Annett Meiritz, Juliane Schäuble: Guns n’ Rosé

Konservative Frauen sind in den USA zu einem Machtfaktor geworden. Ein hochinteressantes Buch!

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

2020 hat­te sich die Zahl der Repu­bli­ka­ne­rin­nen im US-Reprä­sen­tan­ten­haus ver­dop­pelt. Hin­zu: Die­se Frau­en waren alle klar rechts. Anders als hier­zu­lan­de sind dort die Berei­che weib­li­cher Akti­vis­mus und Poli­tik eng ver­zahnt. ­Mei­ritz und Schäub­le lis­ten die Orga­ni­sa­tio­nen und Prot­ago­nis­tin­nen auf.

Es gibt die Con­cer­ned Women for Ame­ri­ca, das Cen­ter for Rene­wing Ame­ri­ca und unge­zähl­te wei­te­re (teils alte) Gras­wur­zel­pro­jek­te, die gegen den neu­en Main­stream oppo­nie­ren: gegen laxe Abtrei­bungs­re­geln, gegen die beto­nier­ten For­de­run­gen der »LGBTQplus«-Gemeinschaft, gegen Homo-Pro­pa­gan­da an den Schu­len, gegen »Sozia­lis­mus«, wor­un­ter bereits der Wohl­fahrts­staat zählt.Auch schwar­ze (Yocum Afri­can Ame­ri­can Histo­ry Asso­cia­ti­on) und Lati­no­frau­en (Brown Coun­ty Area Repu­bli­can Women) rei­hen sich ein in die antilin­ke Front.

Unse­re bei­den deut­schen Autorin­nen stau­nen ange­sichts eines Ver­net­zungs­tref­fens die­ser Mut­frau­en: »Das sind alles kei­ne ›schüch­ter­nen Heim­chen‹, die ein paar Tage der Haus­ar­beit ent­kom­men wol­len.« Man habe hier sou­ve­rä­ne, laut­star­ke Teil­neh­me­rin­nen vor­ge­fun­den, die das Land vor der »radi­ka­len Lin­ken« ret­ten wol­len. Die­se Frau­en sei­en mutig, eigen­wil­lig und rhe­to­risch stark. Wuch­tig ist auch die Sze­ne der christ­li­chen Rech­ten. Hier sind es zuvör­derst evan­ge­li­ka­le Frau­en, die enor­men Ein­fluß gewin­nen. Frau­en wie Vic­to­ria Osteen, Beth Moo­re und Jen Hat­ma­ker (von denen wohl die wenigs­tens Deut­schen je gehört haben) sind Schwer­ver­die­ner auf mis­sio­na­ri­schen Social-Media-Kanälen.

Ein Vor­bild der gesam­ten Sze­ne­rie dürf­te die rechts­kon­ser­va­ti­ve Akti­vis­tin Phyl­lis Schlaf­ly (1924 – 2016) gewe­sen sein. Eine anti­fe­mi­nis­ti­sche Iko­ne! Die gläu­bi­ge Katho­li­kin und Erfolgs­au­torin Schlaf­ly per­so­ni­fi­zier­te das »haus­fräu­li­che« Gegen­mo­dell zur lin­ken Frau­en­be­we­gung der sech­zi­ger Jah­re. Eine gran­dio­se Spot­te­rin, eine Wucht! Mei­ritz / Schäub­le zitie­ren die Jura-Pro­fes­so­rin und »Gen­der-For­sche­rin« Ton­ja ­Jaco­bi: Kon­ser­va­ti­ve Frau­en sei­en heu­te, da links­li­be­ra­ler Femi­nis­mus vor­an­schrei­tet, fast immer in der Min­der­heit. Jaco­bi: »Aber gleich­zei­tig sind sie die lei­den­schaft­lichs­ten, laut­stärks­ten Kämp­fe­rin­nen für ihre Interessen.«

Es gibt enga­gier­te »Mama War­ri­ors« an US-ame­ri­ka­ni­schen Schu­len, die sich wei­gern, die Erzie­hung dem Staat zu über­las­sen. Deren öffent­li­che Reso­nanz wäre hier­zu­lan­de unvor­stell­bar. Auch der beträcht­li­che Wider­stand gegen die ultra­lin­ke »Cri­ti­cal Race Theo­ry«, die (per Schuld­im­ple­men­tie­rung bei allen »Wei­ßen«) an Schu­len wie Uni­ver­si­tä­ten Fuß fas­sen soll, wird hier einer kri­ti­schen Wür­di­gung unter­zo­gen. Schäub­le / Mei­ritz nen­nen bered­te Beispiele.

