2020 hatte sich die Zahl der Republikanerinnen im US-Repräsentantenhaus verdoppelt. Hinzu: Diese Frauen waren alle klar rechts. Anders als hierzulande sind dort die Bereiche weiblicher Aktivismus und Politik eng verzahnt. Meiritz und Schäuble listen die Organisationen und Protagonistinnen auf.
Es gibt die Concerned Women for America, das Center for Renewing America und ungezählte weitere (teils alte) Graswurzelprojekte, die gegen den neuen Mainstream opponieren: gegen laxe Abtreibungsregeln, gegen die betonierten Forderungen der »LGBTQplus«-Gemeinschaft, gegen Homo-Propaganda an den Schulen, gegen »Sozialismus«, worunter bereits der Wohlfahrtsstaat zählt.Auch schwarze (Yocum African American History Association) und Latinofrauen (Brown County Area Republican Women) reihen sich ein in die antilinke Front.
Unsere beiden deutschen Autorinnen staunen angesichts eines Vernetzungstreffens dieser Mutfrauen: »Das sind alles keine ›schüchternen Heimchen‹, die ein paar Tage der Hausarbeit entkommen wollen.« Man habe hier souveräne, lautstarke Teilnehmerinnen vorgefunden, die das Land vor der »radikalen Linken« retten wollen. Diese Frauen seien mutig, eigenwillig und rhetorisch stark. Wuchtig ist auch die Szene der christlichen Rechten. Hier sind es zuvörderst evangelikale Frauen, die enormen Einfluß gewinnen. Frauen wie Victoria Osteen, Beth Moore und Jen Hatmaker (von denen wohl die wenigstens Deutschen je gehört haben) sind Schwerverdiener auf missionarischen Social-Media-Kanälen.
Ein Vorbild der gesamten Szenerie dürfte die rechtskonservative Aktivistin Phyllis Schlafly (1924 – 2016) gewesen sein. Eine antifeministische Ikone! Die gläubige Katholikin und Erfolgsautorin Schlafly personifizierte das »hausfräuliche« Gegenmodell zur linken Frauenbewegung der sechziger Jahre. Eine grandiose Spotterin, eine Wucht! Meiritz / Schäuble zitieren die Jura-Professorin und »Gender-Forscherin« Tonja Jacobi: Konservative Frauen seien heute, da linksliberaler Feminismus voranschreitet, fast immer in der Minderheit. Jacobi: »Aber gleichzeitig sind sie die leidenschaftlichsten, lautstärksten Kämpferinnen für ihre Interessen.«
Es gibt engagierte »Mama Warriors« an US-amerikanischen Schulen, die sich weigern, die Erziehung dem Staat zu überlassen. Deren öffentliche Resonanz wäre hierzulande unvorstellbar. Auch der beträchtliche Widerstand gegen die ultralinke »Critical Race Theory«, die (per Schuldimplementierung bei allen »Weißen«) an Schulen wie Universitäten Fuß fassen soll, wird hier einer kritischen Würdigung unterzogen. Schäuble / Meiritz nennen beredte Beispiele.
Man merkt diesem Buch an, daß zwei Autorinnen mit unterschiedlichen Stimmen am Werk waren. In manchen Passagen wird den konservativen Frauen Respekt gezollt, in anderen spielt die (oft wohlfeile) Skepsis eine wichtige Rolle. Über große Strecken liest sich Guns n’ Rosé (falls es jemand nicht weiß: Der Buchtitel ist eine Anspielung auf die populäre US-amerikanische Rockband Guns n’ Roses, gegründet 1985) als feine, genaue Beobachtung mit Mut zu Zwischentönen. In anderen Passagen fallen pauschale Nomenklatura-Wendungen, die betonen sollen, daß die Beobachterin ganz und gar auf der Seite der Guten steht. Als Leser weiß man nicht, wer was schrieb. Beide Autorinnen (Schäuble, Tochter von Wolfgang, ist Jahrgang 1976, Meiritz 1982) sind »Young Leader der Atlantik-Brücke«. Man ist lesend geradezu dankbar für diese Transparenz und sollte diesen Hintergrund nicht zu hoch gewichten, sondern auf den Recherchegewinn schauen. Falls die vielfach bewährte Regel zutreffen sollte, wonach alles, was in den USA en vogue ist, mit ein paar Jahren Verzögerung in Deutschland anbrandet, hätten wir spannende Zeiten vor uns!
Von wegen »Atlantik-Brücke«: Meiritz /Schäuble nehmen überhaupt keinen Brückenschlag vor. Einen Abgleich mit deutschen Verhältnissen gibt es nicht im Ansatz. Schade ist auch, daß ein Personenverzeichnis fehlt. Für deutsche Leserinnen wäre ein solches (und: standen denn keine Porträtfotos zur Verfügung?) enorm hilfreich gewesen. Wer kann all diese Namen –von Nikki Haley über Kay Ivey, Kay C. Jones, Kristi Noem, Kim Reynolds bis hin zu Mercedes Schlapp und der wohl mächtigsten Republikanerin Elise Stefanik – bildlos memorieren und einordnen? In diesen Aufzählungen von Karrieren und Netzwerken bleiben diese Frauen der Tat daher blaß.
Den Brückenschlag müssen wir schon selbst vornehmen: Bereits heute ist die Zahl der kämpferischen konservativen und rechten Frauen breit aufgestellt. Wir haben mit so unterschiedlichen Protagonistinnen von Anabel Schunke über Birgit Kelle, Hedwig von Beverfoerde, Marie-Thérèse Kaiser bis hin zu Alice Weidel, Reinhild Boßdorf und Anna Leisten bereits eine breite, wenn auch nicht einhellige Front mutiger und öffentlichkeitswirksamer Frauen gegen den Mainstream.
Man muß diese Damen nicht auf »einen Nenner bringen« oder gemeinsam schlagkräftig machen. Sie machen je ihre Sache, und sie machen sie gut. Sie stehen einander nicht im Weg, und das reicht eigentlich aus. Gut Ding will Weile haben. Wir werden es sehen, sicher! In Deutschland vielleicht waffenlos und nicht unbedingt mit Rosé.
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Annett Meiritz, Juliane Schäuble: Guns n’ Rosé. Konservative Frauen erobern die USA, Berlin: Ch. Links Verlag 2022. 256 S., 18 €
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