Daß die Entscheidung des Kardinalskollegiums von 2013 einen Epochenbruch darstellt, wird von Freund und Feind nicht bestritten. Wichtige Veränderungen in der Amtsführung im Vergleich zu der Papst Benedikts XVI. sind offenkundig. Sie waren schon am Anfang des Pontifikats sichtbar, als der Neugewählte auf die rote Mozetta, das Symbol des Martyriums des Petrus und der Jurisdiktion, sowie auf die priesterliche Stola verzichtete. Beobachter zogen daraus weitreichende Schlüsse.
Doch die Veränderungen blieben nicht auf die symbolische Ebene beschränkt. Der Journalist Walter Tributsch hat nun ein fundiert-kritisches Buch über den Lebensweg Jorge Mario Bergoglios vorgelegt. Als junger Mann engagierte sich der angehende Kleriker bei den sozialistischen Peronisten, deren Wirken für viele einen faschistischen Grundzug offenbarte. Später trat er in die Gesellschaft Jesu ein und stieg, trotz einiger Rückschläge in der Ordenskarriere, in der Kirche Argentiniens schnell auf, bis zum Erzbischof von Buenos Aires und zum Vorsitzenden der argentinischen Bischofskonferenz. Er galt als konservativer Gegner der Befreiungstheologie. Dennoch besaßen die Belange der Armen und der Kampf gegen Korruption für ihn einen hohen Stellenwert.
Der 2001 zum Kardinal ernannte Bergoglio verfügte früh über einflußreiche Netzwerke im Vatikan. Besonders die Kontakte zu Kardinal Carlo Martini, dem früheren Erzbischof von Mailand und bekennenden Reformer, werden erwähnt. Der Aufstieg des Südamerikaners mit italienischen Wurzeln ist nicht ohne bekannte (meist liberale) Persönlichkeiten denkbar, die sich auch in verschiedenen Gruppen organisiert haben, etwa in der als »St.-Gallen-Mafia« verschrienen Konspiration. Franziskus ist »gemacht« und aufbaut worden, wie es der Autor beschreibt – in besonderer Weise von den Gegnern Joseph Ratzingers.
Tributsch will aber nicht nur Fakten über den Werdegang des derzeitigen Papstes präsentieren; er betrachtet ihn als eine Art realen Wiedergänger einer Figur, die der ehemalige Jesuit und Schriftsteller Malachi Brendan Martin (1921 – 1999) in seinem Roman Der letzte Papst aus den 1990er Jahren konturiert hat. In dieser Erzählung beschreibt der traditionalistisch ausgerichtete Geistliche die Rolle von Globalisten, Freimauern und Satanisten im Vatikan sehr drastisch. Ebenso werden pädophil-homosexuelle Exzesse von Klerikern gerade in nachkonziliarer Zeit literarisch ausgeschmückt. Dennoch dürften viele die Schrift Martins eher als realistische denn als fiktive Darstellung gelesen haben.
Tributschs Veröffentlichung übergeht die vielen heißen Eisen nicht, die mit katholischer Kirche und Vatikan gerade in politischen Diskussionen verbunden werden: Homosexualität, Pädophilie, Freimaurerei, die Rolle Satans und weitere brisante Felder. Nicht zuletzt die unklaren und theologisch oft zweideutigen Aussagen des jetzigen Nachfolgers Petri sind dem Verfasser, der aus einer frommen Familie stammt, ein Dorn im Auge.
Das Urteil des Autors ist an Klarheit kaum zu überbieten: Franziskus’ Kurs des spirituellen Umsturzes schadet der Kirche. Etwas zugespitzt zitiert Tributsch Papst Leo den Großen: »Die Würde des heiligen Petrus geht auch in einem unwürdigen Erben nicht verloren«. Die Publikation des österreichischen Journalisten ist (ungeachtet des reißerischen Titels) empfehlenswert. Sie liefert weitgehend prüfbare Fakten. Gleichzeitig meidet sie die bei manchen Vatikan-Berichterstattern beliebten Ausschmückungen konspirativer Hintergründe, die indessen aber nicht ganz ausgeblendet werden können, weil Absprachen in kleinen Kreisen auch im Vatikan nicht bedeutungslos sind. Es kommt jedoch auf die Art und Weise an, wie über Verschwörungen berichtet wird, die man ja meist weder belegen noch widerlegen kann, mithin also im Bereich der Mutmaßungen anzusiedeln sind. Hilfreich ist das Personenregister am Ende des Buches.
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Walter Tributsch: Schafft der Papst die Kirche ab? Katholischer Glaube und liberale Geisteshaltung, Graz: Ares Verlag. 245 S., 19,90 €
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