­ein­ba­rung zwi­schen Kir­che und mexi­ka­ni­schem Staat sah vor, daß der Staat auf die Durch­set­zung der anti­kirch­li­chen Geset­ze ver­zich­ten und den Bun­des­staa­ten die Befug­nis­se in der Kir­chen­po­li­tik beschnei­den wür­de. Im Gegen­zug ver­zich­te­te die Kir­che auf poli­ti­sche Agi­ta­ti­on und »befahl« den Cris­te­ros die Ein­stel­lung der Kämp­fe. Rasch wur­de noch Goros­tie­ta ermor­det, wie zuvor schon Zapa­ta und Villa.

Die Über­ein­kunft (auch Modus viven­di genannt) zwi­schen Kir­che und Staat war alles ande­re als eine Ver­söh­nung. Der poli­ti­sche Katho­li­zis­mus wur­de in den 1930er Jah­ren kurz­zei­tig wie­der­be­lebt durch eine Bewe­gung, wel­che die selt­sa­me Bezeich­nung Syn­ar­chis­mus trug und auf Mexi­ko beschränkt blieb. Immer wie­der wur­de sie mit faschis­ti­schen Bewe­gun­gen in eins gesetzt, wozu zwei­fel­los die ver­wand­te Sym­bo­lik (Uni­for­mie­rung, Auf­mär­sche, Gruß, cha­ris­ma­ti­sche Füh­rer) bei­getra­gen hat. Der Syn­ar­chis­mus (wört­lich »mit Auto­ri­tät«) woll­te den Katho­li­zis­mus unter den Lai­en mili­tan­ter auf­stel­len, obwohl er einen bewaff­ne­ten Arm sowie gene­rell Gewalt ablehnte.

Sei­ne Ideo­lo­gie war nicht expli­zit aus­ge­ar­bei­tet, doch bestimm­te Eck­punk­te wie Anti­kom­mu­nis­mus, kon­fes­sio­nel­ler Natio­na­lis­mus und öko­no­mi­scher Dis­tri­bu­tis­mus steck­ten ihn ab. Der Syn­ar­chis­mus pfleg­te zwar freund­schaft­li­che Bezie­hun­gen zur spa­ni­schen Falan­ge, doch blie­ben die Unter­schie­de bestehen. Es gelang ihm, unter den mexi­ka­ni­schen Ein­wan­de­rern im Süden der USA einen gewis­sen Ein­fluß zu erlan­gen, doch ein wirk­li­cher Durch­bruch blieb ihm ver­sagt, nicht zuletzt auf­grund staat­li­cher Repression.

Mexi­kos Cris­te­ro-Krieg war eine Epi­so­de, die weit­ge­hend im toten Win­kel der kol­lek­ti­ven Erin­ne­rung ver­blie­ben ist. Er durch­kreuzt die kla­ren Zuschrei­bun­gen, wie sie lin­ke Revo­lu­tio­nä­re so ger­ne in Stein mei­ßeln, war er doch ein veri­ta­bler Volks­auf­stand, der zudem vie­le Indi­ge­ne anspre­chen konn­te, was der sich revo­lu­tio­när gebär­den­den Regie­rung ver­sagt blieb. Lin­ke Revo­lu­tio­nä­re gegen die Staats­ge­walt wie­der­um stör­te die Ver­an­ke­rung in der katho­li­schen Reli­gio­si­tät, die nicht unge­schickt als die authen­ti­sche Befrei­ung von (jeder) staat­li­cher Über­grif­fig­keit pro­pa­giert wur­de. Daß die­se Bewe­gung schließ­lich auch vom theo­kra­ti­schen Vati­kan-Staat als Übel ange­se­hen wur­de, gehört zur Tra­gik eines jeden Gläu­bi­gen, der immer wie­der mit anse­hen muß, wie auch in divi­nis »dem Cäsar gege­ben wird, was des Cäsars ist« (vgl. Mt 22).

 

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