Man merkt die­sem Buch an, daß zwei Autorin­nen mit unter­schied­li­chen Stim­men am Werk waren. In man­chen Pas­sa­gen wird den kon­ser­va­ti­ven Frau­en Respekt gezollt, in ande­ren spielt die (oft wohl­fei­le) Skep­sis eine wich­ti­ge Rol­le. Über gro­ße Stre­cken liest sich Guns n’ Rosé (falls es jemand nicht weiß: Der Buch­ti­tel ist eine Anspie­lung auf die popu­lä­re US-ame­ri­ka­ni­sche Rock­band Guns n’ Roses, gegrün­det 1985) als fei­ne, genaue Beob­ach­tung mit Mut zu Zwi­schen­tö­nen. In ande­ren Pas­sa­gen fal­len pau­scha­le Nomen­kla­tu­ra-Wen­dun­gen, die beto­nen sol­len, daß die Beob­ach­te­rin ganz und gar auf der Sei­te der Guten steht. Als Leser weiß man nicht, wer was schrieb. Bei­de Autorin­nen (Schäub­le, Toch­ter von Wolf­gang, ist Jahr­gang 1976, Mei­ritz 1982) sind »Young Lea­der der Atlan­tik-Brü­cke«. Man ist lesend gera­de­zu dank­bar für die­se Trans­pa­renz und soll­te die­sen Hin­ter­grund nicht zu hoch gewich­ten, son­dern auf den Recherche­gewinn schau­en. Falls die viel­fach bewähr­te Regel zutref­fen soll­te, wonach alles, was in den USA en vogue ist, mit ein paar Jah­ren Ver­zö­ge­rung in Deutsch­land anbran­det, hät­ten wir span­nen­de Zei­ten vor uns!

Von wegen »Atlan­tik-Brü­cke«: Mei­ritz /Schäuble neh­men über­haupt kei­nen Brü­cken­schlag vor. Einen Abgleich mit deut­schen Ver­hält­nis­sen gibt es nicht im Ansatz. Scha­de ist auch, daß ein Per­so­nen­ver­zeich­nis fehlt. Für deut­sche Lese­rin­nen wäre ein sol­ches (und: stan­den denn kei­ne Por­trät­fo­tos zur Ver­fü­gung?) enorm hilf­reich gewe­sen. Wer kann all die­se Namen –von Nik­ki Haley über Kay Ivey, Kay C. Jones, ­Kris­ti Noem, Kim Rey­nolds bis hin zu ­Mer­ce­des Schlapp und der wohl mäch­tigs­ten Repu­bli­ka­ne­rin Eli­se Ste­fa­nik – bild­los memo­rie­ren und ein­ord­nen? In die­sen Auf­zäh­lun­gen von Kar­rie­ren und Netz­wer­ken blei­ben die­se Frau­en der Tat daher blaß.

Den Brü­cken­schlag müs­sen wir schon selbst vor­neh­men: Bereits heu­te ist die Zahl der kämp­fe­ri­schen kon­ser­va­ti­ven und rech­ten Frau­en breit auf­ge­stellt. Wir haben mit so unter­schied­li­chen Prot­ago­nis­tin­nen von Ana­bel Schun­ke über ­Bir­git Kel­le, Hed­wig von Bever­foer­de, Marie-Thé­rè­se Kai­ser bis hin zu Ali­ce Wei­del, Rein­hild Boß­dorf und Anna Leis­ten bereits eine brei­te, wenn auch nicht ein­hel­li­ge Front muti­ger und öffent­lich­keits­wirk­sa­mer Frau­en gegen den Mainstream.

Man muß die­se Damen nicht auf »einen Nen­ner brin­gen« oder gemein­sam schlag­kräf­tig machen. Sie machen je ihre Sache, und sie machen sie gut. Sie ste­hen ein­an­der nicht im Weg, und das reicht eigent­lich aus. Gut Ding will Wei­le haben. Wir wer­den es sehen, sicher! In Deutsch­land viel­leicht waf­fen­los und nicht unbe­dingt mit Rosé.

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Annett Mei­ritz, Julia­ne Schäub­le: Guns n Rosé. Kon­ser­va­ti­ve Frau­en erobern die USA, Ber­lin: Ch. Links Ver­lag 2022. 256 S., 18 €

 

Die­ses Buch kön­nen Sie auf antaios.de bestellen.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

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